Entscheidungsdatum: 05.10.2010
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent …
(hier: Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 5. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Friehe und des Richters Dipl.-Ing. Bernhart
beschlossen:
I. Die Erinnerung der Klägerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 18. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahren.
III. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens beträgt 22.510,- Euro.
I.
Mit Urteil vom 27. Januar 2009 hat der Senat auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin das europäische Patent … mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention auferlegt. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde durch Beschluss vom selben Tage auf 2.500.000,- Euro festgesetzt. Währende des Nichtigkeitsverfahrens war zwischen den Parteien auch ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig, in dem für die Nichtigkeitsklägerin (die dortige Beklagte zu 2) ebenfalls der vorliegend mitwirkende Rechtsanwalt aufgetreten ist.
Die Klägerin hat Kostenfestsetzung beantragt, wobei ein Betrag von 85.322,- Euro geltend gemacht wurde, der u. a. Gebühren für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 22.510,- Euro enthält. Sie ist der Ansicht, die Abstimmung zwischen dem Nichtigkeits- und dem Verletzungsverfahren sowie die Komplexität des Nichtigkeitsverfahrens habe die Mitwirkung des Rechtsanwalts erforderlich gemacht.
Die Beklagte hat dem Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Kosten des Rechtsanwalts widersprochen und hierzu ausgeführt, dass dessen Mitwirkung neben dem Patentanwalt nicht notwendig gewesen sei.
Mit Beschluss vom 18. Februar 2010 hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten - ohne Berücksichtigung der Rechtsanwaltsgebühren - auf 62.812,- Euro festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass Aufwendungen nur zu erstatten seien, soweit sie den Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zuzurechnen und notwendig waren. Im Nichtigkeitsverfahren sei eine zusätzliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht erforderlich. Doppelvertretungskosten seien nur dann anzuerkennen, wenn über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus schwierige rechtliche Probleme auftauchten, denen der Patentanwalt nicht ohne die Hilfe eines Rechtsanwalts zu begegnen vermöge. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Patentanwalt ebenso wie der Rechtsanwalt verpflichtet sei, sich in Spezialmaterien einzuarbeiten und sich erforderlichenfalls die nötigen Rechtskenntnisse anzueignen.
Außergewöhnliche rechtliche Schwierigkeiten seien hier nicht vorgetragen; Kosten, die auf im Verletzungsverfahren begründeten taktischen Überlegungen beruhten, seien keine Kosten des Nichtigkeitsverfahrens. Deshalb könne ein erhöhter Koordinationsaufwand wegen einer weiteren Beklagten im Verletzungsverfahren die Festsetzung der Kosten des Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren nicht begründen.
Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung verfolgt die Klägerin die Erstattung der Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts weiter. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundespatentgerichts ist sie der Ansicht, dass diese Kosten vorliegend notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO seien. Im Verletzungsverfahren sei die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin sehr umstritten. Diese rechtlichen Schwierigkeiten beträfen unmittelbar das Nichtigkeitsverfahren. Außerdem habe nach einem Vertreterwechsel im Verletzungsverfahren der neue Vertreter der Patentinhaberin eine völlig neue Auslegung der Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgenommen. Hierauf habe die hiesige Klägerin auch im Nichtigkeitsverfahren reagieren müssen, wozu eine ausführliche Erörterung zwischen dem federführenden Rechtsanwalt im Verletzungsverfahren und dem bevollmächtigten Patentanwalt im Nichtigkeitsverfahren erforderlich gewesen sei.
Die Erinnerungsführerin und Nichtigkeitsklägerin hat sinngemäß beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Bundespatentgerichts vom 18. Februar 2010 abzuändern und ihrem Antrag in vollem Umfang - d. h. auch bezüglich der weiteren Kosten von 22.510,- € für den mitwirkenden Rechtsanwalt - stattzugeben.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die gem. § 23 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg.
Ob die Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht zu erstatten sind, ist nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG zu beurteilen. Die analoge Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG kommt nicht in Betracht, denn es liegt keine planwidrige gesetzliche Regelungslücke vor (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 4 ZA (pat) 36/06 zu 4 Ni 47/04 - und vom 29. Januar 2009 - 4 ZA (pat) 81/08 zu 4 Ni 43/05).
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Insoweit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (Thomas/Putzo/ Hüßtege , ZPO, 31. Auflage, Rdnr. 9 zu § 91 ZPO).
