Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.07.2012


BPatG 10.07.2012 - 33 W (pat) 47/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Unser Bayern – Mein Autospiegel" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
10.07.2012
Aktenzeichen:
33 W (pat) 47/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 055 427.4

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter am Amtsgericht Dr. Wache und die Richterin Dr. Hoppe am 10. Juli 2012

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 40 vom 7. Februar 2011 und vom 22. Juli 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Am 22. September 2010 hat die Anmelderin die Wortmarke

2

Unser Bayern – Mein Autospiegel

3

für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet:

4

Klasse 2:

5

Metallfolien für Maler, Dekorateure und Drucker, insbesondere dehnbar und haftend;

6

Klasse 17:

7

Kunststofffolien, nicht für Verpackungszwecke, insbesondere dehnbar und haftend;

8

Klasse 40:

9

Bedruckung und Beklebung von Fahrzeugteilen mit Dekoren, insbesondere Außenspiegel.

10

Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 7. Februar 2011 und vom 22. Juli 2011 nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG  zurückgewiesen.

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Sie ist der Ansicht, dass die beanspruchte Wortfolge eine sprachüblich gebildete, beschreibende Wortfolge in der Bedeutung einer Identifikation mit Bayern, Bayern als Inhalt oder Gegenstand oder eines bayerischen Gemeinschaftsgefühls bzw. eines bayerischen Selbstverständnisses in Verbindung mit dem "Autospiegel" sei und damit eine eindeutige, unmissverständliche, unmittelbar beschreibende Angabe darstelle, die darauf hinweise, dass die Waren und Dienstleistungen für "Autospiegel" bestimmt seien und einen Bezug zu Bayern aufweisen würden. Die Aussage "Unser Bayern" werde als Bekenntnis zu Bayern gebraucht. Die Feststellung "Mein Autospiegel" bezeichne den Gegenstand der Waren und Dienstleistungen. Der durch die Verbindung der beiden Aussagenteile bewirkte Gesamteindruck gehe nicht über die Zusammenfügung der beiden Elemente hinaus, sondern bringe nur zum Ausdruck, dass die Waren Autospiegel zum Gegenstand hätten, die in Zusammenhang mit Bayern stehen würden. In seiner Gesamtheit bezeichne die angemeldete Wortfolge daher Waren (dehnbar und haftende Metall- bzw. Kunststofffolien) und entsprechende Dienstleistungen für Autospiegel.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, dass es sich nicht um eine unmittelbare Sachaussage handele, da keinerlei besondere Qualitätsmerkmale beschrieben würden. Die spruchartige Wortfolge sei unterscheidungskräftig, da sie kurz und originell sei. Die Originalität ergebe sich daraus, dass zwei Begriffe (Bayern, Autospiegel) aus zwei völlig getrennten Bereichen der Geografie/Politik und Technik aufeinander bezogen würden. Auch die verwendeten Possessivpronomen würden im Dienste des Merkmals der Originalität stehen.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 40 vom 7. Februar 2011 und vom 22. Juli 2011 aufzuheben.

II.

15

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

16

Der angemeldeten Marke steht kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.

1.

17

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.

18

Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II; EuGH MarkenR 2012, 147 (Nr. 32) - NAI-Der Naturaktienindex). Es gibt nämlich - insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs - Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 265 m. w. N.).

19

b) Zu dem angesprochenen Verkehr zählen alle Kreise, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel). Im vorliegenden Fall gehören hierzu sowohl der Geschäftsverkehr als auch allgemeine und breite Verbraucherkreise. Maßgeblich ist insoweit der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 29 ff.).

20

c) Vorliegend besteht kein Freihaltungsbedürfnis an dem begehrten Zeichen, da es die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht hinreichend direkt und konkret beschreibt. Soweit ein vager Bezug hergestellt wird zu einerseits "Bayern" und andererseits "Autospiegeln", wird allenfalls eine Assoziation geweckt, die aus sich heraus nicht verständlich ist, da eine warenbezogene Sachaussage infolge der vorangestellten Possessivpronomen "unser" bzw. "mein" unklar bleibt. Die von der Markenstelle herangezogene Zeichenbedeutung, wonach es sich um Folien für Autospiegel mit bayerischen Motiven handeln könnte, ergibt sich erst durch eine analysierende Aufspaltung der zusammengehörigen Wortfolge ohne hinreichende Berücksichtigung der vorangestellten Possessivpronomen "unser"/"mein" und erfordert daher zusätzliche assoziative Gedankenschritte. Durch das Possessivpronomen "mein" wird gerade in der Werbesprache regelmäßig privates Eigentum oder etwas Individuelles, Persönliches von individuellem Geschmack geprägtes umschrieben (z. B. "mein Zuhause", "mein Bier"), wohingegen mit dem Pronomen "unser" etwas Gemeinschaftliches, Verbindendes zum Ausdruck gebracht wird. Insoweit erscheint der Anfang der Wortfolge "unser Bayern" noch plausibel, da hierdurch auf gemeinsame Werte, Traditionen u. ä. in Bayern hingewiesen werden kann. Der Ausdruck "mein Autospiegel" erscheint indes eigentümlich, da ein Autospiegel im Allgemeinen keinerlei individuelle Gestaltung aufweist, sondern allenfalls eine uniforme Überziehung mit Stoffen in den Farben von Nationalflaggen anlässlich von Sportereignissen (insbesondere Fußballspielen) und daher auch nicht Ausdruck eines besonderen individuellen Geschmacks ist. Auch die Eigentumslage an einem Autospiegel erscheint nicht erwähnenswert (anders: mein Haus, mein Auto, mein Schiff etc.), da ein Autospiegel keinen besonderen Wert verkörpert und deshalb neben dem Kfz an sich normalerweise keine isolierte Erwähnung findet.

