Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.03.2017


BPatG 07.03.2017 - 35 W (pat) 16/14

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - Kosten - "Screening Hörtestgerät" – Kostenauferlegung – Unterliegensprinzip –Veranlassung für den Löschungsantrag – Kostenfestsetzungsverfahren zur Feststellung der Höhe der Kosten – Gegenstandswert als Bemessungsfaktor


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
07.03.2017
Aktenzeichen:
35 W (pat) 16/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2011 107 665.6

(hier: Beschwerde gegen Kostenentscheidung)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Löschungsantragsgegnerin zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Löschungsantragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 9. November 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldeten und am 13. Januar 2012 mit 19 Schutzansprüchen in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2011 107 665.6 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „Screening Hörtestgerät“. Ab Juni 2012 hatte ein Schriftverkehr zwischen der Antragsgegnerin und der Löschungsantragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragstellerin) stattgefunden, aus dem sich ergibt, dass die Antragsgegnerin einem Geschäftsführer der Antragstellerin den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters zur gemeinsamen Vermarktung angeboten hatte. Die Korrespondenz endete mit einem E-Mail des Geschäftsführers vom 9. Januar 2013, mit dem dieser der Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, dass sich der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters gemäß durchgeführter Recherchen als durch deutlich ältere Anmeldungen vorveröffentlicht erwiesen habe.

2

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Januar 2013, das der Antragsgegnerin am 2. Februar 2013 zugegangen war, hat die Antragstellerin dieser die Einleitung eines Löschungsverfahrens für den Fall angedroht, dass diese nicht bis zum 18. Februar 2013 auf das Streitgebrauchsmuster verzichten sollte. Das anwaltliche Schreiben, enthielt Ausführungen zur Schutzfähigkeit des Gebrauchsmustergegenstandes, wobei der Antragsgegnerin anhand von 6 Druckschriften erläutert wurde, weshalb die Antragstellerin das Streitgebrauchsmuster für löschungsreif hielt. Nach dieser Verzichtsaufforderung hat sich die Antragsgegnerin am 5. Februar 2013 nochmals per E-Mail an den anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin gewandt und mitgeteilt, dass sie zur Einschränkung ihres Gebrauchsmusters bereit sei und nach wie vor einer eventuellen, gemeinsamen Produktvermarktung bzw. Zusammenarbeit mit Freude entgegensehe.

3

Am 20. April 2013 hatte die Antragstellerin beim DPMA die Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Dem Löschungsantrag, der der Antragsgegnerin am 3. Mai 2013 zugestellt worden war, hat diese nicht widersprochen.

4

Mit Beschluss vom 1. September 2014 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass ein Fall des § 91 ZPO vorliege. Die Antragsgegnerin habe keinen Widerspruch gegen den Löschungsantrag erhoben und sei damit so zu behandeln, wie wenn sie in einem streitigen Verfahren unterlegen wäre. Der Sondertatbestand des § 93 ZPO sei nicht gegeben, da die Antragsgegnerin Anlass zum Löschungsantrag gegeben habe. Die insoweit darlegungspflichtige Antragsgegnerin habe nicht belegt, dass ihre Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin auf eine „bilaterale Einigung“ mit Blick auf das Streitgebrauchsmuster gerichtet gewesen sei.

5

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie ihr Begehren, von einer Kostentragung freigestellt zu werden, weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, die Antragstellerin habe die Löschung des Streitgebrauchsmusters nur deshalb betrieben, um die geschützte Erfindung ohne Zahlung von Lizenzgebühren frei nutzen zu können. Dem Löschungsantrag habe sie (die Antragsgegnerin) sich nur gebeugt, weil sie die drohenden Anwaltskosten als sehr bedrückend empfunden habe.

6

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

7

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. September 2014 aufzuheben und sie von den Kosten des Löschungsverfahrens freizustellen.

8

Die Antragstellerin beantragt,

9

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Sie ist der Auffassung, dass sie die Antragsgegnerin ordnungsgemäß zum Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster aufgefordert habe. Der Löschungsantrag sei eingereicht worden, da die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Frist den geforderten Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster nicht erklärt habe. Der angegriffene Kostenbeschluss sei daher nicht zu beanstanden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

12

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

13

1. Zu Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. September 2014 die Kosten des patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.

