Entscheidungsdatum: 02.10.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 0 808 708
(DE 697 15 086)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie den Richter Dr. Huber, die Richterin Friehe, den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt und die Richterin Dr.-Ing. Prasch
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 808 708 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
1. A method for the injection-overmolding of plastics, for obtaining a component for sports shoes, consisting of a first injection of a first soft material and an injection-overmolding of a second harder material, characterized in that said first injection produces channels (2) in the component (1) of the sports shoe arranged above the sole (4) and in that said injection overmolding of said second harder material affects said channels (2) and also affects regions (12) adjacent to said channels (2), said regions (12) delimiting the injection overmolded edge and the thickness of said second harder material in said regions (12) being reduced, and
that the first injection of said first soft material is performed by means of a first mold, obtained by conventional methods, in order to form said component for sports shoues and form channels,
and in that the injection-overmolding of said second rigid material is performed inside a second mold along said channels (2) so as to affect not only said channels (2) but also regions adjacent thereto, and
in that said injection-overmolding produces a strong load-bearing frame for said component of said sports shoe.
2. A method according to claim 1, characterized in that said channels are obtained along primary lines (3a, 3b) which follow the directions along which the forces applied to said component during sports practice produce the highest stresses.
3. A method according to claim 1 for obtaining a shell for a ski boot or a skate, characterized in that said channels are formed along primary lines (3a, 3b) which are inclined with respect to the resting plane of the sole (4) and connect the toe region (5) to the region lying above the heel (7) of the foot and connect the region lying adjacent to the heel of the sole (4) to the foot instep region.
4. A method according to claim 1, characterized in that said injection-overmolding of said rigid material produces, at said channels (2) and at said regions adjacent thereto, a higher thickness for said component with resprect to said first injection of soft material.
5. A method according to claim 1, characterized in that the closing pressure of said second mold is adjusted so that it forms an impression on said component of said sports shoe arranged above the sole obtained from said first injection of said first soft material in a region (13) adjacent to the edge (14) of the injection-overmodling which constitutes a frame.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 808 708 (Streitpatent), das am 12. Mai 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung TV960064 vom 20. Mai 1996 angemeldet wurde. Das Streitpatent wurde in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 697 15 086 geführt. Es betrifft Verfahren zum Anspritzen auf einen Kunststoff und enthält 8 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch
und in deutscher Übersetzung
Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 808 708 B1 Bezug genommen.
Nach Ansicht der Klägerin ist der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig. Sie beruft sich auf folgende Schriften:
NK 3 DE 42 00 547 A1
NK 4 Gutachten Prof. Dr. Drummer
NK 5 Konstruktion und Fertigung eines Rasierergehäuses in Hart-Weich-Technik, Reker/Ullmann, Kunststoffe 79 (1989), S. 164 ff.
NK 6 Werkstoffgerechtes Gestalten von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen, Gemmer, Plastverarbeiter 1971, S. 293 ff.
und trägt weiter vor, die NK 7 (Chaussures de Ski 95/96, Katalog der Fa. Rossignol) zeige den vorbenutzten Skischuh Comp J, der von der Fa. Rossignol im Frühjahr 1995 auf der SIG Tradeshow in Frankreich ausgestellt worden sei, was der benannte Zeuge P… bestätigen könne.
In diesem Zusammenhang legt sie das Muster NK 8 vor, bei dem es sich um einen zerschnittenen Skischuh - nach Angaben der Klägerin um einen solchen Skischuh Rossignol Comp J - handelt.
Neben zwei Auszügen aus Lexika (NK 9 und NK 10) legt die Klägerin einige weitere Schriften (NK 11 bis NK 25/25a) als „weiteren Stand der Technik“ vor, zu dem sie allerdings zunächst keine weiteren Angaben gemacht hat. Nachdem der Senat in einem Bescheid nach § 83 Abs. 2 PatG vom 28. Juli 2012 (versandt am 30. Juli 2012) darauf hingewiesen hat, dass er die
NK 12 DE 2 030 633 A
als nächst liegenden Stand der Technik ansieht, hat die Klägerin sich zur Begründung der von ihr geltend gemachten fehlenden Patentfähigkeit auf diese Druckschrift sowie auf die
NK 15 US 4 150 455
berufen und ein weiteres Gutachten vorgelegt
NK 26 Gutachten Prof. Drummer vom 2. Februar 2012
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 808 708 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Klage insoweit abzuweisen, als das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 5 nach Hilfsantrag verteidigt wird, wobei maßgebend die englische Fassung ist.
Die Klägerin beantragt weiterhin,
das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Hinsichtlich des Wortlauts der Patentansprüchen 1 bis 5 nach Hilfsantrag wird auf den Urteilstenor verwiesen.
Der Senat hat den Parteien am 30. Juli 2012 einen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG übersandt. Auf Bl. 105 ff. der Akten wird Bezug genommen.
I.
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet soweit das Streitpatent in der erteilten Fassung wird. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 56 EPÜ) führt deshalb zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem im Tenor genannten Umfang. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
II.
1. Das Streitpatent betrifft nach Abs. [0001] der Beschreibung des Streitpatents ein Verfahren zum Überspritzgießen von Plastik zum Erhalt von Bestandteilen für Sportschuhe.
