Entscheidungsdatum: 19.11.2013
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster …
(hier: Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr
für die Jahre 7 bis 8)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner, den Richter Eisenrauch sowie der Richterin Bayer
beschlossen:
1. | Die Beschwerde wird zurückgewiesen. |
2. | Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. |
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters … betreffend eine „…“.
Nachdem der Beschwerdeführer am 30. Januar 2013 Verfahrenskostenhilfe für die Jahresgebühren/Verlängerungsgebühr beantragt hat, ist er mit Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 4. Februar 2013 und 14. März 2013 aufgefordert worden, Nachweise einzureichen, welche Erfolg versprechenden Verwertungsversuche er bisher unternommen hat. Sollten keine entsprechenden Unterlagen eingehen, müsse mit der Zurückweisung des Antrags gerechnet werden. Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 17. März 2013 geltend gemacht, dass er aus finanziellen Gründen nicht selbst in der Lage gewesen sei, die Erfindung in Betrieb zu nehmen, er habe sie aber bei verschiedenen Unternehmen wie G…, S… vorgestellt. Die Erfindung sei entsprechend der Figur 13 ohne ihn zu benachrichtigen in Betrieb genommen worden, aus finanziellen Gründen könne er gegen das Unternehmen jedoch nicht vorgehen.
Mit Beschluss vom 28. Mai 2013, zugestellt am 31. Mai 2013 hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr für die Jahre 7 bis 8 zurückgewiesen. Der Antragsteller sei der Aufforderung nicht nachgekommen, erfolgsversprechende Verwertungsversuche nachzuweisen. Eine mögliche Verletzung des Schutzrechts durch Dritte könne bei der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht berücksichtigt werden. Der dem Beschwerdeführer zugestellte Beschluss enthielt neben dem Namen des Signierenden und dem Datum der Signatur den Hinweis „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig“.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 30. Juni 2013 beim DPMA eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt. Er trägt vor, er habe alles Mögliche versucht, die Erfindung in Betrieb zu nehmen. Die einzige vernünftige Möglichkeit sei gewesen, die Erfindung Unternehmen wie G…, S… vorzustellen. Die Erfindung sei ohne ihn zu benachrichtigen in Betrieb genommen worden. Sie stehe überall an Bahnhöfen und Einkaufscentern.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 hat der Senat den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er die Schreiben an die Firmen G… und S… vorlegen müsse, aus denen hervorgehe, dass und wann er das Gebrauchsmuster angeboten habe. Außerdem müsse er die Antworten der Firmen vorlegen.
Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe der Firma S… AG 2005 seine Erfindung vorgestellt. Eine Antwort auf sein Schreiben habe er nicht bekommen. Bereits 2007 hatte er die Erfindung mit weiteren Erweiterungen der Systeme als Patent angemeldet, sowie einige Zeit später das vorliegende Gebrauchsmuster abgezweigt. 2010 sei die Erfindung nach der Veröffentlichung der Patentanmeldung an das US-Unternehmen G…, nach Hamburg und in die USA weiterversendet worden. Eine Antwort habe er leider nicht erhalten. 2011 habe er an einem Karlsruher Bahnhof die Erfindung als von der S… AG gebaut gesichtet. 2012 habe er dieser Firma geschrieben, dass er die Erfindung zum Patent und zum Gebrauchsmuster angemeldet habe und ihm hierfür Lizenzgebühren zustünden. In dem Antwortschreiben wurde eine Verletzung eines Schutzrechts des Beschwerdeführers verneint. Die genannte Patentanmeldung sei wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters sei unklar. Noch wesentlicher sei, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 bei den angesprochenen Vorrichtungen der Mandantin nicht realisiert worden seien. Außerdem habe die Firma bereits vor dem Januar 2007 die Vorrichtung hergestellt und in den Verkehr gebracht und daher seien auch erhöhte Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters gerechtfertigt. Neben Versendungsbelegen hat der Beschwerdeführer das Schreiben an die S… AG vom 26. September 2011 und das Antwortschreiben vom 6. Dezember 2011 eingereicht.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Mai 2013 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 7. bis 8. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster … zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.
