Entscheidungsdatum: 16.04.2014
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 18. Juni 2013 - 6 Sa 99/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist Sozialpädagogin und seit September 1992 als Leiterin der Kindertagesstätte L bei der beklagten Stadt, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Bayern ist, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst (TVöD-BT-V) in der Fassung der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Anwendung.
Die Klägerin erhielt bis 2009 und erneut ab 2011 ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA. Im Jahr 2010 bezog sie eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 13 TVöD-BT-V/VKA, da in der von ihr geleiteten Kindertagesstätte im Zeitraum Oktober bis Dezember 2009 nunmehr weniger als 100, nämlich nur noch 91 Kinder - darunter drei mit Behinderung - betreut worden waren; weitere Kinder waren nicht angemeldet.
Eine Integrationsempfehlung der beklagten Stadt - „Planungsschritte zur Aufnahme von Kindern mit (drohender) Behinderung in Kindertageseinrichtungen der Stadt A“ - sieht eine gestaffelte Reduzierung der zugrundezulegenden Anzahl der betreuten Kinder aus therapeutischen und pädagogischen Gründen vor, wenn Kinder mit Behinderung in der Tageseinrichtung aufgenommen werden, zB bei einer Betreuung von drei bis fünf Kindern mit Behinderung eine Reduzierung der Kinderzahl um zehn.
Nach erfolgloser Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage die Zahlung von - rechnerisch unstreitigen - monatlichen Vergütungsdifferenzen zwischen den Entgeltgruppen S 13 und S 15 TVöD-BT-V/VKA für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, entsprechend der Integrationsempfehlung der beklagten Stadt seien die Betreuungszahlen in der Tageseinrichtung abgesenkt worden. Nach diesen Vorgaben hätten nur maximal 90 Kinder aufgenommen werden müssen. Da in der integrativen Kindertagesstätte auch drei Kinder mit Behinderung betreut würden und bei der Platzvergabe zumindest zwei Plätze einnähmen, seien die erforderlichen Belegzahlen im Referenzzeitraum des vierten Quartals des Vorjahres nicht nur zur Qualitätssicherung, sondern auch aus therapeutischen und pädagogischen Gründen anzupassen. Im Ergebnis sei deshalb von rechnerisch durchschnittlich mindestens 97,5 belegten Plätzen auszugehen. Zudem habe der Regierungsbezirk S vorgegeben, pro Kind mit einer Behinderung zusätzlich ein „Zählkind“ zu berechnen, so dass für dieses Kind drei Plätze zu berücksichtigen und zu berechnen seien.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.428,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen. |
Die beklagte Stadt hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, im tariflich maßgebenden Referenzzeitraum sei die Durchschnittsbelegung um mehr als fünf Prozent unterschritten worden. Sie habe die Zahl der aufzunehmenden Kinder nicht reduziert, vielmehr hätten keine weiteren Anmeldungen mehr vorgelegen. Es liege daher keine vom Arbeitgeber zu verantwortende Maßnahme zur Qualitätssicherung vor. Die Betreuung von Kindern mit Behinderung erhöhe nicht die Zahl der belegbaren Plätze im Tarifsinne. Es finde keine fiktive Mehrfachzählung von Plätzen statt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Die zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hatte im Jahr 2010 keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA.
I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der VKA Anwendung. Dabei richtet sich die Eingruppierung von Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst in einer Kindereinrichtung als unselbständiger Teil der Gemeindeverwaltung gemäß § 56 TVöD - Besonderer Teil Verwaltung - (TVöD-BT-V) iVm. der dazugehörigen Anlage (Anlage zum Abschn. VIII Sonderregelungen VKA zu § 56) nach den Merkmalen des Anhangs zur „Anlage C (VKA)“. Abweichend von § 15 Abs. 2 TVöD erhalten diese Beschäftigten ein Entgelt nach Anlage C (VKA), in die sie am 1. November 2009 nach den Vorgaben des § 28a TVÜ-VKA übergeleitet worden sind. Dabei ist, solange der TVöD in den §§ 12 und 13 noch keine eigenen Eingruppierungsregelungen enthält, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA nach wie vor § 22 BAT anzuwenden (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 199/11 - Rn. 29 mwN; 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 12).
