Entscheidungsdatum: 15.03.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2008 056 840.2
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 15. März 2011
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 5. Oktober 2009 wird aufgehoben.
I.
Am 30. August 2008 hat die Anmelderin die Wortmarke
VIVA LA MONEY
angemeldet für die nachfolgenden Dienstleistungen der Klasse 36:
Finanzwesen; Finanzdienstleistungen; Finanzanalysen; Beratung und Vermittlung von Vermögensanlagen; Finanzierungsberatung; Geldgeschäfte; Kreditwesen; Vermittlung von Krediten; Bankgeschäfte; Investmentgeschäfte.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung mangels Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Sie hat dies damit begründet, dass die Wortfolge aus Wörtern des englischen und spanischen Grundwortschatzes bestehe und sinngemäß bedeute „Es lebe das Geld“. Dieser Sinngehalt sei auch für das deutschsprachige Publikum verständlich. Die Wortfolge beschreibe die Eigenschaften der begehrten Finanzdienstleistungen dahingehend, dass der richtige Umgang mit Geld im Mittelpunkt stehe.
Des Weiteren seien Wortkombinationen aus verschiedenen Sprachen auch werbeüblich.
Die grafische Gestaltung begründe angesichts der beschreibenden Sacheigenschaften ebenfalls keine Unterscheidungskraft.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie meint, dass ein beschreibender Inhalt der Wortfolge nicht ohne weiteres erkennbar sei. Es handele sich nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck, sondern allenfalls um einen verschlüsselten, interpretationsfähigen Aussagegehalt, der eine phantasievolle Abwandlung des Ausrufs „Viva la Vida“ darstelle. Zudem sei das Zeichen aus verschiedenen Sprachen sprachregelwidrig zusammengesetzt. Es sei kurz und prägnant, rege aber gleichwohl zum Nachdenken an.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.
Der angemeldeten Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 kein Eintragungshindernis entgegen.
1.
Die Eintragung kann nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 c) der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EU Nr. L 299 vom 8.11.2008, S. 25, im Folgenden: MarkenRL) versagt werden, weil die begehrte Marke kein Merkmal der begehrten Dienstleistungen unmittelbar beschreibt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Bei der Auslegung der absoluten Schutzhindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54 f.) - Postkantoor; EuG T-64/09 (Nr. 24) - packaging; EuG T-261/09 (Nr. 24) - ilink m. w. N.). Es gibt nämlich insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 222 m. w. N.).
Vorliegend ist anhand der genannten Maßstäbe die Eintragungsfähigkeit der begehrten Wortfolge zu prüfen, die, wie ein Werbeslogan als grammatikalisch vollständiger Satz konzipiert ist. Dabei enthält „Viva“ zugleich des Subjekt und das (imperative) Prädikat während „la money“ Artikel und Objekt des Satzgefüges beinhaltet.
Die Eintragung von Wortfolgen, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, ist allerdings nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 35); EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 41) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Die Tatsache allein, dass eine Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird und andere Unternehmen sie sich im Hinblick auf ihren lobenden Charakter zu eigen machen könnten oder der anpreisende Sinn einer Wortmarke schließen es nicht aus, dass sie geeignet ist, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der bezeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Eine solche Marke kann daher von den angesprochenen Verkehrskreisen auch dann als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden, wenn sie gleichzeitig als Werbeslogan mit einer darin enthaltenen Sachaussage aufgefasst wird (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 45); enger noch: EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 41) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Ausgehend von diesen Maßstäben besteht für die begehrte Wortfolge kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil der Verkehr dem Zeichen ohne nähere analysierende Betrachtungsweise keine Sachaussage über die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 entnehmen kann.
Abzustellen ist dabei auf die Auffassung des beteiligten inländischen Verkehrs, wobei dieser alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel). Dabei handelt es sich um den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff.). Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall sowohl der Geschäftsverkehr als auch allgemeine und breite Verbraucherkreise.
Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Finanzdienstleistungen enthält die konkret begehrte Wortkombination keine ohne weiteres verständliche Sachaussage zu einem Merkmal der Dienstleistung. Zwar stellt die Wortfolge „Viva la“ in Kombination mit einem Objekt in der spanischen und italienischen Sprache einen bekannten Ausruf mit der Bedeutung „es lebe“ dar (z. B.: „viva la vida“), der auch für das deutschsprachige Publikum verständlich ist. Des Weiteren ist auch das der englischen Sprache zugehörige Wort „money“ ohne weiteres mit seiner Übersetzung „Geld“ erkennbar. Gleichwohl wird mit der fremdsprachlichen Wortfolge, die sinngemäß „Es lebe das Geld“ bedeutet, kein Merkmal einer Finanzdienstleistung beschrieben. Ein Produktbezug wird allein durch die Verwendung der englischen Vokabel für „Geld“ hergestellt. Das allein genügt indes nicht, um ein Merkmal der Dienstleistung zu bezeichnen, da stets die Wortfolge insgesamt zu würdigen ist. Diese deutet mit ihrem Sinngehalt „es lebe das Geld“ lediglich an, dass Geld bei den Dienstleistungen eine besondere Rolle spielen soll, eine konkrete Eigenschaft einer Finanzdienstleistung wird durch den Ausruf indes nicht bezeichnet.
Darüber hinaus steht auch die im betroffenen Produktsegment ungewöhnliche Kombination von Worten aus verschiedenen Fremdsprachen und die grammatikalische Konstruktion als Ausruf einer unmittelbar beschreibenden Sachaussage entgegen.
2.
Die Eintragung kann auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 b) MarkenRL) versagt werden, weil es der begehrten Marke nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehlt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wären von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist.
Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline). Allerdings sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Zeichen (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 36); EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 32, 44) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 12) - My World; BGH GRUR 2009, 778 (Nr. 12) Willkommen im Leben). Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft, ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 38); EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 35 und 36) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 39); EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 31, 32) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; vgl. BGH GRUR 2002, 1070 (1071) - Bar jeder Vernunft).
Wenngleich die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft für alle Markenkategorien dieselben sind, kann sich aber im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Kriterien zeigen, dass nicht jede dieser Kategorien von den maßgeblichen Verkehrskreisen notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird, und dass es daher schwieriger sein kann, die Unterscheidungskraft der Marken bestimmter Bereiche, wie möglicherweise der Werbeslogans, nachzuweisen (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 37); EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 34) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Die hier beanspruchte Wortfolge ist bei Zugrundelegung des dargelegten Prüfungsmaßstabs indes unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihr im Hinblick auf die beanspruchten Finanzdienstleistungen den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen.
Der Marke ist weder eine unmittelbare Sachaussage zu entnehmen (s. o. Ziffer II. 1.), noch handelt es sich in Zusammenhang mit den maßgeblichen Dienstleistungen um eine gebräuchliche Wortkombination. Der Ausdruck „Viva“ ist zwar in verschiedenen Branchen als gängiger Ausdruck anzusehen, dies gilt indes nicht für die Finanzbranche, in der eher seriöse Begriffe Verwendung finden als Ausrufe, wie „viva“, die einen spaßhaften, freizeitbezogenen Anklang haben.
Dementsprechend hat sich auch im Rahmen der Internetrecherche des Senats lediglich ein Finanzprodukt mit der Bezeichnung „Bonviva“ (Bonviva Bonusprogramm, Bonviva Banking Paket der CREDIT SUISSE) auffinden lassen. Die von der Markenstelle vorgelegten Beispiel entstammen demgegenüber nicht der Finanzbranche, sondern dienen der Produktbezeichnung in anderen Wirtschaftszweigen, so dass sie nicht repräsentativ für die Finanzdienstleistungen sind.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der begehrten Wortfolge nicht nur um die Kombination eines englischsprachigen mit einem deutschsprachigen Wort handelt, sondern um die Zusammenfügung spanischer bzw. italienischer Wörter mit einem englischen Wort, was durchaus von üblichen Wortkombinationen abweicht. Hinzu kommt die ausrufähnliche Konstruktion der Wortfolge, die im Finanzbereich ebenfalls unüblich ist, wegen der Anlehnung an den bekannten Ausruf „viva la vida“ aber gleichwohl besonders einprägsam ist.
Eine Marke, die wie die hier begehrte, ein Wortspiel darstellt oder als phantasievoll, überraschend und unerwartet und damit merkfähig aufgefasst werden kann, kann geeignet sein, einem Werbeslogan Unterscheidungskraft zu verleihen (EuGH C-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 46); (BGH GRUR 2009, 949 - My World (Nr. 12)). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marke nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung besteht, sondern - wie die hier zu beurteilende ausrufähnliche Wortkombination - aus Vokabeln verschiedener Fremdsprachen und dadurch eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslöst (EuGHC-398/08 v. 21.1.2010 - Vorsprung durch Technik (Nr. 57), vgl. BGH GRUR 2009, 949 - My World (Nr. 12)).