Entscheidungsdatum: 11.12.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 306 44 149.7
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, die Richterin Dr. Hoppe und den Richter am Amtsgericht Dr. Wache am 11. Dezember 2012
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Markeninhaberin hat am 18. Juli 2006 die Wortmarke
Frutasol
für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 1: Düngemittel
Klasse 5: Mittel zur Behandlung von Pflanzen, nämlich Fungizide, Herbizide, Insektizide und Mittel zur Bekämpfung von Parasiten
Klasse 39: Verpackung und Lagerung von Waren.
Die Marke ist am 21. Juni 2007 eingetragen worden; die Eintragung ist am 27. Juli 2007 veröffentlicht worden.
Am 23. August 2007 hat die Widersprechende aus ihrer Wortmarke
FRUTASOL
Widerspruch erhoben. Die Marke ist seit dem 4. Januar 1991 für die Waren
Klasse 31: Frisches Obst, frische Früchte, insbesondere Südfrüchte und Zitrusfrüchte; frisches Gemüse; Nüsse
eingetragen.
Die Widersprechende hat den Widerspruch gegen alle Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichtet.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den beiderseitigen Waren und Dienstleistungen Ähnlichkeit bestehe. Es bestehe ein funktionaler Zusammenhang, da Düngemittel, Herbizide usw. notwendig seien, um makelloses Obst gedeihen zu lassen. Außerdem könne das Ansehen der Widerspruchsmarke Schaden nehmen, wenn Herbizide und ähnliche Mittel, denen die Öffentlichkeit sehr kritisch gegenüberstehe, unter derselben Marke vertrieben werden.
Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Außerdem hat sie die Meinung vertreten, dass keine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bestehe. Die von der Widersprechenden vorgebrachten Argumente seien mit der Herkunftsfunktion der Marke nicht vereinbar.
Die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers und weitere Unterlagen vorgelegt, um die Benutzung ihrer Marke glaubhaft zu machen.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2009 hat die Markenstelle für Klasse 1 den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Markenstelle hat ausgeführt, dass keine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bestehe. Die beiderseitigen Waren seien in ihrer Beschaffenheit, ihrer Verwendungsart und den Abnehmerkreisen völlig verschieden. Dem Verkehr sei bekannt, dass Düngemittel und landwirtschaftliche Produkte von verschiedenen Unternehmen hergestellt werden. Auch zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Waren der Widerspruchsmarke bestehe keine Ähnlichkeit. Das Publikum werde nicht annehmen, dass beide auf der Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen.
Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt. Sie hat vorgebracht, dass es sehr wohl Unternehmen gebe, die sowohl Dünger und Pflanzenschutzmittel als auch Obst und Gemüse anböten. Das gelte für den BayWa-Konzern, für zahlreiche Raiffeisen- und Agrarmärkte und für das Sunflower-Gartencenter in Frankfurt.
Die Markenstelle hat die Erinnerung mit Beschluss vom 22. März 2011 zurückgewiesen. Sie hat im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und diese ergänzt und vertieft. Wenn es große Konzerne wie BayWa gebe, die in getrennten Sparten sowohl Dünger als auch Obst herstellen, so reiche das nicht aus, um die Warenähnlichkeit zu begründen.
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde.
Sie bringt vor, dass eine zumindest entfernte Warenähnlichkeit bestehe. Das von der Markeninhaberin vertriebene Pflanzenstärkungsmittel „Frutasol“ werde auch in kleinen Mengen für Hobbygärtner angeboten. Die Abnehmer seien somit dieselben. Markenrechtlich seien Düngemittel und Obst einander ergänzende Produkte. Für die angesprochenen Verkehrskreise liege es daher nahe, einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich anzunehmen. Wegen der Identität der beiden Zeichen reiche eine entfernte Warenähnlichkeit aus, um Verwechslungsgefahr zu begründen.
Der Senat hat einen schriftlichen Hinweis erteilt; die Widersprechende hat hierzu Stellung genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen besteht keine Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
1.
Die Verwechslungsgefahr ist - wie bereits die Erstprüferin zutreffend ausgeführt hat - anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu bestimmen. Dabei kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 (Nr. 22) - Sabél/Puma; EuGH GRUR 1998, 922 (Nr. 17) - Canon; EuGH GRUR 2008, 343 (Nr. 48) - BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 1002 (Nr. 23) - Schuhpark).
Sind die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen einander absolut unähnlich, so kann dieser Umstand durch die an Identität grenzende Ähnlichkeit der Zeichen nicht ausgeglichen werden, selbst wenn man eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt (vgl. BGH GRUR 2006, 941 (Nr. 13) - TOSCA BLU; BGH GRUR 2007, 321 (Nr. 20) - COHIBA; BGH GRUR 2009, 484 (Nr. 25) - METROBUS). Es fehlt dann nämlich bereits an einer der zwingend erforderlichen kumulativen Voraussetzungen für die Verwechslungsgefahr (EuGH GRUR Int. 2009, 911 (Nr. 34) WATERFORD STELLENBOSCH/WATER FORD).