Nach der Beschreibungseinleitung sind im Stand der Technik Verfahren bekannt, mit denen durch Überspritzgießen von Plastik Bestandteile für Sportschuhe, z. B. Schalen für Skischuhe, Rollerskates, Schlittschuhe oder Eislaufschuhe hergestellt werden. Bei der Herstellung solcher Sportschuhe werden starre und weiche Materialien verwendet. Hierbei traten nach Abs. [0012] der Beschreibung des Streitpatents aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der Materialien beim Überspritzgießen Probleme auf, insbesondere Durchsickern von Material und Schwierigkeiten beim Zentrieren der Bestandteile in der Form.
Die Patentschrift bezeichnet es in Abs. [0020] als Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren anzugeben, das diese Nachteile vermeidet, eine größere Flexibilität und Toleranz während des Entwerfens zulässt, hohe Genauigkeit in den Bereichen, die die zwei Materialien (hart und weich) abgrenzen, erhält und niedrige Produktionskosten für die Formen sowie eine Produktion mit wenig Ausschuss erreicht.
2.a Zur Lösung dieser Aufgabe lehrt der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ein Verfahren mit folgenden gegliederten Merkmalen in deutscher Übersetzung:
1. Verfahren zum Überspritzen von Plastik zum Erhalt eines Bestandteils eines Sportschuhs, umfassend:
1.1 Eine erste Einspritzung eines ersten weichen Materials,
1.1.2 die erste Einspritzung erzeugt Kanäle (2) im Bestandteil (1) des Sportschuhs.
1.1.3 die Kanäle (2) sind über der Sohle (4) angeordnet;
1.2 Ein Überspritzgießen eines zweiten härteren Materials,
1.2.1 das Überspritzgießen des zweiten härteren Materials wirkt sich auf die Kanäle (2) aus,
1.2.2 das Überspritzgießen des zweiten härteren Materials wirkt sich auch auf die Bereiche (12) benachbart zu den Kanälen (2) aus,
1.2.3 die Bereiche (12) begrenzen den überspritzgegossenen Rand,
1.2.4 die Dicke des zweiten härteren Materials wird in den Bereichen (12) verringert.
2.b Die Lösung der Aufgabe gemäß Hilfsantrag lehrt ein Verfahren mit folgenden gegliederten Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der deutschen Übersetzung:
1.a Verfahren zum Überspritzen von Plastik zum Erhalt eines Bestandteils eines Sportschuhs, bestehend aus:
1.1 Einer ersten Einspritzung eines ersten weichen Materials,
1.1.2 die erste Einspritzung erzeugt Kanäle (2) im Bestandteil (1) des Sportschuhs.
1.1.3 die Kanäle (2) sind über der Sohle (4) angeordnet,
1.1.4 die erste Einspritzung des ersten weichen Materials wird mittels einer ersten Gussform durchgeführt, die durch herkömmliche Verfahren erhalten wird, um den Bestandteil für Sportschuhe auszubilden und Kanäle zu bilden;
1.2 Einem Überspritzgießen eines zweiten härteren Materials,
1.2.1 das Überspritzgießen des zweiten härteren Materials wirkt sich auf die Kanäle (2) aus,
1.2.2 das Überspritzgießen des zweiten härteren Materials wirkt sich auch auf die Bereiche (12) benachbart zu den Kanälen (2) aus,
1.2.3 die Bereiche (12) begrenzen den überspritzgegossenen Rand,
1.2.4 die Dicke des zweiten härteren Materials wird in den Bereichen (12) verringert,
1.2.5 das Überspritzgießen mit dem zweiten, starren Material wird innerhalb einer zweiten Gussform entlang den Kanälen (2) durchgeführt, um sich nicht nur auf die Kanäle, sondern auch auf Bereiche benachbart dazu auszuwirken,
1.2.6 das Überspritzgießen bildet einen starken, kräftetragenden Rahmen für den Bestandteil des Sportschuhs.
Im Vergleich zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag hat sich das Merkmal 1 geändert (1.a), die Merkmale 1.1.4, 1.2.5 und 1.2.6 sind hinzugekommen (Änderungen und Hinzufügungen in Fettdruck).
3. Berufener Fachmann für die in der Streitpatentschrift genannte - und auch objektive - Problemstellung ist vorliegend ein Ingenieur mit Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik, der bereits mehrere Jahre Berufserfahrung im Bereich der Spritzgusstechnik aufweist und auch Erfahrungen im Bereich der Sportschuh-Entwicklung besitzt.
4. Nach dessen maßgeblichen Verständnis und den Grundsätzen zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ folgend, ist bei der Auslegung eines europäischen Patents der Patentanspruch in seinem technischen Sinn und nicht in seiner philologischen Bedeutung aufzufassen und eine am Gesamtzusammenhang orientierte Betrachtung vorzunehmen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; GRUR 2004, 845 - Drehzahlermittlung, m. w. N.) .Im Einzelnen geht der Senat von folgendem Verständnis aus:
4.a Patentanspruch 1 nach Hauptantrag
Das vorliegende Verfahren zum Überspritzen von Kunststoff (plastics) - nicht „Plastik“ wie in der DE 697 15 086 übersetzt - zur Herstellung eines Sportschuhs nach Merkmal 1 umfasst im fachmännischen Sinne ein Anspritzverfahren oder auch ein Spritzgießen auf einen bereits vorgeformten Körper. Dabei wird zuerst ein (relativ) weiches Material spritzgegossen (Merkmal 1.1), wobei mit diesem Spritzgießprozess irgendwie geartete „Kanäle (2)“ erzeugt werden (Merkmal 1.1.2), die über der Sohle angeordnet sind (Merkmal 1.1.3). Demnach ist der Sohlenbereich - also der untere Teil des Schuhbodens und in diesem Sinne die „Außensohle“ - ausdrücklich ausgenommen. In der Beschreibung der Streitpatentschrift sind die Kanäle (2) auch als Rillen bezeichnet (DE 697 15 086 T2, Seite 3, vorletzter Absatz), in den Figuren sind sie als flache, streifenförmige Vertiefungen dargestellt, wie die nachfolgenden Figuren 3 - 5 zeigen.
