Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.12.2011


BPatG 13.12.2011 - 33 W (pat) 502/10

Markenbeschwerdeverfahren – "SX5E (IR-Marke)" – Bezeichnungen von Wertpapierindizes sind grundsätzlich als Marke eintragbar – keine Merkmalsbeschreibung – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
13.12.2011
Aktenzeichen:
33 W (pat) 502/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 Abs 1 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 935 945

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 13. Dezember 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender, der Richterin Dr. Hoppe und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Oktober 2009 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Mit Datum vom 18. Mai 2007 ist die Wortmarke

2

SX5E

3

(u. a. für die Bundesrepublik Deutschland) für folgende Dienstleistungen international registriert worden:

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Klasse 35: Calculs, enregistrement, rédaction, recueil et systématisation de statistiques et indices concernant les transactions commerciales, les opérations boursières, les valeurs, les taux d'intérêt, les prix, les cours des changes et autres données économiques; systématisation et recueil d'informations et de données dans une base de données informatique; services de traitement de données informatiques en rapport avec des informations boursières et commerciales par ordinateur; recherche et information en matière d'affaires commerciales et d'affaires; enregistrement d'informations commerciales; estimation en affaires commerciales; études statistiques; consultation et information en rapport avec tous les services précités; saisie et enregistrement d'informations et de données; recueil, systématisation et fourniture d'informations et des données en rapport avec les entreprises et l'économie, en particulier pour l'évaluation d'entreprise et l'analyse financière; recueil et systématisation d'informations et de données financières en rapport avec des entreprises et l'économie; recueil et systématisation de données dans des banques de données; services d'une banque de données, à savoir recueil, compilation et actualisation de données; fourniture d'informations concernant le traitement d'informations assisté par ordinateurs; recueil et systématisation d'informations et de données boursières et commerciales.

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Klasse 36: Assurances; affaires financières; services d'une bourse, services d'une bourse électronique; service d'une banque, d'une chambre de compensation et d'un agent en bourse et/ou agent financier; cotations en bourse; services financiers, à savoir création, développement et émission d'instruments financiers (notamment valeurs, options, futures, contrats à terme); services concernant les affaires bancaires et financières; gestion de portefeuilles; services concernant les transactions monétaires et financières; consultations professionnelles pour l'organisation et l'administration d'affaires bancaires et financières; détermination et calculs des indices en rapport avec des transactions commerciales, des valeurs de bourse et des contrats à terme, des devises, des intérêts et des facteurs économiques; consultations financières en relation avec les services précités; fourniture d'informations concernant les marchés boursiers et des autres marchés commerciaux, les marchés monétaires et les taux de change, les dépôts, les valeurs et d'autres informations financières; fourniture d'informations concernant les assurances-vie, les estimations financières de placement de fortunes, les analyses financières et d'autres évaluations financières; services d'informations sur les crédits; services financiers dans le domaine de la recherche, du développement, de la consultation et du contrôle en rapport avec des indices boursiers; définition, maintenance et calculs d'indices d'actions; analyses informatiques d'informations sur la bourse; mise à disposition (fourniture) d'informations et de données en rapport avec les bourses; mise à disposition (fourniture) d'information et de données financières en rapport avec les entreprises et l'économie.

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Klasse 41: Education; enseignement; publications d'informations commerciales et économiques, de valeurs vendus en bourse, des contrats terme et des facteurs économiques; publication des chiffres indices, des textes (autres que des textes publicitaires) et données, notamment des statistiques et des indices en rapport avec les affaires boursières, des prix d'achat, des valeurs, des taux d'intérêts, des prix, des cours de changes, des entreprises, des marchés et réalités de l'économie.

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Nach einem Refus de Protection vom 20. März 2008 hat die Markenstelle für Klasse 36 IR der Marke mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG i. V. m. §§ 107, 113 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ verweigert. Bei der schutzsuchenden Marke "SX5E" handele es sich um die allgemein verwendete Kurzbezeichnung für den "Eurostoxx 50", einen Index, der die 50 landesgrößten Unternehmen im Euro-Gebiet abbilde. Der angesprochene Verkehr, jedenfalls der Fachverkehr, werde die Marke lediglich als allgemeine Kurzform für diesen Index ansehen und nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb. Die mangelnde lexikalische Belegbarkeit könne ebenso wenig zur Schutzbewilligung führen, wie der Umstand, dass der Langform "EURO STOXX 50" vor längerer Zeit Schutz gewährt worden sei.

