Entscheidungsdatum: 19.11.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 007 522.3
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die Richterin Dr. Hoppe als Vorsitzende, die Richterin Kirschneck und den Richter Kätker am 19. November 2013
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des DPMA vom 26. Februar 2013 aufgehoben, soweit darin die Anmeldung für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen, nämlich: „Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung“ zurückgewiesen wurde.
I.
Am 11. September 2012 hat die Anmelderin die farbige Wortbildmarke (weiß, schwarz, orange) 30 2012 007 522.3
angemeldet für:
Klasse 35:
Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung, Werbung;
Klasse 36:
Immobilienwesen, insbesondere Immobilienvermittlung, Immobilienverwaltung, Dienstleistungen eines Immobilienmaklers, Verpachtung von Immobilien, Schätzung von Immobilien, Verkauf von Immobilien, Vermietung von Wohnungen;
Klasse 42:
Aktualisierung von Internetseiten; Gestaltung von Internetseiten; Design und Erstellung von Homepages und Internetseiten.
Mit Beschluss vom 26. Februar 2013 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Sie ist der Ansicht, dass „studio“ in Zusammenhang mit den begehrten Dienstleistungen die Bedeutung von „Künstlerstudio, Wohnung, Atelier, Niederlassung“ zukomme. Die Buchstabenfolge „muc“ stehe als Abkürzung nicht nur für den Flughafen München, sondern auch für München an sich. Der Gesamtbegriff „studiomuc“ bezeichne daher in allgemein verständlicher Weise ein Etablissement, ein Wohnobjekt oder einen Geschäftsbetrieb, der einen Bezug zu München aufweise. Die begehrten Dienstleistungen könnten von einer sich selbst als „Studio“ bezeichnenden Niederlassung in München erbracht werden oder sich auf Studios in München beziehen. Das Zeichen beinhalte daher eine Aussage über den Ort und das Objekt der Dienstleistungserbringung.
Die Anmelderin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sie die Anmeldung auf die Dienstleistungen „Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung“ der Klasse 35 beschränkt. Sie ist der Ansicht, dass der Eintragung des begehrten Zeichens keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstünden.
Sie beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben, soweit darin die Zurückweisung der Anmeldung für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen erfolgt ist.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem angemeldeten Zeichen stehen hinsichtlich der noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 nach der zulässigen Beschränkung des Verzeichnisses (§ 39 Abs. 1 MarkenG) keine Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.
Aufgrund der vorgenommenen Beschränkung hat sich die Beschwerde im Hinblick auf die übrigen Dienstleistungen erledigt und die angefochtenen Beschlüsse sind insoweit wirkungslos (BGH GRUR 1983, 342 (343) - BTR; vgl. zum Patenrecht: BGH GRUR 2011, 1052 (Ls) - Telefonsystem).
1.
a) Das begehrte Zeichen setzt sich zusammen aus den Wortbestandteilen „studio“ und „muc“, die durch verschiedene Schriftarten und -farben voneinander abgesetzt sind. Der Begriff „Studio“ wird lexikalisch (z. B. DUDEN-Online) wie folgt definiert:
- Künstlerwerkstatt, Atelier (z. B. eines Malers)
- Produktionsstätte für Rundfunk-, Fernsehsendungen, Kinofilme, Musikaufnahmen usw.
- kleines [Zimmer]theater oder Kino, in dem besonders experimentelle Stücke, Filme oder Inszenierungen gebracht werden
- Übungsraum für Tänzer
- Kurzform für: Fitnessstudio
- abgeschlossene Einzimmerwohnung.
Als Synonyme werden genannt: Atelier, Künstleratelier, Künstlerwerkstatt, Werkstatt; (gehoben) Werkstätte; Aufnahmeraum, Fernsehstudio, Filmatelier, Filmstudio, Rundfunkstudio, Senderaum; Apartment, Appartement[wohnung], Einzimmerwohnung, Kleinwohnung. Die weitere von der Markenstelle genannte Bedeutung im Sinne einer Niederlassung ist demgegenüber weder lexikalisch nachweisbar noch hat sich eine übliche Verwendung des Begriffs „studio“ mit dieser Bedeutung durch die Internetrecherche des Senats belegen lassen.
Der weitere Bestandteil „muc“ wird in verschiedenen Kodierungen als Abkürzung für München verwendet, so weist „muc“ nach dem IATA Code auf den Flughafen München hin. IATA-Codes sind von der International Air Transport Association (IATA) vergebene Codes, mit denen vor allem Flughäfen und Verkehrslandeplätze, Fluggesellschaften und Flugzeugtypen abgekürzt werden. Die Abkürzung „muc“ ist zudem in verschiedenen Bereichen als allgemeiner Hinweis auf München üblich. So wird z. B. bei der Vermittlung von Immobilien, insbesondere in Kleinanzeigen oder in Internetadressen die Buchstabenfolge „muc“ als Kurzform für München verwendet.
b) In seiner Gesamtheit kann das Zeichen daher auf ein Studio in München hinweisen. Ausgehend von dieser Zeichenbedeutung steht dem beanspruchten Zeichen für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wären von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline).
