Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.06.2014


BPatG 16.06.2014 - 35 W (pat) 17/12

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – zur Beschwerdeeinlegung per E-Mail


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
16.06.2014
Aktenzeichen:
35 W (pat) 17/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster …

(hier: Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr für die Jahre 4 bis 6)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Juni 2014 durch die Vorsitzende Richterin Werner, den Richter Eisenrauch sowie der Richterin Bayer

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters … betreffend einen „…“.

2

Nachdem der Beschwerdeführer am 17. März 2012 mit Schriftsatz vom 15. März 2012 Verfahrenskostenhilfe für die „1. Verlängerungsgebühr“ beantragt hat, ist er mit Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 22. März 2012 aufgefordert worden, Nachweise einzureichen, welche erfolgversprechende Verwertungsversuche er bisher unternommen hat. Sollten keine entsprechenden Unterlagen eingehen, müsse mit der Zurückweisung des Antrags gerechnet werden.

3

Mit Beschluss vom 12. Juni 2012 hat die Gebrauchsmusterstelle des DPMA den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühr für die Jahre 4 bis 6 zurückgewiesen. Die Zustellung erfolgte mittels Einschreiben durch Übergabe, das am 14. Juni 2012 abgesandt wurde. Der Antragsteller sei der Aufforderung nicht nachgekommen, erfolgversprechende Verwertungsversuche nachzuweisen. Die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters erscheine mutwillig im Sinne von § 114 ZPO, auf den § 21 Abs. 2 GebrMG über § 130 Abs. 1 PatG Bezug nehme. Der dem Beschwerdeführer zugestellte Beschluss enthielt neben dem Namen des Signierenden und dem Datum der Signatur den Hinweis „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert und ist ohne Unterschrift gültig“.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die in der Form einer E-Mail eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers, auf der unter der maschinenschriftlichen die handschriftliche Unterschrift erkennbar ist, mit der er seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt. Die E-Mail ist am 12. Juli 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, als Sendedatum steht auf ihr der 10. Juli 2012. Auf Nachfrage, wie die Unterschrift auf die Mail gesetzt worden sei, teilte der Beschwerdeführer mit, er könne seine E-Mail derzeit nicht als Kopie finden. Im Normalfall seien zwei Möglichkeiten für eine Unterschrift bei einer E-Mail von ihm denkbar. Hier und da sende er eine E-Mail mit einer GIF-Grafik als Unterschrift. Es sei aber auch denkbar, dass er nach einer E-Mail eine Kopie mit einer Original-Unterschrift per Post hinterherschicke.

5

Auf Nachfrage beim Deutschen Patent- und Markenamt erklärte die Fachadministratorin „Digitalisierungszentrum-Eingangsbearbeitung“, dass außer der E-Mail, die am 12. Juli 2012 eingegangen sei, kein weiterer Beschwerdeschriftsatz eingereicht worden sei.

6

In der Sache trägt der Beschwerdeführer vor, dass er Kontakt zu Microsoft, Samsung und Google habe, hierüber aber keinerlei Auskünfte freigegeben würden. Er arbeite an einer Flash-Präsentation, die es möglichen Lizenznehmern die Beurteilung einfacher mache, da das einzige Handicap die Ausführlichkeit sei, die bei einigen Interessenten den Überblick schwierig mache. Den im Beschluss genannte Bescheid vom 22. März 2012 könne er nicht einordnen.

7

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

8

den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2012 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 4. bis 6. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster … zu gewähren.

9

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

10

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingereicht.

11

Da der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 12. Juni 2012 mittels Einschreiben durch Übergabe zugestellt wurde, das am 14. Juni 2012 abgesandt wurde, ist als Beginn der einmonatigen Beschwerdefrist frühestens der 17. Juni 2012 anzusehen.

12

Die innerhalb der Beschwerdefrist am 12. Juli 2012 eingegangene Beschwerde ist formgerecht.