21

Ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt jedoch nur vor, wenn das Zeichen ein hinreichend direkten und konkreten Bezug zu den angemeldeten Produkten aufweist, der es dem angesprochenen Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (EuGH GRUR 2010, 534 (Nr. 29) - PRANAHAUS; EuGH GRUR Int. 2010, 503 (Nr. 26, 27) - Patentconsult; EuGH GRUR Int. 2011, 400 (Nr. 50) - 1000; EuG T-328/11 (Nr. 16) - EcoPerfekt (PAVIS Proma); (BGH MarkenR 2012, 29 (Nr. 14) - Rheinpark-Center Neuss). Die Wahl des Begriffs "Merkmal” zeigt, dass ein beschreibendes Zeichen nur vorliegt, wenn eine leicht von den beteiligten Verkehrskreisen zu erkennende Eigenschaft der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, bezeichnet wird (EuGH GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000). Die Eintragung eines Zeichens kann daher nur dann verweigert werden, wenn vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es von den beteiligten Verkehrskreisen tatsächlich als eine Beschreibung eines Produktmerkmals erkannt werden wird (EuGH GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000). Das ist vorliegend bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des Zeichens, d. h. unter Einbeziehung der beiden Possessivpronomen nicht der Fall. Die aufeinander bezogenen Possessivpronomen "unser" und "mein" suggerieren nämlich einen Zusammenhang zwischen einem Bayern, das "allen gehört" einerseits und einem Autospiegel, der "mir", d. h. einer einzelnen Person, gehört andererseits. Durch diese konträre Gegenüberstellung wird ein Gesamtkonstrukt gebildet, das keine verständliche Gesamtaussage erkennen lässt und daher auch nicht geeignet ist, einen ohne weiteres erkennbaren inhaltlichen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herzustellen. Vielmehr erscheint die Wortverbindung derart unüblich und unverständlich, dass sie nicht als verständliche Merkmalsbezeichnung angesehen werden kann.

2.

22

Dem beanspruchten Zeichen steht auch nicht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

23

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline).

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b) Die hier beanspruchte Wortkombination ist bei Zugrundelegung des dargelegten Prüfungsmaßstabs hinreichend unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihr im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Da der begehrten Wortfolge für die beanspruchten Waren- wie oben dargelegt - kein verständlicher, im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um eine gebräuchliche Wortfolge handelt, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würde, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2007, 1071 (Nr. 25) - Kinder II; BGH GRUR 2001, 1042 (1042) - REICH UND SCHÖN). Bei der beanspruchten Wortfolge handelt es sich nicht um eine übliche Wortfolge der Alltagssprache, und sie wird auch nicht in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren benutzt. Weder durch die Internetrecherche des Senats noch durch die Prüfung der Markenstelle ließen sich Belege für die Benutzung der verfahrensgegenständlichen Wortfolge auffinden und zwar weder in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren noch losgelöst davon. Eine ähnliches grammatikalisches Konstrukt wird allerdings von der Schlossbrauerei Stein benutzt in dem Slogan: "Unser Chiemgau - mein Bier" und von SVP: "Mein Zuhause - unsere Schweiz". Die unterschiedlichen Substantive geben den Slogans aber einen anderen Inhalt und unterscheiden sich auch dadurch, dass sie - im Gegensatz zum begehrten Zeichen - eher eine verständliche Aussage beinhalten, weil Biergeschmack und das Zuhause üblicherweise individuell geprägt sind, nicht aber Autospiegel. Die Ungewöhnlichkeit der grammatikalischen Verknüpfung verleiht dem beanspruchten Zeichen daher eine gewisse Originalität und hinreichende Unterscheidungskraft.