Entscheidungsdatum: 23.02.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 302 42 058
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender, der Richterin am OLG Dr. Hoppe und des Richters Kätker
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. September 2004 und vom 11. September 2008 aufgehoben.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 215 178 wird die Löschung der Marke 302 42 058 angeordnet.
I
Gegen die Eintragung der Wortmarke 302 42 058
TCAR
für
Klasse 36: Finanzdienstleistungen, Vermittlung von Investmentfonds, Wertpapierverwaltung, Vermögensverwaltung, Geldgeschäfte
ist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke 215 178
TCard
für
Klasse 9: elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Klasse 14: Juwelierwaren; Uhren und Zeitmessinstrumente;
Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Klasse 18: Regenschirme, Sonnenschirme, Lederwaren und Lederimitationen; Reise- und Handkoffer;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren;
Klasse 28: Spiele, Spielzeug; gymnastische Geräte und Sportgeräte (soweit nicht in anderen Klassen enthalten);
Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen;
Klasse 37: Bauwesen; Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation;
Klasse 38: Telekommunikation; Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation;
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Drucksachen;
Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, insbesondere Vermietung von Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.
Mit Beschlüssen vom 8. September 2004 und 11. September 2008, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 36 den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen zwar Identität, jedoch hielten die sich gegenüberstehenden Marken dennoch den erforderlichen deutlichen Abstand zueinander ein. Dies gelte zunächst in schriftbildlicher Hinsicht, da es sich bei Vergleichsmarken um gut überschaubare Kurzwörter handele und somit aufgrund des zusätzlichen Buchstabens „d“ am Ende der Widerspruchsmarke eine gute schriftbildliche Unterscheidbarkeit gewährleistet sei. Entgegen den Ausführungen der Widersprechenden sei auch nicht erkennbar, warum der Verkehr die jüngere Marke als „Teh-kah“ aussprechen sollte. Wortkombinationen mit dem Buchstaben „T“ am Wortanfang und anschließenden Konsonanten seien im Deutschen nicht üblich. Vielmehr werde bei Wortkombinationen mit dem Buchstaben „T“ diesem Buchstaben in der Regel jeweils ein Bindestrich angefügt (z. B. „T-Stück“, „T-Shirt“, „T-Stecker“). Die Verkehrskreise würden die Buchstaben „TCAR“ daher als Abkürzung wahrnehmen und sie deshalb auch in dieser Weise mit „Te-Ce-A-ER“ benennen. Zudem sei aufgrund des zusätzlichen Buchstabens „D“ der Widerspruchsmarke keine klangliche Verwechslungsgefahr feststellbar. Selbst wenn man die angegriffene Marke als „Te-kah“ und die Widerspruchsmarke als „Te-Cahd“ aussprechen würde, sei keine klangliche Verwechslungsgefahr gegeben. Eine solche Aussprache setze nämlich voraus, dass die Bestandteile „CAR“ und „Card“ als solche erkannt würden. Bei „Card“ handele es sich jedoch um einen schutzunfähigen Bestandteil. Insbesondere sei das Wortelement „Card“ im Bereich der Finanzdienstleistungen als beschreibende Angabe üblich (z. B. Bankcard, Girocard, Sparcard, EC-Card). Dem verbleibenden Element „T“ der Widerspruchsmarke werde daher eine prägende Bedeutung beigemessen. Der Verkehr erkenne die Marke als eine Karte, die mit dem Buchstaben „T“ benannt sei. Die jüngere Marke „TCAR“ werde dagegen als Gesamtbegriff wahrgenommen werden, da nicht erkennbar sei, welche beschreibende Bedeutung der Bestandteil „Car“ in Verbindung mit den für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen aufweisen solle. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine begriffliche Ähnlichkeit oder eine mittelbare Verwechslungsgefahr vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Zur Begründung führt die Widersprechende aus, dass die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen identisch und die Marken in schriftbildlicher Hinsicht nahezu identisch seien, da die jüngere Marke vollumfänglich in der Widerspruchsmarke enthalten sei. Der abweichende Bestandteil „d“ falle insbesondere bei flüchtiger Betrachtungsweise kaum auf. Zudem sei gerade der Wortanfang einer Marke für die Beurteilung des Vorliegens einer Markenähnlichkeit von besonderer Bedeutung. Zudem sei mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzustellen, als auf die Abweichungen. Dies gelte insbesondere, wenn die Übereinstimmungen überwögen und den Wortanfang bildeten. Dadurch dass die ersten vier Buchstaben der Vergleichszeichen identisch seien, bestehe eine hochgradige schriftbildliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen. Der zusätzliche Buchstabe „d“ am Ende der Widerspruchsmarke könne keine ausreichende schriftbildliche Unterscheidbarkeit begründen.
In klanglicher Hinsicht sei die Übereinstimmung der Vergleichsmarken noch größer, da diese aufgrund des kaum hörbaren, stimmlosen Lauts „d“ in der Widerspruchsmarke fast identisch ausgesprochen würden. Beide Vergleichszeichen endeten phonetisch auf einem langgezogenen „a“ und würden klanglich durch den Konsonanten „T“ am Wortbeginn sowie die identische Endung „KAH“ geprägt. Zudem werde keines der Zeichen als Abkürzung aufgefasst, denn Abkürzungen würden gemeinhin durch Punkte entweder am Ende der Abkürzung oder hinter jedem einzelnen Buchstaben gekennzeichnet. Zudem sei der Verkehr an Marken mit dem Bestandteil „T“, insbesondere solche der Widersprechenden, gewöhnt. Daher werde die Widerspruchsmarke im Verkehr als „T-Card“ bezeichnet, während die angegriffene Marke als „T-CAR“ ausgesprochen werde.
