Entscheidungsdatum: 22.02.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 043 141
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter am Amtsgericht Dr. Wache und die Richterin Dr. Hoppe auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2012
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 vom 21. September 2011 wird aufgehoben.
Auf den Widerspruch ist die angegriffene Marke 30 2008 043 141 zu löschen.
I.
Gegen die am 12. Januar 2009 eingetragene und am 13. Februar 2009 veröffentlichte Wortmarke 30 2008 043 141
Gustav M.
eingetragen für
Klasse 16: Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren
Klasse 20: Waren soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide und deren Ersatzstoffe und Kunststoffen
Klasse 28: Spiele und Spielzeug
ist am 29. April 2009 Widerspruch erhoben worden aus der am 9. Juli 2008 eingetragenen Wortmarke 30 2008 028 635
Gustav
eingetragen für
Klasse 9: CDs, CD-ROMs, DVDs; Computerprogramme (herunterladbar); elektronische Publikationen jeder Art (herunterladbar); Hörbücher; Brillen; Sonnenbrillen
Klasse 16: Bücher, insbesondere Bilderbücher; Kalender; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), insbesondere Lernbücher; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Verpackungstaschen (soweit in Klasse 16 enthalten); Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren)
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme; Rucksäcke; Schultaschen; Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten)
Klasse 20: Möbel, insbesondere Kindermöbel; Laufställe für Kleinkinder; Matten für Babylaufgitter; Kinderlauflerngeräte; Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen; Luftmatratzen, nicht für medizinische Zwecke; Zeltheringe, -pflöcke, nicht aus Metall
Klasse 22: Zelte
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, insbesondere Spiel- und Wickeldecken, Bettwäsche und Handtücher; Bett- und Tischdecken
Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Sport-, Funktions- sowie Kinderkleidung; Schuhwaren, insbesondere Stiefel; Kopfbedeckungen, insbesondere Hüte; Tücher, soweit nicht in anderen Klassen enthalten
Klasse 27: Teppiche, insbesondere Spielteppiche
Klasse 28: Spiele, insbesondere PC-Spiele und Brettspiele; Spielzeug, insbesondere Puppen, Stofftiere, Rasseln, Puppenwagen, Spielfahrzeuge und Puzzle; Spielbälle, -schläger und Schwimmflossen
Klasse 41: Unterhaltung, insbesondere Durchführung von Spielen im Internet, online angebotene Spieldienstleistungen (von einem Computernetzwerk); Bereitstellen von elektronischen Publikationen, nicht herunterladbar; Erziehung, Ausbildung.
Mit Beschluss vom 21. September 2011 hat die Markenstelle für Klasse 28 den Widerspruch zurückgewiesen. Sie hat hierzu ausgeführt, dass die Waren der angegriffenen Marke mit den Waren der Widerspruchsmarke hochgradig ähnlich bis identisch seien, die sich gegenüberstehenden Marken jedoch nur geringe Gemeinsamkeiten aufwiesen, so dass insgesamt ein ausreichender Abstand gewahrt sei. Sie ist der Ansicht, dass ein gemeinsamer Vorname grundsätzlich keine für die Annahme einer Verwechslungsgefahr hinreichende Zeichenähnlichkeit begründen könne, es sei denn, der betreffende Vorname werde in Alleinstellung ausnahmsweise zur Identifizierung einer bestimmten Person verstanden. In der Regel orientiere sich der Verkehr an dem aus Vor- und Familiennamen gebildeten Gesamtnamen. Dies gelte auch, wenn er, wie hier, nur aus dem mit „M“ abgekürzten Familienbestandteil bestehe. Darüber hinausgehend nehme das Wortelement „Gustav“ auch keine selbständig kennzeichnende Stellung ein. Die durch das der angegriffenen Marke hinzugefügte „M“ nebst einem Punkt begründeten Zeichenunterschiede führten daher zu einer Unähnlichkeit der Zeichen, weshalb eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, dass sich die gegenüberstehenden Zeichen hochgradig ähnlich seien. Durch das der angegriffenen Marke hinzugefügte „M.“ ergebe sich kein ausreichend unterschiedliches Klangbild der Kollisionsmarken. Auch schriftbildlich liege eine hohe Ähnlichkeit vor. Der Vorname „Gustav“ trage nämlich wesentlich zur Individualisierung der angegriffenen Marke bei, da der zweite Teil des Zeichens nur aus einem Einzelbuchstaben bestehe.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse 28 vom 21. September 2011 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die angegriffene Marke ist gem. § 42 MarkenG zu löschen, weil Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
1.
