Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.02.2016


BPatG 17.02.2016 - 4 ZA (pat) 1/16 zu 4 Ni 9/05 (EU)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Akteneinsicht bei Geheimhaltungsvereinbarung" – zur Begründung des der Akteneinsicht entgegenstehenden schutzwürdigen Interesses – Erfordernis der Begründung durch Akteninhalt


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
17.02.2016
Aktenzeichen:
4 ZA (pat) 1/16 zu 4 Ni 9/05 (EU)
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Akteneinsicht bei Geheimhaltungsvereinbarung

Das Vorliegen eines der Akteneinsicht Dritter im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht entgegenstehenden schutzwürdigen Gegeninteresses im Sinne von § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG muss durch den Akteninhalt begründet sein und kann nicht losgelöst hiervon durch eine bloße Geheimhaltungsvereinbarung der Parteien des früheren Nichtigkeitsverfahrens begründet werden.

Tenor

In der Akteneinsichtssache

betreffend das Nichtigkeitsverfahren 4 Ni 9/05 (EU)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 17. Februar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Engels sowie der Richterin Kopacek und des Richters Dr.-Ing. Baumgart

beschlossen:

Den Antragstellern wird Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens 4 Ni 9/05 (EU) gewährt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller beantragen Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens 4 Ni 9/05 (EU).

2

Die Antragsgegnerin I und Nichtigkeitsbeklagte hat dem Antrag widersprochen. Zur Begründung führt sie aus, das Patentnichtigkeitsverfahren, das Gegenstand des Akteneinsichtsgesuchs ist, sei aufgrund privatschriftlicher Vereinbarung der Vertragsparteien vom 22. Oktober 2009 beendet worden. Diese Vereinbarung enthalte eine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen den Parteien sowohl über den Inhalt der Vereinbarung als auch über die betroffenen Verfahren.

3

Auf den Hinweis des Senats vom 18. Januar 2016, dass allein der Umstand einer Geheimhaltungsvereinbarung für den substantiierten Vortrag eines Geheimhaltungsinteresses nicht ausreiche, hat die Antragsgegnerin I mit Schriftsatz vom 2. Februar 2016 nochmals auf die privatschriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien verwiesen, die ein Stillschweigen gebiete.

4

Die Antragsgegnerin I stellt sinngemäß den Antrag,

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den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen.

6

Die Antragsgegnerin II und Nichtigkeitsklägerin hat sich auf den Antrag nicht geäußert.

II.

7

Gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 31 PatG steht die Einsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens dritten Personen grundsätzlich frei. Es bedarf in der Regel weder der Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses des Antragstellers noch der Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird, § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG (vgl. BGH GRUR 1972, 441 - Akteneinsicht IX; GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV; GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII; GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII; Busse/Schuster/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 99 Rn. 36). Erst wenn von einem Beteiligten ein der Akteneinsicht entgegenstehendes Interesse substantiiert dargetan und gegebenenfalls glaubhaft gemacht wird, ist ein schutzwürdiges Gegeninteresse durch den jeweiligen Antragsteller darzulegen und eine Abwägung der geltend gemachten Interessen vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII; Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 99 Rdn. 26 ff.; Busse, a. a. O., § 99 Rn. 25 ff.).

8

Die Antragsgegnerin I hat kein beachtliches schutzwürdiges Interesse substantiiert vorgetragen, das einer Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens entgegenstehen könnte. Vielmehr hat sie pauschal und ohne nähere Darlegungen auf eine mit der Nichtigkeitsklägerin im früheren Patentnichtigkeitsverfahren geschlossene Geheimhaltungsvereinbarung verwiesen.

9

Ob die von der Antragsgegnerin zu I mit der Antragsgegnerin zu II geschlossene privatschriftliche Vereinbarung über die Beendigung des Nichtigkeitsverfahrens einen vertraulichen Inhalt aufweist (vgl. hierzu BPatG 3 ZA (pat) 89/08, Mitt. 2009, 325), kann vorliegend dahinstehen, da diese Vereinbarung nicht Aktenbestandteil und damit nicht Gegenstand des Antrags auf Akteneinsicht geworden ist. Soweit die Antragsgegnerin indes vorgetragen hat, auch über den Inhalt der von dieser Vereinbarung betroffenen Verfahren sei Stillschweigen vereinbart worden, hätte im Einzelnen dargelegt werden müssen, welche konkreten vertraulichen Inhalte der Akte einer Akteneinsicht entgegenstehen. Die Prüfung des schutzwürdigen Interesses erfordert eine Abwägung der gegen die Einsicht geltend gemachten mit den für die Einsicht im Allgemeinen oder in dem einzelnen Fall sprechenden Interessen (Benkard/Schäfers, Patentgesetz 11. Aufl., § 99 Rn. 18). Dies kann nur anhand konkreter, substantiiert vorzutragender Umstände beurteilt werden (BPatG Mitt. 79, 137; Benkard/Schäfers, a. a. O., § 99 Rn. 18) und muss durch den Akteninhalt begründet sein. Insbesondere unterliegt das Vorliegen eines schutzwürdigen Gegeninteresses im Sinne von § 99 Abs. 3 Satz 3 PatG nicht dem Parteiwillen und der Dispositionsbefugnis der Parteien des früheren Nichtigkeitsverfahrens und kann somit - selbst wenn eine solche Absprache inter partes wirksam wäre - nicht durch eine bloße Geheimhaltungsvereinbarung begründet werden, die gleichsam Dritten bzw. der Öffentlichkeit das grundsätzlich nach § 99 Abs. 3 Satz 3 zu gewährende Recht auf Einsicht in Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens versagt. Ansonsten könnte die Öffentlichkeit jederzeit und beliebig durch entsprechende Parteivereinbarungen vom Recht auf Akteneinsicht ausgeschlossen werden.

10

Soweit nach der Rechtsprechung grundsätzlich ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse an Aktenteilen, die sich auf die Festsetzung des Streitwertes beziehen, anerkannt wird (vgl. BGH GRUR 1972, 441, 442 - Akteneinsicht IX), gilt dies gerade nicht im Regelfall, sondern nur dann, wenn in einem Verfahren zur Streitwertfestsetzung von den Parteien Angaben zu innerbetrieblichen Verhältnissen, wie internen Betriebserfahrungen, Betriebsergebnissen oder ähnlichen Dingen, gemacht worden sind. Dies ist von der Antragsgegnerin I aber nicht explizit dargelegt worden.

11

Die Akteneinsicht war daher unbeschränkt zu gewähren.