8

Die beanspruchten Dienstleistungen bezögen sich teilweise explizit auf Börsen, Wertpapiere, Zinssätze und Wechselkurse bzw. könnten sich jedenfalls jeweils konkret darauf beziehen. Sie könnten somit für und im Zusammenhang mit dem SX5E angeboten und erbracht werden. Gleiches gelte für die weiter beanspruchten Finanz-, Versicherungs-, Ausbildungsdienstleistungen und Publikationen.

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Der Markeninhaberin könne nicht darin gefolgt werden, dass die Angabe "SX5E" als Bezeichnung für einen Index, nicht aber beschreibend für Finanz- und Börsendienstleistungen benutzt werde. Vielmehr könnten ein Index und die daraus ersichtlichen Daten Gegenstand der beanspruchten Bank-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sein. Aus dem Ergebnis ihrer Internetrecherche lasse sich eine markenmäßige herkunftshinweisende Verwendung der Bezeichnung "SX5E" jedenfalls nicht ableiten. Vielmehr müsse es dem Verkehr unbenommen bleiben, die Angabe uneingeschränkt von Ausschließlichkeitsrechten Dritter frei verwenden zu können.

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Darüber hinaus fehle der Marke auch die Unterscheidungskraft. Sie werde vom Verkehr, auch den Fachkreisen, in ihrem beschreibenden Sinn verstanden, ohne dass er darin einen Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb sehe.

11

Die Schutzbewilligung für die Basismarke in der Schweiz sowie in Österreich könnten zu keiner anderen Beurteilung führen.

12

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Nach ihrer Auffassung ist die Marke unterscheidungskräftig und an ihr bestehe kein Freihaltungsbedürfnis. Die Bezeichnung "SX5E" werde in der Finanz- und Börsenwelt als Symbol bzw. Synonym für den bekannten Börsenindex "EURO STOXX 50" bzw. "DOW JONES EURO STOXX 50" verwendet, der 50 große börsennotierte Unternehmen der Eurozone umfasse. Insoweit sei "SX5E" keine Beschreibung von Finanz- und Börsendienstleistungen, sondern vielmehr der Herkunftshinweis auf den von der Markeninhaberin seit 1998 geführten Börsenindex.

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Auch der Bundesgerichtshof und das Bundespatentgericht stuften derartige Kurzformen für Wertpapierindizes, wie "DAX" für "Deutscher Aktienindex" oder "TecDAX" für "Deutscher Aktienindex für Technologiewerte", als schutzfähig ein, wie die Entscheidungen BGH GRUR 2009, 1162 - DAX und BPatG GRUR 2006, 338 - DAX-Trail/DAX zeigten.

14

Wolle man hingegen die Namen von Börsenindizes als beschreibende Sachangaben verstehen, so könnte jedermann (missbräuchlich) unter Bezeichnungen wie zum Beispiel "DAX" oder "SX5E" nach selbstgestrickten eigenen Formeln Indizes berechnen und publizieren. Weder Fachleute noch Durchschnittsverbraucher könnten sich dann mehr auf die zu solchen Indizes veröffentlichten Daten verlassen.

15

Die Marke verfüge auch über die notwendige Unterscheidungskraft. Für Buchstabenzeichen oder Buchstaben-/Zahlenkombinationen gelte derselbe großzügige Maßstab wie für Wortmarken. Der Name eines Börsenindex beschreibe aber gerade nicht die zur Erstellung des Index erforderlichen und mit ihm in Verbindung stehenden Auswahl-, Rechen- und Finanzdienstleistungen, sondern sei eine abstrakte Bezeichnung. Dementsprechend sei die Marke "EURO STOXX 50" auch beim Harmonisierungsamt eingetragen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

17

Die Beschwerde ist begründet.

18

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die schutzsuchende Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. §§ 107, 113 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ stehen der Schutzgewährung somit nicht entgegen.