Ein zweiter Spritzgießprozess eines zweiten, gegenüber dem ersten Werkstoff härteren Materials wird als Überspritzgießen benannt (Merkmal 1.2), bei dem die Kanäle und angrenzende Bereiche (12) mit diesem härteren Material überzogen (überspritzt) werden. Das Überspritzgießen mit dem härteren Material findet dabei erst statt, wenn das erste, weichere Material bereits fest geworden ist, da sich beide Materialien gegeneinander abgrenzen sollen (Seite 2, Absatz 2).
Soweit sich gemäß der Merkmale 1.2.1 und 1.2.2 in der deutschen Fassung das Überspritzgießen des zweiten härteren Materials auf die Kanäle (M 1.2.1) und die benachbarten Bereiche (M1.2.2) auswirken soll, ist dies entsprechend der Bedeutung der ursprünglichen englischen Fassung (to affect) derart aufzufassen, dass mit dem Überspritzen (Überschichten) die Kanäle sowie die angrenzenden Bereiche „betroffen“ und somit „beeinflusst“ sind. Die Kanäle können demzufolge in beliebiger Weise (teil-) ausgefüllt oder überdeckt werden, wobei das Überspritzen eine Auswirkung in physikalischer oder technischer Hinsicht besitzt. Hierbei können auch die zu überschichtenden Kanäle teilweise oder vollständig durch z. B. Verstärkungselemente ausgekleidet sein, da der Lehre des Patentanspruchs 1 eine Beschränkung auf ein (Teil-) Befüllen der Kanäle nicht zu entnehmen ist. Dies gilt insbesondere deshalb, da nach Merkmal 1 die vorliegenden Verfahrensschritte „umfasst“ sind und somit gegebenenfalls weitere Zwischenschritte nicht ausgeschlossen werden. Der Senat teilt deshalb nicht die Auffassung der Beklagten, Merkmal 1.2.1 umfasse auch die Lehre eines Teilbefüllens der Kanäle mit beispielsweise mit Verstärkungselementen, so dass eine gewisse Menge an härterem Material (M.1.2) noch in das verbleibende Volumen der Rillen eingefüllt werden könne.
Nach Merkmal 1.2.3 begrenzen „die Bereiche (12) den überspritzgegossenen Rand“. Danach sind sie definiert als die außerhalb der Kanäle überspritzten (beschichteten) Flächenbereiche, welche an die Kanäle angrenzen. Da die Streitpatentschrift keine Definition der Größe dieser Bereiche angibt und andererseits nicht zwingend eine Begrenzung beidseitig der Kanäle vorgibt, können die Bereiche beidseitig der Kanäle vorliegen, bei einer bestimmten Anzahl dicht beieinander liegender Kanäle z. B. aber auch eine vollständige Überdeckung „zwischen den Kanälen“ bilden, während nur an den beiden außen liegenden Kanälen jeweils ein derartiger begrenzter Außenbereich besteht.
Gemäß Merkmal 1.2.4 ist dabei die Dicke des aufgespritzten härteren Materials in diesen Bereichen geringer als in den Flächenbereichen der Kanäle. Dies versteht der Fachmann dahingehend, dass die Dicke der Deckschicht in den Bereichen (12) im Wesentlichen durchgehend (überwiegend) geringer ist als die mittlere Dicke im Bereich der Kanäle. Diesem Verständnis entsprechen auch die Darstellungen der Figuren 3 bis 5.
In der Beschreibung des Streitpatents werden die in den Merkmalen M 1.1 und 1.2 verwendeten Begriffe „weich“ und „hart“ jeweils anhand zweier Beispiele und exemplarischer Härtewerte sowohl für die „weichen“ (52 und 54 Shore D) als auch „harten“ (67 und 72 Shore D) Materialien konkretisiert. Damit wird für den Fachmann zum Ausdruck gebracht. dass sich die beiden Kunststoffe nicht nur hinsichtlich ihrer Härte unterscheiden, sondern auch entsprechend dazu im Hinblick auf ihren Widerstand gegen plastische Deformation (Festigkeit). Insoweit wird in der Beschreibung auch ausführlich auf die Bedeutung der Eigenschaften des Materials im Hinblick auf seine Starrheit (rigidity properties) und die Deformation des Materials bei Ausübung des Sports abgestellt und der Begriff des „starren“ Materials („rigid“ material) zur Erläuterung der technischen Lehre in den Vordergrund gestellt.
4.b Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag
Das gegenüber dem Hauptantrag geänderte Merkmal 1.a weist nun die Formulierung „bestehend aus“ (anstatt „umfasst“) auf, wodurch das Verfahren auf die ausgeführten Verfahrensschritte festgelegt ist und keinen Raum mehr für potentielle Zwischenschritte lässt.