II. In Anwendung der Eingruppierungsregelungen des TVöD-BT-V/VKA hat die Klägerin seit dem 1. Januar 2010 keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA und deshalb auch keinen Anspruch auf die entsprechenden Vergütungsdifferenzen für die Monate Januar bis Dezember 2010.
1. Die einschlägigen Tarifnormen lauten:
„S 7
1. Beschäftigte als Leiterinnen/Leiter von Kindertagesstätten.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 8)
…
S 13
1. Beschäftigte als Leiterinnen/Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 70 Plätzen.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 8 und 9)
…
S 15
1. Beschäftigte als Leiterinnen/Leiter von Kindertagesstätten mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 100 Plätzen.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 8 und 9)
…
Protokollerklärungen:
…
8. Kindertagesstätten im Sinne dieses Tarifmerkmals sind Krippen, Kindergärten, Horte, Kinderbetreuungsstuben, Kinderhäuser und Kindertageseinrichtungen der örtlichen Kindererholungsfürsorge.
9. Der Ermittlung der Durchschnittsbelegung ist für das jeweilige Kalenderjahr grundsätzlich die Zahl der vom 1. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zu legen. Eine Unterschreitung der maßgeblichen je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze von nicht mehr als 5 v.H. führt nicht zur Herabgruppierung. Eine Unterschreitung auf Grund vom Arbeitgeber verantworteter Maßnahmen (z.B. Qualitätsverbesserungen) führt ebenfalls nicht zur Herabgruppierung. Hiervon bleiben organisatorische Maßnahmen infolge demografischer Handlungsnotwendigkeiten unberührt.“
2. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllte im Jahr 2010 die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA nicht. Die von ihr geleitete Kindertagesstätte L zählte im maßgebenden Referenzzeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2009 auch unter Berücksichtigung des Abweichungsspielraums nach Nr. 9 Satz 2 der Protokollerklärung des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA mit einer durchschnittlichen Auslastung von 91 Plätzen nicht mehr zu den Kindertagesstätten iSd. Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA. Nach den tariflichen Vorgaben (zu den Maßstäben der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags vgl. zB BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238) ist allein die Anzahl der tatsächlich belegten Plätze maßgebend. Eine Mehrfachzählung von Kindern bestimmter Gruppen sieht die Tarifregelung nicht vor.
a) Nach dem Tarifwortlaut knüpft die Entgeltstaffelung bei der Leitung von Kindertagesstätten - wozu nach der Protokollerklärung Nr. 8 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA die Kindertagesstätte in der L ohne Weiteres gehört - ausschließlich an die Zahl der vergebenen Plätze an, zB für die Entgeltgruppe S 15 TVöD-BT-V/VKA an die durchschnittliche Belegung von mindestens 100 Plätzen. Zur Ermittlung dieser Durchschnittsbelegung ist nach der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA für das jeweilige Kalenderjahr die Zahl der gleichzeitig belegbaren Plätze im Referenzzeitraum (1. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Jahres) heranzuziehen. In der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA haben die Tarifvertragsparteien für die Berechnung die „je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze“ zugrunde gelegt. Mit dieser pauschalierten Betrachtungsweise gehen sie davon aus, dass die Anforderungen an die Leitung einer Kindertagesstätte und damit die tarifliche Wertigkeit der maßgeblichen Tätigkeit steigen, je mehr Kinder in der Einrichtung gleichzeitig betreut werden (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 199/11 - Rn. 25; 4. April 2001 - 4 AZR 232/00 - BAGE 97, 251; 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 16). Die Tarifregelung schließt damit aber nicht nur eine Doppelzählung der Plätze aus, die vormittags und nachmittags an andere Kinder vergeben werden, sondern auch eine fiktive, nicht auf die tatsächlich vergebenen Plätze abstellende Berechnung (BAG 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 15 f.; für die Anzahl betreuter Kinder mit Behinderung vgl. auch BAG 4. April 2001 - 4 AZR 232/00 - zu I 4 a der Gründe, aaO).
