Entscheidungsdatum: 20.01.2010
Soll durch Tarifvertrag eine von § 4 Abs. 1 EFZG (Juris: EntgFG) abweichende Bemessungsgrundlage des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden, bedarf dies einer klaren Regelung.
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11. November 2008 - 8 Sa 319/08 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die einen Flughafen betreibt, als Arbeiter im Bodenverkehrsdienst beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist die Anwendbarkeit des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung vereinbart. Die Parteien gehen davon aus, dass seit dem 1. Oktober 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: TVöD) vom 13. September 2005 Anwendung findet.
Anlässlich von Flugplanwechseln wurde wiederholt die vertragliche Wochenarbeitszeit des Klägers geändert. Mit Änderungsvereinbarung vom 11. Dezember 2006 wurde die Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2007 auf 34,5 Wochenstunden verkürzt.
Vom 14. bis zum 22. Januar 2007 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung berücksichtigte die Beklagte unter Berufung auf § 21 TVöD keine nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile. Diese Bestimmung lautet idF vom 1. August 2006:
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„ 1 In den Fällen der Entgeltfortzahlung nach § 6 Abs. 3 Satz 1, § 22 Abs. 1, § 26, § 27 und § 29 werden das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt. 2 Die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile werden als Durchschnitt auf Basis der dem maßgebenden Ereignis für die Entgeltfortzahlung vorhergehenden letzten drei vollen Kalendermonate (Berechnungszeitraum) gezahlt. 3 Ausgenommen hiervon sind das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden), Leistungsentgelte, Jahressonderzahlungen sowie besondere Zahlungen nach § 23. |
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Protokollerklärungen zu den Sätzen 2 und 3: |
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1. |
1 Volle Kalendermonate im Sinne der Durchschnittsberechnung nach Satz 2 sind Kalendermonate, in denen an allen Kalendertagen das Arbeitsverhältnis bestanden hat. 2 Hat das Arbeitsverhältnis weniger als drei Kalendermonate bestanden, sind die vollen Kalendermonate, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat, zugrunde zu legen. 3 Bei Änderungen der individuellen Arbeitszeit werden die nach der Arbeitszeitänderung liegenden vollen Kalendermonate zugrunde gelegt. |
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2. |
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3. |
Tritt die Fortzahlung des Entgelts nach einer allgemeinen Entgeltanpassung ein, ist die/der Beschäftigte so zu stellen, als sei die Entgeltanpassung bereits mit Beginn des Berechnungszeitraums eingetreten.“ |
Der Kläger hat geltend gemacht, die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage der letzten drei Monate vor der Arbeitsunfähigkeit zu berechnen, auch wenn die Arbeitszeitänderung noch keinen vollen Kalendermonat zurückliege.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 79,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2007 zu zahlen. |
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht entscheiden, ob der Kläger für die Zeit vom 14. bis zum 22. Januar 2007 Anspruch auf weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 79,73 Euro brutto hat.
I. Der Kläger war vom 14. bis zum 22. Januar 2007 ohne sein Verschulden arbeitsunfähig krank. Er hat deshalb gem.§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014; im Folgenden: EFZG) iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dabei sind die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile, die er im streitigen Zeitraum bei tatsächlicher Arbeitsleistung erzielt hätte, zu berücksichtigen.
1. Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Das in § 4 Abs. 1 EFZG verankerte Entgeltausfallprinzip erhält dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge (Senat 14. Januar 2009 - 5 AZR 89/08 - Rn. 11, EzA EntgeltfortzG § 4 Nr. 14). Die gesetzlich geregelte Entgeltfortzahlung umfasst auch die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile, sofern diese nicht unter § 4 Abs. 1a EFZG fallen.
