Entscheidungsdatum: 03.07.2013
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 595 790
(DE 592 09 582)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Musiol und Dipl.-Ing. Albertshofer
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 595 790 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
"1. Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (106) in nicht zum vertikalen Rücklauf gehörenden Zeilen eines Fernsehsignals, wobei die Signalart-Zusatzinformation in verbesserten 16:9 -Empfängern auswertbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass als Signalart-Zusatzinformation in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern ein Datenpaket übertragen wird, welches Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten enthält, wobei empfangsseitig die Einlaufinformationsdaten für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten dienen und die Startinformationsdaten zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten dienen und
dass die Signalart-Zusatzinformation mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten umfasst:
- Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält;
- Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder
und dass den Einlaufinformationsdaten ein Impuls der Dauer T2 vorangestellt ist, dessen Pegel der maximalen Amplitude Umax der Daten entspricht und dessen Breite ein Mehrfaches der Taktperiode der Daten umfasst.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzinformationsdaten derart gesendet werden, dass von jedem Datenpaket seine nicht-invertierte und invertierte Signalform sequentiell übertragen wird und dass empfangsseitig zur Feststellung von Übertragungsfehlern zu jeder invertierten Signalform die zugehörige nicht-invertierte Signalform addiert (52) wird, wobei eine resultierende Signalsumme ungleich Null einen Übertragungsfehler indiziert.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzinformationsdaten in Form mehrerer Datenpakete strukturiert sind.
4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlaufinformationsdaten Sinusschwingungen enthalten.
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzinformationsdaten mit erhöhter Redundanz übertragen werden.
6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Nutzinformationsdaten-Signal gleichspannungsfrei ist.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzinformationsdaten biphasecodiert sind."
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 595 790 (Streitpatent), das als Teilanmeldung auf die frühere europäische Patentanmeldung 92 907 677.6 (Stammanmeldung, veröffentlicht als WO 92/19072 A1) zurückgeht, die am 9. April 1992 angemeldet wurde. Das nach Klageerhebung durch Zeitablauf erloschene Streitpatent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 592 09 582.7 geführt und trägt die Bezeichnung "Verfahren zum Übertragen einer digitalen Zusatzinformation in einer Zeile eines Fernsehsignals". Es nimmt die Priorität der deutschen Patentanmeldung 41 12 712 vom 18. April 1991 in Anspruch und umfasst in der erteilten Fassung 8 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung (EP 0 595 790 B1) folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (106) in nicht zum vertikalen Rücklauf gehörenden Zeilen eines Fernsehsignals, wobei die Signalart-Zusatzinformation in verbesserten 16:9 -Empfängern auswertbar ist,
dadurch gekennzeichnet, daß als Signalart-Zusatzinformation in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern ein Datenpaket übertragen wird, welches Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten enthält, wobei empfangsseitig die Einlaufinformationsdaten für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten dienen und die Startinformationsdaten zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten dienen und
daß die Signalart-Zusatzinformation mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten umfaßt:
- Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält;
- Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder."
Wegen der auf Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, macht mit der Nichtigkeitsklage geltend, seinem Gegenstand fehle die Patentfähigkeit. Das Streitpatent könne die Priorität der deutschen Anmeldung nicht wirksam beanspruchen. Weiter sei Patentanspruch 2 unzulässig erweitert, da sein Gegenstand weder in der Teilanmeldung noch in der Stammanmeldung offenbart sei. Die Beschreibung des Streitpatents enthalte ebenfalls eine unzulässige Erweiterung, da die Möglichkeit der Unterscheidung von Letterbox-Signalen mit und ohne Signalart-Zusatzinformation weder der Stammanmeldung noch der Teilanmeldung entnommen werden könne. In der von der Verletzungsklägerin verwendeten Auslegung umfasse der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in unzulässiger Weise auch das Senden von Signalart-Zusatzinformation in Zeilen, die keine aktive Bildzeile seien. Das Streitpatent sei schließlich mangels Ausführbarkeit für nichtig zu erklären, da die Auslegung durch die Verletzungsklägerin dazu führe, dass es patentgemäß sei, dass die Signalisierungsinformation in einer aktiven Zeile untergebracht ist, die gar keine aktive Bildzeile sei.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:
NK1 Auszug aus Patentregister,
NK2 Kopie der Klageschrift des parallelen Verletzungsverfahrens samt Anlagen K1 bis K14,
NK3 Streitpatentschrift,
NK4 DE 41 12 712 A1,
NK5 A. Ziemer, E. Matzel: Fernseh- und Kinotechnik, 43. Jahrgang, Nr. 8/1989, Seiten 407 bis 410,
NK6 B. Morgenstern: Farbfernsehtechnik, Teubner-Verlag, Stuttgart, 1989, Seiten 20-23, 40- 45, 252-265,
NK7 Merkmalsgliederung PA 1,
NK8 WO 92/19072 A1, Offenlegungsschrift zur Stammanmeldung,
NK9 EP 0 595 790 A2, Offenlegungsschrift zur Teilanmeldung,
NK10, 11 Schriftsätze und Bescheide aus dem Anmeldeverfahren vor dem EPA,
NK12/D1 WO 90/14732 A1,
NK13/D2 EP 0 309 876 A2,
NK14/D3 D. Dietrich Westerkamp und Frans W. P. Vresswijk: Ein wichtiger Schritt zum 16:9-Breitbild; in Funkschau 18/1991, Seiten 66 bis 7,
NK15 Kopie der Klageerwiderung des parallelen Verletzungsverfahrens mit Anlage HL3,
NK16 Kopie der Replik des parallelen Verletzungsverfahrens,
NK17/D4 DE 38 42 941 A1,
NK18/D5 EP 0 555 918 A1,
NK19 ursprüngliche Unterlagen der europäischen Anmeldung 92 200 407,
NK20 Rentzsch, Siegfried B.: Begriffe der Elektronik, Franzis-Verlag, München, 1981, Seite 219.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 595 790 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage insoweit abzuweisen, als sie sich auch gegen die eingeschränkte Fassung gemäß Anlage NB4 zum Schriftsatz vom 26. April 2013 richtet.
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in den Fassungen der Anlagen NB5 und NB6, jeweils Anlagen zum Schriftsatz vom 26. April 2013.
Die Klägerin erklärt, die Klage richte sich auch gegen diese eingeschränkten Fassungen.
Die in erster Linie verteidigte Fassung des Streitpatents (vgl. Anlage NB4) unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass Patentanspruch 2 gestrichen und die sich an Patentanspruch 1 der erteilten Fassung anschließenden erteilten abhängigen Ansprüche 3 bis 8 in ihren Rückbezügen und in der Nummerierung als Patentansprüche 2 bis 7 entsprechend angepasst wurden.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 (vgl. Anlage NB5) unterscheidet sich von der in erster Linie verteidigten Fassung dadurch, dass in Patentanspruch 1 die Merkmale der letzten beiden Spiegelstriche sowie das Wort "mindestens" in Spalte 6, Zeile 2 der Streitpatentschrift gestrichen wurden.
In Hilfsantrag 2 (vgl. Anlage NB6) ist gegenüber der erteilten Fassung Patentanspruch 1 am Ende um das folgende Merkmal ergänzt:
"und dass den Einlaufinformationsdaten ein Impuls der Dauer T2 vorangestellt ist, dessen Pegel der maximalen Amplitude Umax der Daten entspricht und dessen Breite ein Mehrfaches der Taktperiode der Daten umfasst."
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin, soweit sie das Streitpatent verteidigt, in allen Punkten entgegen. Der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 nach der Anlage NB4 sei vollständig in dem Prioritätsdokument offenbart und das Streitpatent nicht unzulässig erweitert. Weiter sei der Gegenstand des Streitpatents durch den eingeführten Stand der Technik weder offenbart noch nahe gelegt. Auch sieht die Beklagte die Ausführbarkeit des Gegenstandes des Streitpatents als gegeben an.
Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sich die Beklagte auf folgende Unterlagen:
NB1 Unterlagen zum früheren Hilfsantrag (Anlage zum Schriftsatz vom 4. Juli 2012),
NB2 Mayer, Norbert: Die Neue Fernsehtechnik, Franzis-Verlag, München, 1987, Seiten 158-163,
NB3 Internetauszug Wikipedia "Flag",
NB4 in erster Linie verteidigte Patentansprüche,
NB5 Patentansprüche nach Hilfsantrag 1,
NB6 Patentansprüche nach Hilfsantrag 2,
NB7 Internetauszug Wikipedia "Fernsehsignal".