Nach den allgemein anerkannten Grundsätzen liegt Verwechslungsgefahr vor, wenn die betreffenden Verkehrskreise glauben könnten, dass die mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen und die mit der Widerspruchsmarke bezeichneten Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Entscheidende Beurteilungsfaktoren sind die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, sowie die Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren und Dienstleistungen.
Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 28) - THOMSON LIFE; EuGH GRUR 2008, 343 (Nr. 33) - BAINBRIDGE m. w. N.). Auszugehen ist von dem angesprochenen inländischen Verkehr, der alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel). Maßgeblich ist dabei nicht ein flüchtiger, sondern ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 81, § 8 Rd. 29 ff.). Dabei kann der Aufmerksamkeitsgrad je nach Art der Waren und Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein.
Bei der Bestimmung der Verwechslungsgefahr ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.: EuGH GRUR 1998, 387 (Nr. 22) - Springende Raubkatze; EuGH GRUR 1998, 922 (Nr. 17) - Canon; EuGH GRUR 2008, 343 (Nr. 48) - BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 1002 (Nr. 23) - Schuhpark; BGH GRUR 2008 (Nr. 13) - Pantogast; BGH GRUR 2010, 1103 (Nr. 37) - Pralinenform II; BGH GRUR 2011, 824 (Nr. 19) - Kappa/KAPPA; BGH GRUR 2010, 235 (Nr. 15) - AIDA/AIDU; BGH WRP 2012, 1241 (Nr. 25) - pure/pjur).
2.
Zum angesprochenen Verkehr zählen vorliegend sowohl Endverbraucher als auch Fachverkehrskreise, deren Aufmerksamkeitsgrad bei den verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 20 und 28 durchschnittlich ist. Bei den Gebrauchsgütern der Klasse 16 kann es sich zwar um Alltagsgüter handeln, die Waren erfassen jedoch auch hochwertige Produkte (z. B. hochwertiges Papier), so dass auch hier von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit auszugehen ist.
3.
Die Kennzeichnungskraft bestimmt den Schutzumfang einer Marke und ist daher Grundlage für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr. Kennzeichnungskraft ist die Eignung des Zeichens, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart als Marke einzuprägen, d. h. als Herkunftshinweis erkannt, in Erinnerung behalten und wieder erkannt zu werden. (BGH WRP 2012, 1241 (Nr. 25) - pure/pjur; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. § 14 Rd. 497). Je größer die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, umso größer ist ihr Schutzumfang und umso eher wird die Verwechslungsgefahr zu bejahen sein (EuGH GRUR 1998, 387 (Nr. 18, 24) - Springende Raubkatze; EuGH GRUR Int. 1999, 734 (Nr. 20) - Lloyd Schuhfabrik; EuGH GRUR 1998, 922 (Nr. 18) - Canon; BGH GRUR 2006, 60 (Nr. 14) - coccodrillo).
Durchschnittlich kennzeichnungskräftig sind Marken, die von Haus aus, also un-abhängig von ihrer Benutzung auf dem Markt, normal unterscheidungskräftig und uneingeschränkt geeignet sind, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu individualisieren (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 128; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. § 14 Rd. 532; vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734 (Nr. 22) - Lloyd Schuhfabrik).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Der Begriff „Gustav“ ist im deutschen Sprachraum zwar als Vorname bekannt, er ist jedoch nicht geeignet, Merkmale der verfahrensgegenständlichen Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich um einen Begriff handeln würde, der im verfahrensgegenständlichen Produktbereich gebräuchlich wäre. Im Ergebnis ist deshalb von einer durchschnittlichen Eignung des Widerspruchszeichens als Herkunftshinweis auszugehen.
4.
