Entscheidungsdatum: 08.06.2017
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 2 234 658
(DE 50 2008 003 461)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Engels, die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Müller und Dipl.-Ing. Veit sowie die Richterinnen Dorn und Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer
für Recht erkannt:
Urteil
I. Das europäische Patent 2 234 658 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung hinausgeht:
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 3/4
und die Klägerin zu 1/4.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1. Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 2 234 658, deutsches Aktenzeichen DE 50 2008 003 461 (Streitpatent), das am 27. August 2008 angemeldet und am 4. Mai 2011 erteilt worden ist. Das Streitpatent mit der Bezeichnung „Katheter-Vorrichtung“ betrifft eine solche mit einer langgestreckten Antriebswelle [vgl. Abs. [0001]).
Das Streitpatent ist aus einer Nachanmeldung hervorgegangen, welche die Priorität der Stammanmeldung zum EP-Patent 2 047 872, deutsches Aktenzeichen DE 50 2007 005 015, beansprucht. Letzteres weist identische Patentansprüche 1 und 2 wie das Streitpatent auf und ist Gegenstand des zwischen den Parteien rechtshängigen Nichtigkeitsverfahrens vor dem erkennenden Senat 4 Ni 25/15.
Das Streitpatent umfasst 15 Patentansprüche, die von der Klägerin sämtlich angegriffen werden.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
Katheter-Vorrichtung umfassend,
- einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen Motor (7),
- eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4) zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen drehenden Elementes,
dadurch gekennzeichnet, dass die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, und die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist, wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden ist und die distale Magneteinheit
(23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist, und die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) gelagert ist und von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt ist.
Wegen des Wortlauts der erteilten abhängigen Ansprüche 2 bis 15 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin und den begründeten Widerspruch der Beklagten hat der Senat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 7. November 2016 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Hierauf verteidigt die Beklagte das Streitpatent nicht mehr in der erteilten Fassung, sondern zuletzt nur noch eingeschränkt mit neuem Hauptantrag sowie mit Hilfsanträgen 1 bis 3, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017.
Die Klägerin macht insoweit den bereits mit der Klageerhebung eingeführten Nichtigkeitsgrund geltend, dass die beanspruchten Gegenstände nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen 1 bis 3 jeweils nicht patentfähig seien, da diese nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52, Art. 56 EPÜ) und ergänzend – hinsichtlich der Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 – den Nichtigkeitsgrund unzulässiger Erweiterung (in Form einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ).
Die Klägerin stützt sich zum Stand der Technik auf folgende Dokumente:
K1 Anlagenkonvolut "Reitan", umfassend
K1.1 André Dekker et al., "Efficacy of a New Intraaortic Propeller Pump vs. the Intraaortic Balloon Pump", Chest Journal, Juni 2003, 2089-2095 ("Dekker”)
K1.2 JOMED GmbH, Marketing-Broschüre ("JOMED-Broschüre II”)
K1.2.1 Historischer Handelsregisterauszug HRB 547, Abt. B des Amtsgerichts Hechingen zur Firma JOMED IMPLANTATE GmbH bzw. JOMED GmbH
K1.3 Martin Rothman, "The Reitan Catheter Pump: A New Versatile Aproach for Hemodynamic Support", Präsentation beim Transcatheter Cardiovascular Therapeutics Kongress am 26. Oktober 2006 "Rothman”)
K1.3.1 Programm der TCT 2006 zur Präsentation (= K1.3) von Martin Rothman beim Transcatheter Cardiovascular Therapeutics Kongress am 26. Oktober 2006 über die Reitan-Herzkatheterpumpe ("Reitan percutaneous cardiac pump")
K1.4 CD mit einem Video der RCP
K1.5 Ausdruck aus Wayback Machine, archivierte Version der Internet-seite der Firma JOMED (www.jomed.com/products/reitan-catheterpump ...) vom 22. Februar 2003 ("JOMED-Internetseite”)
K1.6 JOMED GmbH, Marketing-Broschüre ("JOMED-Broschüre I”)
K1.7 Øyvind Reitan et al., "Hydrodynamic Properties of a New Percuta-neous Intra-aortic Axial Flow Pump", ASAIO Journal 46(3):323-329, 2000 ("Reitan 2000”)
K1.8 Øyvind Reitan, "Evaluation of a New Percutaneous Cardiac Assist Device", Dissertation, Lund University 2002 ("Reitan Dissertation”)
K1.9 Øyvind Reitan et al., "Hemodynamic Effect of a New Percutaneous Circulatory Support Device in a Left Ventricular Failure Model", ASAIO Journal 2003, 731 et seq. ("Reitan 2003”)
K2 Anlagenkonvolut "Sieß" umfassend
K2.1 Thorsten Sieß, "Systemanalyse und Entwicklung intravasaler Rotationspumpen zur Herzunterstützung", Dissertation, Shaker Verlag, Aachen, 1999
K2.2 Thorsten Sieß, Christoph Nix und Frank Menzler, "From a lab type to a product: A retrospective view of impella’s assist technology”, Artificial Organs, 25(5): 414-421, Blackwell Science, Inc., 2001
K2.3 Thorsten Sieß, Helmut Reul und Günter Rau, "Concept, realization, and first in vitro testing of an intraarterial microaxial blood pump", Artificial Organs, 19(7): 644-652, Blackwell Science, Inc., Boston, 1995
K2.4 WO 97/37698, Thorsten Sieß et al., "Intravasale Blutpumpe", veröffentlicht 16. Oktober 1997
K2.5 T. Sieß, H. Reul, G. Rau, "Hydraulic refinement of an intraarterial microaxial blood pump", The International Journal of Artificial Or-gans, Vol. 18, Nr. 5, 1995
K2.6 Thorsten Sieß und Helmut Reul, "Basic Design Criteria for Rotary Blood Pumps", H. Matsuda, Rotary Blood Pumps, Springer, Japan, 2000
K4 US 4,115,040 B1 ("Knorr")
K5 US 4,686,982 ("Nash")
K6 US 5,405,383 ("Barr")
K7 US 6,245,007 ("Bedingham")
K8 WO 99/044651 A1 ("Schmitz-Rode") [im Streitpatent genannt]
K9 DE 100 59 714 C1 ("Sieß") [im Streitpatent genannt]
K10 DE 11 2004 001 809 T5 ("Allaire")
K11 Compendium of Technical and Scientific Information for the Hemopump Temporary Cardiac Assist System, Johnson & Johnson Interventional Systems 1988
K12 W. Aboul-Hosn und R. Wampler, "The Hemopump: Clinical Results and Future Applications", Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1995, S. 152-165.