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 14. März 2013 sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt allen Anlagen verwiesen.
Die wegen der fortdauernden Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Streitpatent auch nach Ablauf dessen Schutzdauer zulässige Nichtigkeitsklage ist teilweise begründet. Das Streitpatent ist in der erteilten Fassung, die die Beklagte zuletzt nicht mehr verteidigt hat, bereits ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären. Es kann in der in erster Linie verteidigten Fassung (vgl. Anlage NB4) ebenso keinen Bestand haben wie in der Fassung nach Hilfsantrag 1 (vgl. Anlage NB5). Da das Streitpatent die Priorität der deutschen Patentanmeldung 41 12 712 nicht wirksam in Anspruch nimmt, steht die prioritätsältere nachveröffentlichte Druckschrift NK18 der Lehre des Streitpatents in diesen Fassungen neuheitsschädlich entgegen. Bezüglich der Fassung des Hilfsantrags 2 (vgl. Anlage NB6) hat die Nichtigkeitsklage keinen Erfolg, da der im Verfahren befindliche Stand der Technik die Patentfähigkeit des Streitpatents insoweit nicht gefährdet und das Streitpatent in dieser Fassung auch ansonsten rechtsbeständig ist.
I.
1. Das in der Verfahrenssprache Deutsch abgefasste Streitpatent betrifft ein Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer digitalen Signalart-Zusatzinformation in einer Zeile eines Fernsehsignals (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 3 - 5).
Das Streitpatent geht davon aus, dass es bekannt sei, Farbfernsehsignale im Breitbildformat 16:9 gemäß der (zum Prioritätszeitpunkt zukünftigen) PALplus-Norm dergestalt kompatibel zur (zum Prioritätszeitpunkt gültigen) PAL-Norm zu übertragen, dass sie in herkömmlichen (PAL-)Fernsehempfängern mit dem Bildformat 4:3 als sogenanntes Letterbox-Signal (mit schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand) wiedergegeben werden könnten (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 9 – 16). Damit ein Breitbildempfänger (16:9-Empfänger) aus dem empfangenen Letterbox-Signal das ursprüngliche Farbfernsehsignal regenerieren kann, müssten für ihn digitale Zusatzinformationen, welche sich auf den ursprünglichen Bildinhalt beziehen, übertragen werden. Hierfür nutze man die Letterboxstreifen (eben die schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand; Streitpatent, Sp. 1, Z. 30 – 35). So sei es aus der Druckschrift D1 bekannt, Zusatzinformationen in den schwarzen Rändern eines Letterbox-Signals mittels einer Schwarzwertanhebung in entsprechenden Zeilen des Fernsehsignals zu übertragen (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 17 – 20).
Da in der Übergangszeit, in der PAL- und PALPlus-Empfänger gleichzeitig genutzt würden, auf den Fernsehkanälen sowohl herkömmliche PAL-Signale als auch PALplus-Signale übertragen würden, müsse der jeweilige Empfänger erkennen können, welche Signalart aktuell bei ihm ankommt. Zu diesem Zweck sieht das Streitpatent Kennsignale (Statusbits) vor, welche als Signalart-Zusatzinformation übertragen werden. Diese Signalart-Zusatzinformation (im Streitpatent auch PALPlus-Zusatzinformationen genannt) könne die Signalart, die Herkunft des Quellsignals sowie das Vorhandensein von Bewegungen im Bildinhalt kennzeichnen (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 35 – 44). Sie muss streitpatentgemäß in einer starren zeitlichen Verknüpfung mit dem Bildinhalt stehen und deshalb korreliert mit den eigentlichen Bilddaten übertragen werden (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 45 - 48). Das Streitpatent geht weiter davon aus, dass gemäß dem damals geltenden PAL-Standard in der sogenannten vertikalen Austastlücke (vgl. Begriffsbestimmungen unten) keine freien Zeilen zur Verfügung stünden, in denen die Signalart-Zusatzinformationen übertragen werden könnten (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 48 – Sp. 2, Z. 3).
Demzufolge stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, eine Möglichkeit zur Übertragung von Signalart-Zusatzinformation anzugeben, ohne die bisherige Belegung der vertikalen Austastlücke zu verändern oder zu beeinträchtigen (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 24 - 28). Diese Aufgabe sieht das Streitpatent durch das in seinem Patentanspruch 1 angegebene Verfahren gelöst (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 28 - 29).
Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung des Streitpatents (Anlage NB4) stimmt mit Patentanspruch 1 der erteilten Fassung überein und lässt sich in folgende Merkmale gliedern:
M 1 Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (106) in Zeilen eines Fernsehsignals,
M1.1 die Signalart-Zusatzinformation wird in Zeilen des Fernsehsignals übertragen, die nicht zum vertikalen Rücklauf gehören,
M2 die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar.
(Oberbegriff)
M3a Die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen,
oder
M3b die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen.
M4 Als Signalart-Zusatzinformation wird ein Datenpaket übertragen.
M4.1 Das Datenpaket enthält Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten.
M4.2 Die Einlaufinformationsdaten dienen empfangsseitig für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten.
M4.3 Die Startinformationsdaten dienen zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten.
M5 Die Signalart-Zusatzinformation umfasst mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten:
M5.1 Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält,
M5.2 Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen,
M5.3 Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen,
M5.4 Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder.
(Kennzeichen)
Bezüglich der vorrangig verteidigten abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Anlage NB4 zum Schriftsatz der Patentinhaberin vom 26. April 2013 verwiesen.
2. Der Senat erachtet als maßgeblichen Fachmann einen Diplomingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Fernsehtechnik und der zugehörigen Übertragungstechnik befasst ist und über Kenntnisse der Standardisierungsvorschriften verfügt, die bei der Entwicklung und Inbetriebnahme von Fernsehgeräten und den zur Anwendung kommenden Übertragungsverfahren (etwa - wie auch im Streitpatent genannt – dem PAL-Standard) zu berücksichtigen sind.
3. Der Senat legt Patentanspruch 1 dahingehend aus, dass unter einem kompatiblen Übertragen eines Fernsehsignals eine Übertragung zu verstehen ist, bei welcher das übertragene Signal sowohl von herkömmlichen Empfängern mit Bildformat 4:3 als auch von Breitbildempfängern mit Bildformat 16:9 dargestellt werden kann (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 9-16).
Gemäß der Lehre des Streitpatents kann die Signalart-Zusatzinformation die Signalart, die Herkunft des Quellsignals sowie das Vorhandensein von Bewegungen im Bildinhalt kennzeichnen (vgl. Streitpatent, Sp. 1, Z. 35 – 44). Detailliert aufgeführt werden im Streitpatent die mit der Signalart-Zusatzinformation kennzeichenbaren Fernseh-Signalarten entsprechend den Merkmalen M5.1 bis M5.4 des erteilten Patentanspruchs 1. Hierbei versteht der Fachmann die Formulierung des Merkmals M5, der gemäß die Signalart-Zusatzinformation mindestens zwei der dort folgenden Fernseh-Signalarten "umfasst", in der Weise, dass die Signalart-Zusatzinformation mindestens zwei der Fernseh-Signalarten kennzeichnet. Gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 wird die Signalart-Zusatzinformation als ein strukturiertes Datenpaket übertragen (vgl. Merkmale M4 bis M4.3).
