Entscheidungsdatum: 18.07.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 100 49 660
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Engels, den Richter Dr. Huber, die Richterin Friehe und die Richter Dipl.-Ing. Rippel und Dr. Dorfschmidt am 18. Juli 2012 für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 100 49 660 wird für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
I.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 7. Oktober 2000 angemeldeten deutschen Patents 100 49 660 (Streitpatent). Es betrifft ein Verfahren zum Herstellen lokal verstärkter Blechumformteile und umfasst 27 Patentansprüche.
Die Klägerin stützt ihre vollumfänglich gegen das Streitpatent gerichtete Nichtigkeitsklage auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit und beantragt,
das deutsche Patent 100 49 660 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat innerhalb der Frist des § 82 Abs. 1 PatG erklärt, dass sie keinen Widerspruch einlege und den Anspruch sofort anerkenne. Sie habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.
Auf den Hinweis des Senats, dass die Entscheidung nach § 82 Abs. 2 PatG ohne mündliche Verhandlung ergehen solle und zur Frage einer Selbstbeschränkung auf Null sowie zur Klageveranlassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde, hat die Beklagte mit weiterer Erklärung vom 5. Juni 2012 präzisiert, dass eine Selbstbeschränkung auf Null gewollt sei. Die Klägerin hat keine Stellungnahme abgegeben.
I.
Die auf den Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit des Streitpatents (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) gestützte Klage ist zulässig und begründet. Da die Beklagte das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung insgesamt nicht mehr verteidigt, war es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären.
Nachdem die Beklagte keinen Widerspruch eingelegt und erklärt hat, dass eine Selbstbeschränkung auf Null gewollt ist, konnte der Senat über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 82 Abs. 2 PatG, denn die vorgenannte Vorschrift ermöglicht bei verständiger Auslegung eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung in den Fällen, in denen ein Widerspruch innerhalb der Monatsfrist des § 82 Abs. 1 PatG nicht eingelegt wird.
Die Erklärung des Beklagten, das vollständig angegriffene Streitpatent nicht mehr zu verteidigen, stellt nach ständiger Rechtspraxis eine wirksame Begrenzung des Streitstoffs im Nichtigkeitsverfahren dar und hat zur Folge, dass es hinsichtlich des von der - zulässigen - Selbstbeschränkung umfassten, nicht mehr verteidigten Patentgegenstandes ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären ist (zur st. Rspr. BPatG Oxaliplatin GRUR 2010, 137 m. w. N.), da eine sachliche Überprüfung nur im Rahmen der von den Streitparteien gesetzten Grenzen zu erfolgen hat.
Die Möglichkeit der Selbstbeschränkung im Nichtigkeitsverfahren auf Null ist begründet aus dem Gedanken der Verfahrensökonomie und der Vermeidung eines ansonsten gemäß § 64 PatG erforderlichen isolierten Beschränkungsverfahrens. Nach der Neufassung des § 64 Abs. 1 PatG mit Wirkung zum Dezember 2007 (vgl. Bekanntmachung vom 19. Februar 2008, BlPMZ 2008, 1) kann der Patentinhaber den vollständigen Widerruf seines Patents beantragen und wird deshalb nicht mehr auf die nur ex nunc wirkende Verzichtserklärung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG verwiesen. § 64 Abs. 1 PatG n. F. ist mangels Überleitungsvorschriften auf das Streitpatent anwendbar.
Die Nichtigerklärung des Streitpatents aufgrund der Selbstbeschränkung auf Null trägt der Rechtssicherheit und damit dem Interesse der Allgemeinheit effektiver Rechnung als der gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt zu erklärende Verzicht auf das Patent nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG. Denn mit diesem kann der Patentinhaber das Streitpatent nur zu einem Erlöschen mit Wirkung ex nunc bringen. Die Nichtigerklärung des Streitpatents schafft dagegen sowohl für den Patentinhaber als auch für die Allgemeinheit eine klare Situation, weil gemäß § 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 3 Satz 1 PatG die Wirkungen des Streitpatents und der Anmeldung mit Wirkung für und jedermann als von Anfang an nicht eingetreten gelten.
Im Übrigen entspricht die vorgenannte Rechtsfolge, das Patent ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären, vorliegend auch deshalb dem Willen der Beklagten, als diese ausdrücklich erklärt hat, den Anspruch der Klägerin (auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents) sofort anerkennen zu wollen. Zwar ist ein Anerkenntnisurteil im Sinne des § 307 ZPO im Bereich des Patentnichtigkeitsverfahren nicht vorgesehen, aber diese Erklärung rechtfertigt es, das Patent ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 93 ZPO. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Nichtigerklärung des Streitpatents im Sinne des § 93 ZPO sofort anerkannt. Der Vortrag der Beklagten, sie habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, insbesondere gegenüber der Klägerin keine Abmahnung wegen Patentverletzung ausgesprochen, und sie sei auch von der Klägerin nicht zum Verzicht auf das Patent aufgefordert worden, ist unbestritten geblieben. Die Kosten des Rechtsstreits hat deshalb die Klägerin zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.