2. Durch Tarifvertrag kann eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden, § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG. Bemessungsgrundlage in diesem Sinne ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsgrundlage als auch die Berechnungsmethode (st. Rspr., Senat 18. November 2009 - 5 AZR 975/08 - Rn. 16; 24. März 2004 - 5 AZR 346/03 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 110, 90, 94). Soll durch Tarifvertrag eine von § 4 Abs. 1 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden, bedarf dies einer klaren Regelung.
3. Für den Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach Änderung der Arbeitszeit weicht § 21 Satz 2 TVöD von dem gesetzlich angeordneten Entgeltausfallprinzip nur dann ab, wenn zwischen der Arbeitszeitänderung und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit mindestens ein voller Kalendermonat liegt. Andernfalls verbleibt es beim Entgeltausfallprinzip des EFZG.
a) Nach § 21 Satz 1 TVöD werden in den Fällen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt. Insoweit folgt der Tarifvertrag der gesetzlichen Regelung der Entgeltfortzahlung.
b) Hinsichtlich der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile ersetzt § 21 Satz 2 TVöD das gesetzliche Entgeltausfallprinzip durch ein auf drei volle Kalendermonate abstellendes Referenzprinzip. Die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile werden als Durchschnitt auf der Basis dieser letzten drei Kalendermonate gezahlt. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 21 Satz 2 TVöD verkürzt sich dieser Berechnungszeitraum, wenn zwischen einer Arbeitszeitänderung und dem maßgebenden Ereignis weniger als drei volle Kalendermonate liegen. Dann werden für die Durchschnittsberechnung lediglich die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile berücksichtigt, die der Arbeitnehmer in einem oder zwei vollen Kalendermonaten erzielt hat.
c) Für den Fall, dass zwischen einer Arbeitszeitänderung und dem maßgebenden Ereignis weniger als ein voller Kalendermonat liegt, trifft § 21 TVöD keine Regelung zur Berücksichtigung von nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen. Vom Wortlaut der Tarifnorm wird dieser Sachverhalt gar nicht erfasst. Es bedürfte deshalb der ergänzenden Auslegung, wonach in Fällen dieser Art keine Leistung des Arbeitgebers geschuldet werde. Diese Erweiterung der Tarifregelung lässt sich nicht begründen. Vielmehr würde sie rechtliche Bedenken auslösen, weil dann das Prinzip der vollen Entgeltfortzahlung tangiert würde. Somit fehlt es an einer klaren Regelung einer tarifvertraglichen Abweichung vom Entgeltausfallprinzip des § 4 Abs. 1 EFZG. Im Übrigen stellte die Anwendung des Referenzprinzips ohne Bestimmung eines Referenzzeitraums keine handhabbare Regelung dar.
Auf die Grundregel eines dreimonatigen Referenzzeitraums kann nicht zurückgegriffen werden, weil der Tarifvertrag deutlich belegt, dass nur verlässlich die Vertragslage widerspiegelnde Zahlen die Entgeltfortzahlung bestimmen sollen. Andernfalls wäre die Verkürzung des Referenzzeitraums auf zwei oder einen Kalendermonat unverständlich. Deshalb verbleibt es mangels abweichender tarifvertraglicher Regelung in Fällen, in denen zwischen einer Arbeitszeitänderung und dem Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit weniger als ein voller Kalendermonat liegt, bei der gesetzlichen Regelung des EFZG, dem Entgeltausfallprinzip.
d) Ob und inwieweit nicht in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile bei der Berechnung des Urlaubsentgelts, hinsichtlich dessen § 11 BUrlG selbst die Anwendung des Referenzprinzips anordnet (vgl. dazu BAG 13. Juni 1991 - 8 AZR 330/90 - EzBAT BAT § 47 Urlaubsvergütung Nr. 13), zu berücksichtigen sind, kann für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dahinstehen.
II. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob und in welcher Höhe der Kläger in der Zeit vom 14. bis zum 22. Januar 2007 bei tatsächlicher Arbeitsleistung nicht in Monatsbeträgen festgelegtes Entgelt erzielt hätte. Dieses wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
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