Der mit dem Streitpatent referenzierte, zum Prioritätszeitpunkt gültige und dem Fachmann vertraute PAL-Standard sieht vor, Fernsehbilder im sogenannten Zeilensprungverfahren (50 Halbbilder pro Sekunde mit je 312,5 Zeilen) zu übertragen. Hierbei besteht das erste Halbbild aus den 312,5 ungeradzahligen Zeilen und das zweite Halbbild aus den 312,5 geradzahligen Zeilen. Der sichtbare aktive Bildinhalt jedes ersten Halbbildes beginnt mit einer halben Zeile (ab der Mitte des Bildschirms) und der sichtbare aktive Bildinhalt jedes zweiten Halbbildes endet mit einer halben Zeile (bis zur Mitte des Bildschirms). Nach jedem Halbbild muss bei Röhrenempfängern der Elektronenstrahl vom unteren Ende des Bildschirms zum oberen Rand zurückbewegt werden. Hierfür wird in den übertragenen Fernsehsignalen ein Zeitraum vorgesehen, in dem keine Bildinformation übertragen wird, die sogenannte vertikale Austastlücke. Die vertikale Austastlücke (die vom Sender eingefügt wird) ist dabei so bemessen, dass ein standardkonformer Empfänger in dieser Zeit (oder schneller) den Elektronenstrahl vom unteren Ende des Bildschirms zum oberen Rand zurückbewegen kann, wobei letzterer Vorgang als vertikaler Rücklauf bezeichnet wird und in seiner Dauer ein Spezifikum des Empfängers darstellt. In dem Zeitraum der vertikalen Austastlücke, bzw. in den in diesem Zeitraum übertragenen Zeilen, werden gemäß PAL-Standard Steuer-, Prüf- und Synchronisierungssignale übertragen, beispielsweise Videotext-Signale oder VPS-Signale (vgl. auch Streitpatent, Sp. 1, Z. 51 – 56). Wie vorstehend ausgeführt, beginnt jedes erste sichtbare Halbbild (und damit jedes Vollbild) mit einer halben Zeile (ab der Mitte des Bildschirms) und endet der sichtbare aktive Bildinhalt jedes zweiten Halbbildes (und damit jedes Vollbild) mit einer halben Zeile (bis zur Mitte des Bildschirms). Die jeweils andere Hälfte dieser Zeilen wird für die Übertragung von Bildinformation nicht benötigt (da sie außerhalb des sichtbaren Bildbereiches liegt) und stellt somit die freie Hälfte dar. Das Streitpatent rechnet die genannten Zeilen nicht dem vertikalen Rücklauf zu, was der Fachmann unmittelbar den Merkmalen M1.1 und M3a und M3b entnimmt. Dies weicht insoweit vom üblichen fachmännischen Verständnis ab, als – wie ausgeführt – die Länge des vertikalen Rücklaufs ein Spezifikum des jeweiligen Empfängers darstellt und nur insoweit begrenzt ist, als der vertikale Rücklauf nicht länger dauern darf als die (vom Sendesignal vorgegebene) vertikale Austastlücke (vgl. auch Anlage NK6, S. 45, Bild 1.35).
Das Streitpatent definiert Einlaufinformationsdaten und Startinformationsdaten im erteilten Patentanspruch 1 gemäß ihrer Funktion (dort Merkmale M4.2 und M4.3).
Einen verbesserten 16:9-Empfänger im Sinne des Streitpatents stellt jeder Fernsehempfänger dar, der ein streitpatentgemäß übertragenes Signal empfangen und auswerten kann.
Ein Datenpaket ist in der Datenverarbeitung ganz allgemein eine Bezeichnung für eine in sich geschlossene, strukturierte Dateneinheit. Ein solches Datenpaket – im Unterschied zu einem Datenstrom – hat eine wohldefinierte Länge und Form, es kann daher auf Vollständigkeit und Brauchbarkeit geprüft werden. Das Streitpatent liefert dem Fachmann keinen Anlass, von diesem, ihm geläufigen Verständnis abzuweichen.
4. Die Klägerin trägt vor, die Auslegung, die von der hiesigen Beklagten im Verletzungsverfahren vorgenommen würde, führe dazu, dass es patentgemäß sei, die Signalisierungsinformation in einer aktiven Zeile unterzubringen, die gar keine aktive Bildzeile ist (vgl. Klageschriftsatz, dort S. 23, Abschnitt IV.). Es würde dem Fachmann mit dem Streitpatent aber nicht gelehrt und er könne auch sonst nicht erkennen, wie die Signalisierungsinformation in einer aktiven Zeile untergebracht werden kann, die gar keine aktive Bildzeile ist. In der Auslegung der Verletzungsklägerin sei das Streitpatent daher nicht ausführbar.
Der Senat kann sich dieser Auffassung der Klagepartei bezüglich einer angeblich nicht gegebenen Ausführbarkeit (Art. 138 (1) lit. b EPÜ) nicht anschließen, denn entscheidend für das Verständnis des Fachmanns ist nicht die Auslegung der hiesigen Beklagten. Der erteilte Patentanspruch 1 des Streitpatents gibt dem Fachmann vielmehr unmissverständlich an, dass die Signalart-Zusatzinformation in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen wird (vgl. Merkmale M3a und M3b). Diese Lehre kann der Fachmann problemlos umsetzen.
Andere Aspekte einer möglichen mangelnden Ausführbarkeit spricht die Klägerin nicht an und sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Der Fachmann konnte vielmehr zum Prioritätszeitpunkt die Lehre des Streitpatents auf Basis der Streitpatentschrift und seines Fachwissens ausführen.
5. Soweit die Klägerin geltend macht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Art. 138 (1) lit. c EPÜ), basiert ihre Argumentation auf folgenden drei Punkten:
- Erstens sei der Gegenstand des erteilten abhängigen Patentanspruchs 2 des Streitpatents weder in der Stammanmeldung noch der Teilanmeldung offenbart.
- Zweitens sei die Beschreibung des Streitpatents dahingehend erweitert, als die Möglichkeit der Unterscheidung von Letterbox-Signalen mit und ohne Signalart-Zusatzinformation weder in der Stammanmeldung noch der Teilanmeldung offenbart sei.
- Drittens umfasse der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der von der hiesigen Beklagten als Verletzungsklägerin verwendeten Auslegung auch das Senden von Signalart-Zusatzinformation in Zeilen, die keine aktive Bildzeilen seien.
Ausgangspunkt für die Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung muss gemäß Art. 138 (1) lit. c) EPÜ der Inhalt der Stammanmeldung sein, hier der europäischen Patentanmeldung 92 907 677.6. Die Stammanmeldung ist die regionale EP-Phase der PCT-Anmeldung PCT/EP/00801, die als WO 92/19072 A1 (vgl. NK8) veröffentlicht wurde. Die Stammanmeldung beansprucht u. a. die Priorität, welche auch das Streitpatent beansprucht.
Den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung (Offenlegungsschrift WO 92/19072 A1, vgl. Anlage NK8) ist auf Seite 3 folgender Passus zu entnehmen:
Im Prinzip besteht das erfindungsgemäße Verfahren darin, daß zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (16) in Zeilen eines Fernsehsignals
entweder;
diese Signalart-Zusatzinformation aus einem Datenpaket mit Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten gebildet wird, wobei empfangsseitig die Einlaufinformationsdaten für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten dienen und die Startinformationsdaten zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten dienen und das Datenpaket in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile des Fernsehsignals übertragen wird, wobei in verbesserten 16:9-Empfängern die mit Daten belegte Zeilenhälfte selektiert und die darin enthaltene Signalart-Zusatzinformation ausgewertet wird,
oder:
dem Fernsehsignal ein Kennungssignal im Bereich der hinteren Schwarzschulter in mindestens einer Zeile pro Vollbild vor einer Übertragung und/oder Speicherung hinzugefügt wird und die darin enthaltene Signalart-Zusatzinformation in verbesserten 16:9-Empfängern ausgewertet: wird,
wobei:
die Signalart-Zusatzinformation mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten umfaßt:
- Standard-Signal (kein Letterbox, keine Zusatzinformationen);
- Letterbox-Signal ohne Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Zusatzinformationen;
- Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder.
Damit sind – mit Ausnahme des Merkmals M1.1 - alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 unmittelbar offenbart. Da das Merkmal M1.1 durch das Merkmal M3a/b eine "Überbestimmung" erfährt, ist es hinsichtlich der Frage einer unzulässigen Erweiterung unschädlich. Ebenso unschädlich ist, dass die Stammanmeldung bezüglich der Fernseh-Signalarten von "Zusatzinformation", der erteilte Anspruch jedoch von "Bild-Zusatzinformation" spricht, denn infolge der Vorgabe, dass die Signalart-Zusatzinformation immer übertragen wird, kann bei fachmännischer Lesart mit "Zusatzinformation" nur die "Bild-Zusatzinformation" gemeint sein.
Ob der Gegenstand des erteilten abhängigen Patentanspruchs 2 des Streitpatents ursprünglich offenbart ist, kann dahinstehen, denn die Patentinhaberin verteidigt diesen nicht mehr.