K13 Thomas Schmitz-Rode et al., "An Expandable Percutaneous Catheter Pump for Left Ventricular Support", Journal of the American College of Cardiology, Vol. 45, No. 11, 2005, S. 1856–1861
K14 WO 2007/112033 A2 ("McBride")
K14.1 WIPO-Patentscope-Registerauszug zu WO 2007/112033 A2
K15 Charles de Marolles, Siegfried Liegat, "Leckagefreie Pumpen dank Magnetkupplung", Sulzer Technical Review, 3/2000
K16 DE 39 22 426 A1
K25 Gutachten Prof. Willem A. Hoyng vom 19.09.2016
K26 US 60/785,531
K27 US 60/785,299
K28 US 2006/0062672 A1 ("McBride")
K29 US 60/610,938
K30 Brücker, Ch. et al., "Strömungstechnische Auslegung und Optimierung einer perkutan implantierbaren Miniatur-Blutpumpe", Biomedizinische Technik, Band 47, Ergänzungsband 1, Teil 1, 2002, S. 114-117
K31 US 2005/0137680 A1
K32 US 2003/0149473 A1
K33 WO 2006/111954 A2
K34 Ferrari M. et al., "Successful High-Risk Coronary Angioplasty in a Patient with Cardiogenic Shock under Circulatory Assist with a 16F Axial Flow Pump", Catheterization and Cardiovascular Interventions 66, 2005, S. 557–561
K35 US 6,007,478
Soweit die Beklagte bestreite, dass die Dokumente K1.2 bis K1.6 des Anlagenkonvoluts K1 öffentlich zugänglich gemacht worden seien, und sich auf einen Geheimhaltungsvorbehalt berufe, sei dies unzutreffend und werde bereits durch die äußeren Umstände und den Zeitablauf widerlegt. Die Klägerin macht mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2016 eine offenkundige Vorbenutzung der „Reitan Herzkatheterpumpe (RCP)“ geltend und hat mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2016 ihren diesbezüglichen Sachvortrag und das Beweisangebot auf Einvernahme u.a. der Zeugen Dekker, Reesink und van der Veen (= Autoren der K1.1) weiter präzisiert. Ergänzend hat sie sich auf das parallele Streitverfahren der Parteien vor dem High Court of Justice und der dort von den Zeugen abgegebenen schriftlichen Erklärungen sowie der Einvernahme des Zeugen Dekker berufen (vgl. Anlagen K17 bis K23 zum Schriftsatz der Klägerin vom 21. Oktober 2016). Sie hat ferner mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 das im englischen Verfahren zwischenzeitlich ergangene Urteil des High Court of Justice vom 28. Oktober 2016 als Anlage K24 vorgelegt und darauf verwiesen, dass die dort zur Entscheidung anstehenden Ansprüche 1, 5, 7, 8, 21 und 22 sämtlich als nicht patentfähig angesehen worden sind und der High Court die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung der „Reitan Herzkatheterpumpe (RCP)“ ohne Zweifel bestätigt hat, während er die von der Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsverpflichtung u. a. nach Zeugeneinvernahme Dekker verneint hat.
In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin bei ihrem Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit auf die Druckschrift K1.1 als Ausgangspunkt gestützt. So seien dem Fachmann die Merkmale P1 bis A2.3 zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents aus dieser Druckschrift ohne Weiteres ersichtlich gewesen. Der Fachmann werde K1.1 auch heranziehen, da zum einen die Lehre des Streitpatents nicht auf eine Verwendung der Pumpe in der linken Herzkammer eingeschränkt sei und sich zum anderen die Position der „Reitan-Pumpe“ nicht auf die absteigende Aorta beschränke, sondern von der Art der Anwendung abhänge; im Übrigen werde in K 1.1 (und auch in K 1.2) ausdrücklich die linksventrikuläre Unterstützung des Herzens durch die „Reitan-Pumpe“ beschrieben.
Die weiteren Merkmale A7 und A8 des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag könnten eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begründen, da diese Merkmale bei einer Magnetkupplung der hier in Rede stehenden Art eine glatte Selbstverständlichkeit seien, die der Fachmann ohne Weiteres mitlese. Abgesehen davon werde die beanspruchte drehbare Lagerung über ein Gleitlager in K 2.1 und K 2.2 gezeigt, und zwar durch ein axial angeordnetes Gleitlager, das eine gute Zentrierung gewährleiste.
Auch die Hilfsanträge 1 bis 3 seien - abgesehen von der insoweit bemängelten fehlenden ursprünglichen Offenbarung des Merkmals HA1 - nicht geeignet, eine Patentfähigkeit zu begründen. Das Merkmal HA1 definiere eine axiale Verschiebbarkeit der distalen Magneteinheit in Richtung distal, ohne dabei zu benennen, mit welchen technischen Mitteln diese Verschiebbarkeit realisiert werden solle. Die hierfür erforderlichen konstruktiven Elemente würden erst mit Merkmal HA2 eingeführt. Jedenfalls könne Merkmal HA1 keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn dem Fachmann verbleibe bei der sich ihm stellenden Aufgabe, bei einer Stirndrehkupplung eine „Entkopplung“ zu realisieren, quasi keine andere sinnvolle Alternative, als das Entfernen der distalen Magneteinheit durch die Abstoßungskräfte, wobei die Abstoßung aufgrund des Aufbaus nach distal erfolgen müsse. Die Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auf Frage erklärt, dass ein Stand der Technik insoweit nicht entgegengehalten werden könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patent 2 234 658 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vollumfänglich für nichtig zu erklären,
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen, soweit das europäische Patent 2 234 658 mit Hauptantrag vom 28. Februar 2017 verteidigt wird, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit Hilfsanträgen 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017, verteidigt wird.