14

Der Kostenausspruch zu Lasten der Antragsgegnerin, wie er in dem angefochtenen Beschluss getroffen wurde, folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Dessen Anwendbarkeit ergibt sich aus einer Verweisung von § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG. Hiernach gilt grundsätzlich das Unterliegensprinzip, wie es in § 91 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommt. Die Regelung ist vorliegend einschlägig, weil der Antragsgegnerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen hat und sich auf diese Weise in die Rolle der unterlegenen Partei begeben hat. Damit entspricht es auch der Billigkeit, ihr die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens aufzuerlegen (vgl. BPatGE 14, 55, 57; 30, 177, 178).

15

Zwar geht die Antragsgegnerin zu Recht davon aus, dass sie von der Tragung der Kosten dann freizustellen wäre, wenn der vorliegende Sachverhalt ausnahmsweise die Anwendung des § 93 ZPO als billig erscheinen ließe. § 93 ZPO bestimmt hierzu sinngemäß, dass die Kosten von einem Antragsteller – und nicht vom Gebrauchsmusterinhaber – zu tragen sind, wenn der Inhaber den Löschungsanspruch durch Nichtwiderspruch sofort anerkannt hat und zuvor keinen Anlass zum Löschungsantrag gegeben hatte. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist vorliegend aber nicht erkennbar.

16

Im vorliegenden Falle musste der Antragsgegnerin klar gewesen sein, nachdem sie am 2. Februar 2013 das anwaltliche Schreiben vom 31. Januar 2013 mit der Verzichtsaufforderung erhalten hatte, dass die Antragstellerin ernsthaft entschlossen war, mit einem Löschungsantrag gegen das Streitgebrauchsmuster vorzugehen. Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters war vor dessen Eintragung weder auf Neuheit noch auf das Vorliegen eines erfinderischen Schritts geprüft worden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG). Hierzu ergab sich aus dem anwaltlichen Schreiben, dass die Antragstellerin deshalb Lizenzzahlungen und/oder eine Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin verweigert hatte, weil sie nunmehr – nach dem Ergebnis der von ihr selbst veranlassten Recherchen – den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters für offenkundig schutzunfähig hielt. Unter diesen Umständen ist der Angriff gegen ein Gebrauchsmuster mit einem Löschungsantrag eine übliche Vorgehensweise, da nicht einzusehen ist, weshalb man Zahlungen für die Vermarktung eines Gegenstandes leisten sollte, wenn man das entsprechende Gebrauchsmuster für ein Scheinrecht hält (vgl. § 13 Abs. 1 GebrMG).

17

Mit Rücksicht auf die erhaltene Verzichtsaufforderung oblag es sodann der Antragsgegnerin, sich selbst Klarheit über die Rechtsbeständigkeit ihres Gebrauchsmusters zu verschaffen und auf der Grundlage einer solchen Prüfung eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie das Schutzrecht verteidigen mochte (vgl. Benkard/Goebel/Engel, GebrMG, 11. Aufl., § 17 Rn. 22; Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 92). Durch die Reaktion der Antragsgegnerin, die definitiv nicht in der Abgabe einer Verzichtserklärung bestand, hat diese dagegen Veranlassung für den Löschungsantrag gegeben. Der angefochtene Beschluss weist allerdings insoweit eine Begründungsschwäche auf, als nicht klar ist, was mit der Aussage, die Kontaktaufnahme der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin sei nach Zustellung der Verzichtsaufforderung vom 31. Januar 2013 nicht auf eine „bilaterale Einigung“ gerichtet gewesen, gemeint ist. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da sich die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erweist. Die fortgesetzte Bekundung, die dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin per E-Mail am 5. Februar 2013 zuging, nämlich dass sich die Antragsgegnerin weiterhin auf eine gemeinsame Produktvermarktung freue, durfte die Antragstellerin durchaus so verstehen, dass die Antragsgegnerin ihr Gebrauchsmuster im Kern weiterhin für bestandskräftig erachtete und auf dieser Grundlage nach wie vor Rechte aus dem Streitgebrauchsmuster geltend machen wolle.

18

2. Als die im vorliegenden Beschwerdeverfahren unterlegene Partei trägt die Antragsgegnerin zusätzlich die Kosten des Beschwerdeverfahrens, was aus § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, 97, 91 Abs. 1 ZPO folgt.

III.

19

Der Senat hat sich im vorliegenden Verfahren zur Höhe der Kosten, deren Erstattung die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangen kann, einer Äußerung enthalten. Eine solche Feststellung ist dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten. In dessen Rahmen wird auch der Gegenstandswert des patentamtlichen Löschungsverfahrens – sofern sich die Parteien auf einen solchen nicht einvernehmlich verständigen können – als Bemessungsfaktor zu bestimmen sein (vgl. BPatGE 51, 55, 59 f.).