2.
Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen sind einander absolut unähnlich.
a)
Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen besteht dann, wenn sich aus einer Würdigung aller erheblichen Umstände ergibt, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Meinung sein können, die Waren und Dienstleistungen stammten aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR 1998, 922 (Nr. 23 f. und 29) - Canon; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage § 9 Rn. 58). Maßgeblich ist nicht die örtliche Übereinstimmung der Herkunftsstätte; vielmehr kommt es darauf an, ob der Verkehr erwarten kann, dass ein- und dasselbe Unternehmen die Herstellung und Erbringung der Waren und Dienstleistungen kontrolliert und für ihre Qualität verantwortlich ist. Das entspricht der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren (EuGH a. a. O. (Nr. 28) - Canon; Hacker in Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rn. 60).
Wie die Markenstelle zutreffend angenommen hat, sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Erheblich sind somit die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungsstätten und Vertriebswege, stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwendungsweise (EuGH GRUR-RR 2009, 356 (Nr. 65) - Éditions Albert René; BGH GRUR 2007, 321 (Nr. 20) - COHIBA; BGH GRUR 2009, 484 (Nr. 25) - Metrobus; BPatG vom 17. November 2009, 33 W (pat) 24/08 - Apotheke proVita/pro vitae).
b)
Nach diesem Maßstab sind die Waren der angegriffenen Marke,
Klasse 1: Düngemittel,
Klasse 5: Mittel zur Behandlung von Pflanzen, nämlich Fungizide, Herbizide, Insektizide und Mittel zur Bekämpfung von Parasiten
und die Waren der Widerspruchsmarke,
Klasse 31: Frisches Obst, frische Früchte, insbesondere Südfrüchte und Zitrusfrüchte; frisches Gemüse; Nüsse,
einander unähnlich. Darin ist der Markenstelle zu folgen. Der Auffassung der Widersprechenden, dass eine zumindest entfernte Ähnlichkeit bestehe, kann nicht gefolgt werden.
aa) Die beiderseitigen Waren werden üblicherweise von unterschiedlichen Unternehmen hergestellt und angeboten. Während die Waren der Widerspruchsmarke von landwirtschaftlichen Unternehmen hergestellt werden, handelt es sich bei Düngemitteln, Herbiziden, Insektiziden und den übrigen Waren der angegriffenen Marke in der Regel um chemische Erzeugnisse.
Es mag zwar - wie die Beschwerde vorbringt - auch Insektizide und Mittel zur Bekämpfung von Parasiten geben, die vom Landwirt oder Gärtner selbst hergestellt werden (beispielsweise Brennesseljauche zur Bekämpfung von Blattläusen). Dabei handelt es sich jedoch üblicherweise um Herstellung für den Eigenverbrauch. Dass Landwirte solche Mittel herstellen und auf dem Markt anbieten, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde auch nicht vorgebracht. Somit wird der Verbraucher, der Obst und Gemüse nachfragt, nicht davon ausgehen, dass auf dem Markt angebotene Insektizide und Mittel zur Bekämpfung von Parasiten von demselben Anbieter, nämlich von einem Obst- und Gemüsebauern stammen.
bb) Die Waren werden außerdem zu unterschiedlichen Zwecken angeboten. Die Waren der Widerspruchsmarke werden entweder Händlern zum Weiterverkauf oder Endverbrauchern zum Verzehr angeboten. Die Waren der angegriffenen Marke werden von Landwirten oder von Hobbygärtnern zum Einsatz beim Obst- und Gemüseanbau erworben werden. Die Verwendungszwecke der beiderseitigen Waren sind somit unterschiedlich und weisen keinerlei Nähe zueinander auf.
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden handelt sich nicht um Waren, die einander aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise ergänzen. Soweit es auf den Verwendungszweck ankommt, spricht es zwar für die Ähnlichkeit der Waren, wenn sie einander ihrer Funktion nach ergänzen (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage § 14 Rn. 734). Damit sind jedoch Fälle gemeint, in denen der Kunde beide Waren nebeneinander verwenden kann und in der Regel nebeneinander verwendet. Das trifft beispielsweise auf Tabakwaren und Raucherartikel zu (BGH GRUR 1999, 496 (Nr. 24 ff.) - TIFFANY), oder auf Haustierfuttermittel und Tierarzneimittel, die fließende Übergänge zueinander aufweisen und gemeinsam oder sogar miteinander vermischt an Tiere verfüttert werden (BPatG GRUR 1998, 727 - Vita-Combex/VITACOMBEX). Solche Waren wird der Kunde häufig gemeinsam erwerben, und deshalb liegt es nahe, sie an der Verkaufsstelle nebeneinander zu präsentieren. Daraus kann das Publikum den Schluss ziehen, dass die Waren unter der Verantwortung desselben Unternehmens hergestellt werden. Dasselbe kann für solche Waren gelten, die einander aus der Sicht des angesprochenen Publikums ersetzen können.