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1. Zunächst sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ rechtfertigen können. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der Zeit der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen können.

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Die schutzsuchende Marke "SX5E" ist, wovon auch die Markenstelle insoweit richtig ausgegangen ist, eine Kurzbezeichnung bzw. ein Kürzel für einen bestimmten Wertpapierindex. Sowohl die in der Amtsakte befindliche Recherche der Markenstelle als auch die Senatsrecherche haben ergeben, dass die schutzsuchende Buchstaben-Zahlenkombination "SX5E" vielfach als Kürzel oder Symbol für den "EURO STOXX 50" bzw. "Dow Jones Euro Stoxx 50" verwendet wird. Dabei handelt sich um den identischen Wertpapierindex, der in unterschiedlich ausführlichen Bezeichnungen und Schreibweisen wiedergegeben wird. Daneben existieren verschiedene Nebenindizes des EURO STOXX 50, für die aber andere Bezeichnungen, Abkürzungen und Symbole verwendet werden (z. B. "STOXX EUROPE 50" = "SX5P"; "DOW JONES EURO STOXX CHEMICALS EUR" = "SX4E").

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Der EURO STOXX 50 ist ein bekannter Wertpapierindex, der die Aktien von 50 großen Unternehmen der Eurozone enthält (vgl. z. B. http://boersenlexikon.faz.net/eurostoxx.htm). Er wurde 1998 von einem Joint Venture verschiedener Börsenunternehmen geschaffen und wird seitdem (mit veränderter Gesellschafterzusammensetzung und in veränderter Rechtsform) von diesem Unternehmen berechnet, gepflegt und herausgegeben (vgl. z. B. www.focus.de/finanzen/boerse/aktien …: "…Die Mütter des neu geschaffenen Index, die Deutsche Börse, die Schweizer SWX, die Pariser Börse (heute Euronext Paris) und die US-Wirtschaftsagentur Dow Jones mussten Händler u. Anleger erst von der Notwendigkeit einer pan-europäischen Messlatte überzeugen. …"; www.finanzen.net/index/Euro_Stoxx_50: … "Verantwortlich für die Aufnahme neuer Werte und die Aktualisierung des Index ist Stoxx Ltd., ein Joint Venture der Deutsche Börse AG, Dow Jones & Company und der Schweizer Börse SWX Group."). Beim EURO STOXX 50 handelt es sich also um einen bestimmten Index, der von einem bestimmten Unternehmen erstellt und herausgegeben wird.

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Sein Kürzel "SX5E" findet sich häufig in der Berichterstattung über die jeweils aktuellen Stände der wichtigsten Wertpapierindizes. Insbesondere Wirtschafts- und Finanzinformationsdienste, wie etwa Bloomberg, verwenden es zur Abkürzung bzw. als Symbol der ausgeschriebenen Bezeichnung(en) dieses Wertpapierindex. Auch wird "SX5E" vielfach in die Gesamtbezeichnung von Indexoptionsscheinen, Zertifikaten oder anderen auf den Eurostoxx 50 bezogenen Wertpapieren aufgenommen. Dort findet sich das Kürzel zusammen mit der Bezeichnung des Emittenten und neben weiteren Kenndaten des Wertpapiers, um den als Basis bzw. Underlying zugrunde liegenden Aktienindex zu benennen (z. B. "SX5E Index Floater 2003/2008 auf EUSTOXX50"; "Commerzbank AG FLR-IHS SX5E Index v. 05 (2010); "WGZ BANK REL. EXP.Z16 SX5E"). In ähnlicher Weise wird auch bei Optionsscheinen auf andere Indizes das Underlying angegeben (z. B.: "Deut. Bank Call 12 DAX"; "FTSE 100 Put 5000 2013/06 (RBS)"). Eine andere mögliche Bedeutung der schutzsuchenden Buchstaben-Zahlenkombination als die der Abkürzung des EURO STOXX 50-Index hat der Senat trotz intensiver Recherche ebenso wenig auffinden können wie die Markenstelle. Daher ist davon auszugehen, dass auch der von den beanspruchten Dienstleistungen angesprochene Verkehr, zumeist Fachverkehrsteilnehmer im Bereich des Finanz- und Börsenwesens und versierte Privatanleger, der schutzsuchenden Marke - wenn überhaupt - allein diese Bedeutung zumessen.