Die Gegenstände der abhängigen Patentansprüche 2 bis 7, welche - umnummeriert - den erteilten abhängigen Patentansprüchen 3 bis 8 entsprechen, sind in der Stammanmeldung ebenfalls offenbart (vgl. zu Patentanspruch 2 dort die Seite 5, letzter Absatz i. V. m. Seite 7, letzter Absatz und Seite 8, erster Absatz; zu den Patentansprüchen 3 bis 7 dort die Seite 5, erster Absatz).
Soweit die Klägerin weiter vorträgt, das Streitpatent sei für nichtig zu erklären, da die Beschreibung des Streitpatents dahingehend erweitert sei, dass die Möglichkeit einer Unterscheidung von Letterbox-Signalen mit und ohne Signalart-Zusatzinformation aufgenommen wurde, so kann dies nicht durchgreifen. Denn selbst eine Passage in der Beschreibung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen wäre, könnte nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06 – "Hubgliedertor II"). Da aber die verteidigten Fassungen des Patentanspruches 1 jeweils die Übertragung von Signalart-Zusatzinformation als Zeilen-Bestandteil zwingend vorsehen, ist die Unterscheidung von Letterbox-Signalen mit und ohne Signalart-Zusatzinformation für ihre Auslegung nicht relevant.
Ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1, wie von der Klägerin vorgetragen, in der von der hiesigen Beklagten als Verletzungsklägerin verwendeten Auslegung auch das Senden von Signalart-Zusatzinformation in Zeilen, die keine aktive Bildzeile sind, umfasst, kann ebenfalls dahinstehen, denn entscheidend für das Verständnis des Fachmanns ist nicht die Auslegung der hiesigen Beklagten (vgl. hierzu auch obige Ausführungen unter 4.).
Damit sind die Merkmale der verteidigten Fassung offenbart.
6. Dem Gegenstand des verteidigten erteilten Patentanspruchs 1 steht die Druckschrift NK18 neuheitsschädlich entgegen.
a) Dem Streitpatent kommt als Zeitrang lediglich der 9. April 1992 und damit der Tag zu, an dem die dem Streitpatent zugrundeliegenden ursprünglichen Unterlagen als europäische Anmeldung (vgl. EP 0 595 790 A2) eingereicht wurden. Hingegen kann das Streitpatent die Priorität der deutschen Patentanmeldung 41 12 712.9 (NK4) nicht wirksam beanspruchen.
Eine Priorität kann für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Für die Beurteilung einer identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00 – "Elektronische Funktionseinheit" und BGH, Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10 – "UV-unempfindliche Druckplatte"). Demnach ist in einem Dokument als offenbart anzusehen, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig den betrachteten Unterlagen entnehmen kann, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH GRUR 2010, 910 – "Fälschungssicheres Dokument").
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bezüglich der deutschen Patentanmeldung 41 12 712.9 (NK4) nicht erfüllt. Die vorgenannte deutsche Patentanmeldung betrifft wie das Streitpatent ein Verfahren zum Übertragen einer digitalen Zusatzinformation in einer Zeile eines Fernsehsignals (vgl. dortigen Titel).
Zur Überzeugung des Senats kann der Fachmann der Prioritätsschrift NK4 den Begriff "kompatibel" unmittelbar und eindeutig nur in der Bedeutung einer Kompatibilität von PAL- und PALPlus-Formaten (letztere mit Zusatzinfo; vgl. in der Prioritätsschrift Sp. 1, Z. 5-12: "PALplus-Norm") entnehmen. Dies steht für den Fachmann auch im Einklang mit der Aufgabe der Prioritätsschrift, "…für die Übertragung der PALPlus-Zusatzinformation…" eine Lösung zu finden (vgl. Sp. 1, Z. 41 – 45). Es mag zwar die Kompatibilität von PAL- und PALPlus-Formaten gemäß der NK4 unter den Schutzbereich des erteilten Patentanspruchs 1 fallen, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 geht jedoch wesentlich weiter, denn er umfasst auch Lösungen, die nicht auf den PAL- bzw. PALPlus-Standard zurückgreifen.
Zudem kennt die Prioritätsschrift NK4 als Signalarten nur die Typen "herkömmlich" und "Letterbox(PALPlus)" mit Zusatzinformation (vgl. Sp. 1, Z. 5-16); aus der Prioritätsschrift geht jedenfalls die mit dem Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Signalart "Letterbox ohne Zusatzinfo" nicht hervor.
Weiterhin nennt die Prioritätsschrift (NK4) als mögliche Kennungen "herkömmlich" und "Letterbox", sowie als weitere - nicht hierarchisch untergeordnete - Kennungen "Quelle" und "Bewegung" (vgl. Sp. 1, Z. 16 – 26), womit die diesbezüglichen Kennungskombinationen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht offenbart sind.
Die Prioritätsschrift kennt auch keinen allgemeinen "verbesserten 16:9 Empfänger", sondern nur PALPlus-Empfänger, womit das Merkmal M2 diesbezüglich in seiner Allgemeinheit keine Stütze in der Prioritätsschrift findet.
Schließlich offenbart die Prioritätsschrift dem Fachmann zwar die "vertikale Austastlücke" und die "freie Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile des Fernsehsignals"; das Merkmal des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, demgemäß das Übertragen "in nicht zum vertikalen Rücklauf gehörenden Zeilen eines Fernsehsignals" stattfindet (Merkmal M1.1), ist hingegen in der Prioritätsschrift nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Der Anmeldetag der NK4 kann folglich nicht als Zeitrang für das vorliegende Patent in Anspruch genommen werden.
b) Die von der Klägerin entgegengehaltene Druckschrift EP 0 555 918 A1 (vgl. Anlage NK18) ist bei der Prüfung des Gegenstandes des Streitpatents hinsichtlich seiner Neuheit zu berücksichtigen, da diese Druckschrift die Priorität der europäischen Patentanmeldung 92 200 407.2 (vgl. Anlage NK19) wirksam beansprucht und somit Stand der Technik gemäß Artikel 54 Abs. 3 EPÜ i. V. m. Art. 89 EPÜ darstellt.
Soweit die Beklagte vorträgt, die Druckschrift NK18 könne die Priorität der europäischen Patentanmeldung 92 200 407.2 schon deshalb nicht wirksam in Anspruch nehmen, da eine Doppelpatentierung derselben Erfindung, deren gewollte Verhinderung die Basis für die Berücksichtigung von Stand der Technik gemäß Artikel 54 Abs. 3 EPÜ i. V. m. Art. 89 EPÜ darstelle, im vorliegenden Fall gar nicht vorstellbar sei, kann dies nicht überzeugen. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang auf Benkard, 10. Auflage, § 3, Rn. 74c und dort genannte Rechtsprechung sowie die Behauptung, alleine aus den Patentansprüchen der Prioritätsschrift ginge hervor, dass es sich bei der Prioritätsanmeldung um eine andere Erfindung handle. Sie muss sich jedoch entgegenhalten lassen, dass zwar der Gegenstand eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt wird, der Inhalt einer Patentanmeldung hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen ist, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob die Offenbarung der Prioritätsschrift für den Fachmann erkennen ließ, dass der Gegenstand der Druckschrift NK18, soweit für den Neuheitsvergleich herangezogen, von vornherein von der Offenbarung des prioren Schutzbegehrens mit umfasst worden ist, denn die Norm soll "die Patentierung von Erfindungen verhindern, die Gegenstand eines anderen im Inland geltenden Patents werden können" (vgl. die von der Beklagten in Bezug genommene Kommentarstelle in Benkard, 10. Auflage, § 3, Rn. 74c). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da sich sämtliche Passagen zu Ausführungsbeispielen der Druckschrift NK18, auf welche im folgenden Neuheitsvergleich (vgl. unten stehenden Abschnitt c.) Bezug genommen wird, bedeutungs-, meist sogar wortgleich in der Druckschrift NK19 wiederfinden. Dies wird im Einzelnen unter Angabe der jeweiligen Fundstellen in beiden Druckschriften nachgewiesen (s. unten unter c) und gilt insbesondere für den von der Beklagten herangezogenen Formulierungsunterschied zwischen dem Passus "In the future PALplus system,..." (vgl. S. 4, Z. 1 der NK 19) und "In the PALplus system,..." (vgl. Sp. 3, Z. 21 der NK 18), welche für den Fachmann im vorliegenden Zusammenhang bedeutungsgleich sind, da sie beide in gleicher Weise das jeweils folgende identische Ausführungsbeispiel in den Zusammenhang des PALplus-Standards einordnen und dessen exakte Ausprägung für das Verständnis der in den vorgenannten Schriften nachfolgenden detaillierten Beschreibungen keine Auswirkungen hat.
c) Die Druckschrift NK18 nimmt alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung neuheitsschädlich vorweg (Art. 54 EPÜ), wobei die maßgeblichen Punkte ebenso in der NK19 offenbart sind, deren Priorität sie zur Begründung ihres Zeitranges in Anspruch nimmt.