Konkretisiert wird mit dem hinzugekommenen Merkmal 1.1.4 ferner, dass die erste Einspritzung mit dem weicheren Material mittels einer ersten Gussform durchgeführt wird. Dies impliziert damit auch das weitere, neu aufgenommene Teilmerkmal in 1.2.5, wonach das zweite, härtere Material innerhalb einer zweiten Gussform (Gussformhälfte) aufgebracht wird. Das Überspritzgießen erfolgt dabei „entlang“ der zuvor mit der ersten Materialkomponente erzeugten Kanäle und weist damit auf eine Spritzgieß-Richtung hin. Zwar bedeutet diese Formulierung „entlang den Kanälen…“ isoliert betrachtet noch nicht, dass das zweite, härtere Material in die Kanäle fließt und diese nicht teilweise oder vollständig z. B durch eingelegte Verstärkungselemente ausgefüllt sein können. Doch unter Einbeziehung der einschränkenden Merkmale 1.a und 1.2.6 lehrt Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag für den Fachmann ein Verfahren, dass auf die Überspritzung des zweiten härteren Materials ohne Einbeziehung sonstiger Verstärkungselemente beschränkt ist. Eine in einem ersten Verfahrensschritt erzeugte, längliche Vertiefung wird durch ein „Überspritzgießen“ entlang dieser Vertiefung durch ein zweites Material auch nahezu zwingend (zumindest teilweise) ausgefüllt, wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat. Insoweit wird auch mit dem Merkmal 1.2.6 ein wesentlicher Aspekt des Verfahrens formuliert, wonach das überspritzgegossene zweite, härtere Material einen starken, insbesondere kräftetragenden Rahmen des Sportschuhs bildet. Dieser Rahmen kann, insbesondere wegen des nach Merkmal 1a ausgeschlossenen weiteren Verfahrensschritts - wie des Einsetzens von Verstärkungselementen - für den Fachmann bei einem Überspritzgießen der ersten Einspritzung mit einem härteren Material nur durch Ausfüllung der Kanäle erreicht werden. Damit bildet der im Wesentlichen durch die Materialanhäufung in den Kanälen gebildete Rahmen eine starke, kräftetragende Struktur des Sportschuhs, ohne dass es weiterer Verstärkungselemente bedarf.
III.
Die nach Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchte Lehre ist nicht patentfähig i. S. v. Artikel 138 (1) a) EPÜ, insbesondere ist sie nicht erfinderisch. Denn sie ergab sich für den angesprochenen Fachmann zum Zeitpunkt der Anmeldung bzw. zum Prioritätszeitpunkt in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
1. Das Verfahren zum Überspritzgießen von Kunststoff (plastics) zum Erhalt eines Bestandteils eines Sportschuhs nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist in Bezug auf die genannten Druckschriften neu i. S. v. Art. 54 EPÜ.
1.1 Die auch seitens der Klägerin als nächst liegende Druckschrift angesehene DE 20 30 633 A (NK 12), der gegenüber die Klägerin das Verfahren des Patentanspruchs 1 für nicht neu erachtet, beschreibt ein Verfahren zur Herstellung u. a. eines Skischuhs, bei dem ein erstes Kunststoffmaterial mit einer (relativ) größeren Biegsamkeit in einer ersten Werkzeugform spritzgegossen wird. In einem späteren, vom ersten Spritzgießen getrennten Verfahrensschritt wird ein zweites, gegenüber dem ersten Material (in seinem vernetzten Zustand) steiferes Kunststoffmaterial in einer zweiten Spritzgießform bereichsweise „auf das erste Kunststoffmaterial aufgespritzt“ (Patentansprüche 1 und 2). Die in Bezug auf die Biegsamkeit bezogene Charakterisierung der beiden Kunststoffwerkstoffe hat dabei einen direkten Bezug zur Härte der Materialien (steifer ist hier auch härter). Bei dem zweiten Spritzgießen handelt es sich dabei analog zu dem Verfahren des Streitpatents um ein Überspritzgießen an ein im zweiten Formwerkzeug eingelegtes (weitgehend) vernetztes, festes Bauteil.
Beim ersten Spritzgießprozess werden dabei auch kanalartige Vertiefungen im Material erzeugt, die zudem auch über der Sohle angeordnet sind (Figur 1, linke Seite des Schaftes). Das Überspritzen des zweiten, härteren Materials wirkt sich dabei auch auf die Kanäle aus, da diese und - in einem separaten Verfahrensschritt - inzwischen dort positionierte Verstärkungselemente (5) mit dem zweiten Material überspritzt werden. Jedenfalls sind auch die Bereiche, die mit den aufgeklebten Verstärkungselementen (Patentanspruch 3) versehen sind, für ein Überspritzen mit dem zweiten Material vorgesehen (s. a. Figur 2). Benachbart zu den in der Figur 2 gezeigten Kanälen des ersten Kunststoff-materials sind auch Bereiche erkennbar, die vom angespritzten zweiten Material bedeckt sind und deren Flächen durch den „überspritzgegossenen Rand“ begrenzt sind. Das angespritzte Material überdeckt somit sowohl die Kanäle wie auch die Verstärkungselemente und reicht bis in den Bereich des ersten Materials mit nicht abgesenktem Niveau hinein (Figur 2). Damit sind die Verhältnisse diesbezüglich entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents. Damit sind die Merkmale 1 bis 1.2.3 des Gegenstands des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent aus der NK 12 allesamt bekannt.
Die zusätzliche Befestigung von Verstärkungselementen steht der vorstehenden Übereinstimmung der Merkmale dabei nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt, sieht auch die Beklagte das Merkmal 1 („Verfahren, …umfassend“) in Verbindung mit den weiteren Merkmalen derart an, dass auch potentiell zusätzliche Verfahrensschritte - wie beispielsweise das zumindest partielle Einlegen von Verstärkungselementen in die Kanäle - von der vorliegenden Fassung des Verfahrensanspruchs mitumfasst sind.