b) Diese typisierende und pauschalierende tarifliche Regelung verzichtet im Interesse der Klarheit und Handhabbarkeit der Eingruppierungsregelung darauf, bei der Bestimmung der maßgebenden durchschnittlichen Belegungszahl noch weitere sonstige Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 17; vgl. auch 19. März 2003 - 4 AZR 391/02 - zu I 1 e aa der Gründe, BAGE 105, 291). Weitere Kriterien, die sich auf die Eingruppierung der Leitung einer Kindertagesstätte auswirken können, nennt die Tarifnorm nicht (ausf. BAG 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - aaO; zum Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 199/11 - Rn. 25; 4. April 2001 - 4 AZR 232/00 - zu I 8 b der Gründe, BAGE 97, 251).
c) Entgegen der Auffassung der Revision ändern abweichende Bemessungsmaßstäbe aus anderen, nichttariflichen Regelungen an dieser Berechnungsmethode nichts.
aa) Eine mögliche Doppelzählung aufgrund von kommunalen oder landesgesetzlichen Regelungen, die - aus pädagogischen oder anderen Gründen - Mindestanforderungen für eine Personalbemessung einer Kindertagesstätte formulieren und ggf. Kindern unter drei Jahren (vgl. insoweit BAG 11. Dezember 2013 - 4 AZR 493/12 - Rn. 18) oder Kindern mit Behinderung - wie die Integrationsempfehlung der beklagten Stadt - doppelt berücksichtigen, lässt sich nicht auf die tariflichen Bewertungs- und Berechnungsmaßstäbe übertragen. Die tariflichen Bestimmungen stellen hierauf nicht ab.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist deshalb auch eine mögliche Anweisung des Regierungsbezirks S zur Berechnung der Personalbemessung, aufgrund dieser es bei der Betreuung von behinderten Kindern zu einer andern Zählweise kommt, für die tarifliche Bewertung und Eingruppierung unerheblich.
3. Es liegt auch keine unschädliche Unterschreitung der durchschnittlichen Belegungszahl iSd. Protokollerklärung Nr. 9 Satz 3 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA vor. Es fehlt an einer Maßnahme der Beklagten im Sinne der Tarifregelung.
a) Nach der Protokollerklärung Nr. 9 Satz 3 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA führt eine Unterschreitung aufgrund von Arbeitgeber zu verantworteten Maßnahmen (zB einer „Qualitätsverbesserung“) nicht zu einer Herabgruppierung. Allerdings bleiben nach Satz 4 der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA hiervon organisatorische Maßnahmen infolge demografischer Handlungsnotwendigkeiten unberührt.
b) Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Unterschreitung der erforderlichen Durchschnittsbelegung die Folge einer von der Beklagten zu verantworteten Maßnahme, insbesondere einer solchen zur Qualitätsverbesserung, ist. Worin eine solche auf eine Änderung des bestehenden Zustands abzielende und von der Beklagten initiierte Maßnahme liegen soll, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Allein in der Aufnahme von Kindern mit Behinderungen liegt eine solche Maßnahme nicht.
Hinzu kommt, dass im Referenzzeitraum durchschnittlich lediglich 91 Plätze belegt waren und die Aufnahme von Kindern mit Behinderungen nicht zu einer Ablehnung weiterer Kinder geführt hat. Auch dies spricht dafür, dass die Beklagte keine konkreten organisatorischen Maßnahmen getroffen hat, um die (durchschnittlichen) Belegungszahlen abzusenken.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Eylert |
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Valerie Holsboer |