Die Druckschrift NK18 befasst sich ausweislich ihrer Beschreibung, Spalte 1, Zeilen 1 bis 5 mit einem Zusatzsignal, welches Steuerdaten für die Steuerung eines erweiterten Fernsehdecoders enthält. Gemäß einem Ausführungsbeispiel der Druckschrift NK18 werden in einer PALplus-Systemumgebung Steuerdaten in Form von Steuer-Bits übertragen, um wichtige Systemparameter zu beschreiben (vgl. Sp. 3, Z. 21 – 23; NK 19: S. 4, Z. 1 - 2). Als Beispiele derartiger Systemparameter sind in der Druckschrift NK18 explizit benannt (Sp. 3, Z. 24 – 33; NK 19: S. 4, Z. 3 - 8):
1. das Bildseitenverhältnis (4:3 oder 16:9),
2. die Tatsache, ob das Signal von einer Kamera aufgenommen wurde oder von einer Filmabtastung stammt,
3. Art und Weise der Chrominanz- und der Klang-Kodierung,
4. ob es sich bei dem Videosignal um ein PALplus-Signal oder ein Standard-PAL-Signal handelt,
5. ob die "schwarzen Balken", die sich ergeben, wenn ein 16:9-Bild als 4:3-Bild übertragen wird, Video-Informationen enthalten, um die vertikale Auflösung zu erhöhen und
6. der Typ der benutzten PAL-Kodierung.
Die vorgenannten Steuer-Bits stellen ihrer Funktion gemäß Signalart-Zusatzinformationen dar und werden in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten aktiven Zeilen (eben der Zeilen 23) eines PAL-Fernsehbildes übertragen (vgl. Sp. 3, Z. 37 – 40 und Sp. 5, Z. 34 – 46; NK 19: S. 4, Z. 10 – 12 und S. 6, Z. 4 - 11; Merkmale M1 tlw., M3a), mithin in Zeilen, die im Sinne des Streitpatents nicht zum vertikalen Rücklauf gehören (Merkmale M1.1). Die mit den Steuer-Bits übertragene Signalart-Zusatzinformation ist gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 in einem verbesserten 16:9-Empfänger auswertbar (vgl. Sp. 3, Z. 21 – 23 sowie Patentanspruch 9; NK 19: S. 4, Z. 1 - 2 und Patentanspruch 9; Merkmal M2). Da die Druckschrift NK18 vorschlägt, die Signalart-Zusatzinformation an einem standardgemäß "freien" Platz der Bildzeile (vgl. Sp. 3, Z. 37 – 40, insb.: "...use the inactive part of line 23 for transmission of these bits..."; NK 19: S. 4, Z. 10 - 12) zu übertragen, ist hiermit dem Fachmann mitgeteilt, dass sie kompatibel zu einem "normalen" PAL-Fernsehsignal übertragen wird (Merkmal M1 Rest ). Dies entnimmt der Fachmann im Übrigen der Druckschrift NK18 auch an anderer Stelle, an der ausgeführt wird, dass gerade mit dieser Signalart-Zusatzinformation dem Empfänger mitgeteilt wird, ob ein PAL- oder ein PALplus-Signal übertragen wird, beide Signalarten somit übertragen und empfangen werden können, was lediglich eine andere Aussageform für ein kompatibles Übertragen darstellt (vgl. Sp. 3, Z. 27 – 28; NK 19: S. 4, Z. 4 - 5). Die Signalart-Zusatzinformation wird des Weiteren als Bit-Sequenz und damit, im streitpatentlichen Sinne, in einem Datenpaket übertragen (vgl. Spalte 3, Zeilen 33 – 34; Sp. 4, Z. 9 – 21 und Sp. 5, Z. 34 - 46; NK 19: S. 4, Z. 8 – 9; S. 4, Z. 29 – S. 5, Z. 2 und S. 6, Z. 4 – 11; Merkmal M4). Diese Bit-Sequenz kann gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 eine Präambel enthalten (vgl. ebenda), welche ein Trainingssignal für die Datensynchronisation aufweist, das der empfangsseitig phasenrichtigen Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten dient (vgl. Spalte 5, Zeilen 7 bis 24 und Spalte 6, Zeilen 45 bis 50; NK 19: S. 5, Z. 22 – 32 und S. 7, Z. 13 – 16; Merkmal M4.2). Die genannte Präambel enthält weiter eine Sequenz (z. B. Barkersequenz) für die präzise Lokalisierung des ersten Datenbits im PALplus Steuersignal (vgl. Sp. 5, Z. 19 bis 22 und Zeilen 30 bis 33; NK 19: S. 5, Z. 25 – 31 und S. 6, Z. 1 – 3). Diese dient im Sinne des Streitpatents zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten (vgl. einmal mehr Spalte 5, Zeilen 19 bis 22; Merkmal M4.3). Damit enthält auch die Signalart-Zusatzinformation gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten im Sinne des Streitpatents (Merkmal M4.1).
Mit der übertragenen Signalart-Zusatzinformation erhält der Empfänger Informationen über Fernsehsignalarten (vgl. Spalte 3, Zeile 21 ff.; NK 19: S. 4, Z. 1 ff.; Merkmal M5), beispielsweise – wie bereits oben ausgeführt - über das Bildformat (4:3 oder 16:9). Der Empfänger kann mittels dieser Daten zwischen einem Standard-Signal (PAL-Signal im Bildformat 4:3), das bekanntermaßen kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält (Merkmal M5.1) und einem Letterbox-Signal unterscheiden (vgl. Sp. 3, Z. 24 – 28; NK 19: S. 4, Z. 3 – 5). Im Fall des Letterbox-Signals wird zudem Signalart-Zusatzinformation übertragen, die aussagt, ob die "schwarzen Balken" (also die Letterbox-Balken), die bei der Darstellung eines 16:9 Bildes in einem 4:3 Bildformat mit übertragen werden, Videoinformationen enthalten (vgl. Spalte 3, Zeilen 28 bis 32; NK 19: S. 4, Z. 5 - 7). Ist dies nicht der Fall (keine Videoinformationen enthalten), kennzeichnet die Signalart-Zusatzinformation unmittelbar auch ein Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen (Merkmal M5.2). Die Signalart-Zusatzinformation kann gemäß der Lehre der Druckschrift NK18 auch Informationen darüber enthalten, ob es sich bei dem aufgenommenen Format um eine Kamera oder Filmaufnahme handelt (vgl. Spalte 3, Zeilen 25 bis 27; NK 19: S. 4, Z. 3 – 4), so dass in Verbindung mit der ebenfalls übertragenen Information, ob die "schwarzen Balken" Videoinformationen enthalten (vgl. einmal mehr Spalte 3, Zeilen 28 bis 32) auch die Kennzeichnung von Letterbox-Signalen von Film- und/oder Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen realisiert ist (Merkmale M5.3 und M5.4).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Druckschrift NK18 offenbare in Sp. 3, Z. 28 – 31 lediglich, dass mittels der "control bits" die Information übertragen würde, "ob" die schwarzen Balken Zusatzinformation enthalten würden, jedoch keinesfalls die Information, dass die vorgenannte Zusatzinformation nicht übertragen wäre, da die dortige Formulierung sich auf das Wort "whether" beschränke und der Passus "or not" eben fehle. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen, denn zum einen ergibt sich für den Fachmann alleine aus der Verwendung des Wortes "whether" im vorliegenden Zusammenhang, dass angezeigt wird, "ob" die schwarzen Balken Zusatzinformation enthalten und dass, wenn dies nicht angezeigt wird, die schwarzen Balken keine Zusatzinformation enthalten. Zum zweiten entspricht bereits die Verwendung von "control bits" und damit zweiwertigen Informationsträgern ("0" oder "1") im vorliegenden Zusammenhang der Aussage "ob" und "ob nicht".