Allerdings ist in der NK 12 nicht offenbart, dass die Auftragsstärke (Dicke) des zweiten, härteren Materials in den Bereichen benachbart zu den Kanälen (überwiegend) verringert vorliegt. Die Dicke des überspritzten Materials erscheint gemäß der Figur 2 im Bereich des Schaftes weitgehend konstant, im Bereich zwischen den beiden Verstärkungselementen (5) in Figur 2 hingegen erscheint die Materialstärke sogar etwas größer. Lediglich die Randbereiche der überstehenden Überlappungszonen des härteren Materials laufen abgerundet aus und weisen somit nur partiell dünnere Zonen auf. Damit ist das Merkmal 1.2.4 aus der NK 12 nicht bekannt.
1.2 Die von der Klägerin ebenfalls als neuheitsschädlich angesehene Druckschrift US 4 150 455 A (NK 15) beschreibt u. a. ein Verfahren zur Herstellung von Schuhen, zu deren Herstellung ein härteres Material als Sohlenmaterial im Vergleich zum Obermaterial eingesetzt wird (Spalte 10, Zeilen 10 bis 25). Dabei wird gemäß der Beschreibung zu den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 36 bis 42 (Spalte 18, Zeilen 20) ein Oberteil mit einer Innensole (upper having an insole) spritzgegossen, der gewisse Aussparungen (recesses) aufweist. Diese sind gemäß den Figuren 41 und 42 als Kanäle anzusehen, in die in einem weiteren Verfahrensschritt das (härtere) Sohlenmaterial an- und eingespritzt wird (Überspritzvorgang).
Die kanalförmigen Aussparungen haben dabei die Funktion der Anbindung der Sohle an den weiteren Schuhkörper (Obermaterial) und bilden durch die hinterschnittene Form eine gute und dauerhafte Verbindung. Die Kanäle sind dabei in der Ausführung gemäß der Figur 41 über der Sohle angeordnet, da hier lediglich der mit dem Sohlenmaterial angespritzte Teil unterhalb des Obermaterials als Sohle anzusehen ist. Das Überspritzen des zweiten (Sohlen-) Materials umfasst dabei auch die Bereiche benachbart zu den Kanälen (Merkmal 1.2.2). Auch ist die Dicke in diesen Bereichen neben den Kanälen strikt gesehen auch „in ihrer Dicke verringert“ im Vergleich zur Dicke des Materials direkt über den Kanälen (Merkmal 1.2.4).
Die Bereiche neben den Kanälen begrenzen jedoch nicht den überspritz-gegossenen Rand im Sinne des Merkmals 1.2.3, da das Sohlenmaterial über alle Kanäle hinweg im Bodenbereich des Schuhs durchgängig aufgespritzt wird. Das laterale Auslaufen der Sohle im Bereich der Seitenwand kann dabei nicht im Sinne des Merkmals 1.2.3 gesehen werden. Ferner wird in den Ausführungsbeispielen zu den Figuren 36 bis 42 nicht die Herstellung eines Sportschuhs beschrieben, so dass auch das Merkmal 1 nicht (vollständig) bekannt ist. Zwar ist in der NK 15 auch auf Sportschuhe Bezug genommen, doch bezieht sich dies lediglich auf Ausführungsbeispiele, die in den Figuren 11, 72 und 75 dargestellt sind. Somit sind aus der NK 15 die Merkmale 1 und 1.2.3 nicht (vollständig) bekannt.
1.3 Alle weiteren Druckschriften sind seitens der Klägerin im Hinblick auf die Neuheit nicht herangezogen worden, sie stellen überdies die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht infrage.
2. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit i. S. v. Art. 56 EPÜ, da es sich aus der NK 12 in naheliegender Weise ergibt.
Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist entscheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird, was die Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin; BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diesen Stand der Technik zu ändern.
Ausgehend von der sich dem Fachmann stellenden objektiven Aufgabe, die Nachteile im Stand der Technik zu vermeiden und die beschriebenen Vorteile zu erzielen, richtete der Fachmann sein Augenmerk zur Problemlösung zunächst auch auf die höchstrelevante Druckschrift NK 12, die auch von der Klägerin als nächst liegende Druckschrift angesehen wird. Wie unter 1.1 zur Neuheit ausgeführt, unterscheidet sich die NK 12 vom Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lediglich dadurch, dass das Merkmal 1.2.4, wonach die Dicke des zweiten härteren Materials in den Bereichen (12) (überwiegend) verringert vorliegt, nicht vollständig erfüllt ist. In gewissen Teilen allerdings - nämlich den Randbereichen der Überlappungen des härteren Materials - läuft die Überlappung abgerundet aus, was insbesondere in der Figur 2 auf der linken Schaftseite des Schuhs oberhalb der oberen Verstärkung zu sehen ist. Hier liegt die zweite, härtere Deckschicht zu einem Teil der überdeckten (Querschnitts-) Länge in verringerter Dicke im Vergleich zur Deckschicht im Bereich der mit Verstärkungselementen überdeckten Kanäle. Direkt angrenzend an die Verstärkungselemente liegt die überspritzte Deckschicht hingegen durchaus in etwas erhöhter Schichtdicke vor, so dass der Fachmann aus der Figur 2 diesbezüglich entnimmt, dass die Schicht des zweiten, härteren Materials in den Kanälen angrenzenden Bereichen sowohl dicker als auch dünner aufgebracht sein kann. Er wird somit zum Zwecke der Einbindung der Verstärkungen in entsprechende Kanäle und des kontinuierlichen Übergangs auf das zuerst spritzgegossene, weichere Material die Ausgestaltung entsprechend seinen Bedürfnissen und Anforderungen gestalten. Die Gestaltung des Übergangs und damit die Dicke des zweiten Materials in den überlappenden Bereichen liegen damit im Ermessen des Fachmanns.