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Die Markenstelle hat daraufhin der Marke "SX5E" den Schutz verweigert, gerade weil es sich um die Kurzform für den Wertpapierindex "EURO STOXX 50" handele und sich die beanspruchten Dienstleistungen auf dem Gebiet des Finanz- und Börsenwesens konkret hierauf beziehen könnten, sie etwa für und im Zusammenhang mit dem SX5E angeboten und erbracht werden könnten. Dabei hat sich die Markenstelle allerdings nicht mit dem von ihr offenbar durchaus erkannten Umstand auseinander gesetzt, dass es sich beim EURO STOXX 50 bzw. SX5E um einen ganz bestimmten Wertpapierindex handelt, der auch nur von einem bestimmten Indexanbieter bzw. -herausgeber erstellt, berechnet und veröffentlicht wird. Insbesondere bezeichnen weder die schutzsuchende Marke noch ihre ausgeschriebene Fassung ein typisches Merkmal von Wertpapierindizes, wie dies z. B. bei folgenden Bezeichnungen der Fall wäre: "repräsentativ", "aussagekräftig", "aktuell", "Leitindex", "Perfomanceindex", "Branchenindex", "Marktbarometer" usw.

24

a) Soweit die Markenstelle dennoch von einer beschreibenden und im Übrigen nicht unterscheidungskräftigen Marke ausgegangen ist, ist zu beachten, dass die Bezeichnungen von Wertpapierindizes nicht per se beschreibende Angaben, sondern vielmehr grundsätzlich als Marke eintragbar sind. Zwar mag es auch für Praktiker auf dem Gebiet des Markenrechts auf den ersten Blick eine befremdliche Vorstellung sein, dass ein Wertpapierindex wie der DAX, Dow Jones, Nikkei usw. eine Unternehmensleistung bzw. ein Produkt, m. a. W. eine Ware oder Dienstleistung im Sinne des Markenrechts darstellen kann, für die eine Marke eintragbar ist. Dies dürfte darauf beruhen, dass die jeweiligen Indexstände auf der Basis des täglichen Wertpapierhandels elektronisch errechnet und sodann (ähnlich wie Wetterdaten) über die Tagesnachrichten bzw. Börseninformationsdienste jedermann frei zugänglich gemacht werden, ohne dass breite Endverbraucherkreise dabei die entgeltliche Erbringung einer Dienstleistung für Dritte zu erkennen vermögen.

25

Der Senat ist dieser Vorstellung in der einen Widerspruchsfall betreffenden Entscheidung BPatG GRUR 2006, 338 - DAX-Trail/DAX in Zusammenhang mit der Erörterung der Kennzeichnungskraft der Marke "DAX" jedoch ausdrücklich entgegengetreten (a. a. O., S. 340, li. Sp., 3. Abs. bis re. Sp., 3. Abs.).

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Danach werden Aktenindizes, wie im dortigen Fall der DAX, mit durchaus erheblichem Aufwand unter Erstellung eines Regelwerks, das eine möglichst repräsentative Zusammensetzung der Werte gewährleisten soll, erstellt, berechnet und veröffentlicht, wobei insbesondere die Zusammensetzung des Index unter gelegentlichem Austausch einzelner Werte überwacht wird. Diese und weitere Leistungen erbringen Indexanbieter insoweit entgeltlich, als sie den Index an Emissionshäuser und Fondsgesellschaften lizenzieren (vgl. insbes. Büschgen: Das kleine Börsen-Lexikon, 22. Aufl., S. 755, unter "Index (1)": "Wertpapierindizes … haben sich weiterentwickelt zu einem Produkt mit dem Geld verdient wird").

