Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.01.2010


BPatG 26.01.2010 - 33 W (pat) 95/08

Markenbeschwerdeverfahren – "Terrado" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
26.01.2010
Aktenzeichen:
33 W (pat) 95/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 06 527.8

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender, des Richters k.A. Metternich und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008 aufgehoben.

Gründe

I

1

Am 5. Februar 2007 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke

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Terrado

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für folgenden Waren angemeldet worden:

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Klasse 6: Sonnenschutzkonstruktionen aus Metall, Markisenkonstruktionen aus Metall, Überdachungen aus Metall;

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Klasse 19: Sonnenschutzkonstruktionen nicht aus Metall, Markisenkonstruktionen nicht aus Metall, Überdachungen nicht aus Metall;

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Klasse 22: Sonnenschutzelemente aus textilem Material, Markisen aus textilem Material, Überdachungen aus textilem Material.

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Mit Beschlüssen vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008, letzterer im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 22 die Anmeldung nach § 37 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle ist der Begriff „Terrado“ für alle beanspruchten Waren freihaltebedürftig i. S. d. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn das Wort „terrado“ sei ein spanisches Wort mit der mehrfach lexikalisch belegbaren Bedeutung „(Flach)dach“ oder „(Dach)terrasse“. Mit der Bedeutung „Dach“ sei die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren eine glatt inhaltsbeschreibende und daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftige Angabe. Dies gelte auch für die weitere Bedeutung „Dachterrasse“, denn insoweit liege eine beschreibende Angabe im Hinblick auf die Zweckbestimmung der so gekennzeichneten Waren vor. Damit stehe der angemeldeten Marke jedenfalls das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, da es den am Im- und Exporthandel mit Spanien beteiligten Fachkreisen unbenommen bleiben müsse, ihre Produkte mit der Bezeichnung „Terrado“ bewerben und die fraglichen Waren unter Verwendung des Begriffs entsprechend kennzeichnen zu können.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008 aufzuheben.

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Zur Begründung führt sie aus, dass der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Mitbewerber der Anmelderin auf das spanische Wort „terrado“ zur Beschreibung ihrer Waren angewiesen sein sollten. Dem überwiegenden Teil der inländischen Verbraucher sei die Bedeutung des spanischen Wortes „terrado“ nicht bekannt. Dies gelte selbst für viele spanische Muttersprachler. Zudem sei das Wort „terrado“ mit „(Flach)dach“ falsch übersetzt, da die korrekte (ausschließliche) Bedeutung bzw. Übersetzung „Dachterrasse“ laute. Weiter sei unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH GRUR 2006, 411 ff. Rdn. 24 - Matratzen Concord/Hukla) bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auf den deutschen Handel abzustellen, der jedoch das Wort „terrado“ nicht als eindeutige Sachangabe verstehen werde. Ihm sei dieses Wort überwiegend nicht bekannt. Soweit dennoch ein sehr kleiner Kreis inländischer Fachleute das spanische Wort „terrado“ verstehen sollte, sei allenfalls die korrekte Übersetzung „Dachterrasse“ zugrunde zu legen und nur für eine Dachterrasse läge eine eindeutige Sachangabe vor. Um zu einer beschreibenden Bedeutung hinsichtlich der beanspruchten Waren im Sinne z. B. von speziell oder ausschließlich auf Dachterrassen einsetzbaren Markisen zu kommen, seien analysierende Gedankengänge erforderlich. Das Vorliegen einer unmittelbar beschreibenden Bezeichnung sei daher ausgeschlossen, vielmehr verstehe der deutsche Verkehr die Angabe „terrado“ als Phantasiebezeichnung, die im Übrigen auch über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

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Die Beschwerde ist begründet.

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Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke nicht für freihaltungsbedürftig i. S. d § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und im Übrigen auch für unterscheidungskräftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

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So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

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Wie die Markenstelle insoweit richtig festgestellt hat, handelt es sich bei „terrado“ um ein spanisches Wort. Es wird in zahlreichen Spanisch-Deutsch-Wörterbüchern mit den Bedeutungen „(Flach-)dach“ bzw. „flaches Dach“ und „(Dach-)Terrasse“ erläutert (z. B. Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch; PONS Großwörterbuch für Experten und Universität, Spanisch-Deutsch; Slaby/Grossmann/Illig, Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache; Larousse Pocket, Diccionario Espanol-Aleman; ähnlich auch verschiedene Online-Wörterbücher).

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Bei seiner Recherche ist der Senat auch Verwendungen des Worts „terrado“ im täglichen Leben der spanischen Sprache nachgegangen, insbesondere um dabei festzustellen, ob und inwieweit dieses Wort in Zusammenhang mit Terrassen und Sonnenschutzvorrichtungen erscheint. Dabei haben sich in der spanischen Sprache, etwa bei Immobilienangeboten, die sich u. A. auch an deutsche Interessenten richten, häufig Umschreibungen wie „terraza en el terrado“ (in englischen Fassungen des gleichen Textes: „terrace on the roof“ oder „roof-top terrace“, in deutschen Fassungen: „Dachterrasse“) feststellen lassen. Diese Umschreibung deutet wegen der gesonderten Verwendung des geläufigeren Wortes „terraza“ (neben „terrado“) darauf hin, dass der Bedeutungsschwerpunkt von „terrado" offenbar eher bei der Variante „Flachdach“ liegen dürfte. Auch bei weiteren Verwendungsbeispielen in der lebenden spanischen Sprache hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass das Wort „terrado“ im Spanischen offenbar vor allem mit dem Schwerpunkt auf „Flachdach“ verwendet wird, wobei der Oberbegriff für „Dach“, also das spanische Wort „techo“, dem spanischen Grundwortschatz zugehört und damit wesentlich häufiger verwendet wird. Ergänzend sei angemerkt, dass Flachdächer bekanntlich im mediterranen Raum bei traditionellen, wie auch bei modernen Wohnhäusern häufig anzutreffen sind und dabei vielfach mit Geländer und einem Zugang zum Flachdach ausgestattet sind, das auf diese Weise automatisch zur Dachterrasse wird. Insoweit mag die Doppelbedeutung des Wort „terrado“ sprachlich zu erklären sein, so dass vor allem das Wort „Terrassendach“ (auch aufgeführt in Langenscheidt, a. a. O.) eine treffende Übersetzung darstellen dürfte.