Der Fachmann entnimmt der Figur 2 weiterhin, dass im Bereich des rechten Schuhschaftes das zweite, härtere Material aufbauend auf das erste aufgespritzt ist, während im Bereich des unteren linken Schaftes das härtere Material übergangslos an das erste auf- bzw. angespritzt ist. Hier erhält der Fachmann also den Hinweis, das zweite, härtere Material, je nach funktioneller oder optischer Anforderung, mit unterschiedlichen Übergängen auf- bzw. anzuspritzen. Beide Ausführungen stellen somit Extremvarianten des Aufspritzens dar, bei denen einerseits ohne, andererseits mit „maximaler Vertiefung“ und ohne jegliche Überlappung des zweiten Materials über das erste aufgetragen wird. Auch hierdurch wird der Fachmann angeregt, die Dicke der Überspritzung der die Kanäle benachbarten Bereiche entsprechend den technisch-konstruktiven Belangen einerseits und den optischen Ansprüchen an Design und Ästhetik andererseits zu wählen und sich nicht streng an die Zeichnung der Figur 2 zu halten. Damit kann diesem Merkmal 1.2.4 keine erfinderische Tätigkeit beigemessen werden. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag war somit aus der NK 12 nahegelegt.
IV.
Die nach Hilfsantrag verteidigte Fassung des Streitpatents erweist sich als zulässig geändert und bestandsfähig, da sie auch die Voraussetzungen der Patentfähigkeit erfüllt.
1. Die von der Patentinhaberin nach Hilfsantrag 1 verteidigte beschränkte Fassung des Streitpatents beruht auf einer zulässigen Änderung. Insoweit ist die Zulässigkeit einer erweiterten Prüfung zu unterziehen, welche nicht auf die in Art. II § 6 IntPatÜG genannten Nichtigkeitsgründe beschränkt ist, sondern bei europäischen Patenten auch die Prüfung des Erfordernisses der Klarheit nach Art. 84 EPÜ umfasst (BGH GRUR 2010, 709, Tz. 55 - Proxyserversystem). Soweit die Klägerin in der Formulierung „bestehend aus“ eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldeunterlagen sieht und zudem geltend macht, die Fassung des Patentanspruchs 1 sei im Hinblick auf die Wiederholungen von Merkmalen und die Formulierung „durch herkömmliche Verfahren“ unklar, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
Eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung oder des Schutzbereichs des Streitpatents durch den Austausch des Merkmals „umfassend“ mit dem Merkmal „bestehend aus“ in M.1a besteht nicht, da die Lehre des Patentanspruch 1 hierdurch nur beschränkt und nicht gegen eine andere Lehre ausgetauscht wird und die so eingeschränkte Lehre auch von dem Offenbarungsgehalt der Anmeldeunterlagen sowie des Streitpatents umfasst war. Zwar ist mit der ursprünglichen Offenbarung einer Lehre, wonach ein Verfahren bestimmte Verfahrensschritte "enthalten" soll, nicht ohne weiteres auch als zur Erfindung gehörend offenbart, dass ihm keine weiteren Bestandteile hinzugefügt werden dürfen. Für die Offenbarung, dass es zur Erfindung gehört, dass das Verfahren ausschließlich aus den genannten Bestandteilen "besteht", bedarf es vielmehr in der Regel darüber hinausgehender Anhaltspunkte in den ursprünglichen Unterlagen, wie etwa des Hinweises, dass das ausschließliche Bestehen des Verfahrens aus den genannten Schritten besondere Vorteile hat oder sonst erwünscht ist (zum Erzeugnis: BGH GRUR 2011, 1109 - Reifenabdichtmittel).
Vorliegend erschöpft sich die Offenbarung der Anmeldung nicht nur insoweit in einem Hinweis, sondern sie fokussiert im Gegensatz zu dem umfassender formulierten Patentanspruch 1 ausschließlich ein auf die Verfahrensschritte einer ersten Einspritzung und eines Überspritzgießens reduziertes Verfahren ab und hebt auch insoweit mit dem Hinweis auf die EP 0 645 101 die Abgrenzung zum Stand der Technik und der danach verwendeten Verstärkungsmaterial hervor. Bezeichnenderweise enthalten weder die Anmeldeunterlagen noch die Streitpatentschrift Angaben zu weiteren grundsätzlichen Verfahrensschritte zwischen dem Einspritzen des ersten, weicheren Materials und dem Überspritzen mit dem zweiten, härteren Material wie auch kein Ausführungsbeispiel auf einen derartigen potentiellen Verfahrensschritt gerichtet ist, der beispielsweise das Einlegen von Verstärkungsmaterial in die Kanäle beschreibt. Patentanspruch 1 ist demgegenüber im Hinblick auf die Formulierung „umfassend“ weiter gefasst und bildet auch seinem technischen Sinngehalt nach eine umfassendere Lehre. Diese darf auch nicht deshalb einschränkend ausgelegt werden, weil hiermit die Schutzfähigkeit eher bejaht werden kann (BGH GRUR 2004, 47, 49 - blasenfreie Gummibahn I) oder weil in der Beschreibung entsprechende Hinweise auf eine entsprechende umfassendere Lehre fehlen (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 959 - Pumpeinrichtung; GRUR 2004, 1023 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung), zumal eine Auslegung unterhalb des Wortlauts des Vorrangs genießenden Patentanspruchs (BGH GRUR 2010, 602 Gelenkanordnung) generell nicht zulässig ist (BGH GRUR 2007, 309, 311 - Schussfädentransport).