Soweit die Beklagte weiter vorgetragen hat, in anderem Zusammenhang der in Rede stehenden Textpassage der Druckschrift NK18 (Sp. 3, Z. 21 – 34) nenne die Druckschrift NK18 jedoch explizit Alternativen, so kann auch dies kein Abweichen von der vorgenannten Beurteilung begründen, denn soweit Alternativen genannt werden, gehen diese über Ja/Nein-Entscheidungen hinaus und benennen konkrete nicht selbstverständliche Werte der jeweils benannten Paare (z. B. "4:3" vs. "16:9", "camera" vs. "film", "PAL" vs. "PALplus").
Letztlich kann auch der Vortrag der Beklagten, die Druckschrift NK18 (vgl. dort Sp. 3, Z. 21 – 34) beziehe sich nur auf Systemparameter eines PAL-Systems, nicht überzeugen, nennt die Druckschrift NK18 doch explizit die Übertragungsmöglichkeiten von PAL-Signalen wie auch PALplus-Signalen (vgl. wiederum Sp. 3, Z. 27 – 28).
d) Mit dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfsanträge versucht, zur Patentfähigkeit der dort beanspruchten Gegenstände zu gelangen.
II. Zu den Hilfsanträgen
1. Zu Hilfsantrag 1
a) Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lässt sich wie folgt gliedern (Merkmalsbezeichnungen hinzugefügt, Änderungen gegenüber Patentanspruch 1 in der vorrangig verteidigten Fassung – vgl. oben S. 7 - durch Streichungen hervorgehoben):
M 1 Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (106) in Zeilen eines Fernsehsignals,
M1.1 die Signalart-Zusatzinformation wird in Zeilen des Fernsehsignals übertragen, die nicht zum vertikalen Rücklauf gehören,
M2 die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar.
(Oberbegriff)
M3a Die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen,
oder
M3b die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen.
M4 Als Signalart-Zusatzinformation wird ein Datenpaket übertragen.
M4.1 Das Datenpaket enthält Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten.
M4.2 Die Einlaufinformationsdaten dienen empfangsseitig für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten.
M4.3 Die Startinformationsdaten dienen zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten.
M5 Die Signalart-Zusatzinformation umfasst mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten:
M5.1 Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält,
M5.2 Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen,
M5.3 Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen,
M5.4 Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder.
(Kennzeichen)
Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 in der Fassung des Hilfsantrags 1 entsprechen denen der vorrangig verteidigten Fassung.
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 kann nicht mehr als neu gelten (Art. 54 EPÜ), denn die Druckschrift NK18 nimmt alle seine Merkmale neuheitsschädlich vorweg. Zur Begründung wird auf Abschnitt I.6 dieses Urteils verwiesen, aus dem sich die Vorwegnahme aller Merkmale des mit dem Hilfsantrag 1 verteidigten Patentanspruches 1 unmittelbar ergibt.
c) Mit dem Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen eines weiteren Hilfsantrags versucht, zur Patentfähigkeit der dort beanspruchten Gegenstände zu gelangen.
2. Zu Hilfsantrag 2
a) Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lässt sich wie folgt gliedern (Merkmalsbezeichnungen hinzugefügt, Änderungen gegenüber dem Patentanspruch 1 in der vorrangig verteidigten Fassung – vgl. oben S. 7 - durch Fettdruck hervorgehoben):
M 1 Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (106) in Zeilen eines Fernsehsignals,
M1.1 die Signalart-Zusatzinformation wird in Zeilen des Fernsehsignals übertragen, die nicht zum vertikalen Rücklauf gehören,
M2 die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar.
(Oberbegriff)
M3a Die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen,
oder
M3b die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen.
M4 Als Signalart-Zusatzinformation wird ein Datenpaket übertragen.
M4.1 Das Datenpaket enthält Einlauf-, Start- und Nutzinformationsdaten.
M4.2 Die Einlaufinformationsdaten dienen empfangsseitig für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten.
M4.3 Die Startinformationsdaten dienen zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten.
M5 Die Signalart-Zusatzinformation umfasst mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten:
M5.1 Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformationen enthält,
M5.2 Letterbox-Signal ohne Bild-Zusatzinformationen,
M5.3 Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen,
M5.4 Letterbox-Signal von Kamera-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen, insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb- oder Vollbilder,
M6 Den Einlaufinformationsdaten ist ein Impuls der Dauer T2 vorangestellt, dessen Pegel der maximalen Amplitude Umax der Daten entspricht und dessen Breite ein Mehrfaches der Taktperiode der Daten umfasst.
(Kennzeichen)
Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 in der Fassung des Hilfsantrags 2 entsprechen denen der vorrangig verteidigten Fassung.
b) Die Aufnahme der Merkmale der Merkmalsgruppe M6 in den Patentanspruch 1 führt zu einer zulässigen Beschränkung, wie sich aus der klaren Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen und dem Streitpatent ergibt (vgl. Stammanmeldung (Anlage NK 8), Seite 7, 3. Absatz, zweite Hälfte; die europäische Anmeldung EP 0 595 790 A2 (Anlage NK9), dort Spalte 5, Z. 17 – 22 und schließlich die Streitpatentschrift EP 0 595 790 B1 (Anlage NK3), dort Spalte 4, Z. 58 – Spalte 5, Z. 4).
Der verteidigte Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 erweist sich folglich als zulässig.
c) Bezüglich der Ausführbarkeit des mit dem Hilfsantrag 2 verteidigten Gegen-standes hat sich die Klägerin in keiner Weise auf das Unterschiedsmerkmal M6 bezogen. Da auch der Senat keine Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit dieses Merkmals hat, gelten insoweit die Erwägungen oben unter I.4.
Die Ausführbarkeit des mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstandes sieht der Senat daher als gegeben.
d) Dem mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand kommt die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 41 12 712 nicht zu; diesbezüglich gelten insoweit die Erwägungen zur Inanspruchnahme der vorgenannten Priorität wie oben unter I.6a).
e) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 gilt als neu (Art. 54 EPÜ), denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften lehrt, dass den Einlaufinformationsdaten ein Impuls der Dauer T2 vorangestellt ist, dessen Pegel der maximalen Amplitude Umax der Daten entspricht und dessen Breite ein Mehrfaches der Taktperiode der Daten umfasst.
Soweit die Klägerin in ihrer Eingabe vom 3. Juni 2013 (dort Abschnitt 3., Seite 12 ff.) eine diesbezügliche Neuheitsschädlichkeit der Druckschrift NK18 behauptet hat, kann dies nicht überzeugen. Gemäß der Lehre der Druckschrift NK 18 steht die Sinus-Sequenz der übertragenen Datenstruktur immer voran (vgl. in der NK18, Sp 5, Z. 7 – 33); ein vor einer Sinus-Sequenz übertragener Impuls lässt sich der Offenbarung der Druckschrift NK 18 nicht entnehmen. Soweit ein Ausführungsbeispiel (vgl. Spalte 5, ab Zeile 26: Barker-Sequenz der Länge 13) überhaupt einen voranstehenden Impuls (5 x "+1"; keine Verwendung einer Biphase-Modulation unterstellt) erkennen lässt, folgt diesem jedoch nicht, wie von der Klägern behauptet, eine Sinusfolge sondern die Sequenz "-1, -1, +1, +1, -1, +1, -1, +1".
Auch die Druckschriften D1, D2, D3 und D4 können die Neuheit nicht infrage stellen:
Die Druckschrift D1 (WO 90/14732 A1), welche auch im Streitpatent gewürdigt ist (vgl. Sp. 1, Z. 17 – 20), wurde am 29. November 1990 und somit vor dem beanspruchten Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht.
Die Druckschrift D1 beschreibt eine Datenübertragung in der aktiven Bild-Periode eines Videobildes (vgl. S. 1, 1. Abs.). Sie geht hierbei davon aus, dass es möglich ist, die nicht aktiven Bild-Perioden von Fernsehsignalen (die Austastlücken) zu nutzen, um Daten zu übertragen und nennt in diesem Zusammenhang die Teletext-Übertragung (vgl. S. 1, letzter Abs.).