In dem bereits erwähnten Beschluss vom 24. Oktober 2006 hat der Senat die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zusätzlich zur Bestellung eines Patentanwalts im Nichtigkeitsverfahren bei Anhängigkeit eines Verletzungsverfahrens als notwendig angesehen (wohingegen er im Beschluss vom 29. Januar 2009 für das Nichtigkeitsberufungsverfahren die Notwendigkeit der Bestellung eines weiteren Rechtsanwalts neben einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt verneint hat). Dies entspricht einer auch in verschiedenen Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts vertretenen Auffassung (vgl. 1. Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - 1 ZA (pat) 13/08, BPatGE 51, 67 = GRUR 2009, 706; 2. Senat, Beschluss vom 12. März 2009 - 2 ZA (pat) 82/07; 3. Senat, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 3 ZA (pat) 1/09; 10. Senat, Beschluss vom 31. März 2010 - 10 ZA (pat) 5/08). Zur Begründung wird in den Entscheidungen ausgeführt, es bedürfe in diesen Fällen einer Abstimmung des Vorgehens in beiden Verfahren, etwa im Hinblick auf eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren oder zum Zwecke einer umfassenden gütlichen Einigung.
In der Tat mag es aus der Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Prozesspartei oftmals sinnvoll erscheinen, im Nichtigkeitsprozess neben dem Patentanwalt auch einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu beauftragen, vor allem wenn dieser auch in dem zwischen denselben Parteien geführten Verletzungsverfahren tätig ist. Dafür können insbesondere die in einem Nichtigkeitsverfahren nicht nur in technischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht häufig sehr komplexen und oftmals eng mit dem Verletzungsverfahren zusammenhängenden Fragestellungen sprechen.
Soweit in den genannten Entscheidungen jedoch die Auffassung vertreten wird, dass im Patentnichtigkeitsverfahren die Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt unter der Voraussetzung eines parallelen Verletzungsverfahrens ohne Einzelfallprüfung immer zu bejahen sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Eine solche generalisierende Betrachtungsweise, die in den genannten Fällen einer analogen Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG gleich käme, wäre nämlich mit dem in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltenen Grundsatz der Prüfung entstandener Kosten auf ihre Notwendigkeit nicht vereinbar.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung können die für die zusätzliche Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten daher nur abgerechnet werden, wenn ihre Notwendigkeit im Einzelfall dargetan ist (im Ergebnis ebenso BPatG 2. Senat, Beschluss vom 13. August 2007 - 2 ZA (pat) 56/06 zu 2 Ni 62/05, BPatGE 50, 85 = BlPMZ 2008, 62 = GRUR 2008, 735). Vorliegend ist dies - auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs - nicht der Fall. Die Klägerin hat insoweit zwei Problemkreise angeführt, nämlich zum einen rechtliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Beurteilung der Aktivlegitimation im Verletzungsverfahren, zum anderen eine veränderte Auslegung der Patentansprüche im Verletzungsverfahren und deren Auswirkung auf das Nichtigkeitsverfahren.
Probleme mit der Beurteilung der Aktivlegitimation im Verletzungsverfahren können die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren nicht begründen, weil sie in diesem Verfahren keine Rolle spielen. Die Nichtigkeitsklage ist gegen den im Register eingetragenen Patentinhaber zu richten, § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG. Wer das ist, ist dem Register zu entnehmen; der Beurteilung eines komplizierten juristischen Sachverhalts bedarf es hierzu nicht.
Zur Auslegung der Patentansprüche ist der Patentanwalt berufen, zumal er regelmäßig über bessere technische Fachkenntnisse verfügt als der Rechtsanwalt. Jedenfalls für den Normalfall ist daher nicht erkennbar, weshalb der im Verletzungsverfahren mitwirkende (und gemäß § 143 Abs. 3 PatG abzurechnende) Patentanwalt nicht direkt den im Nichtigkeitsprozess bestellten Patentanwalt informieren sollte (soweit er nicht ohnehin mit diesem identisch ist), sondern statt dessen die Information durch einen in beiden Verfahren tätigen Rechtsanwalt überbracht werden soll. Aus dem entsprechenden Vortrag der Klägerin sind auch keine besonderen Anhaltspunkte erkennbar, denen zufolge eine solche Vorgehensweise im vorliegenden Fall notwendig gewesen sein könnte.
Nach alledem konnte die Erinnerung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 97 ZPO. Der Wert des Erinnerungsverfahrens entspricht den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten.