Entscheidungsdatum: 29.11.2011
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 973 011
(DE 699 38 323 )
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Friehe und die Richter Dipl.-Phys. Dr. Müller, Dipl.-Ing. Veit und
Dipl.-Phys. Univ. Dr. rer.nat. Friedrich
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 973 011 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 973 011 (Streitpatent), das am 14. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Patentanmeldung 116161 vom 15. Juli 1998 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 699 38 323 geführt. Es betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Routenführung in einem Fahrzeugnavigationssystem und umfasst 19 Ansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 lauten in der Verfahrenssprache Englisch:
folgendermaßen:
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, und bezieht sich unter anderem auf folgende Druckschrift:
K20 US 5,729,109 A.
Außerdem meint die Klägerin, der Gegenstand des erteilten Patents sei gegenüber der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 973 011 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 19 gemäß Hilfsantrag 1,
weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 17 gemäß Hilfsantrag 2,
weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen die Ansprüche 1 bis 17 gemäß Hilfsantrag 3 richtet,
alle Hilfsanträge eingereicht mit Schriftsatz vom 24. Juni 2011.
Patentansprüche 1 und 19 gemäß Hilfsantrag 1 lauten:
1. Ein Fahrzeugnavigationssystem (100) zur Nutzung in einem Fahrzeug, Folgendes umfassend:
Sensormittel (112, 114, 116, 118) zum Erzeugen von Daten zur Nutzung durch das Fahrzeugnavigationssystem (100) zu Navigationszwecken;
eine Benutzerschnittstelle (134,136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100), wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist; und
einen Zentralprozessor (120), der Folgendes ausführen kann:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer.
19. Ein Verfahren, den Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems (100) auf einer Route zu leiten, wobei das Fahrzeugnavigationssystem eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100) aufweist, wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist, wobei dieses Verfahren Folgendes umfasst:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist,
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält,
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer.
Die Ansprüche 2 bis 18 gemäß Hilfsantrag 1 sind wortgleich mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 18.
Die Ansprüche 1 und 17 gemäß Hilfsantrag 2 lauten:
1. Ein Fahrzeugnavigationssystem (100) zur Nutzung in einem Fahrzeug, Folgendes umfassend:
Sensormittel (112, 114, 116, 118) zum Erzeugen von Daten zur Nutzung durch das Fahrzeugnavigationssystem (100) zu Navigationszwecken;
eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100); und
einen Zentralprozessor (120), der Folgendes ausführen kann:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer,
wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
17. Ein Verfahren, den Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems (100) auf einer Route zu leiten, wobei dieses Verfahren Folgendes umfasst:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer,
wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Die Ansprüche 1 und 17 gemäß Hilfsantrag 3 lauten:
1. Ein Fahrzeugnavigationssystem (100) zur Nutzung in einem Fahrzeug, Folgendes umfassend:
Sensormittel (112, 114, 116, 118) zum Erzeugen von Daten zur Nutzung durch das Fahrzeugnavigationssystem (100) zu Navigationszwecken;
eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100), wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist; und
einen Zentralprozessor (120), der Folgendes ausführen kann:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer,
wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
17. Ein Verfahren, den Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems (100) auf einer Route zu leiten, wobei das Fahrzeugnavigationssystem eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100) aufweist, wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist, wobei dieses Verfahren Folgendes umfasst:
Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren, wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alfanumerische Zeichen enthaltender Straßenname und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers, wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung, den besagten, früher präsentierten Straßennamen und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält; und
Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer,
wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24. Juni 2011 verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Hilfsanträge seien nicht zulässig, weil sie auf der fehlerhaften Übersetzung der relevanten englischen Patentansprüche ins Deutsche basierten. Es sei nämlich in der Streitpatentschrift in Patentanspruch 1 der Begriff „central processing unit“ als „Zentralprozessor“ übersetzt worden und der Begriff „generate“ wahlweise als „Festlegen“ oder „Erzeugen“. Deshalb könne die Beklagte diese übersetzten Patentansprüche nicht zur Grundlage ihrer Hilfsanträge machen. Auch Übersetzungen von Bezeichnungen in Abb. 1 der deutschen Übersetzung der Patentschrift seien fehlerhaft.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Gegenstand des Patents patentfähig sei. Auch seien die Hilfsanträge zulässig, da sie auf der europäischen Patentschrift basierten.
Sie weist darauf hin, dass sie auf den klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 9. November 2011 nicht adäquat reagieren könne, da der Zeitraum zwischen dem Erhalt des Schriftsatzes und der mündlichen Verhandlung hierfür nicht ausreichend sei.
Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet. Auf den Hinweis vom 15. April 2011 wird Bezug genommen (Bl. 128 ff. der Akten).
I.
Die Klage ist zulässig und begründet, denn der Gegenstand des Streitpatents beruht weder nach dem Hauptantrag noch nach den Hilfsanträgen gegenüber dem Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Dies führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 56 EPÜ). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 9. November 2011 zusätzlich geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung ebenfalls vorliegt.
Soweit die Beklagte geltend macht, sie könne auf den Schriftsatz der Klägerin vom 9. November 2011 nicht adäquat Stellung nehmen, war dieser Schriftsatz gleichwohl nicht als verspätet zurückzuweisen. Denn mit dem Hinweis gem. § 83 Abs. 1 PatG hatte der Senat eine Frist gem. § 83 Abs. 2 PatG bis zum 20. Mai 2011 gesetzt, binnen welcher die Parteien zum Hinweis durch sachdienliche Anträge und Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen konnten. (Nur) zur Erwiderung auf etwa eingehende Stellungnahmen erhielt die jeweilige Gegenpartei eine weitere Frist bis zum 24. Juni 2011.
Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 19. Mai 2011 in einem vierzeiligen Absatz lediglich dem Hinweis des Senats teilweise zugestimmt und im übrigen nur zur behaupteten Vorveröffentlichung des Travel Pilot RGS05 weitere Ausführungen gemacht. Die Beklagte hingegen hat innerhalb der Frist bis zum 20. Mai 2011 überhaupt keine Stellungnahme zum Hinweis abgegeben; eine Stellungnahme zum Hinweis erfolgte erst mit dem Schriftsatz vom 24. Juni 2011, und zwar, indem die Hilfsanträge angekündigt wurden.
Diese Hilfsanträge hätten allerdings schon innerhalb der Frist bis zum 20. Mai 2011 in das Verfahren eingeführt werden müssen, um nicht verspätet zu sein, denn sie waren ersichtlich keine Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 19. Mai 2011. Jedenfalls soweit der Schriftsatz der Klägerin vom 9. November 2011 Ausführungen zu den Hilfsanträgen enthält - und nur insoweit kommt es für die Entscheidung auf diesen Schriftsatz an - könnte dieser nicht gem. § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückgewiesen werden, ohne gleichzeitig auch die Hilfsanträge selbst als verspätet zurückzuweisen. Der Senat hat indes keine Veranlassung hierzu gesehen.
Soweit die Klägerin geltend macht, die Hilfsanträge seien nicht zulässig, da sie auf der ihrer Ansicht nach fehlerhaften deutschen Übersetzung der Patentansprüche in der Streitpatentschrift basierten, würde dies voraussetzen, dass die Patentansprüche in den Hilfsanträgen über die relevanten englischen Patentansprüche im Streitpatent hinaus erweitert sind. Inwieweit das der Fall ist, hat die Klägerin allerdings nicht dargetan; dies ist auch nicht offensichtlich. Letztlich kommt es hierauf nicht an, weil die Gegenstände der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen nicht patentfähig sind.
II.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung für ein Fahrzeugnavigationssystem, bei dem hörbare Routenführungsanweisungen gegeben werden.
Nach den Ausführungen in Abs. [0002] der Streitpatentschrift sind solche hörbaren Routenführungsanweisungen insbesondere dort nützlich, wo eine Sprachführung für den Fahrer die Notwendigkeit verringert, Sichtkontakt zum Display des Systems in solchen Situationen aufzunehmen, in denen dies gefährlich sein könnte, d. h. während sich das Fahrzeug bewegt.
Wie in Abs. [0003] bis [0006] der Streitpatentschrift ausgeführt, boten die im Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt bekannten Fahrzeugnavigationssysteme dem Benutzer zwar ein gewisses Maß an Sprachführung. Beispielsweise konnte ein Fahrer mit Warnung „vorn links abbiegen“ oder „nächste Ausfahrt links“ auf ein bevorstehendes Manöver aufmerksam gemacht werden, wenn erkannt wurde, dass sich das Fahrzeug innerhalb einer bestimmten Grenzentfernung zu dem Manöver befand. Wegen der Komplexität und der Einzigartigkeit der Situation jedes Fahrzeugs und wegen der großen Vielfalt der Straßentopologien war es allerdings sehr schwierig, Sprachanweisungen zu geben, die ein bevorstehendes Manöver zumindest mit mäßiger Genauigkeit beschrieben, weil Fahrzeugnavigationssysteme typischerweise eine relativ kleine Bibliothek von Sprachanweisungen verwendeten, um Speicher- und Verarbeitungsressourcen zu sparen.
Nach Absatz [0008] der Streitpatentschrift besteht die Aufgabe der Erfindung darin, dem Fahrer eines Fahrzeugs bei Nutzung eines Navigationssystems eine Sprachführung zu geben, bei der die Abhängigkeit des Fahrers vom sichtbaren Display des Systems geringer ist.
Anspruch 1 der erteilten Fassung beschreibt ein Fahrzeugnavigationssystem mit folgenden Merkmalen (deutsche Übersetzung mit korrigierten Schreibfehlern, Gliederungspunkte hinzugefügt):
M1 Ein Fahrzeugnavigationssystem (100) zur Nutzung in einem Fahrzeug, folgendes umfassend:
M2 Sensormittel (112, 114, 116, 118) zum Erzeugen von Daten zur Nutzung durch das Fahrzeugnavigationssystem (100) zu Navigationszwecken;
M3 eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100);
M4 und einen Zentralprozessor (120), der folgendes ausführen kann:
M4a Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl an Manövern beinhaltet;
M4b Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren,
M4b-aa wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alphanumerische Zeichen enthaltender Straßenname
M4b-bb und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist;
M4c Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers,
M4c-aa wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen
M4c-bb und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
M4d Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält, - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
M4e Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung,
M4e-aa den besagten, früher präsentierten Straßennamen
M4e-bb und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält;
M4f und Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer.
Der mit Gliederungspunkten versehene (Schreibfehler korrigiert) wiedergegebene erteilte nebengeordnete Patentanspruch 19 lautet in deutscher Übersetzung:
N1 Ein Verfahren, den Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems (100) auf einer Route zu leiten,
wobei dieses Verfahren folgendes umfasst:
N2 Festlegen einer Route von einer ersten Position zu einem Ziel als Reaktion auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route eine Anzahl von Manövern beinhaltet;
N3 Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen, die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren,
N3a wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen ein alphanumerische Zeichen enthaltender Straßenname
N3b und eine Angabe einer Entfernung bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist; Wiedergeben einer Audiorepräsentation jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers,
N4a wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisungen den zugehörigen Straßennamen
N4b und die zugehörige Entfernungsangabe enthält;
N5 Einfügen - in Reaktion auf eine von einem Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die einen Straßennamen und eine Entfernungsangabe enthält, - einer angepassten Entfernungsangabe der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert;
N6 Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung, die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung,
N6a den besagten, früher präsentierten Straßennamen
N6b und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält;
N7 und Wiedergeben einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer.
Hilfsantrag 1:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag insoweit, als nach M3 als zusätzliches Merkmal eingefügt ist:
M3a wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist;
Patentanspruch 19 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 19 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal N1 folgende Fassung erhält und das Merkmal N1a zusätzlich eingefügt ist:
N1 Ein Verfahren, den Benutzer eines Fahrzeugnavigationssystems (100) auf einer Route zu leiten,
N1a wobei das Fahrzeugnavigationssystem eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100) aufweist, wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist, wobei dieses Verfahren folgendes umfasst:
Hilfsantrag 2:
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich insoweit vom erteilten Patentanspruch 1, als das zusätzliche Merkmal M5 enthalten ist:
M5 wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf den Tatbestand Bezug genommen.
Der mit Gliederungspunkten versehene nebengeordnete Patentanspruch 17 gemäß Hilfsantrag 2 enthält zusätzlich zu den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 19 das Merkmal
N8 wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Hilfsantrag 3:
Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich insoweit vom erteilten Patentanspruch 1, als er folgende zusätzlichen Merkmale enthält:
M3a wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist;
und
M5 wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 16 gemäß Hilfsantrag 3 wird auf den Tatbestand Bezug genommen.
Der mit Gliederungspunkten versehene nebengeordnete Patentanspruch 17 gemäß Hilfsantrag 3 enthält zusätzlich zu den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 19 folgende Merkmale:
N1a wobei das Fahrzeugnavigationssystem eine Benutzerschnittstelle (134, 136) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems (100) aufweist, wobei die Benutzerschnittstelle (134, 136) eine Ausgabekommunikationsvorrichtung (134) mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen aufweist, wobei dieses Verfahren folgendes umfasst:
und
N8 wobei die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
III.
1. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 erweist sich als nicht schutzfähig, weil er im Hinblick auf den Stand der Technik nach der Druckschrift K20 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, einem mit der Entwicklung von Fahrzeugnavigationssystemen befassten berufserfahrenen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informatik, beruht.
So ist aus der Druckschrift K20 (vgl. Spalte 1, Zeilen 7 bis 12) ein Fahrzeugnavigationssystem (navigation system) zur Nutzung in einem Fahrzeug (motor vehicle) [= Merkmal M1] bekannt, das folgendes umfasst:
Sensormittel (vgl. Spalte 3, Zeilen 1 bis 7: „…a vehicle speed sensor, a gyrosensor, or the like and accumulated on the previous position of the motor vehicle to obtain the current position of the motor vehicle.“) zum Erzeugen von Daten zur Nutzung durch das Fahrzeugnavigationssystem zu Navigationszwecken [= Merkmal M2],
eine Benutzerschnittstelle (vgl. die Figur 1: image display means 3, voice outputting means 5, inputting means 6) zum Kommunizieren mit einem Benutzer des Fahrzeugnavigationssystems [= Merkmal M3],
und einen Zentralprozessor (vgl. die Figur mit Beschreibung Spalte 3, Zeilen 53 bis 62: control means 10) [= Merkmal M4], der folgendes ausführen kann:
Festlegen einer Route (vgl. Spalte 1, Zeilen 63 bis 67: „…route setting means for setting a drive route on the road map on the basis of starting point information and destination information inputted through the inputting means…“) von einer ersten Position zu einem Ziel auf die Wahl des Ziels durch den Benutzer, wobei diese Route (vgl. Spalte 3, Zeile 63, bis Spalte 4, Zeile 14: „…showing the operation of the voice guidance for an intersection at which the motor vehicle will next turn on the drive route for the change of its advancing direction…“, sowie die Figur 10) eine Anzahl von Manövern beinhaltet [= Merkmal M4a],
Erzeugen einer Anzahl von Manöveranweisungen (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung Spalte 4, Zeile 15, bis Spalte 5, Zeile 12: steps 112 - 114, 116 - 121: display…, read out…), die zu der besagten Anzahl von Manövern korrespondieren [= Merkmal M4b],
wobei bestimmten der besagten Manöveranweisungen (vgl. die Figur 9: step 8, und die Beschreibung Spalte 6, Zeilen 28 bis 30: „…outputs the enlarged illustration of the intersection and the name of the intersection to the image display means 3…“, sowie die Figur 10: name of the intersection) ein alphanumerische Zeichen enthaltender Name einer Straßenkreuzung und somit dementsprechend ein Straßenname [= Merkmal M4b-aa]
und eine Angabe einer Entfernung (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung insbesondere Spalte 4, Zeilen 49 bis 55: „In addition, the control means 10 reads out the sound data 'About a kilometers ahead, b turn' from the data storing means 2 (step 13) and combines with this sound data the previously calculated distance X and the advancing direction in the intersection to output the composition to the speech synthesizing means 4 (step 114).“) bis zu dem betreffenden Manöver zugeordnet ist [= Merkmal M4b-bb];
Wiedergeben einer Audiorepräsentation (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung, read out sound data) jeder der Manöveranweisungen vor dem Ausführen eines dazu korrespondierenden Manövers (vgl. z.B. steps 117 und 118 in Figur 2) [= Merkmal M4c],
wobei die Audiorepräsentation der ausgewählten Manöveranweisung die zugehörige Entfernungsangabe (vgl. in Figur 2 steps 113 und 117) enthält [= Merkmal M4c-bb], jedoch keinen Straßennamen wie in Merkmal M4c-aa beansprucht;
Einfügen - in Reaktion auf eine vom Benutzer empfangene Anforderung zum Wiederholen (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung, insbesondere Spalte 4, Zeilen 15 bis 23: „…when detecting instructions from the inputing means 6….If being within 10 seconds, the same voice guidance outputted at the time is again given to the voice outputting means 5 (step 103)) der zuletzt präsentierten Manöveranweisung, die eine Entfernungsangabe enthält (jedoch keinen Straßennamen), - einer angepassten Entfernungsangabe (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung und die Figuren 4 bis 8, z. B.: „about 500 meters ahead, right turn“) der Entfernung zu dem Manöver, das zu der besagten, früher präsentierten Manöveranweisung korrespondiert [= Merkmal M4d bis auf „Straßenname“];
Erzeugen einer wiederholten Manöveranweisung (vgl. die Figuren 2 und 4 bis 8 mit Beschreibung, z. B.: „a meters ahead, b turn), die die besagte, früher präsentierte Manöveranweisung [= Merkmal M4e],
und die besagte angepasste Entfernungsangabe enthält [= Merkmal M4e-bb], jedoch keinen Straßennamen wie im Merkmal M4e-aa beansprucht,
und Wiedergeben (vgl. die Figur 2 mit Beschreibung, read out sound data) einer Audiorepräsentation der besagten wiederholten Manöveranweisung vor dem besagten Benutzer [= Merkmal M4f].
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 unterscheidet sich damit vom aus der Druckschrift K20 bekannten Stand der Technik lediglich dadurch, dass die Audiorepräsentation auch Straßennamen enthält.
Neben der Angabe der Entfernung zum nächsten Manöver auch den Straßennamen der Straße, in die man abbiegen muss, akustisch anzugeben, ist für den Fachmann jedoch nahegelegt.
So ist dem Fachmann wohlbekannt, dass die vom Fahrzeugnavigationssystem in einer Straßenkarte (vgl. Spalte 3, Zeile 11, road map data) gespeicherten und angezeigten Straßen, Plätze und Kreuzungen üblicherweise Namen haben. Wie aus der Figur 10 der Druckschrift K20 hervorgeht, wird der Name einer Kreuzung (name of intersection) und somit gleichbedeutend ein Straßenname vom Navigationsgerät bereits optisch angezeigt und als Hinweis für das nächste Manöver verwendet.
Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht nun darin, dem Fahrer eines Fahrzeugs bei Nutzung eines Navigationssystems eine Sprachführung zu geben, bei der die Abhängigkeit des Fahrers vom sichtbaren Display des Systems geringer ist. Deshalb ist es für den Fachmann nahegelegt, den bereits optisch angezeigten Straßennamen für das nächste Manöver akustisch anzugeben, und zwar gemeinsam mit der akustischen Angabe der Entfernung zum nächsten Manöver, da damit die Abhängigkeit des Fahrers vom sichtbaren Display reduziert wird.
Dies lässt sich durch die in der K20 vorhandene Sprachsynthesevorrichtung (vgl. die Figur 1 mit Beschreibung, speech synthesizing means 4) ohne weiteres technisch realisieren, da sich damit auch umfangreichere Audiorepräsentationen, wie es die Straßennamen darstellen, erzeugen lassen.
2. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K20.
Dieser Gegenstand unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Patent-anspruchs 1 durch das zusätzliche Merkmal M3a, wonach die Benutzerschnittstelle eine Ausgabekommunikationsvorrichtung mit einem Bildschirm zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen und einem Lautsprecher zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen aufweist.
Dieses Merkmal ist jedoch ebenfalls bereits aus der Druckschrift K20 bekannt, da hier, wie aus der Figur 1 mit Beschreibung (insbesondere Spalte 3, zweiter Absatz), hervorgeht, die Benutzerschnittstelle sowohl einen Bildschirm (image display means 3 mit einem display screen) zur sichtbaren Wiedergabe von Manöveranweisungen, wie auch voice outputting means 5, die zwangsläufig einen Lautsprecher beinhalten, zur hörbaren Wiedergabe von Audiorepräsentationen (Numeral 5 stands for the voice outputting means for outputting as a voice the sound signal outputted from the speech synthesizing means 4) aufweist.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ergibt sich für den Fachmann ebenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K20.
Dieser Gegenstand unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch das zusätzliche Merkmal M5, wonach die besagten Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten.
Dies ist beim vorliegenden Vorrichtungsanspruch in Verbindung mit dem Merkmal M4 so zu verstehen, dass der Zentralprozessor so ausgebildet ist, dass er die im Merkmal M5 genannte Vorgehensweise ausführen kann.
Auch der aus der Druckschrift K20 bekannte Zentralprozessor (control means 10) ist jedoch gegenständlich so ausgebildet, dass er die im Merkmal M5 genannte Vorgehensweise ausführen kann und damit ist das Merkmal M5 ebenfalls bereits aus der Druckschrift K20 bekannt.
So weist dieser Zentralprozessor zwangsläufig, wie jeder andere Prozessor auch, Steuereinrichtungen und Speichereinheiten auf und muss nur entsprechend der angestrebten Funktionsweise programmiert werden. Wie aus der Figur 1 mit Beschreibung Spalte 3, Zeilen 8 bis 62, der K20 hervorgeht, ist der Zentralprozessor (control means 10) mit Speichereinheiten (data storing means 2) verbunden, in denen (vgl. Spalte 3, Zeile 16: sound data for voice guidance) vorab aufgezeichnete Audiosignale für die Sprachwiedergabe abgespeichert sind, sowie außerdem (vgl. Spalte 3, Zeilen 19 bis 25) mit einer Sprachsynthesevorrichtung (speech synthesizing means 4), die mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken eine Erzeugung von Sprache ermöglicht.
Damit lassen sich mit dem aus der Druckschrift K20 bekannten Zentralprozessor bei entsprechender Programmierung ohne weiteres Audiorepräsentationen von Manöveranweisungen erzeugen, die mit Hilfe von Sprachsynthesetechniken synthetisierte Straßennamen und vorab aufgezeichnete Anweisungskomponenten enthalten, wie im Merkmal M5 beansprucht ist.
Somit kann es dahinstehen, ob dieses Merkmal für den Fachmann auch aus anderen Druckschriften oder Vorbenutzungen im Stand der Technik nahegelegt war, wie von der Klägerin ausgeführt wurde.
4. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Druckschrift K20.
Dieser Gegenstand unterscheidet sich vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch die Merkmale M3a und M5, die bereits hinsichtlich der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 abgehandelt wurden.
Da auch diese Merkmale, wie oben zu den Hilfsanträgen 1 und 2 ausgeführt, bereits aus der Druckschrift K20 bekannt sind, ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ebenfalls für den Fachmann aus den oben genannten Gründen in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik.
5. Da somit die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 im Hinblick auf die Druckschrift K20 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhen, können die von der Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 9. November 2011 vorgebrachten Argumente hinsichtlich der unzulässigen Erweiterung, der mangelnden Neuheit gegenüber dieser Druckschrift und der mangelnden Technizität des Merkmals 4c-aa dahinstehen. Es kann somit auch dahinstehen, ob diese Argumente auf Grund des späten Vorbringens nicht von der Berücksichtigung ausgeschlossen wären.
6. Patentanspruch 1 erweist sich somit in keiner der von der Beklagten nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 beantragten Fassungen als bestandsfähig. Die nebengeordneten Verfahrensansprüche (Patentansprüche 19 bzw. 17) besitzen keinen über den jeweiligen Patentanspruch 1 hinaus gehenden erfinderischen Gehalt, da sie nur die Verwendung des jeweils von Patentanspruch 1 beanspruchten Fahrzeugnavigationssystems enthalten.
Die weiteren Patentansprüche lassen keine den Patentschutz begründenden Maßnahmen erkennen, was die Beklagte im Übrigen auch nicht geltend gemacht hat (vgl. dazu BGH X ZR 109/08 vom 29.9.2011, Rdnr. 96 - Sensoranordnung, veröffentlicht in juris, Das Rechtsportal; BGH GRUR 2007, 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II - in Fortführung von BGH GRUR 1997, 120 ff. - elektrisches Speicherheizgerät).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.