Wegen des Wortlauts der jeweiligen Anspruchssätze nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2017 verwiesen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Anspruchsfassung nach Hauptantrag sei erfinderisch gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik.
So sei die „Reitan Herzkatheterpumpe (RCP)“ vorliegend kein geeigneter Ausgangspunkt für die Frage der erfinderischen Tätigkeit, da sich ihr Sitz in der Aorta vor dem Bogen oder danach befinde und ein Druckgefälle in der Aorta erzeuge, wobei das Blut auch aus den Koronararterien angesaugt werde und deshalb das Gegenteil erfolge, was nach dem Streitpatent - als ventrikuläres Unterstützungssystem - erwünscht sei, nämlich eine vermehrte Blutmenge zuzuführen. Der Fachmann würde daher K 1.1 nicht heranziehen. Die mit dem Merkmal A7 beanspruchte drehbare Lagerung über ein Gleitlager, durch die das Schwingungsverhalten verbessert werde, sei im Stand der Technik nicht gezeigt. Der Fachmann habe ausgehend von K 1.1 insbesondere keine Veranlassung, isoliert die diesbezügliche Lehre aus K 2.1 zur Weiterbildung heranzuziehen, weil dort eine andere Pumpe, nämlich eine implantierte Pumpe mit geringem Drehmoment beschrieben sei und dort zudem die hier in Rede stehende Pumpe abgelehnt bzw. kritisiert werde.
Jedenfalls sei eine der Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 3, die allesamt auch nicht unzulässig erweitert seien, erfinderisch gegenüber dem von der Klägerin geltend gemachten Stand der Technik. Insbesondere zeige dieser keine Beabstandung der distalen Magneteinheit durch distales Drücken (Merkmal HA1).
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2017 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als das Streitpatent in der Fassung nach Hauptantrag verteidigt wird, weil die dort beanspruchte Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ). Soweit das Streitpatent in der erteilten Fassung im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/ Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 82 Rdn. 119 m. w. Nachw.; Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rdn. 127).
Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 verteidigt wird, ist die Klage abzuweisen, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der zulässig beschränkte Gegenstand des Streitpatents in dieser Fassung wegen des von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ) sich als nicht bestandsfähig erweist.
Auf die Zulässigkeit und Patentfähigkeit der jeweiligen Anspruchsfassung gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 kam es bei dieser Sachlage nicht an.
I.
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Katheter-Vorrichtung mit einer langgestreckten Antriebswelle (siehe Streitpatent K0b Abs. [0001]).
In der Beschreibungseinleitung wird ausgeführt, dass für die Behandlung schwer herzkranker Patienten zunehmend implantierbare Blutpumpen eingesetzt würden. Medizinische Ziele seien dabei die Entlastung und Gesundung des Herzens oder aber die Überbrückung bis zu einer möglichen Herztransplantation. Die Breite des Einsatzgebietes solcher Pumpen hänge einerseits von der Einfachheit der Einbringung in den Körper, andererseits von den realisierbaren technischen Eigenschaften und insbesondere der zuverlässig realisierbaren Betriebsdauer der verfügbaren Pumpensysteme ab (siehe Streitpatent K0b Abs. [0002]).
Zur temporären Behandlung bei einem kardiogenen Schock wird der Einsatz eines temporären links-ventrikulären Unterstützungssystems angesprochen, bei dem die Pumpfunktion des linken Ventrikels teilweise bzw. weitgehend übernommen werden solle und die Koronarversorgung verbessert werden könne. Bei Herzoperationen könne ein solches System links- und rechtsventrikulär eingesetzt werden und eine Herz-Lungenmaschine ersetzen (siehe Streitpatent K0b Abs. [0003]).
Als Stand der Technik wird auf die transfemoral implantierbare Mikro-Axialpumpe "Hemopump TM" der Firma Medtronic Inc, USA, und Blutpumpen nach den Patentanmeldungen WO 99/44651, US 4 753 221, DE 10 059 714 C1, JP 4126158 , EP 0 445 782 A1, EP 0 364 293 A2 und US 5 376 114 verwiesen.
Beispielsweise werde bei der Mikro-Axialpumpe "Hemopump TM" der Ansaugstutzen der Pumpe retrograd über die Aortenklappe im linken Ventrikel platziert. Der Pumpenrotor befinde sich am Ende einer Kanüle in der oberen Aorta descendens und werde durch einen externen Motor angetrieben. Nachteil des Systems sei, dass die transfemorale Implantation aufgrund des großen Durchmessers des Rotors nur operativ über eine femorale Arterietomie und gegebenenfalls durch eine Graftankopplung möglich sei.
Aus der US 5,376,114 gehe eine Kanülenpumpe hervor, die mittels eines kleinen Einschnittes im Herz temporär eingesetzt werden könne. Die Pumpe weise nach der Beschreibungseinleitung ein Flügelrad auf, das mittels einer Welle angetrieben werde. Die Welle sei fest mit einem Motormagneten verbunden. Der Motormagnet sei von Magnetspulen umgeben, mit welchen ein sich drehendes Magnetfeld erzeugt werden könne, so dass der Motor in Drehbewegung versetzt werde (siehe Streitpatent K0b Abs. [0005]-[0011]).
2. Vor diesem Hintergrund liegt nach den Angaben in der Streitpatentschrift der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Katheter-Vorrichtung mit einer sich fast über die gesamte Katheter-Vorrichtung erstreckenden Antriebswelle zu schaffen, die zuverlässig mit hoher Drehzahl angetrieben werden kann (siehe Streitpatent K0b Abs. [0012]).
