Entscheidungsdatum: 09.09.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Gebrauchsmuster …
(hier: Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Müllner sowie die Richter Baumgärtner und Guth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… … …“. Im Eintragungsverfahren war ihm mit Beschluss vom 11. Januar 2006 Verfahrenskostenhilfe gewährt worden.
Nachdem der Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr beantragt hat, ist er mit Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 15. September und 17. November 2008 aufgefordert worden, Erfolg versprechende Verwertungsversuche durch Belege nachzuweisen. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 16. Oktober und vom 19. Dezember 2008 geantwortet.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2009 hat die Gebrauchsmusterstelle den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Rechtserhaltung mutwillig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts erscheine. Es seien keine ausreichenden Verwertungsnachweise vorgelegt worden. Eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung des Gebrauchsmusters sei nicht wahrscheinlich, eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters entspräche offensichtlich nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handeln.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgt. Er trägt im Wesentlichen vor, dass er seine Verwertungsversuche an mittelständische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gerichtet habe, die ihm aber wegen der gesamtwirtschaftlichen Lage hinsichtlich der Verwertung des Gebrauchsmusters keine Zusagen hätten machen können und mittlerweile durch Insolvenz nicht mehr am Markt seien. Daher beantrage er die Verfahrenskostenhilfe mit Nachdruck, weil er mit einem eigenen zu gründenden Unternehmen die Verwertung selbst in Angriff nehmen werde. Er werde sich diesbezüglich an die Wirtschaftsförderung der Stadt Bochum wenden. Einen Geschäftsplan habe er in größten Teilen bereits fertig gestellt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Januar 2009 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster 20 2005 012 492 zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.
Ob eine an sich erfolgreiche Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich nach h. M. danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, § 130 Rn. 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.; BPatG GRUR 1998, 42). Mutwilligkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).
Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögende Person in derselben Situation.
Die Gebrauchsmusterabteilung hat bei der Zurückweisung des Antrags insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. Erfolg versprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.
Davon geht ersichtlich auch der Beschwerdeführer aus, wie sich aus seinem Vortrag ergibt. Jedoch enthält sein Vorbringen keinerlei Hinweise darauf, dass eine realistische Chance für eine Verwertung besteht. Die einzigen Belege, die er im laufenden Verfahren vorgelegt hat, sind das mit „KOOPERATION MIT BETRIEBEN DER METALLBAUER-INNUNG BOCHUM“ überschriebene Schreiben der Kreishandwerkerschaft Bochum vom 27. Februar 2008, in dem deren Geschäftsführer den Eingang eines Schreibens des Beschwerdeführers vom 31. Januar 2008 bestätigt und dessen Weitergabe an einen Kreishandwerkermeister zur Bearbeitung und Stellungnahme, sowie ein weiteres Schreiben der Wirtschaftsförderung der Stadt Bochum vom 16. Dezember 2008. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Denn zum einen hat der Beschwerdeführer den Inhalt seines Schreibens vom 31. Januar 2008 nicht näher erläutert, so dass sich daraus kein Verwertungsversuch des verfahrensgegenständlichen Gebrauchsmusters herleiten lässt. Ebenso wenig hat der Beschwerdeführer das Ergebnis der Stellungnahme des Kreishandwerkermeisters vorgetragen oder das Ergebnis seiner Kooperationsbemühungen. Aus dem Schreiben der Stadt Bochum vom 16. Dezember 2008 ergibt sich lediglich, dass dort keine Möglichkeit besteht, die Verwertbarkeit des Gebrauchsmusters zu prüfen.
Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer geplante eigene Unternehmensgründung, die angesichts seiner wirtschaftlichen Lage nicht realisierbar sein dürfte und damit ebenfalls keine konkrete Verwertungsmöglichkeit für das Gebrauchsmuster bedeutet. Auf eine bloß theoretisch mögliche Verwertungsaussicht kann nicht abgestellt werden.
Angesichts der bestehenden Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage, d. h. der Aussichtslosigkeit einer wirtschaftlichen Verwertung, weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.
Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.