Der (nicht verkündete) Beschluss vom 28. Mai 2013 ist wirksam, auch wenn der dem Beschwerdeführer zugestellte Beschluss den nach § 6 Nr. 3 EAPatV erforderlichen Hinweis, dass „die Ausfertigung nicht unterschrieben wird“, jedenfalls nicht wörtlich enthält, sondern stattdessen den Satz „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig“. Die abweichende Formulierung macht die Zustellung des nicht verkündeten Beschlusses nicht unwirksam. Aus dem zugestellten Schriftstück war erkennbar, wer wann den Beschluss signiert hat. Nach § 6 Nr. 3 EAPatV muss die Ausfertigung nicht unterschrieben werden, sondern es genügt ein Hinweis, dass sie nicht unterschrieben ist. Da aus dem zugestellten Schriftstück erkennbar war, dass der Beschluss signiert wurde, war für den Adressaten hinreichend erkennbar, dass ein Beschluss erlassen wurde und dass das zugesandte Schriftstück keine Unterschrift enthielt und auch nicht enthalten musste, auch wenn letzteres mit der gewählten Formulierung nicht optimal zum Ausdruck gebracht wurde, da mit dem Wort „Dokument“ im Zusammenhang mit der ersten Aussage, es sei elektronisch signiert worden, der Beschluss gemeint ist, im Zusammenhang mit der zweiten Aussage, dass es ohne Unterschrift gültig sei, dagegen die Ausfertigung gemeint ist, die nicht unterschrieben wird. Eine wirksame Zustellung kann zwar nicht generell für den Fall einer Zustellung einer bloßen Abschrift statt einer Ausfertigung eines Urteils oder Beschlusses angenommen werden. So hat der BGH entschieden, dass die Zustellung einer beglaubigten Abschrift eines nicht ausgefertigten Beschlusses keine wirksame Zustellung ist (BGH, VersR 1994, 1495 - XII ZB 132/09). Auch genügt für eine wirksame Zustellung nicht die Zustellung einer Abschrift eines Urteils, wenn die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle fehlt und weder ein Dienstsiegel oder Dienststempel noch ein Ausfertigungsvermerk angebracht ist (BGH VersR 1994, 1495 - IV ZR 8/94). Bei der vorliegenden Sachlage jedoch, bei der es um eine Ausfertigung eines elektronischen Dokuments geht, die nach der gesetzlichen Regelung des § 6 EAPatV gar keinen Beglaubigungsvermerk und auch keine Unterschrift eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle haben muss, demzufolge auch nicht zwingend von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erstellt werden muss, ist aber der Hinweis, „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig“ anstatt der im Gesetz angegebenen Formulierung ein unwesentlicher Fehler, der die Zustellung nicht unwirksam macht.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann zwar auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist aber - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.
Ob eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (so auch die h. M. vgl. Busse PatG, 7. Aufl. 2003, § 130 Rn. 35 m. w. N.; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 130 Rn. 52; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). „Mutwilligkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).
Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation.
Die Gebrauchsmusterstelle hat bei der Zurückweisung des Antrags insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. Erfolg versprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Gebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.
Der Beschwerdeführer hat keine Belege dafür eingereicht, dass eine realistische Chance für eine Verwertung besteht. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe die Erfindung der Firma S… AG bereits 2005 angeboten, kann dies nicht das Gebrauchsmuster aus dem Jahre 2007 betreffen. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Schreiben an die Firma G… im Jahre 2010 ist ohne Antwort geblieben. Eine erfolgsversprechende Verwertungsmöglichkeit des Gebrauchsmusters lässt sich deshalb mit diesem Schreiben nicht belegen. Mit dem Schreiben an die Firma S… AG vom 26. September 2011, mit dem Lizenzgebühren für einen d… W…, der den Namen „O…“ trage, geltend gemacht werden, lässt sich ebenfalls kein ernsthafter erfolgsversprechender Verwertungsversuch belegen. Die Firma hat bestritten, dass ihre Vorrichtung dem Gebrauchsmuster entspreche. Außerdem macht sie in dem Schreiben geltend, dass sie ihre Vorrichtung bereits vor dem Jahre 2007 hergestellt und in den Verkehr gebracht hat. Dies ist eine eindeutige Ablehnung, das Gebrauchsmuster des Beschwerdeführers verwerten zu wollen, da die Firma nach ihrer Auffassung ihre Vorrichtung bereits vor dem Jahre 2007 in den Verkehr gebracht hat und sie nicht daran interessiert ist, für ein Gebrauchsmuster Lizenzen zu zahlen, das sie ihrer Ansicht nach weder verletzt noch benötigt. Auch die Versuche des Beschwerdeführers, die Erfindung in einem eigenen Betrieb zu verwirklichen, zeigen keine erfolgsversprechende Verwertungsmöglichkeit.
Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Angesichts der bestehenden Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage, d. h. der Aussichtslosigkeit einer wirtschaftlichen Verwertung, weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.
Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zugelassen, da die Frage, ob der Vorschrift des § 6 Nr. 3 EAPatV die Angabe „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig“ genügt, in den Beschlüssen 19 W (pat) 16/12, 20 W (pat) 24/12 und 35 W (pat) 418/12 anders beurteilt wird.
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