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Katheter-Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung hinzugefügt):
Katheter-Vorrichtung umfassend,
P1 einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen Motor (7),
P2 eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4)
P3 zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen drehenden Elementes,
dadurch gekennzeichnet, dass
P4 die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, und
P4.1 die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen Magneteinheit und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist,
P4.4.1 wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden ist und
P4.1.2 die distale Magneteinheit (23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist, und
P4.1.3 die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) gelagert ist und
P4.1.4 von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt ist
Die folgenden angegriffenen Ansprüche 2 bis 15 sind jeweils unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3.2 Die Ansprüche 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 weisen in der von der Beklagten beantragten Reihenfolge folgende Merkmale auf
In Patentanspruch 1 in der mit Hauptantrag beschränkt verteidigten Fassung wurden gegenüber dem erteilten Anspruch 1 die Merkmale A2.1 bis A2.3, A7 und A8 hinzugefügt:
Gliederung hinzugefügt, Merkmalsgliederung der Beklagten in [ ], Unterschiede zum erteilten Patent durch Unterstreichung gekennzeichnet):
Katheter-Vorrichtung umfassend, [M1.1]
P1 einen am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen Motor (7), [M1.2]
P2 eine sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4) [M1.3]
P3 zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) befindlichen drehenden Elementes, [M1.4]
dadurch gekennzeichnet, dass
P4 die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, [M1.5] und
P4.1 die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen Magneteinheit und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist, [M1.6]
P4.4.1 wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden ist [M1.6.1] und
P4.1.2 die distale Magneteinheit (23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist [M1.6.2], und
P4.1.3 die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) gelagert ist [M1.6.3] und
P4.1.4 von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt ist [M1.6.4]
A2.1 und die distale Magneteinheit (23.1) im Kupplungsgehäuse (19) flüssigkeitsdicht gelagert ist und
A2.2 ein schlauchförmigen schlauchförmiger Katheterschaft (8) sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) erstreckt,
A2.3 wobei der Katheterschaft (8) mit seinem proximalen Ende flüssigkeitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) verbunden ist und
A7 ein die distale Magneteinheit (23.1) tragendes abtriebsseitiges Kupplungselement (22) über ein Gleitlager (25) im Kupplungsgehäuse (22) drehbar gelagert ist und
A8 zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements (22) und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses (19) axial mittig das Gleitlager (25) ausgebildet ist.
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wurde gegenüber dem Hauptantrag das Merkmal HA1 aufgenommen:
HA1 und die Kupplung derart ausgebildet ist, dass die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung des Kupplungselements (22) in Richtung distal zu trennen.
Der Hilfsantrag 2 enthält in Anspruch 1 gegenüber Hilfsantrag 1 das zusätzliche Merkmal HA2:
HA2 und die Antriebswelle (4) an ihrem proximalen Ende innerhalb des Kupplungsgehäuses [19) an einer Profilstange (21) drehfest befestigt ist und die Profilstange (21) axial verschiebbar, aber drehfest in einer Ausnehmung (22.1) des innerhalb des Kupplungsgehäuses (19) angeordneten Kupplungselements (22) aufgenommen ist.
Hilfsantrag 3 spezifiziert Hilfsantrag 2 durch Aufnahme des Merkmals HA3:
HA3 das Kupplungselement (22) über ein Magnetringlager (20.3) im Kupplungsgehäuse (22) gelagert ist.
4. Als zur objektiven Problemlösung berufenen Fachmann sieht der Senat einen mit der Entwicklung von kardiovaskulären Geräten, insbesondere zur Herzkatheteruntersuchung, befassten Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik bzw. Maschinenbau-Ingenieur mit Kenntnissen in der Medizintechnik, der bezüglich medizinischer Fragen mit einem Kardiologen mit Schwerpunkt auf der interventionellen Kardiologie zusammenarbeitet.
Dieser Fachmann kannte am Prioritätszeitpunkt aufgrund seiner Sachkunde motorbetriebene Katheter-Vorrichtungen, insbesondere Herzkatheter-Pumpen, sowie deren Antriebs- und Steuerungskonzepte, und besitzt grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet der Motoren mit Antriebswelle und den Kupplungsvarianten zwischen Motor und Antriebswelle. Aufgrund seines Fachwissens ist ihm auch das Prinzip der Magnetkupplung bekannt.
II.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierenden Betrachtung und Auslegung der Patentansprüche durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat der Lehre nach Anspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
1. Der Kern des Erfindungsgegenstands nach Anspruch 1 liegt nach der Lehre des Streitpatents in der Ausbildung der erfindungsgemäßen Kupplung der Katheter-Vorrichtung als Magnetkupplung, und zwar mit einer proximalen und distalen Magneteinheit, welche durch eine Wandung räumlich getrennt sind, wodurch das Problem der Dichtigkeit der abtriebsseitigen Kupplungselemente bis hin zum distalen Ende vorteilhaft ohne Abdichtung gelöst wird (Abs. [0014]-[0015]) und es zudem in Verbindung mit einem Magnetringlager und weiteren Maßnahmen - die jedoch nicht Teil des Anspruchs 1 sind - möglich ist, die übertragenen Drehmomente zu begrenzen und die Magneteinheiten zu trennen (Abs. [0016], Abs. [0021]).
Dabei zeigt die Entwicklung des Stands der Technik eine entsprechende Fokussierung des Problems dichter Kopplungen des Antriebs im Rahmen der dritten Generation ventrikulärer Unterstützungssysteme bzw Pumpen (Ventricular Assist Devices = VAD) und der Verbesserung durch kontaktlose Antriebsmechanismen, wobei üblicherweise kontaktfreie, nämlich magnetische oder hydrodynamische, Lager als Lösung anboten und favorisiert wurden, um die Verschmutzung der Antriebsseite mit Blut zu vermeiden und eine sichere und bessere Dichtigkeit zu gewährleisten. Dies ist auch der ausführlichen Begründung des High Courts of Justice in seinem Urteil vom 28. Oktober 2016 (Anlage K24) zu entnehmen.