27

Indexkennzeichnungen sind damit (auch) Produktkennzeichnungen, für die markenrechtlicher Schutz möglich ist. Für sie gelten die gleichen Grundsätze wie für andere Marken auch. Daher kann eine angemeldete Indexkennzeichnung vergleichsweise unproblematisch eintragbar sein, insbesondere wenn sie z. B. erkennbar aus den bürgerlichen Namen ihrer (ursprünglichen) Index-Betreiber, Gesellschafter o. ä. gebildet sind (vgl. z. B. "Dow Jones", "Standard & Poor´s"), ihnen kann jedoch auch ein Eintragungshindernis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 3 MarkenG entgegenstehen (z. B. der isolierten Wortfolge "Der Natur-Aktien-Index", vgl. derzeit anhängiges Vorabentscheidungsersuchen BPatG GRUR 2011, 524 - "NAI - Der Natur-Akten-Index").

28

Nachdem vorliegend weder der Senat noch die Markenstelle tatsächliche Anhaltspunkte dafür aufgefunden haben, dass die schutzsuchende Buchstaben-Zahlenkombination "SX5E" eine beschreibende Bezeichnung von Merkmalen eines Wertpapierindex darstellt, muss das Schutzhindernis der beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ zunächst jedenfalls für solche Dienstleistungen verneint werden, die der unmittelbaren Erstellung und Verwertung eines Wertpapierindex selbst dienen, die also als Dienstleistungsbezeichnungen das Produkt "Wertpapierindex" repräsentieren (etwa: "Erstellung, Berechnung, Pflege, Veröffentlichung, Lizenzierung eines Wertpapierindex", hier beansprucht als: Klasse 35: calculs, enregistrement, rédaction, recueil et systématisation de … et indices concernant les transactions commerciales, les operations boursières, les valeurs;  …; Klasse 36: "cotations en bourse; …; détermination et calculs des indices en rapport avec des transactions commerciales, des valeurs de bourse et des contrats à terme, des devises, des interets et …").

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b) Die schutzsuchende Marke stellt aber auch für die weiteren beanspruchten Dienstleistungen keine Merkmalsbezeichnung dar, die als Börsen- und sonstige Finanzdienstleistungen der Klasse 36 sowie als Daten-, Datenbank-, Statistik-, Berechnungs-, Informations-, Verwaltungs-, Bildungs- und Veröffentlichungsdienstleistungen der Klassen 35 u. 41 auf einen Wertpapierindex, wie den Euro Stoxx 50 bzw. SX5E, bezogen sein können. Die Markenstelle hat der Marke auch für diese Dienstleistungen den Schutz sinngemäß gerade deshalb verweigert, weil sie sich auf den SX5E bzw. EURO STOXX 50 beziehen könnten. Dem liegt offenbar die Erwägung zugrunde, dass die schutzsuchende Marke für diese Dienstleistungen dahingehend eine beschreibende Angabe darstellen könne, dass die Börsen- und Finanzdienstleistungen unter Verwendung oder Verwertung des SX5E erbracht werden (z. B. die Emission von Index-Optionsscheinen wird mit "SX5E" dahingehend "beschrieben", dass der SX5E das Underlying bzw. den Basiswert der Optionsscheine darstellt) oder dass etwa die Datenverwaltungs- und Datenbankdienstleistungen der Klasse 35 der Berechnung des SX5E dienen, usw.

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Diese Erwägung ist zwar insoweit zutreffend, als solche sich auf einen bestimmten Wertpapierindex beziehenden Finanz-, Börsen-, Daten- (Datenverwaltungs-, Datenbank-) u. Veröffentlichungsdienstleistungen mit der Indexbezeichnung näher bezeichnet bzw. charakterisiert werden. Dabei wird das Kürzel "SX5E" jedoch nicht als Hinweis auf eine Indexart verwendet, also nicht als Merkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sondern als Hinweis auf einen ganz speziellen, von einem bestimmten Unternehmen geschaffenen Index, der diesen Dienstleistungen als Vor- oder Nebenprodukt zugrunde liegt. Ähnlich wie Gesamtkennzeichnungen wie etwa "Müller Mercedes-Reparaturen", "Meier Teflon-Pfanne", "Becker Intel-Computer" die Marken von Vor- oder Drittprodukten als Erläuterung mit enthalten, so wird die Index-Kurzbezeichnung "SX5E" z. B. innerhalb von Optionsscheinbezeichnungen (s. Beispiele oben) ebenfalls nur zur Bezeichnung des Vorprodukts verwendet, also des Index, der das Underlying des Optionsscheins darstellt. Solchen Index-Optionsscheinen (Hauptprodukt), die von bestimmten Emissionshäusern, zumeist Banken, emittiert werden, liegt dann das Index-Produkt eines anderen Produzenten (des Index-Herausgebers) zugrunde, der dafür andere Dienstleistungen erbracht hat bzw. sie bis zum Ablaufdatum des Optionscheins erbringen soll und der hierfür vorbehaltlich etwaiger rechtlicher Schranken (vgl. dazu BGH GRUR 2009, 1162 - DAX) Lizenzgebühren erhält.