Die Wiederholung von (Teil-) Merkmalen in einem Patentanspruch ist unschädlich und stellt keine unklare technische Lehre dar, sofern sich diese Merkmale nicht widersprechen oder damit unbestimmte Angaben verbunden sind. Auch die Formulierung in Merkmal 1.1.4, wonach die erste Einspritzung des ersten Materials mittels einer ersten Gussform durchgeführt wird, „die durch herkömmliche Verfahren erhalten wird“, keinen Mangel an Klarheit begründet. Denn damit sind lediglich alle (bekannten) diesbezüglichen Verfahren beinhaltet, ohne dass die Art der Herstellung die zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwendete Vorrichtung oder das Verfahren selbst kennzeichnet, so dass dieses Teilmerkmal an sich überflüssig ist, für den Fachmann jedoch zu keinerlei Unklarheiten führt.
Die weiteren Patentansprüche 2 bis 5 des Hilfsantrags entsprechen den Patentansprüchen 3, 4, 7 und 8 des Hauptantrags und sind demzufolge ebenfalls zulässig.
2. Die nach Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beanspruchte Lehre ist patentfähig, da dieses Verfahren zum Überspritzgießen von Kunststoff zum Erhalt eines Bestandteils eines Sportschuhs neu ist und sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem bekannten Stand der Technik ergab.
2.1 Aus der NK 12 war dem Fachmann zwar auch im das neu aufgenommene Merkmal 1.1.4 bekannt. Auch die erste Einspritzung eines ersten, weichen Materials erfolgt nach der Lehre der NK 12 in eine erste Gussform (Hohlform 2), dargestellt in Figur 1, wobei die zeichnerische Darstellung dem Fachmann auch die Ausbildung kanalartiger Vertiefungen vermittelt. Die Erzeugung „mittels herkömmlicher Verfahren“ umfasst dabei alle bekannten Verfahren, wodurch auch ein in der NK 12 (beliebig) angewandtes Verfahren beinhaltet ist.
Nicht entnehmen konnte der Fachmann der NK 12 jedoch die weiteren aufgenommenen Merkmale (1.a, 1.2.5 und 1.2.6). Zwar erfolgt das Überspritzen mit einem zweiten, härteren Material gemäß Merkmal 1.2.5 in der NK 12 ebenfalls in einer zweiten Gussform (neue Matrize 2‘) und ist auch entlang der Kanäle gerichtet. Die Kanäle werden jedoch nicht (auch nicht zumindest teilweise) durch das härtere Material ausgefüllt, wie es die Lehre nach Patentanspruch 1 in der beschränkten Fassung voraussetzt. Somit stellt sich die Frage, in wieweit der Fachmann Veranlassung hatte, auf die eingeklebten Verstärkungselemente zu verzichten und stattdessen das Verfahren auf ein Überspritzgießen eines zweiten härten Materials zu reduzieren, das entlang der Kanäle und benachbarten Bereiche aufgebracht wird.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln insbesondere nicht schon deshalb als nahegelegt bewertet werden kann, weil lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen. Es bedarf vielmehr - abgesehen von Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun (BGH GRUR BGH GRUR 2009, 936 - Heizer; GRUR 2010, 814 - Fugenglätter) - zusätzlich des Anlasses oder der Anregung, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, da erfahrungsgemäß die technische Entwicklung nicht notwendigerweise diejenigen Wege geht, die sich bei nachträglicher Analyse der Ausgangsposition als sachlich plausibel oder gar mehr oder weniger zwangsläufig darstellen (BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2010, 487 - einteilige Öse).
Vorliegend fehlte in der NK 12 und auch im sonstigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik jeglicher Hinweis zu einer Fortbildung Im Sinne des beanspruchten Verfahrens. Die NK 12 gibt insbesondere deshalb keine Veranlassung oder Anregung in diese Richtung, weil dort Verstärkungen gemäß der Beschreibung des Ausführungsbeispiels i. V. m. der Zeichnung in Figur 3 als „Metallteile zwischen [den] Harzschichten“ für die Befestigung der „Schließvorrichtungen“ des Schuhs vorgesehen sind (Seite 4, letzter Absatz). Für derartige Befestigungsanordnungen kann der wesentliche Befestigungsträger nicht ohne weiteres weggelassen werden, ohne grundsätzliche Änderungen an der Konstruktion des Sportschuhs vorzunehmen. Die Verankerungspunkte der Schließvorrichtungen (Schnallen) gehören zum wesentlichen und prinzipiellen Aufbau des in der NK 12 beschriebenen Sportschuhs, die der Fachmann nicht verändern wird. Somit wird er einen Verzicht des Verfahrensschritts der Befestigung der Verstärkungselemente zwischen einer ersten, weicheren und einer zweiten, härteren Schicht, wie dies ja als wesentlicher Verfahrensschritt im Patentanspruch 1 der NK 12 vorgesehen ist, nicht in Erwägung ziehen.