Die zu vergleichenden Waren sind zum Teil identisch, im Übrigen zumindest von durchschnittlicher Ähnlichkeit.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 922 (Nr. 22 - 29) - Canon; EuGH GRUR 2006, 582 (Nr. 85) - VITAFRUIT; BGH GRUR 2001, 507 (508) - EVIAN/REVIAN; BGH GRUR 2007, 1066 (Nr. 23) - Kinderzeit). In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (BGH GRUR 2008, 719 - idw Informationsdienst Wissenschaft/IDW). Die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Vertriebswege, Zweckbestimmung oder Verwendungsweise sind daher relevante Gesichtspunkte. Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen wäre (BGH GRUR 2008, 719 - idw Informationsdienst Wissenschaft/IDW).
Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht im Hinblick auf die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren der Klasse 16: „Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten“ Warenidentität. Gleiches gilt für Druckereierzeugnisse, da zu diesem Oberbegriff auch Bücher und Kalender gehören. Die übrigen für die angegriffene Marke in Klasse 16 eingetragenen Waren, nämlich „Buchbindeartikel; Fotografien und Schreibwaren“ sind den für die Widerspruchsmarke in Klasse 16 eingetragenen Waren zumindest durchschnittlich ähnlich. Buchbindeartikel können, z. B. in Form von Bucheinbänden eine Ware aus Papier und Pappe sein. Photographien weisen eine mittlere Ähnlichkeit mit Kalendern und (Photo-)Büchern auf, da eine Vielzahl von Fotokalendern existiert und sich die Hersteller von Photographien häufig mit den Herstellern von Kalendern decken. Zudem sind Photographien auch in Form von Aufklebern und Stickern erhältlich. Ebenfalls eine zumindest mittlere Ähnlichkeit besteht zwischen Schreibwaren einerseits und Papier, Pappe sowie Waren aus diesen Materialien, Aufkleber bzw. Stickern (Papeteriewaren) andererseits. Es handelt sich um Schreibutensilien, die einander ergänzen und typischerweise an den gleichen Verkaufsstätten veräußert werden.
Ebenso identisch sind die Waren der Klasse 20 und 28 der jüngeren Marke mit den entsprechenden selben Waren in Klasse 20 und 28 des älteren Rechts.
5.
Die zu vergleichenden Zeichen weisen eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit auf.
a) Die Frage der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 (Nr. 60) - La Espaňola/Carbonell; BGH, GRUR 2009, 1055 (Nr. 26) - airdsl). In der Regel kann bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem Aspekt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen (EuGH GRUR 2006, 413 (Nr. 21) - ZIRH/SIR; BGH WRP 1999, 192 (194) - PATRIC LION/Lions; BGH ZR I 31/09 (JURIS Nr. 26) - Kappa/KAPPA; BGH GRUR 2006, 60 (Nr. 17) - coccodrillo).
Hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung ist der Gesamteindruck maßgeblich, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR 2010, 933 Nr. 33 - Barbara Becker; BGH, GRUR 2012, 64 Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY, BGH GRUR 2012, 1040 (Nr. 40) - pure/pjur). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 (Nr. 19) - ZIRH/SIR; BGH GRUR 2006, 859 (Nr. 17) - Malteserkreuz). Grundsätzlich ist es daher unzulässig, aus den einander gegenüberstehenden Marken ein Element herauszugreifen und allein auf dieser Grundlage eine Verwechslungsgefahr anzunehmen (st. Rspr. EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 29) - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 903 (Nr. 34) - SIERRA ANTIGUO; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 326 m. w. N.). Ausnahmeweise jedoch kann ein einzelner Markenbestandteil eine selbstständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt oder eine selbstständig kennzeichnende Stellung einnimmt und die übrigen Markenteile für den Verkehr in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (EuGH GRUR Int. 2004, 843 (Nr. 32) - Matratzen; EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 29) - THOMSON LIFE; EuGH GRUR 2010, 1098 - CK CREACIONES KENNYA/CK Calvin Klein; BGH GRUR 2007, 1071 (Nr. 35) - Kinder II; BGH GRUR 2008, 903 (Nr. 18) - SIERRA ANTIGUO; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 327 m. w. N.).
Bei dem Zeichenvergleich ist zwar auf den informierten Durchschnittsverbraucher abzustellen, der die Waren mit der ihnen angemessenen Aufmerksamkeit wahrnimmt, indes ist zu berücksichtigen, dass dieser die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann. Vielmehr gewinnt er seine Auffassung nur aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der verschiedenen Marken (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rd. 221).
b) Zu vergleichen sind folgende Wortmarken
Gustav M.
Gustav
Die Widerspruchsmarke besteht nur aus dem bekannten Vornamen „Gustav“. Die angegriffene Marke hat diesen Vornamen identisch übernommen und enthält zusätzlich den nachgestellten Großbuchstaben „M“ mit einem Punkt dahinter. Damit stimmen die Zeichen in den ersten sechs Buchstaben überein und unterscheiden sich lediglich durch den der angegriffenen Marke nachgestellten Einzelbuchstaben „M“ mit einem Punkt dahinter.
In ihrer Gesamtheit weisen die Zeichen auf Grund des identisch ersten Wortelements „Gustav“ zumindest eine mittlere klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit auf, denn das angegriffene Zeichen wird durch das Wortelement „Gustav“ dominiert, demgegenüber das weitere Zeichenelement „M.“ deutlich zurücktritt.
Das dem Vornamen „Gustav“ nachgestellte Zeichenelement besteht aus dem Großbuchstaben „M“, dem ein Punkt beigefügt ist. Aufgrund dieser Darstellungsweise wird der Verkehr das zweite Zeichenelement ohne weiteres als Initiale, d. h. als Abkürzung eines Namens erkennen, zumal der Buchstabe „M“ keinen erkennbaren Sachhinweis auf irgendwelche Merkmale der verfahrensgegenständlichen Waren beinhaltet (vgl. BPatG 30 W (pat) 40/09 - D. BOSS/BOSS). In Verbindung mit dem ohne weiteres als Vornamen erkennbaren ersten Wortelement wird der Verkehr daher davon ausgehen, dass der Buchstabe „M“ einen weiteren, ihm jedoch nicht erkennbaren Namen abkürzt. Allerdings kann - entgegen der Ansicht der Markenstelle - nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Verkehr den Einzelbuchstaben als Abkürzung eines Nachnamens wahrnehmen wird. Gebräuchlicher ist es nämlich, den Nachnamen auszuschreiben und den Vornamen als Initiale voranzustellen (so bspw. F. Meyer, statt Friedrich Meyer). Die Ausschreibung des Vornamens bei gleichzeitiger Verkürzung des Nachnamens durch dessen Initiale (Friedrich M., statt Friedrich Meyer) dient demgegenüber der Anonymisierung, bspw. wenn über Opfer oder Täter einer Straftat berichtet wird. Markenzeichen dienen jedoch nicht der Anonymisierung, sondern der Identifizierung, so dass eine derartige Wahrnehmung nicht naheliegt. Es ist daher eher davon auszugehen, dass der Verkehr die Initiale als Abkürzung eines weiteren Vornamens ansehen wird (ähnlich wie bei „George W. Bush“ und „John F. Kennedy“), auch wenn ein ausgeschriebener Nachname vorliegend fehlt.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Initiale einen Vor- oder Nachnamen abkürzt, da der Verkehr in jedem Fall dazu neigen wird, die Marke in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht auf das ausgeschriebene Wortelement „Gustav“ zu konzentrieren und der Initiale eine untergeordnete Bedeutung beizumessen. Bei der Wahrnehmung von Zeichen neigt der Verkehr nämlich dazu, diese in einer die Merk- und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (vgl. BGH GRUR 1991, 475 (477) - Caren Pfleger/Pfleger; BGH GRUR 1995, 507 (508) - City-Hotel; BGH GRUR 1999, 241 (244) - Lions; BGH GRUR 1999, 235 (237) - PATRIC LION/LIONS; BGH GRUR 2000, 233 (234) - RAUSCH/ELFI RAUCH, BGH GRUR 2002, 626 (628) - IMS; BGH GRUR 2002, 1067 (1069) - DKV/OKV; Ströbele/Hacker, 10. Aufl., § 9 Rd. 368). Der Verkehr wird das angegriffene Zeichen daher überwiegend mit „Gustav“ benennen, ohne den Lautwert des viel kürzeren und wenig einprägsamen Einzelbuchstabens [äm] deutlich zu artikulieren. Da der Einzelbuchstabe mit dem nachfolgenden Punkt viel kürzer und unauffälliger ist, wird der Verkehr ihn als nebensächlich einordnen und daher auch bei schriftbildlicher Wahrnehmung kaum in Erinnerung behalten.