31

Auch soweit kein Vor- oder Nebenproduktverhältnis besteht, sondern bei bestimmten der beanspruchten Dienstleistungen vor allem eine "sachliche" Bezugnahme auf den konkreten Index bestehen kann (z. B. Börsenberichterstattung, bei der der "SX5E" und sein jeweiliger Stand genannt wird), liegt allein deswegen nicht schon eine Merkmalsangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Denn auch über bzw. mit Produktkennzeichnungen kann berichtet werden, was bei Berichten über Unternehmen und/oder deren Produkte auch kaum anders möglich ist (z. B. Berichterstattung über Tests eines Automobilmodells mit einem bestimmten Produktnamen). Allein hierdurch werden Produktkennzeichnungen nicht zu beschreibenden Angaben, auch nicht für Berichterstattungs- und Veröffentlichungsdienstleistungen. Dies gilt jedenfalls solange, als sich die fragliche Bezeichnung nicht in ein Freizeichen oder eine Gattungsangabe umwandelt (z. B. "Diesel" für Treibstoff, "Röntgen" für medizinische Apparate), wofür hier aber keine Anhaltspunkte bestehen.

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2. Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ).

33

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist.

34

Einer Kombination aus Buchstaben und Zahlen kommt zunächst die (abstrakte) Eignung zu, auf die Herkunft der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb hinweisen zu können, zumal dies selbst für einzelne Buchstaben oder Zahlen gelten würde (§ 3 Abs. 1 MarkenG, vgl. zu Einzelbuchstaben und -zahlen: EuGH GRUR 2010, 378, Rn. 28 - Buchstabe alpha; GRUR 2011, 1035, Rn. 29 f. - Zahl 1000).

35

Vorliegend verfügt die schutzsuchenden Marke aber auch über die konkrete Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ. Wie bereits unter Ziff. 1. ausgeführt, hat der Senat die schutzsuchende Marke ausschließlich als Kennzeichnung bzw. als Kurzform der Kennzeichnung eines bestimmten Indexprodukts eines bestimmten Unternehmens feststellen können. Zudem handelt es sich um einen der bekanntesten und wichtigsten Indizes, dessen Stand auch in der überregionalen Tagespresse (z. B. FAZ u. Süddeutsche Zeitung) börsentäglich veröffentlicht wird. Irgendeine andere Bedeutung, die im Bereich der beanspruchten Dienstleistungen ein Verständnis als nicht auf dieses Indexprodukt hinweisende Sach- oder sonstige Angabe nahelegen könnte, haben weder der Senat noch die Markenstelle belegen können.

36

Damit kommt der angemeldeten Kurzform auch selbst eine betriebsherkunftshinweisende Bedeutung zu, ähnlich wie dies bei Abkürzungen anderer Produktnamen oder sonstiger betrieblicher Herkunftshinweise der Fall ist (vgl. etwa "LH", "AB", "BA" im Bereich der Fluggastbeförderung, "Win" im Bereich der Software, "GM" bei Automobilen, "Kawa" bei Motorrädern, "SE" bei Mobiltelefonen usw.). Dies gilt besonders im Bereich der Wertpapierindizes, da die mitunter umständlich wirkenden ausgeschriebenen Börsen- und Indexbezeichnungen in der Regel abgekürzt werden (z. B.: "Dow Jones Industrial Average" = "DJIA"; "National Association of Securities Dealers Automated Quotations" = "NASDAQ") und häufig sogar (nahezu) ausschließlich mit den Kurzformen gearbeitet wird ("FTSE", "CAC 40", "S&P 500", "ATX").