Ebenso gebe es bereits Vorschläge, die aktiven Bild-Perioden von Fernsehsignalen zur Datenübertragung zu nutzen. Insbesondere im Zusammenhang mit einem erhöhtem Seitenverhältnis des Fernsehbildes sei vorgeschlagen worden, ein Fernsehsignal als "letterbox"-Signal zu übertragen und auch dergestalt auf einem herkömmlichen Empfänger darzustellen, sowie die Zusatzinformation, welche ein Breitbildformat-Empfänger für die volle Darstellung benötigt, in den schwarzen Balken des "letterbox"-Signals zu übertragen (vgl. S. 2, 1. Abs.).
Da die vorgenannte Übertragungsart bei Darstellung auf einem herkömmlichen Empfänger zu sichtbaren Störungen in den schwarzen Balken des "letterbox"-Signals geführt hätte, beschäftigt sich die Druckschrift D1 mit dem Problem, ein Fernsehsignal als "letterbox"-Signal zu übertragen und auch in dieser Form auf einem herkömmlichen Empfänger darzustellen und Zusatzinformation, welche ein Breitbildformat-Empfänger für die volle Darstellung benötigt, in den schwarzen Balken des "letterbox"-Signals zu übertragen und hierbei die sichtbaren Störungen zu reduzieren (vgl. ebenda).
Zur Lösung sieht sie vor, dass in Zeilen der aktiven Bild-Periode, welche die zusätzliche Information tragen, eine erhöhte Referenzspannung für den Farbwert "Schwarz" genutzt wird (vgl. S. 3, 2. Abs.).
Anhand von Ausführungsbeispielen zeigt die Druckschrift D1 die Anwendung ihrer Erfindung in einem PAL-System (vgl. nur Fig. 3 und 5 mit zugehöriger Beschreibung).
Weiter schlägt die Druckschrift D1 vor, dass das übertragene Fernsehsignal, beispielsweise in der Austastlücke, ein Flag enthalten kann, welches anzeigt, dass das übertragene Signal in der aktiven Bild-Periode Zusatzdaten enthält. Dieses Flag kann im Empfänger ausgewertet werden (vgl. S. 9, 2. Abs.).
Schließlich beschreibt die Druckschrift D1, dass es gemäß ihrer Lehre möglich ist, Empfänger derart zu verbessern, dass sie die zusätzlich übertragene Information auswerten und für die Bilddarstellung nutzen, während herkömmliche Empfänger die zusätzlich übertragene Information ignorieren und ein Letterbox-Bild darstellen (vgl. S. 8, letzter Absatz und S. 9, vorletzter Absatz).
Im Einzelnen zeigt die D1 unmittelbar und eindeutig:
M 1 Ein Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation in Zeilen eines Fernsehsignals, denn das von der D1 vorgeschlagene Flag (vgl. S. 9, 2. Abs.) wird kompatibel übertragen und kann als Signalart-Zusatzinformation wirken (vgl. S. 9, vorletzter Abs. i. V. m. S. 2, Ende des 1. Abs.).
M1.1tlw die Signalart-Zusatzinformation wird in Zeilen des Fernsehsignals übertragen, die zu einer Austastlücke gehören können (vgl. S. 9, 2. Abs.) die nicht zum vertikalen Rücklauf gehören,
M2tlw die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9 (stattdessen: "increased aspect ratio image"; S. 1, 2. Abs.) Empfängern auswertbar (vgl. S.8, letzter Abs. und S. 9, 2. und vorletzter Abs. i. V. m. S. 2, Ende des 1. Abs.).
M5 Die Signalart-Zusatzinformation umfasst mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten:
M5.1 Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformation enthält (vgl. S. 8, letzter Absatz: "conventional television signals"),
M5.3tlw Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen (vgl. S. 8, letzter Absatz: "new-style television signal" i. V. m. S. 9, vorletzter Absatz und S. 2, 1. Abs., letzter Satz).
Zu allen anderen Merkmalen verhält sich die Druckschrift D1 nicht.
Die Druckschrift D2 (EP 0 309 876 A2) wurde am 5. April 1989 und somit vor dem beanspruchten Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht.
Sie geht davon aus, dass für die Übertragung von Fernsehsignalen verschiedene Systeme bekannt sind (vgl. Sp. 1, Z. 2 – 6). Unmittelbar genannt werden das PAL-System und das MAC-System (vgl. Sp. 1, Z. 11 – 27). Da bei den verschiedenen Übertragungssystemen auch unterschiedliche Arten der Codierung verwendet werden, erfordere dies eine Anpassung des Empfängers an das jeweils übertragene Fernsehsignal (vgl. Sp. 1, Z. 28 – 31). Dementsprechend stellt sich die Druckschrift D2 die Aufgabe, eine selbsttätige Anpassung des Empfängers an ein MAC-Signal anzugeben (vgl. Sp. 1, Z. 51 – 53). Gelöst wird diese Aufgabe durch die Übertragung eines charakterisierenden Kennsignals, dessen Empfang im Empfänger eine Umschaltung auf den MAC-Betrieb bewirkt (vgl. Kennzeichen des PA 1). Dieses Kennsignal besteht gemäß der Lehre der Druckschrift D2 vorteilhaft aus einem oder mehreren Wörtern mit je mehreren Bits, stellt also ein Datenpaket dar (vgl. Sp. 2, Z. 6 – 7 sowie PA 4). Die Wörter enthalten hierbei eine Kennung des MAC-Signals, können aber auch zusätzliche Information enthalten (vgl. Sp. 2, Z. 7 – 13). Das Kennsignal kann dazu verwendet werden, den Empfänger auf einen MAC-Decoder umzuschalten (vgl. Sp. 2, Z. 13 – 18 und Fig. 2). Die Druckschrift D2 schlägt eine Übertragung des Kennsignals während einer "Leerzeile" der Vertikalaustastlücke vor, genannt sind explizit die Zeilen 23 und 335 (vgl. Sp. 2, Z. 21 – 24 und 36 – 46 sowie PA 2), wobei das Kennsignal in diesen Zeilen derart übertragen wird, dass es die Zeit belegt, die standardgemäß für die Übertragung eines Schwarzwertes als Leuchtdichtesignal genutzt wird (in den Zeilen 23 und 335 wird im MAC-System kein auf Bildinformation beruhendes Leuchtdichtesignal übertragen; vgl. Sp. 3, Z. 29 – 57). Die Druckschrift D2 weist weiter darauf hin, dass ihre Lehre in Zusammenhang mit umschaltbaren Empfangsgeräten eingesetzt werden kann, die mehrere Fernsehsignalarten empfangen können (genannt sind PAL, MAC, NTSC und SECAM) und die mittels des Empfangs des genannten Kennsignals in den MAC-Modus umgeschaltet werden können, die sich aber auch selbsttätig in einen Empfangsmodus nach einem anderen der genannten Systeme (z. B. PAL) umschalten können (vgl. auch wiederum Fig. 2).
Im Einzelnen zeigt die Druckschrift D2 unmittelbar und eindeutig:
M1tlw Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer Signalart-Zusatzinformation (hier des MAC-Kennsignals) in Zeilen eines Fernsehsignals (den Zeilen 23 und 335). In strenger Sicht ist die Übertragung nicht kompatibel, da der "Schwarzwert" des Leuchtdichtesignals - und somit ein standardgemäß zu übertragender Wert – überschrieben wird. Dieser "Schwarzwert" ist auch nicht funktionslos, sondern dient als Referenzwert (vgl. Anlage NB 2, Seite 163, erster Absatz).
M1.1 die Signalart-Zusatzinformation wird in Zeilen des Fernsehsignals übertragen, die nicht zum vertikalen Rücklauf gehören (die Zeilen 23 und 335 gehören in der Lesart des Streitpatents nicht zum vertikalen Rücklauf),
M2tlw die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar.
M3a Die Signalart-Zusatzinformation wird in der von Bildsignalen freien Hälfte der ersten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen (vgl. Sp. 3, Z. 48 – 57 i. V. m. Fig. 3 und Sp. 4, Z. 3 – 5), denn der hier übertragene "Schwarzwert" des Leuchtdichtesignals beruht (als Referenzwert) nicht auf Bildsignalen.
Zu allen anderen Merkmalen verhält sich die Druckschrift D2 nicht.
Der Zeitschriftenartikel D3 (Funkschau) wurde wohl um den 23. August 1991 und somit nach dem beanspruchten Prioritätstag und vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht.