13

Zwar genügt für die Einlegung einer Beschwerde grundsätzlich nicht die bloße Einlegung durch eine E-Mail (vgl. BGH WM 2009, 331), jedoch ist aufgrund der vorliegenden elektronischen Akte des Amts in Verbindung mit den Erklärungen des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die in der elektronischen Akte befindliche E-Mail vom 12. Juli 2012 die Formvorschrift einhält. Auf Nachfrage hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass im Normalfall zwei Möglichkeiten für eine Unterschrift bei einer E-Mail von ihm denkbar seien. Hier und da sende er eine E-Mail mit einer GIF-Grafik als Unterschrift. Es sei aber auch denkbar, dass er nach einer E-Mail eine Kopie mit einer Original-Unterschrift per Post hinterherschicke. Da bei der E-Mail, die sich in der Akte befindet, als Sendedatum der 10. Juli 2012 angegeben ist und dieses Datum auch unten auf der E-Mail steht, diese aber erst am 12. Juli 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt einging, ist im Wege des Freibeweises davon auszugehen, dass der Anmelder im vorliegenden Fall die zweite Möglichkeit gewählt hat, nämlich dass er die E-Mail auch an sich gesendet hat und dann mit Originalunterschrift versehen an das DPMA mit der Post geschickt hat. Dies erscheint auch plausibel, da auf der E-Mail seine eigene Adresse unter „Cc:“ angegeben ist. Zudem hat er bei der Nachfrage nach der E-Mail vom 12. Juli 2012 mitgeteilt, dass er bei sich die E-Mail nicht finden könne. Es ist dagegen nicht anzunehmen, dass er die erste Möglichkeit gewählt hat, nämlich lediglich eine GIF-Grafik einzufügen, da dies die Diskrepanz zwischen Sendedatum und Eingangsdatum nicht erklären könnte. Ebenfalls wäre dann nicht zu erklären, weshalb die E-Mail doppelt in der elektronischen Akte erfasst ist. Naheliegend ist daher, dass die E-Mail vom 10. Juli 2012 versehentlich nicht erfasst wurde, die mit der Post nachgeschickte, mit der Originalunterschrift versehene E-Mail dagegen doppelt. Auf die Frage, ob auch in dem Fall die Form gewahrt sein könnte, wenn das Dokument im DPMA fristgerecht ausgedruckt worden wäre (vgl. BGH GRUR 2008, 838), kommt es nicht mehr an.

14

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.

15

Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist aber - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.

16

Ob eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (so auch die h. M. vgl. Busse PatG, 7. Aufl. 2003, § 130 Rn. 35 m. w. N.; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 130 Rn. 52; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). „Mutwilligkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung „nicht mutwillig erscheint“ ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).

17

Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation.

18

Die Gebrauchsmusterstelle hat bei der Zurückweisung des Antrags insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. erfolgversprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Gebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.

19

Der Beschwerdeführer hat keine Belege dafür eingereicht, dass eine realistische Chance für eine Verwertung besteht. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe Kontakt zu Microsoft, Samsung und Google hat er dies nicht weiter konkretisiert und insbesondere nichts vorgetragen, dass diese Kontakte erfolgversprechend sind. Sein Vortrag, er arbeite an einer Flash-Präsentation, die möglichen Lizenznehmern die Beurteilung einfacher mache, da das einzige Handicap die Ausführlichkeit sei, die bei einigen Interessenten den Überblick schwierig mache, gibt ebenfalls keine Hinweise darauf, dass eine Verwertung erfolgversprechend ist.

20

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er könne den im Beschluss genannte Bescheid vom 22. März 2012 nicht einordnen, ist dies kein Beleg, dass er ihn nicht erhalten hat. Zumindest ist ihm aber durch den Beschluss erklärt worden, dass er aktuelle Verwertungsversuche vorlegen muss und die Aufrechterhaltung den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns entsprechen müssen. Im Beschwerdeverfahren hatte er daher Gelegenheit, erfolgversprechende Verwertungsversuche darzulegen, was er nicht getan hat.

21

Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.

22

Angesichts der bestehenden Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage, d. h. der Aussichtslosigkeit einer wirtschaftlichen Verwertung, weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.

23

Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.