Entscheidungsdatum: 18.01.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 307 27 445.4
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 18. Januar 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des DPMA vom 20. April 2009 und vom 7. September 2009 aufgehoben.
I.
Am 27. April 2007 hat die Anmelderin die Wortmarke
go-collect
angemeldet und zwar nach Änderungen des Verzeichnisses für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen:
Klasse 9:
elektronische Datenträger mit juristischen Informationen, Software, insbesondere individuell programmierte Software und Standardsoftware
Klasse 36:
Recherche, Nachforschung über Vermögensverhältnisse für Inkassogeschäfte; Inkassogeschäfte
Klasse 38:
Bereitstellung des Zugriffs auf juristische Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet, Bereitstellen des Zugriffs auf elektronische Zeitungen, Zeitschriften, juristische Dokumenten mit juristischem Inhalt im Internet; Übermittlung von Forderungsdaten für Inkassoaufträge über das Internet
Klasse 42:
Entwicklung und Programmierung von Software und Standardsoftware, insbesondere Individualprogrammierung, Softwarepflege, -Wartung und Homepageprogrammierung
Klasse 45:
Juristische Dienstleistungen; Rechtsberatung- und Vertretung.
Mit Beschlüssen vom 20. April 2009 und vom 7. September 2009 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung mangels Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Sie hat dies damit begründet, dass das Zeichen lediglich eine beschreibende und daher nicht unterscheidungskräftige Sachaussage beinhalte. Bei den Wortbestandteilen der beanspruchten Marke handele es sich um die Kombination bekannter Begriffe der englischen Sprache, die in ihrer Bedeutung „go“ für gehen und „collect“ für „einsammeln, eintreiben, abkassieren“ vom Verkehr verstanden würden. Im Zusammenhang mit den begehrten Waren und Dienstleistungen erkenne der Verkehr in dem Gesamtzeichen daher ohne analysierende Betrachtungsweise die Bedeutung „gehe einsammeln/eintreiben/abkassieren“. Damit vermittle des Zeichen eine beschreibende Sachaussage über die Art und Bestimmung bzw. Inhalt/Thematik der jeweiligen Produkte dahingehend, dass sie dazu dienen sollten, offene Forderungen bzw. Inkassoforderungen geltend zu machen, bzw. sich inhaltlich/thematisch damit beschäftigten. Die Verwendung des Bindestrichs führe nicht von dieser Sachinformation weg.
Zwar handele es sich um eine neue Wortkombination, diese beschränke sich jedoch auf die bloße Kombination bekannter Bestandteile, die nicht über die Summe ihrer Einzelbestandteile hinausreiche. Dies gelte insbesondere, weil Wortkombinationen mit dem Begriff „go“ in verschiedenen Waren- und Dienstleistungsbereichen üblich seien und weil der Begriff „collect“ im Rahmen des Inkassowesens in zahlreichen Wortverbindungen genutzt werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Diese hat im Verfahren vor der Markenstelle geltend gemacht, dass es sich um eine neuartige, ungewöhnliche Wortkombination handele, für die aufgrund der sprachunregelmäßigen Wortbildung kein Freihaltebedürfnis bestehe. Das Zeichen werde bislang auch nicht beschreibend verwendet.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.
Der angemeldeten Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein Eintragungshindernis entgegen.
1.
Die Eintragung kann nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Art. 3 Abs. 1 c) der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (ABl. EU Nr. L 299 vom 08.11.2008, S. 25, im Folgenden: MarkenRL) versagt werden, weil nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass die begehrte Marke kein Merkmal der begehrten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Bei der Auslegung der absoluten Schutzhindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54 f.) - Postkantoor; EuG T-64/09 (Nr. 24) - packaging; EuG T-261/09 (Nr. 24) - ilink m. w. N.). Es gibt nämlich insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (NR. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 222 m. w. N.).
Für die begehrte Marke ist ein solches Freihaltungsbedürfnis nicht feststellbar, weil der Verkehr dem Zeichen ohne nähere analysierende Betrachtungsweise keine Sachaussage über die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnehmen kann.