2. Die erfindungsgemäße Katheter-Vorrichtung nach dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag lässt sich in folgende Komponenten gliedern (funktionale Merkmalsgliederung):
1 Motor (7) - befindet sich am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) [P1]
2 Antriebswelle (4) - erstreckt sich vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich [P2]
3 drehendes Element - am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) [P3] - wird durch Antriebswelle (4) angetrieben [P2, P3]
4 Kupplung (9) mit Kupplungsgehäuse und Gleitlager - verbindet Antriebswelle (4) mit dem Motor [P4] - ist eine Magnetkupplung [P4.1] - weist eine proximale Magneteinheit (23.2) auf, die mit dem Motor (7) verbunden ist [P4.1, P4.1.1] - weist eine distale Magneteinheit (23.1) auf, die mit der Antriebswelle (4) verbunden ist [P4.1, P4.1.2] - Kupplungsgehäuse (19)
-- distale Magneteinheit (23.1) ist in einem Kupplungsgehäuse (19) flüssigkeitsdicht gelagert [P4.1.3], [A2.1]
-- distale Magneteinheit (23.1) ist von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt [P4.1.4]
- Gleitlager
-- ein die distale Magneteinheit (23.1) tragendes abtriebsseitiges Kupplungselement (22) ist über ein Gleitlager (25) im Kupplungsgehäuse (22) drehbar gelagert [A7]
-- zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements (22) und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses (19) ist axial mittig das Gleitlager (25) ausgebildet [A8]
5 schlauchförmiger Katheterschaft (8) - erstreckt sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) [A2.2] - ist mit seinem proximalen Ende flüssigkeitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) verbunden [A2.3]
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren stammen aus der Streitpatentschrift.
Die Fig. 1 zeigt eine perspektivische Darstellung einer erfindungsgemäßen Katheter-Vorrichtung,
die Fig. 15 eine erfindungsgemäße Kupplung mit dem Kupplungsgehäuse.
3. Einige Merkmale des Patentgegenstandes bedürfen der Erläuterung:
3.1 Die erfindungsgemäße Katheter-Vorrichtung umfasst zumindest die Komponenten
- Motor (7) am proximalen Ende (6) der Katheter-Vorrichtung (1) [P1]
- Antriebswelle (4) vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich [P2]
- drehendes Element am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung (1) [P3]
- Kupplung (9), die die Antriebswelle mit dem Motor verbindet [P4] und
- schlauchförmiger Katheterschaft (8) [A2.3]
Die Eigenschaften “proximal” oder “distal” geben die Richtung zum Anwender an, d.h. das proximale Ende des Katheters ist das Katheterende beim Anwender, das distale Ende befindet sich im Patienten, entfernt vom Anwender. Dabei wird jedoch keine Aussage getroffen, ob das proximale Katheterende mit dem Motor sich innerhalb oder außerhalb des Patienten befindet, wodurch auch die Länge der Antriebswelle vom proximalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich unbestimmt ist.
Die Angabe vom „proximalen Endbereich“ bis zum „distalen Endbereich“ lässt Spielraum in Bezug auf die Länge der Antriebswelle. Genau definiert ist dagegen, dass sich der Motor am proximalen Ende und das sich drehende Element am distalen Ende der Kathetervorrichtung befinden (Merkmale P1-P3).
Der schlauchförmige Katheterschaft (8) erstreckt sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung (1) [A2.2] und ist mit seinem proximalen Ende flüssigkeitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) verbunden [A2.3].
3.2 Wesentliches Element der Katheter-Vorrichtung ist die Kupplung (9) zwischen Antriebswelle (4) und Motor (7), die als Magnetkupplung ausgebildet ist [P4 und P4.1]. Ein Ausführungsbeispiel ist in Fig. 15 des Streitpatents gezeigt (s. o.).
Durch die berührungslose, magnetische Kraftübertragung zwischen einer mit dem Motor verbundenen proximalen Magneteinheit und einer mit der Antriebswelle (4) verbunden distalen Magneteinheit (23.1) [P4.1, P4.1.1 und P4.1.2], ist keine Antriebswellendurchführung notwendig (vgl. Streitpatent Abs. [0015]: “Durch die Trennung der abtriebsseitigen Kupplungselemente bis hin zum distalen Ende der Katheter-Vorrichtung ist es nicht notwendig, die Antriebswelle nach außen durch ein Loch zu führen. Eine solche Durchführung müsste abgedichtet werden. ...”).
Durch die Magnetkupplung wird das übertragene Drehmoment begrenzt. Dabei ist zwischen Entkopplung und Drehmomentbegrenzung zu unterscheiden.
Grundsätzlich gilt, dass sich bei Überschreiten eines maximalen Drehmoments die beiden Magneteinheiten nicht mehr gegenüber liegen, da die abtriebsseitige Magneteinheit der antriebsseitigen Magneteinheit aufgrund der schnellen Drehbewegung nicht mehr nachlaufen kann, wenn die magnetischen Bindungskräfte nicht mehr ausreichen. Hierdurch überlagern sich die Nord- und Südpole nicht mehr (Slippling). Das maximal übertragbare Drehmoment ist begrenzt (vgl. auch Streitpatent Abs. [0147]).
Eine Entkopplung mit einer physischen Beabstandung der Magneteinheiten findet statt, wenn zumindest eine der beiden Magneteinheiten von der anderen Magneteinheit entfernt wird, sodass keine magnetische Kraft mehr zwischen den Magneteinheiten wirkt. Dies kann als Folge der Drehmomentbegrenzung auftreten, wenn gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents die Magneteinheiten in axialer Richtung durch die Abstoßung der Magneteinheiten so weit auseinander verschoben werden, dass keine wirksame Kraft mehr zwischen den Magneteinheiten wirkt. Das Halten des entkoppelten Zustands wird im Streitpatent durch Ringmagnete 20.1, 20.2 erreicht (vgl. Streitpatent Abs. [0147]: „Die Magneteinheiten 23.1, 23.2 werden vom Magnetringlager 20.3 durch die gegenseitige Abstoßung der Ringmagnete 20.1, 20.2 im entkoppelten Zustand gehalten.“).
Diese axiale Verschiebbarkeit ist jedoch nicht bereits in Anspruch 1 nach Hauptantrag beansprucht, sondern erst in den Hilfsanträgen 1 bis 3, das Magnetringlager findet sich in Hilfsantrag 3.