Sofern der Fachmann dennoch anstelle von Metallteilen neuere, hochfeste Kunststoffe als zweites, härteres Material zum Überspritzgießen dieser kanalartigen Vertiefungen in Erwägung gezogen haben sollte, um die Befestigungselemente der Schließvorrichtungen des Sportschuhs daran zu verankern, so erhält er damit immer noch nicht einen starken, kräftetragenden Rahmen für den Bestandteil des Sportschuhs gemäß Merkmal 1.2.6. Denn die Verstärkungen liegen jeweils getrennt voneinander punkt- oder linienförmig vor und bilden somit kein zusammenhängendes Gerüst, der einen Rahmen bilden könnte. Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag war dem Fachmann somit aus der Druckschrift NK 12 allein nicht nahegelegt.
2.2 Auch die grundsätzlich mögliche, alternative Betrachtung des Gegenstands der NK 12, wonach allein die durch das Überspritzgießen des zweiten, härteren Kunststoffs gebildete Schicht einen starken, kräftetragenden Rahmen des oberen Teils des Sportschuhs bildet (Figur 4), führt nicht zum Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag. Einen derartigen „flachen“ oder auf die erste, weiche Schicht stark aufbauenden Rahmen könnte der Fachmann in Bezug auf das Merkmal 1.2.5 durchaus als starken und kräftetragenden Rahmen ansehen. Doch ist der Fachmann bei dieser Betrachtung der NK 12 dann nicht veranlasst, die erste Gussform derart zu gestalten, dass im ersten, weichen Material Kanäle vorhanden sind, die dann - in Verbindung mit den angrenzenden Bereichen - mit einem zweiten Material überspritzgegossen werden. Damit wären unter diesem Aspekt eines aus der Figur 4 zu entnehmenden „tragenden Rahmens“ die Merkmale 1.1.2 bis 1.2.4 sowie 1.2.1 bis 1.2.5 nicht bekannt, so dass auch diese Betrachtung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag führt.
2.3 Auch die Hinzuziehung des weiteren Stands der Technik führt den Fachmann nicht zur Lösung des Verfahrens nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag. Die NK 15 bildet in einem ersten Spritzgießprozess im Bereich des Schuhoberteils (gegebenenfalls mit Innensohle) Aussparungen oder Vertiefungen aus, die zwar als Kanäle bezeichnet werden können (vgl. Ausführungen unter 6.a). Diese Vertiefungen stellen jedoch lediglich Verankerungs- oder Befestigungspunkte für die Sohle zum Schuhoberteil dar. Eine Lösung zur Ausbildung eines starken, kräftetragenden Rahmens für den Bestandteil des Schuhs oberhalb der Sohle ist diesem Dokument nicht zu entnehmen. Da diese Druckschrift somit lediglich zum Ziel hat, eine Sohle mit einem Schuhobermaterial spritztechnisch zu verbinden, zieht der Fachmann die NK 15 für die gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag vorliegende Zielsetzung einer Erzeugung eines starken, kräftetragenden Rahmens für den (oberen) Bestandteil eines Sportschuhs nicht in Betracht.
Die Heranziehung der NK 3, auf welche die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich abgestellt hat, führt ebenfalls nicht zum Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag. Nach Auffassung der Klägerin lehrt die NK 3, Verstärkungselemente lediglich alternativ einzusetzen (Patentansprüche 8 bis 10), wodurch der Fachmann in der Zusammenschau mit der NK 12 die Anregung erhalten würde, die dort verwendeten Verstärkungselemente wegzulassen.
Die NK 3 ist nicht geeignet, in Verbindung mit der NK 12 das vorliegende streitpatentgemäße Verfahren nahezulegen. Die NK 12 offenbart bereits die Anwendung von bereichsweisem Überspritzgießen einer ersten, weichen Schicht mit einem zweiten, härteren Material ohne dazwischen liegende Verstärkungsschicht (Figur 2, rechte Schaftseite); insofern ist die Heranziehung der NK 3 diesbezüglich ohnehin nicht notwendig. Im Übrigen unterscheidet sich das Verfahren der NK 3 bereits grundlegend vom Verfahren des Streitpatents, da es sich im fachlichen Sinne nicht um ein Überspritzen (Anspritzen) eines in einen Formhohlraum eingebrachtes Formteil handelt (Merkmal 1.2), sondern um ein Mehrkomponenten-Spritzgießen im Sinne eines Co- oder Bi-Injektionsverfahrens. Dieses Verfahren erfolgt zudem in einer (einzigen) Werkzeugform, so dass nicht zwei verschiedene (Teil-) Werkzeuge benötigt werden, sondern der Spritzgießprozess findet mit zwei oder mehreren Komponenten zeitnah oder parallel ohne eine zwischenzeitliche Verfestigung des ersten Werkstoffs statt. Der Fachmann zieht folglich auch dieses Dokument nicht weiter in Erwägung.
2.4. Den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften sind ebenfalls keine Anregungen zu entnehmen, die zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag führen könnten. Auch die im schriftlichen Verfahren geltend gemachte, in der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag jedoch nicht weiter aufgegriffene, potentielle Vorbenutzung des vorgelegen Skischuhs führt den Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Streitpatentgegenstand nach Anspruch 1. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinausgehende Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen (vgl. BGH GRUR 2010, 814, 817 - Fugenglätter). Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag hat somit Bestand.
8. Die ebenfalls angegriffenen, sich anschließenden Unteransprüche 2 bis 5, die zulässige Ausgestaltungen der Erfindung nach Anspruch 1 beinhalten, werden vom beständigen Hauptanspruch getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte (BPatGE 34, 215).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens hat der Senat die gegenseitige Aufhebung der Kosten für angemessen gehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.