Abzustellen ist dabei auf die Auffassung des beteiligten inländischen Verkehrs, wobei dieser alle Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel). Dabei handelt es sich um den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff). Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall sowohl der Geschäftsverkehr als auch allgemeine und breite Verbraucherkreise.
Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen enthält die konkret begehrte Wortkombination für die angesprochenen deutschen Verkehrskreise keine gebräuchliche, ohne weiteres verständliche Sachaussage zu einer Eigenschaft der Ware oder Dienstleistung. Zwar steht der Begriff „collect“ in der englischen Sprache auch für „abkassieren“ und die Vornahme von Inkasso. Indes dürfte dem deutschsprachigen Publikum diese Bedeutung nicht ohne weiteres bekannt sein, da „collect“ in seiner Grundbedeutung lediglich „sammeln“ bedeutet und in Wörterbüchern zum englischen Grundwortschatz auch nur mit dieser Übersetzung nachweisbar ist. Selbst wenn aber geringe Teile des Verkehrs die darüber hinausgehende Bedeutung erkennen würden, erhält das Zeichen durch den vorangestellten, durch Bindestrich verbundenen Begriff „go“ eine so ungewöhnliche Struktur, dass ein auf die Waren und Dienstleistungen bezogenes Sinnverständnis sich nicht unmittelbar, sondern erst durch umfangreiche weitere gedankliche Zwischenschritte erschließen würde.
Die Zusammenfügung beider Worte könnte zwar „geh sammeln/abkassieren“ bedeuten, damit würde die Bestimmung der begehrten Waren und Dienstleistungen indes nur vage angedeutet, weil z. B. unklar bliebe, ob der Kunde selbst abkassieren soll oder Dritte. Dies gilt insbesondere angesichts der ungewöhnlichen Wortverbindung der beiden Begriffe, da der Verkehr es in Zusammenhang mit den begehrten Waren und Dienstleistungen nicht gewöhnt ist, durch imperative Formen in englischer Sprache eine unmittelbare Sachaussage im Hinblick auf die Geltendmachung von Forderungen vermittelt zu bekommen. Zudem wird die Wahrnehmung des Zeichens als Imperativ durch die Zusammenfügung der Worte „go“ und „collect“ mittels eines Bindestrichs erschwert. Der Verkehr nimmt aber üblicherweise ein Zeichen so auf, wie es ihm begegnet, und unterwirft es nicht einer intensiven und langwierigen Analyse.
Insgesamt ist der Produktbezug daher nur schwach ausgeprägt und dadurch gekennzeichnet, dass eine Merkmalsbeschreibung angesichts der ungewöhnlichen Wortverbindung und Schreibweise nur vage angedeutet wird, so dass die begehrte Marke noch geeignet erscheint, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen.
2.
Die Eintragung kann auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 b) MarkenRL) versagt werden, weil es der begehrten Marke nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehlt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wären von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist.
In Anbetracht des Umfangs des einer Marke verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, um diese ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23, 27) - SAT.2).
Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline).
Die hier beanspruchte Wortkombination verfügt bei Zugrundelegung des dargelegten Prüfungsmaßstabs und des zugrundeliegenden Allgemeininteresses noch über das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft, denn das angesprochene Publikum wird ihr im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können.
Der Marke ist weder eine unmittelbare Sachaussage zu entnehmen (s. o. Ziffer II. 1.) noch handelt es sich um eine gebräuchliche Wortkombination, die vom Verkehr in Zusammenhang mit den maßgebliche Waren und Dienstleistungen nur als solche verstanden wird.
Zwar wird der Begriff „collect“ im Zusammenhang mit Inkassodienstleistungen und zugehörigen EDV-Waren und -Dienstleistungen häufig zur Unternehmenskennzeichnung verwendet, eine Verwendung der konkreten Wortkombination konnte indes nicht festgestellt werden. Vielmehr erscheint gerade die Kombination mit dem Wort „go“ im Inkassowesen einschließlich damit zusammenhängender EDV-Dienstleistungen, Rechtsberatungsdienstleistungen; Software (bzw. Softwareentwicklung/-pflege/-wartung) und Datenträger ungewöhnlich.