Das Magnetringlager mit den Ringmagneten 20.1 und 20.2 ist in Fig. 15 des Streitpatents gezeigt und in Abs. [0109] und [0110] beschrieben, dabei wird die Magnetisierung der Kreisflächen (axiale Magnetisierung) für die radiale und axiale Lagerung verwendet:
„[0109] Am distalen äußeren Ende bzw. Umfang des zylinderförmigen Abschnitts 22.2 des Kupplungselements 22 ist ein Absatz 22.4 ausgebildet. Auf diesem Absatz 22.4 ist ein zweiter innerer Ringmagnet 20.2 angeordnet. ... Dieser bildet in Verbindung mit dem im Lagerungsabschnitt 19.9 des Kupplungsgehäuses 19 entsprechend ihn umgebenden äußeren Ringmagneten 20.1 ein Magnetringlager 20.3 aus.
[0110] …. Das Magnetringlager 20.3 zentriert die Antriebswelle 4 in axialer und in radialer Richtung. Die radiale Zentrierung erfolgt durch die magnetischen Anziehungskräfte in radialer Richtung. Die axiale Zentrierung erfolgt dadurch, dass bei einem kleinen Versatz des inneren Ringmagneten 20.2 magnetische Rückstellkräfte erzeugt werden, die den inneren Ringmagneten 20.2 in eine in Axialrichtung mit der Position des äußeren Ringmagneten 20.1 übereinstimmende Stellung ziehen. Bei einem größeren Versatz treten hingegen Abstoßungskräfte zwischen den beiden Magnetringen 20.1 und 20.2 auf, wodurch sie auseinander gedrückt werden.“
3.3 Nach Anspruch 1 ist vorgegeben, dass die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) flüssigkeitsdicht gelagert ist [P4.1.3, A2.1]. Weiter ist eine Wandung (24) – in der Beschreibung auch „Abschlussscheibe“ genannt - vorhanden, durch die die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) räumlich getrennt ist [P4.1.4].
3.4 Nach den Merkmalen A7 und A8 ist ein die distale Magneteinheit tragendes Kupplungselement über ein Gleitlager im Kupplungsgehäuse drehbar gelagert, wobei das Gleitlager zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses axial mittig ausgebildet ist.
III.
Der Gegenstand des zulässig beschränkten Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag erweist sich als nicht patentfähig, da die beanspruchte Lehre zwar neu ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52, 54 EPÜ), jedoch für den angesprochenen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V.m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 56 EPÜ).
Dies ergibt sich schon aus dem schriftlich belegten unbestrittenen Stand der Technik, wozu hinsichtlich der Reitan-Herzkatheter-Pumpe (Anlagenkonvolut 1) unzweifelhaft die Einzeldokumente K1.1, K1.7 bis K1.9 gehören. Es bestand daher keine Notwendigkeit zur Sachaufklärung der zwischen den Parteien umstrittenen Vorbenutzung und der in diesem Zusammenhang umstrittenen öffentlichen Zugänglichkeit der Einzeldokumente K1.2 bis K1.6 aus dem Anlagenkonvolut 1 bzw. des Bestehens der von der Beklagten insoweit geltend gemachten Geheimhaltungsvereinbarung. Soweit im Folgenden auf das „Anlagenkonvolut 1“ verwiesen wird, sind daher nur die Einzeldokumente K1.1 und K1.7 bis K1.9 gemeint.
Die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist neu, sie ergab sich aber für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Reitan-Katheterpumpe nach der K1.1 und dem fachmännischen Handeln.
Für die Beurteilung, ob eine beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist von dem auszugehen, was der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang (BGH GRUR 2007, 1055 - Papiermaschinengewebe) gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (BGH GRUR 2010, 607 - Fettsäurezusammensetzung), wobei verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger).
1. Ausgangspunkt war die Suche des Fachmanns nach einer Lösung des Problems, eine Katheter-Vorrichtung mit einer sich fast über die gesamte Katheter-Vorrichtung erstreckenden Antriebswelle zu entwickeln, die zuverlässig mit hoher Drehzahl angetrieben werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte der mit der Aufgabenstellung des Streitpatents betraute Fachmann damit Anlass, die bekannte Herzkatheter-Pumpe, wie sie in den Schriften nach dem Anlagenkonvolut K1 offenbart ist, als Ausgangspunkt heranzuziehen.
Die Einordnung eines bestimmten Ausgangspunkts als "nächstkommender" Stand der Technik ist hierfür weder ausreichend noch erforderlich, sondern es können verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein (BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin). Vielmehr bedarf es konkreter Umstände, die dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung gaben, eine bestimmte Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen (BGH GRUR 2017, 148 – Opto-Bauelement). Diese Rechtfertigung liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 - Olanzapin). Auch bedarf es dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
Aus gehend hiervon sieht der Senat die Reitan-Katheterpumpe nach der K1.1 als maßgebliche Lehre, welche der Fachmann als geeignetes Sprungbrett für eine Problemlösung heranzog. Dem stand vorliegend bei den Vorrichtungen nach dem Anlagenkonvolut K1 nicht entgegen, dass diese in der absteigenden Aorta positioniert sind, wohingegen im Ausführungsbeispiel nach Fig. 24 des Streitpatents sich der Pumpenkopf 3 vollständig in der linken Herzkammer befindet.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die K13 oder K14 aus rückschauender Sicht im Vergleich zu den Druckschriften aus dem Anlagenkonvolut K1 möglicherweise als "nächstliegender“ der Technik angesehen werden könnte. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass die Druckschriften aus dem Anlagenkonvolut K1 oder sonstige Entgegenhaltungen als möglicher Ausgangspunkt ausscheiden. Wenn für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht kommen, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei ist grundsätzlich ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge (BGH GRUR 2016, 1023 - Anrufroutingverfahren).
Die mit der Reitan-Pumpe angestrebten Vorteile - insbesondere die linksventrikuläre Unterstützung des Herzes durch die Reitan-Pumpe (vgl. K1.1 S.2089: „Like the IABP, the aim of the intraaortic PP is to reduce pressure proximal to the pump, thereby reducing the afterload of the left ventricle.“) - decken sich mit der Aufgabenstellung des Streitpatents (vgl. Streitpatent Abs. [0003]: „Durch den Einsatz eines temporären linksventrikulären Unterstützungssystems soll die Pumpfunktion des linken Ventrikels teilweise bzw. weitgehend übernommen und die Koronarversorgung verbessert werden.“). Die Position der Reitan-Pumpe ist auch nicht auf die absteigende Aorta beschränkt, sondern hängt von der Art der Anwendung ab.
Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass auch die Lösung nach dem Streitpatent nicht auf die Positionierung in der Herzkammer und/oder die Verbesserung der Koronarversorgung eingeschränkt ist. Vielmehr kann die erfindungsgemäße Lösung beispielsweise für Drainagen oder zum Auffüllen von Hohlorganen bzw. -räumen verwendet werden (vgl. Streitpatent Abs. [0163]: „Das eben beschriebene Ausführungsbeispiel kann beispielsweise für Drainagen oder zum Auffüllen von Hohlorganen bzw. -räumen verwendet werden.“).
2. Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, die Reitan-Herzkatheter-Pumpe nach dem Anlagenkonvolut K1 als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen.
In der K1.1. wird die Reitan-Herzkatheter-Pumpe (vgl. K1.1 S.2089 re. Sp.: „...intraaortic propeller pump (PP) [In 2000, the intraaortic propeller pump (PP) [Reitan catheter pump; Jomed; Helsingborg, Sweden]“) im Vergleich mit der bekannten Ballon-Katheterpumpe (intraaortic ballon pump (IABP)) untersucht.
Die Reitan-Herzkatheter-Pumpe umfasst dabei am distalen Ende der Katheter-Vorrichtung als drehendes Element einen Rotor (deployable propeller) [= Merkmal P3], der über eine Antriebswelle (driveshaft) [= Merkmal P2] von einem Motor (driving unit) am proximalen Ende der Katheter-Vorrichtung [= Merkmal P1] angetrieben wird (vgl. K1.1 S. 2090 Kap. „Intraaortic PP“: „The new intraaortic PP is a support device with a deployable propeller (Fig. 2), which is driven by a flexible central driveshaft. The other end of the driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in the driving unit.“), wobei sich ein schlauchförmiger Katheterschaft vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Katheter-Vorrichtung erstreckt (vgl. K1.1 Fig.2) [= Merkmal A2.2].
Die Antriebswelle (driveshaft) ist über eine proximalen Magneteinheit (permanent, disk-shaped magnet) und eine distale Magneteinheit (rotating magnet) mit dem Motor (driving unit) gekoppelt (vgl. K1.1 S. 2090f Kap. „Intraaortic PP“: „… The other end of the driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in the driving unit. The driving unit consists of a rotating magnet that can be set between zero and ≤ 14,000 rpm.“). Die Kopplung erfolgt somit - entgegen der Argumentation der Beklagten - über berührungslose, magnetische Kraftübertragung also eine Magnetkupplung [= Merkmale P4, P4.1, P4.1.1, P4.1.2]. Die von der Beklagten angeführte fehlende Offenbarung zur Trennbarkeit oder Schutzfunktion oder auch zur unterschiedlichen Positionierung geht ins Leere, da auch der Anspruch 1 keine derartige Funktionalität zwingend vorsieht.
Sowohl die proximalen Magneteinheit (permanent, disk-shaped magnet) als auch die distale Magneteinheit (rotating magnet) befinden sich in der Antriebseinheit (driving unit) (vgl. K1.1 S.2090f Kap. „Intraaortic PP“: „… The other end of the driveshaft is a permanent, disk-shaped magnet, which is placed in the driving unit. The driving unit consists of a rotating magnet that can be set between zero and ≤ 14,000 rpm.“), der Fachmann las dabei ein Gehäuse unmittelbar und eindeutig mit, so dass es keiner ausdrücklichen Erwähnung bedurfte. Merkmal P4.1.3, nämlich die Lagerung der distalen Magneteinheit in einem Kupplungsgehäuse, ist somit ebenfalls gelehrt. Denn offenbart kann auch dasjenige sein, was nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird (BGHZ 179, 168 Olanzapin). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an.
Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass der Fachmann trotz der Erkenntnis, dass aufgrund der erwähnten Verwendung einer Spül- und Schmierflüssigkeit für den Rotor (vgl. K1.1 S. 2091 li. Sp: „A solution of 20% glucose and 5 IU/mL heparin was used at 25 mL per hour to purge and lubricate the pump.“) zur Vermeidung einer Verschmutzung der Rotorflüssigkeit bzw. der Verschmutzung/Kontamination der Antriebsseite die Notwendigkeit eines flüssigkeitsdichten Gehäuses bestand, die Notwendigkeit eines flüssigkeitsdichten Gehäuses bestand, das die Katheter- und die Motorseite trennt, die Offenbarung durch Fachwissen ergänzten musste, ergeben sich die Merkmale P4.1.4, A2.1 und A2.3 zumindest in nahe liegender Weise. Im Übrigen ist auch ein Kupplungsgehäuse mit Anschlüssen für die Spülflüssigkeit der Reitan-Pumpe nach der K1.8 zu entnehmen (vgl. K1.8 Figure 1).
3. Ein Lager im Kopplungselement wird der Fachmann aufgrund der hohen Drehzahl selbstverständlich ebenfalls vorsehen. Rein exemplarisch wird für das Fachwissen hierzu auf die K2.1 verwiesen, die in Bild 3.1 ebenfalls einen Lagerbereich bei der Magnetkupplung zeigt (siehe K2.1 Bild 3.1). Die Verwendung eines Gleitlagers ist eine beliebige Auswahl aus für den Fachmann geläufigen Lager-Prinzipien. Ein Gleitlager hierfür zu verwenden, ist als Standardrepertoire des Fachmanns anzusehen, das er bereits aufgrund seines Fachwissens in Betracht zieht, da das Gleitlager im Maschinen- und Gerätebau eine häufig gebrauchte Lager-Bauart darstellt [= Merkmal A7].
Dabei ist es als handwerkliche Maßnahme anzusehen, dieses Gleitlager axial mittig zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements (22) und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses (19) auszubilden, um die rotationssymmetrischen Magneteinheiten axial zu zentrieren [= Merkmal A8].
IV.
Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 zulässig verteidigt wird, erweist sich dessen Gegenstand als patentfähig. Die Klägerin vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass sich die Katheter-Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt in naheliegender Weise (Art. 56 EPÜ) aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergab.