Die hier beanspruchte Wortkombination ist bei Zugrundelegung des dargelegten Prüfungsmaßstabs hinreichend unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum, wird ihr im Hinblick auf die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Der Verkehr wird dem begehrten Zeichen im Hinblick auf die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35, nämlich „Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung“ keinen verständlichen, im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt beimessen.
Zu dem hier angesprochenen Verkehr zählen sowohl Fachverkehrskreise als auch Endverbraucher. Selbst wenn Teile des angesprochenen Verkehrs die Bedeutung der Buchstabenfolge „muc“ auch in der Wortkombination als Hinweis auf den geografischen Standort München erkennen sollten, wäre dieser im Zusammenhang mit dem weiteren Zeichenbestandteil „studio“ unterscheidungskräftig im Hinblick auf die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ist der Begriff „studio“ kein gebräuchliches Synonym für „Niederlassung“, sondern er wird nur in bestimmten Branchen, insbesondere solchen mit künstlerischen Bezügen (z. B. Malerei, Film, Design) als Hinweis auf eine bestimmte Betriebsstättenart verstanden. Demgegenüber gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr in dem Begriff „studio“ ganz allgemein einen Hinweis auf eine Niederlassung oder Agentur erkennen würde, wenn es sich um Dienstleistungen ohne einen derartigen künstlerischen Bezug handelt. Im Zusammenhang mit den betriebswirtschaftlich ausgerichteten Dienstleistungen „Geschäftsführung, Büroarbeiten, Unternehmensverwaltung“ erschließt sich für den Verkehr daher weder ein Hinweis auf eine Betriebsstätte noch eine sonstige beschreibende Bedeutung des Begriffs „studio“. Diese Dienstleistungen haben üblicherweise weder einen Sachzusammenhang zu künstlerischen Tätigkeiten, die von bzw. in einem Atelier oder Studio erbracht werden könnten, noch zu Designertätigkeiten oder zu Produktionsstätten für Funk- und Fernsehen. Auch ein Bezug zu einem Wohnstudio erschließt sich dem Verkehr nicht, wenn ihm das Zeichen im Zusammenhang mit den genannten Dienstleistungen begegnet. Dies gilt erst recht, wenn der Verkehr das Zeichen nicht isoliert, sondern als Wortkombination mit „muc“ wahrnimmt. Es bestehen zudem auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten speziell für „Studios in München“ erbracht werden, weil das Bezugsobjekt durch die vage Bezeichnung als „Studio“ nicht in naheliegender und verständlicher Weise präzisiert würde.
Bei der beanspruchten Wortfolge handelt es sich auch nicht um eine übliche Wortfolge der Alltagssprache und sie wird auch nicht in Zusammenhang mit den nach Beschränkung des Verzeichnisses noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 benutzt. Weder die Markenstelle hat entsprechende Belege vorgelegt noch haben sich solche im Rahmen der vom Senat durchgeführten Internetrecherche finden lassen.
Da dem Zeichen für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen kein verständlicher, im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um eine gebräuchliche Wortfolge handelt, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würde, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass dem Zeichen die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2007, 1071 (Nr. 25) - Kinder II; BGH GRUR 2001, 1042 (1042) - REICH UND SCHÖN).
2.
Dem beanspruchten Zeichen steht für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen auch nicht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt nur vor, wenn das Zeichen ein hinreichend direkten und konkreten Bezug zu den angemeldeten Produkten aufweist, der es dem angesprochenen Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen oder eins ihrer Merkmale zu erkennen (EuGH GRUR 2010, 534 (Nr. 29) - PRANAHAUS; EuGH GRUR Int. 2010, 503 (Nr. 26, 27) - Patentconsult; EuGH GRUR Int. 2011, 400 (Nr. 50) - 1000; EuG T-328/11 (Nr. 16) - EcoPerfect (PAVIS)). Die Wahl des Begriffs „Merkmal” zeigt, dass ein beschreibendes Zeichen nur vorliegt, wenn eine leicht von den beteiligten Verkehrskreisen zu erkennende Eigenschaft der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, bezeichnet wird (EuGH GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000). Die Eintragung eines Zeichens kann daher nur dann verweigert werden, wenn vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es von den beteiligten Verkehrskreisen tatsächlich als eine Beschreibung eines Produktmerkmals erkannt werden wird (EuGH GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000).
Wie bereits dargelegt, werden die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen nicht mit einem „studio“ bezeichnet bzw. in oder von einem „Studio“ er-bracht. Es ist daher vernünftigerweise nicht davon auszugehen, dass der Verkehr das Zeichen als Hinweis auf ein Merkmal dieser Dienstleistungen verstehen wird.