Entscheidungsdatum: 27.01.2016
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. November 2014 - 6 Sa 1029/13 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf ein höheres Bruttoentgelt und eine weitere Abfindungszahlung.
Der Kläger, der nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, war seit 1984 bei der Beklagten zu 1. und deren Rechtsvorgängerin in M beschäftigt. Eine durch die Beklagte zu 1. geplante Betriebsschließung konnte durch Verhandlungen mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) teilweise abgewendet werden. Hierzu schlossen die Beklagte zu 1. und die IG Metall ua. am 4. April 2012 einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend TS-TV) sowie einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV), dessen persönlicher Geltungsbereich diejenigen Beschäftigten erfasste, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind“. Am gleichen Tag vereinbarten die Beklagte zu 1. und der Betriebsrat einen „Interessenausgleich“. Der Kläger schloss mit beiden Beklagten einen mit Schreiben vom 4. April 2012 erhaltenen „Dreiseitigen Vertrag“ (nachfolgend DV). Hinsichtlich des näheren Inhalts von TS-TV, ETS-TV, Interessenausgleich und DV wird auf die Entscheidung der Vorinstanz verwiesen (sh. auch BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 5 bis 8).
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Leistungen auf Grundlage des ETS-TV. Mit Ablauf des 30. April 2013 ist er bei der Beklagten zu 2. ausgeschieden. Der Kläger ist der Auffassung, er könne sich neben den Bezugnahmeregelungen des DV auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen. Die Stichtagsregelung im ETS-TV sei unwirksam. Deshalb könne er die im ETS-TV geregelten zusätzlichen Leistungen im Wege einer „Anpassung nach oben“ verlangen. Schließlich folge sein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie aus dem Umstand, dass es sich bei den Regelungen zur Transfergesellschaft um Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2 TVG handele.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
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1. |
die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an ihn eine weitere Abfindung von 10.000,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31. Mai 2012 zu zahlen; |
2. |
die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an ihn 148.783,75 Euro brutto abzüglich hierauf bezahlter 84.106,61 Euro netto seit dem 1. März 2013 zu zahlen; |
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3. |
die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an ihn 21.560,40 Euro brutto abzüglich bereits erhaltener 12.560,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 30. April 2013 zu zahlen. |
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es einen Anspruch des Klägers aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und auf Zahlung eines Bruttomonatsentgelts in Höhe von 70 vH des nach dem TS-TV maßgebenden Bruttomonatseinkommens abgelehnt hat.
1. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 28; 16. Dezember 1970 - 4 AZR 98/70 - BAGE 23, 146; BGH 29. November 1990 - I ZR 45/89 - zu I 2 a der Gründe mwN).
2. Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen seinen Anspruch gegen die Beklagten weder auf eine bei ihm bestehende Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG noch gegenüber der Beklagten zu 2. auf eine Berechnung nach B 4. Abs. 1 DV gestützt.
a) Der Kläger hat ausgeführt, er sei nicht Gewerkschaftsmitglied. Er hat weiterhin auch nicht geltend gemacht, seine Ansprüche stützten sich auf eine beiderseitige Tarifgebundenheit. Weiterhin hat er zur Begründung der Entgeltansprüche lediglich die Bestimmungen des ETS-TV herangezogen und auf dieser Grundlage ein Bruttomonatsentgelt „in Höhe von 80 % seines bisherigen Gehalts“ beansprucht, weil er nicht anders „als ein organisierter Mitarbeiter“ zu behandeln sei.
b) Indem das Landesarbeitsgericht einen Anspruch des Klägers aufgrund einer Tarifgebundenheit und ein anders berechnetes Bruttomonatsentgelt nach dem TS-TV aberkannt hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Das klageabweisende Urteil ist daher zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft (BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 457/09 - Rn. 17; BGH 28. Mai 1998 - I ZR 275/95 - zu II 2 a der Gründe) zu verhindern, ohne dass es insoweit eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte.
II. Die Klage ist unbegründet.
1. Der Antrag zu 1. ist unbegründet. Der Kläger kann auf Grundlage der Bestimmungen in A 2.1. DV keine weitere Abfindung verlangen.
a) Er wird nicht vom persönlichen Geltungsbereich des an dieser Stelle im DV genannten ETS-TV erfasst, weil er zum maßgebenden Zeitpunkt nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft war.
b) Die Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 ETS-TV ist wirksam. Die tarifliche Bestimmung verletzt weder die sog. negative Koalitionsfreiheit des Klägers noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (dazu ausf. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 25 bis 53). Weiterhin kann sich der Kläger weder auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (sh. bereits BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 54 bis 58) noch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen (sh. hierzu BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 59 bis 68). Es besteht auch kein Anspruch auf Grundlage des § 3 Abs. 2 TVG. Deshalb kann es weiterhin dahinstehen, ob die Auffassung des Klägers, die „Tarifvertragsparteien [hätten] in Kenntnis der Unwirksamkeit des TuSTV“ den ETS-TV „auf die nicht organisierten Arbeitnehmer ausgedehnt“, auch nur im Ansatz zutreffend ist. Schließlich sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den §§ 2, 3 ETS-TV, auf die der Kläger seine Ansprüche stützt, entgegen seiner Auffassung nicht um „Betriebsnormen i.S. von § 3 Abs. 2 TVG“ handelt. Deren Voraussetzungen (ausf. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 32 f. mwN) liegen insoweit ersichtlich nicht vor.
2. Die weiteren Klageanträge zu 2. und 3. sind ebenfalls ohne Erfolg.
Der Kläger hat aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsregelung in B 4. Abs. 2 DV keinen Anspruch auf eine Ergänzung der monatlichen Zahlungen zu den Mindestarbeitsbedingungen seines Transferarbeitsverhältnisses nach § 2 Satz 1 ETS-TV („monatlich 80 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens“). Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Nr. 2 ETS-TV eine wirksame Geltungsbereichsbestimmung vereinbart (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 72 f. iVm. Rn. 25 bis 53). Weiterhin kann sich der Kläger auch insoweit weder auf den arbeitsrechtlichen noch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen ( BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 74 bis 77). Gleiches gilt für § 3 Abs. 2 TVG (unter II 1 b).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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