Hilfsantrag 1 beruht auf dem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal HA1, wonach die Kupplung derart ausgebildet ist, dass die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung des Kupplungselements (22) in Richtung distal zu trennen.
1. Das zusätzliche Merkmal HA1 des Hilfsantrags 1 ist sowohl ursprünglich offenbart als auch Gegenstand des Streitpatents und damit zulässig.
Das Merkmal HA1 bildet die Magnetkupplung weiter. Die Einzelheiten der Magnetkupplung sind insbesondere in Fig.15 dargestellt und Abs. [0087] des Streitpatents (Abs. [0085] der Offenlegungsschrift) beschrieben.
Abs. [0145] der Streitpatentschrift (Abs. [0143] der Offenlegungsschrift) erläutert die Entkopplung der Magneteinheiten: „Sobald der Rotor 3.2 blockiert, verdreht bzw. verkürzt sich die Antriebswelle 4, der Widerstand an der distalen Magneteinheit 23.1 steigt. Die Magnetfelder zwischen der proximalen und der distalen Magneteinheit 23.2, 23.1 überlagern sich im Betrieb nicht vollständig, da die distale Magneteinheit 23.1 der proximalen Magneteinheit 23.2 immer ein wenig nachläuft. Erhöht sich nun das benötigte Drehmoment an der distalen Magneteinheit 23.1 überlagern sich die Nord- und Südpole der Magneteinheiten 23.1, 23.2 nicht mehr sondern stoßen einander ab. Hierdurch wird die distale Magneteinheit 23.1 von der proximalen Magneteinheit 23.2 in Richtung distal gedrückt. Die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten 23.1, 23.2 ist getrennt. Die Antriebswelle 4 steht sofort still“.
Aus dieser Erläuterung entnimmt der Fachmann die in Merkmal HA1 angegebene allgemeine technische Lehre, dass die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung des Kupplungselements (22) in Richtung distal zu trennen.
Die Sicherung der Entkopplung durch das Magnetringlager (20.3) mit den Ringmagneten (20.1) und (20.2) ist für die Entkopplung nicht erforderlich und wird vom Fachmann als zusätzliche Sicherungsmaßnahme verstanden. Der Fachmann entnahm deshalb unmittelbar und eindeutig dem beschriebenen Ausführungsbeispiel, dass auch die unter Schutz gestellte und nicht sämtliche Merkmale übernehmende Ausgestaltung der Erfindung in der beanspruchten Allgemeinheit in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörende Lehre offenbart ist (BGH GRUR 2014, 970 - Stent; GRUR 2014, 542 - Kommunikationskanal).
2. Eine Entkopplung gemäß Merkmal HA1 war durch die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nicht nahe gelegt.
Die konstruktive Ausgestaltung der Magnetkupplung ergibt sich aus der Aufgabe, die Sicherheit des Kathetersystems zu verbessern. Das bei Medizinprodukten notwendige Risikomanagement erfordert dabei vom Hersteller, Maßnahmen zu treffen, um Fehlfunktionen zu vermeiden und die Gefährdung des Patienten zu verhindern.
Zur Vermeidung des Patientenrisikos wird der Fachmann einen Grenzwert für das Drehmoment vorgeben und die Stirnmagnetkupplung der Reitan-Katheterpumpe entsprechend ausgestalten.
Eine Trennung der Magneteinheiten gemäß Merkmal HA1 stellt eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme dar, die weder durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik offenbart ist, noch erhält der Fachmann aus diesem Stand der Technik oder aus seinem Fachkönnen eine Anregung zu einem derartigen Prinzip.
In der Reitan-Katheterpumpe (Anlagenkonvolut K1) sind die Magneteinheiten im Kupplungsgehäuse gelagert und können lediglich mittels manuellen Eingriffs voneinander entfernt werden. Die Möglichkeit einer Entkopplung durch Drücken der distalen Magneteinheit von der proximalen Magneteinheit in Richtung distal oder zumindest ein Hinweis, welche den Fachmann zu einer derartigen Lösung hätte anregen können, ist den Druckschriften des Anlagenkonvoluts K1 nicht zu entnehmen.
Die weiteren Entgegenhaltungen liefern hierzu ebenfalls keinen Hinweis und auch aus dem Fachwissen oder Fachkönnen ergab sich diese Lösung nicht naheliegend, da der Fachmann eine unkontrollierte Abstoßung der Magneteinheiten vermeiden würde, da diese der Zuverlässigkeit des Antriebs entgegensteht, und ein flüssigkeitsdicht gekapseltes Gehäuse üblicherweise auch keinen Raum für eine Verschiebung besitzt. Damit fehlt es jedoch an einer Anregung, die Reitan-Katheterpumpe nach dem Anlagenkonvolut K1 derart weiterzuentwickeln, dass die distale Magneteinheit (23.1) von der proximalen Magneteinheit (23.2) in Richtung distal gedrückt werden kann, um die magnetische Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten (23.1, 23.2) durch eine Verschiebung des Kupplungselements (22) in Richtung distal zu trennen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist daher neu gegenüber dem Stand der Technik und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 Bestand.
V.
Der Tenor war nach Anhörung der Parteien dahingehend gemäß § 95 PatG zu berichtigen, dass nach Ziff. I als (neue) Ziff. II eingefügt wird: „Im Übrigen wird die Klage abgewiesen“. In dem verkündeten Tenor ist die Teilabweisung versehentlich nicht enthalten, sie ergibt sich jedoch offensichtlich aus einem Vergleich mit dem Protokoll vom 8. Juni 20172017 und den Gründen des Urteils.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte das Streitpatent in der erteilten Fassung nicht mehr verteidigt hat und mit der Fassung nach dem geltenden Hauptantrag nicht durchdringen konnte, sondern sich erst die durch die technische Ausbildung der Kupplungseinheit deutlich eingeschränkte die Fassung nach Hilfsantrag 1 als bestandsfähig erwies, bewertet der Senat das Unterliegen der Beklagten auf ¾ und das der Klägerin auf ¼ des Gebührenstreitwerts.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.