Das trifft hier nicht zu. Der Verbraucher wird Obst, Gemüse und Nüsse einerseits sowie Dünger und Unkrautvernichtungsmittel andererseits nicht gemeinsam erwerben, um sie nebeneinander zu verwenden. Der gemeinsame Verwendungszweck, der den Verbraucher auf einen gemeinsamen Hersteller oder auf wirtschaftlich verbundene Hersteller schließen lässt, liegt in solchen Fällen - wie die Markenstelle zutreffend ausführt - nicht vor. Wer Obst, Gemüse und Nüsse verzehren will, braucht anlässlich des Verzehrs keine Dünger und Unkrautvernichtungsmittel. Wer umgekehrt Dünger und Unkrautvernichtungsmittel verwenden will, benötigt dazu kein geerntetes, zum Verzehr geeignetes Obst, Gemüse und Nüsse. Dünger und Unkrautvernichtungsmittel können zwar zum Anbau von Obst, Gemüse und Nüssen eingesetzt werden (ebenso wie Pflanzen und Sämereien, die dennoch zu Obst keine Ähnlichkeit haben, vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Auflage, Stichwort „Obst“). Der Verkehr wird jedoch wegen dieses Zusammenhangs nicht davon ausgehen, dass ein Bauer, der Obst und Gemüse anbaut, die dafür benötigten - und zugleich auf dem Markt erhältlichen - Dünger, Unkrautvernichtungsmittel usw. selbst herstellt, oder dass die Herstellung durch wirtschaftlich miteinander verbundene Unternehmen erfolgt.
Die Waren können einander auch nicht ersetzen und konkurrieren deshalb nicht miteinander. Wenn kein Obst oder Gemüse zu haben ist, wird der Verbraucher nicht stattdessen Dünger und Unkrautvernichtungsmittel kaufen; umgekehrt gilt dasselbe. Sollten im Eingangsbereich von Supermärkten - wie die Beschwerde behauptet - Dünger und Obst nebeneinander präsentiert und angeboten werden, so hätte dies aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise keinen verständigen Grund und wäre deshalb für die Beurteilung der Warenähnlichkeit unerheblich.
cc) Der Umstand, dass sich die mit den beiderseitigen Warenangeboten angesprochenen Verkehrskreise überschneiden, reicht für sich genommen nicht aus, um eine (auch nur entfernte) Warenähnlichkeit zu bejahen. Selbstverständlich können Landwirte und Hobbygärtner, die Dünger und die übrigen Waren der angegriffenen Marke nachfragen, auch Obst, Gemüse und Nüsse zum eigenen Verzehr erwerben. Die beiden Vorgänge - einerseits der Anbau von Obst und Gemüse, andererseits der Kauf von Nahrungsmitteln für den Eigenverbrauch - haben aber nichts miteinander zu tun und sprechen nicht für eine gemeinsame Herkunft der dafür verwendeten Produkte.
c)
Auch zwischen der Dienstleistung der angegriffenen Marke
Klasse 39: Verpackung und Lagerung von Waren
und den Waren der Widerspruchsmarke besteht keine Ähnlichkeit.
Es ist nicht üblich, dass Produzenten von Obst und Gemüse auch die Dienstleistung Verpackung und Lagerung von Waren anbieten. Anderes behauptet auch die Widersprechende nicht. Die Verpackung und die Lagerung von Waren werden von darauf spezialisierten Firmen denjenigen Unternehmen angeboten, die Waren zu transportieren und zu lagern haben. Dagegen werden Obst und Gemüse von landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt und Zwischenhändlern und Endverbrauchern angeboten. Somit werden die Dienstleistungen einerseits und die Waren andererseits von unterschiedlichen Unternehmen weitgehend unterschiedlichen Verkehrskreisen zu unterschiedlichen Verwendungszwecken angeboten. Zwischen beiden besteht keine Ähnlichkeit (vgl. EuG GRUR Int. 2006, 507 (Nr. 40 - 51) - COMP USA/COMP USA, bestätigt durch EuGH am 9. März 2007, C-196/06P; HABM (Beschwerdekammer) vom 7. März 2007, R 874/2006-01 (Nr. 34) - Aranda).
3.
Das Argument, dass die Nutzung der angegriffenen Marke die Wertschätzung der Widerspruchsmarke beeinträchtigen werde, kann im Widerspruchsverfahren nicht berücksichtigt werden. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG ist nicht anwendbar, weil die angegriffene Marke vor dem 1. Oktober 2009 zur Eintragung angemeldet worden ist (§ 165 Abs. 2 MarkenG).