In der Rechtsprechung sind zwar verschiedene Erfahrungsgrundsätze für die Wahrnehmung von Marken, die aus mehreren Namen bzw. aus Vor- und Nachnamen bestehen, entwickelt worden (dazu im Einzelnen Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 383 ff.). Letztlich kann bei der Beurteilung solcher Marken aber nur die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Verhältnisses der verschiedenen Markenelemente zueinander, befriedigende Ergebnisse liefern (EuGH GRUR 2010, 933 (Nr. 36 - 40) - Barbara Becker; Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 384). Die seitens der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommene besondere Individualisierungsfunktion von Vornamen innerhalb vollständiger (d. h. aus Vor- und Familiennamen) bestehender Namen (vgl. BGH GRUR 2000, 233 (234) - RAUSCH/ELFI RAUCH; BGH GRUR 1991, 475 (477) - Caren Pfleger/Pfleger kann schon deswegen nicht uneingeschränkt auf bloße Einzelbuchstaben übertragen werden, weil solche Einzelbuchstaben für völlig verschiedene Namen stehen können und sich deshalb weniger zur eindeutigen Individualisierung eignen (ebenso: BPatG 30 W (pat) 40/09 - D. BOSS/BOSS; vgl. auch BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 2/02 - L. Gallino/GALLILEO). Abkürzungen bzw. Einzelbuchstaben wird der Verkehr daher regelmäßig eine untergeordnete Bedeutung beimessen (vgl. für Akronyme: EuGH GRUR 2010, 1098 (Nr. 57) - CK Creaciones Kennya/CK CALVIN KLEIN; siehe auch BGH GRUR 2012, 930 (Nr. 47) - B. Bogner/B. Barbie).
Besteht eine Marke daher - wie hier - aus einem als solchen erkennbaren Vornamen (Gustav) und einem Einzelbuchstaben, der aufgrund des nachfolgenden Punktes erkennbar als Initiale eines unbekannten weiteren Namens und nicht als Abkürzung eines sinngebenden Wortelements verwendet wird, so neigt der Verkehr eher zur Verkürzung des Zeichens auf den ausgeschriebenen Namensbestandteil, weil dieser sich leichter merken und benennen lässt als ein einzelner Buchstabe. Dies gilt insbesondere, wenn die hinzugefügte Initiale, dem ausgeschriebenen Namen - wie hier - lediglich nachgestellt ist, da der Verkehr den Zeichenanfängen regelmäßig eine größere Bedeutung beimisst (vgl. BGH GRUR 2002, 1067 (1070) - DKV/OKV; BGH GRUR 2003, 1047 (1049) - Kellogg's/Kelly's; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rd. 237 m. w. N.).
Hinzu kommt, dass der maßgebliche Verkehr die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann, sondern seine Auffassung nur aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der Marken gewinnt (EuGH GRUR 2010, 1098 (Nr. 45) - CK Creaciones Kennya/CK Calvin Klein; EuGH GRUR 2010, 933 (Nr. 33) - BARBARA BECKER/BECKER; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rd. 220 m. w. N.). Der Verkehr wird daher das übereinstimmende Namenselement „Gustav“ in Erinnerung behalten, so dass die Zeichen bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zumindest eine mittlere Ähnlichkeit aufweisen.
Die Entscheidungen des BPatG zu den Marken R. Müller/Rudolf Müller (BPatG 26 W (pat) 82/08) und H. J. Müller-Collection/müller (BPatGE 32, 65 (68)) stehen diesem Ergebnis nicht entgegen, da die Widerspruchsmarken in den dort zu entscheidenden Sachverhalten nicht identisch übernommen wurden und dem Namen „Müller“ eine geschwächte Kennzeichnungskraft zugesprochen wurde.
6.
Im Hinblick auf eine zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit, die durch das identische, prägende Wortelement „Gustav“ begründet wird, die durchschnittliche Kennzeichnungskraft und die Warenidentität bzw. zumindest durchschnittliche Warenähnlichkeit sowie die durchschnittliche Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs besteht Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da der Verkehr glauben könnte, dass die Waren von denselben Unternehmen hergestellt wurden.
III.
Für eine Auferlegung von Kosten besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.