Der Zeitschriftenartikel D3 beschäftigt sich mit der PALPlus-Norm und zeigt unmittelbar und eindeutig:
M 1 Verfahren zum kompatiblen Übertragen (vgl. S. 66, re. Sp., letzter Absatz) einer Signalart-Zusatzinformation in Zeilen eines Fernsehsignals (vgl. S. 68, 2. Abs. und Bild auf S. 68 unten sowie S. 69 3. Abs.),
M2 die Signalart-Zusatzinformation ist in verbesserten 16:9-Empfängern (vgl. S. 68, 3. und 4. Abs. und Bild auf S. 68 unten sowie S. 69, letzter Absatz) auswertbar.
(Oberbegriff)
M5 Die Signalart-Zusatzinformation umfasst mindestens zwei der folgenden Fernseh-Signalarten:
M5.1 Standard-Signal, das kein Letterbox-Signal ist und keine Bild-Zusatzinformation enthält (vgl. S. 69, 3. Abs.),
M5.3 Letterbox-Signal von Film-Quelle mit Bild-Zusatzinformationen (vgl. ebenda).
Zu allen anderen Merkmalen verhält sich die Druckschrift D3 nicht.
Die Druckschrift D4 (DE 38 42 941 A1) wurde am 6. September 1990 und somit vor dem beanspruchten Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht.
Die Druckschrift D4 betrifft ein Fernsehsystem mit Einrichtungen zur Anpassung von sendeseitig und empfangsseitig erzeugtem Fernsehbildformat, wobei zur empfangsseitigen Anpassung bei unterschiedlichen Fernsehbildformaten (genannt sind 4:3 und 16:9, vgl. Sp. 2, Z. 18 - 44) im Fernsehempfänger, in an sich bekannter Weise, mit der Eingangsschaltung ein Videosignal-Prozessor und eine Abtasteinrichtung zur Steuerung der Bildanzeigeeinrichtung verbunden sind und dass mittels einer im Videosignal-Prozessor angeordneten Einrichtung, welche mindestens einen Zeilenspeicher enthält, eine Zeittransformation des Videosignals derartig vorgenommen wird, dass der sichtbare Teil der Zeile zeitlich komprimiert in das Wiedergaberaster eingefügt ist (vgl. PA 1). Zur automatischen Umsteuerung des Fernsehempfängers kann sendeseitig ein Steuersignal erzeugt werden, welches im Fernsehempfänger ausgewertet wird (vgl. PA 4). Über Art und Übertragung des Steuersignals verschweigt sich die Druckschrift D4.
Damit zeigt die D4 jedenfalls nicht die Merkmale M1.1, M3a, M3b, M4 bis M4.3, M5 bis M5.4 und MH5.
f) Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
Für die Beurteilung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit ist die Druckschrift NK18 als älterer Stand der Technik nicht heranzuziehen.
Bezüglich der Druckschrift D1 stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass
1. das Format 16:9
2. die Merkmale M3a/b
3. das Datenpaket in der beanspruchten Form aus Einlauf-, Start- und Nutzinformation (Merkmale M4 bis M4.3)
nicht wörtlich in der Druckschrift D1 offenbart sind, der Fachmann würde sie jedoch mitlesen und selbst wenn der Fachmann die genannten Punkte 2 und 3 nicht mitlesen würde, könnten diese Merkmale nach der Auffassung der Klägerin eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen (vgl. insb. Klageschriftsatz, S. 24 - 29).
Es kann dahinstehen, ob der Fachmann unter dem in der Druckschrift D1 genannten "increased aspect ratio image" zwanglos ein 16:9 Format mitliest und ob bezüglich der Merkmale M3a/b tatsächlich die von der Klägerin postulierte "Einbahnstraßenlösung" vorliegt, obwohl für eine kurze Datenübertragung, wie die eines Flags, durchaus auch die horizontale Austastlücke in Frage käme. Denn nicht naheliegend ist es für den Fachmann, für die Übertragung einer derart einfachen Struktur wie der des in der Druckschrift D1 gelehrten Flags, eine aufwendige Datenstruktur wie das Datenpaket in der beanspruchten Form aus Einlauf-, Start- und Nutzinformation (Merkmale M4 bis M4.3) vorzusehen. Hier greift auch nicht der Hinweis der Klägerin auf die BGH-Entscheidung "E-Mail via SMS". Soweit dort ausgeführt wird, der Fachmann, der mit einer punktuellen Verbesserung einer in einem internationalen Standard vorgesehenen Datenstruktur befasst ist, hätte in der Regel Veranlassung, zur Lösung des technischen Problems auf Mechanismen zurückzugreifen, die im Standard bereits vorgesehen sind, wird der Fachmann eben die Datenstruktur an sich erhalten. Im vorliegenden Fall wird der Fachmann also gemäß der Lehre der Druckschrift D1 ein Flag übertragen und nicht "mit Kanonen auf Spatzen schießen" und eine aufwendige Datenstruktur gemäß der Merkmale M4 bis M4.3 übertragen.
Die Druckschrift D2 liegt weiter ab, denn die dort gelehrte Lösung überschreibt eine schon vorhandene Information (den Referenzwert für das Leuchtdichtesignal, vgl. Anlage NB2, S. 163, erster Absatz). Zudem ergibt sich eine Übertragbarkeit vom im Kontext der Druckschrift D2 in Rede stehenden MAC-Standard auf den PAL-Standard schon deshalb nicht so unmittelbar wie die Klägerin vorträgt, da im MAC-Standard z. B. die erste Hälfte der Zeile 23 belegt ist (nämlich mit dem Farbdifferenzsignal, vgl. auch Klageschriftsatz S. 30, 4. Abs. und letzter Abs.), während der PAL-Standard eine freie erste Hälfte vorsieht. Insoweit geht auch der Ansatz der Klägerin fehl, der Fachmann würde auf der Suche nach einer "PAL-Lösung" zur Druckschrift D2 greifen (vgl. Klageschriftsatz S. 31 oben), denn letztere betrifft eben gerade nicht den PAL-Standard. Aber selbst wenn der Fachmann diesen Weg gegangen wäre, lehrt ihn die D2 gerade nicht, das beanspruchte Datenformat zu verwenden (vgl. auch Klageschriftsatz S. 31, letzter Absatz).
Die Druckschrift D3 liefert keine zusätzlichen Aspekte. Auch sie offenbart unmittelbar weder das Datenformat der Zusatzinformation noch die Positionierung in einer Zeilenhälfte (dies bestreitet auch die Klägerin nicht, vgl. Klageschriftsatz, S. 33 Abschnitt a, erster Absatz). Soweit die Klägerin vorträgt, die Druckschrift D3 gebe dem Fachmann einen ausdrücklichen Anlass, sich mit der Druckschrift D2 zu beschäftigen (vgl. Klageschriftsatz S. 34, 3. Abs.), so kann dies nicht durchgreifen. Die Druckschrift D3 nennt zwar die Möglichkeit der automatischen Umschaltung bezüglich des MAC-Standards und dass derartiges auch bei PALPlus möglich wäre (S. 69 unten), die folgenden Ausführungen (S. 71, linke Spalte) weisen aber darauf hin, dass die Probleme getrennt behandelt werden (für MAC Automatismus realisiert, bzgl. PAL noch manuelle Umschaltung). Mehr als den grundsätzlichen Hinweis, man könne auch im PAL-System eine Umschaltung per Signalisierungsinformation realisieren, entnimmt der Fachmann dem nicht, jeder Hinweis auf konkrete diesbezügliche Realisierungsmöglichkeiten fehlt jedenfalls in der Druckschrift D3. Für die Kombination PALPlus (D3) mit MAC (D2) gelten darüber hinaus die zur Druckschrift D2 genannten Erwägungen.
Die Druckschrift D4 liegt merkmalsmäßig weiter ab und kann obige Beurteilung nicht ändern.
Zur Überzeugung des Senats kann auch jede beliebige weitere Zusammenschau des Standes der Technik den Fachmann nicht veranlassen, aus den dort aufgezeigten Möglichkeiten ein Verfahren mit den mit dem Hilfsantrag 2 beanspruchten Merkmalen zu entwickeln.
g) Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 sind zulässig (vgl. Ausführungen oben unter I.5), ihre Merkmale gehen über reine Selbstverständlichkeiten hinaus, sie begegnen insoweit keinen Bedenken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.