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Der Senat geht auch davon aus, dass es durchaus Sonnenschutzkonstruktionen geben mag, die für Flachdächer und/oder Dachterrassen besonders geeignet oder ausgestattet sind, wenngleich es nicht nahe liegt, dass sich solche Konstruktionen in bedeutsamer Hinsicht von denjenigen unterscheiden, die z. B. für ebenerdige Terrassen, wie etwa Gartenterrassen bestimmt und geeignet sind. Dennoch handelt es sich bei dem Wort „terrado“ nicht um eine freihaltungsbedürftige Sachangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. „Terrado“ ist ein fremdsprachiges Wort, das zwar einer Welthandelssprache zugehört, die jedoch im Vergleich zum Englischen in Deutschland deutlich weniger verbreitet ist. Für die Endabnehmer von Sonnenschutzsystemen dürfte der Begriff nicht bekannt sein, insbesondere gehört er nicht zum spanischen Grundwortschatz. Im Gegensatz zum eindeutigeren und auch in der spanischen Sprache wohl geläufigeren Ausdruck „terraza“, der in der deutschen Sprache mit dem Wort „Terrasse“ ein direktes Pendant hat und sich daher besonders als Sachbegriff anbieten würde, kann sich der inländische Verkehr die Bedeutung auch nicht von selbst erschließen.

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Nach den Grundsätzen der Entscheidung EuGH GRUR 2006, 411, 413, Rdn. 26, 30 - Matratzen Concord/Hukla stehen Art. 3 I b) u. c) MRRL der Eintragung eines in der Sprache eines EU-Staates nicht unterscheidungskräftigen oder beschreibenden Wortes als nationale Marke in einem anderen Mitgliedstaat nicht entgegen, soweit nicht die beteiligten Verkehrskreise in dem Staat, in dem die Eintragung begehrt wird, im Stande sind, die Bedeutung dieses Wortes zu erkennen. Auch wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung nicht nur auf die normal informierten Durchschnittsverbraucher als beteiligte Verkehrskreise abgestellt hat, sondern ausdrücklich auch den „Handel“ mit einbezogen hat (vgl. EuGH, a. a. O., Rdn. 24.), der über ein professionelleres Fremdsprachenverständnis, insbesondere über Kenntnisse der Fachwörter des betreffenden Waren- oder Dienstleistungsgebiets verfügt, so kann die Kenntnis des angemeldeten Markenworts dennoch auch bei diesen Fachverkehrskreisen nicht vorausgesetzt werden.

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Denn selbst bei erhöht angesetztem Fremdsprachenverständnis des Verkehrs, insbesondere bei Betonung der Fachverkehrskreise (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdn. 325 ff.) kann nicht davon ausgegangen werden, dass „terrado“ als Merkmalsangabe verständlich ist und daher zur freien beschreibenden Verwendung in Deutschland benötigt wird. Zum einen hat sich Spanisch nicht als Fachsprache auf dem Gebiet der Sonnenschutzsysteme etabliert. Die Anbringung solcher Systeme an Immobilien lässt zudem eher eine Orientierung an inländischen Verhältnissen und damit eine Kenntnis des Fachverkehrs an deutschen, evtl. auch an englischen Fachbegriffen erwarten, auch wenn der Export oder Import von oder aus Spanien keineswegs ausgeschlossen, angesichts unterschiedlicher Witterungsverhältnisse aber wohl auch nicht überschätzt werden darf. Zum anderen handelt es sich bei Dachterrassen und Flachdächern nicht um besonders wesentliche Merkmale der Waren selbst (insoweit offenbar auch differenzierend Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 328). Ihre Benennung stellt also keine „eigentliche“ Warenangabe dar, wie dies etwa bei Angaben über Art, Material oder Konstruktion des Sonnenschutzes der Fall wäre. Hinzu kommt die vergleichsweise geringe Bedeutung des Worts „terrado“ selbst innerhalb der spanischen Sprache. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen echten Fachbegriff handelt, den zumindest beachtliche Teile des inländischen Fachverkehrs kennen könnten oder auf den sie zur freien beschreibenden Verwendung, wenigstens beim Ex- oder Import angewiesen wären. Vielmehr erscheint eine beschreibende isolierte Verwendung des Wortes „terrado“, z. B. auf der Verpackung eines exportierten oder importierten Sonnenschutzsystems kaum denkbar, ein Freihaltungsbedürfnis damit nur theoretisch. Damit kann ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

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Dementsprechend kann auch nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Vor allem für Endverbraucher als wesentliche Teile des Verkehrs wirkt das Wort als romanischsprachige Fantasieangabe. Da selbst vom Fachverkehr die Kenntnis und insbesondere die sofortige Zuordnung als Sach- oder Fachbezeichnung nicht erwartet werden kann, verfügt die Marke auch über die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Damit waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.