Insgesamt sei davon auszugehen, dass dem Verbraucher bereits der geringfügige Unterschied zwischen den Vergleichszeichen nicht auffalle und er die Zeichen als identische Zeichen mit dann auch identischer Bedeutung wahrnehme, sofern den Zeichen überhaupt eine Bedeutung beigemessen werde. Begriffliche Unterschiede seien angesichts der klanglichen und schriftbildlichen Annäherungen der Marken nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Ergänzend verweist die Widersprechende auf 125 Entscheidungen zu ihrer Auffassung nach vergleichbaren Marken.
Zudem sei jedenfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Die Widersprechende sei Inhaberin zahlreicher Markeneintragungen mit einem vorangestellten „T“, gefolgt von einem Begriff. Sie verweist auf 1223 rechtsbeständig eingetragene deutsche Wortmarken mit dem Anfangsbuchstaben „T“. Außerdem weist die Widersprechende auf eine Verkehrsbefragung aus dem Jahr 2003 hin, wonach der Buchstabe „T-“ in Alleinstellung 57 % der Befragten als Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden bekannt sei. Die angegriffene Marke füge sich unmittelbar in die Markenserie der Widersprechenden ein, so dass der Verbraucher denken müsse, es handele sich dabei um ein weiteres „T“-Kennzeichen der Widersprechenden.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse vom 8. September 2004 und vom 11. September 2008 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde und die ihr zur Kenntnis übersandte Beschwerdebegründung der Widersprechenden nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
1. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.
Der Senat hält entgegen der Beurteilung der Markenstelle eine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken für gegeben.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rdn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR 2008, 343, Nr. 33 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM („BAINBRIDGE“), jew. m. w. N.).
Insbesondere bestimmt sich die Verwechslungsgefahr anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 544, 545 - BANK 24 m. w. N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).
a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte als durchschnittlich einzustufen. Dies gilt jedenfalls für den Bereich der finanzbezogenen Dienstleistungen.
b) Die für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen werden von dem für die Widerspruchsmarke eingetragenen Oberbegriff „Finanzwesen“ erfasst, so dass eine Identität der Dienstleistungen vorliegt.
c) Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein.
Dabei ist davon auszugehen, dass zumindest ein nicht unbeachtlicher Teil der Verkehrskreise auf dem Gebiet des Finanzwesens die angegriffene Marke „TCAR“ wie „Te-kaa“ (mit gedehntem Schluss-a) aussprechen wird. Denn würde man die angegriffene Marke „TCAR“ wie ein Wort lesen, so wäre die Aussprache „tkaa“ wegen der am „Wort“-Anfang stehenden Konsonantenkombination „tk“ kaum aussprechbar und würde als sogenannter „Zungenbrecher“ den Verkehr von einer solchen Aussprache als flüssiges Wort abhalten. Andererseits wäre die Aussprache als Buchstabenmarke („Te-Ce-A-eR“) wiederum vergleichsweise langwierig bzw. umständlich. Für den Verkehr auf dem Gebiet des Finanzwesens, von dem vergleichsweise gehobene Englischkenntnisse erwartet werden können, bietet es sich daher an, die angegriffene Marke mit dem Anfangsbuchstaben „T“ als Benennung eines Buchstabens (gesprochen wie „te“) und die nachfolgenden Buchstaben „CAR“ als flüssiges Wort (wie „kaa“ ohne vernehmbares Schluss-R) zu sprechen, zumal das englische Wort „car“ allseits bekannt ist und sich damit als (fantasievolle) begriffliche Trennhilfe zwischen den als flüssige Lautfolge kaum aussprechbaren Buchstaben „TC“ anbietet. Dies wird jedenfalls für einen zumindest nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs gelten.
Aus ähnlichen Gründen wird dieser Teil des Verkehrs auch die Widerspruchsmarke „TCard“ bei der Aussprache in den Buchstaben „T“ und das nachfolgende Wort „Card“ trennen und die Marke wie „te-kard“ aussprechen. Dies ist neben der einfacheren Aussprechbarkeit und der Bekanntheit des Begriffs „Card“ auch schon durch die Großschreibung des zweiten Buchstabens „C“ nahe gelegt, der zu einem Verständnis und zu einer Aussprache des Markenteils „Card“ als flüssig aussprechbares Wort einlädt.
Werden die Marken also von einem zumindest nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs wie „te-kaa“ und „te-kaad“ ausgesprochen, so kann die Gefahr klanglicher Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden. Denn insoweit sind die Marken nach den Kriterien der klanglichen Ähnlichkeit (Vokalfolge, Silbengliederung, Wortanfänge, Betonung, Sprechrhythmus) identisch und unterscheiden sich nur durch den stimmlosen und an dieser Stelle wenig artikuliert ausgesprochenen Schlusslaut „d“ der Widerspruchsmarke. Insoweit besteht eine hochgradige klangliche Ähnlichkeit der Marken.
Der gegenteiligen Auffassung der Markenstelle, die bei dieser Art der Aussprache entscheidungserheblich darauf abgestellt hat, ob die Marken durch einen ihrer Bestandteile geprägt werden (vgl. Seite 5 f. des Beschlusses des Erstprüfers vom 8. September 2004), kann nicht gefolgt werden. Vorliegend ergibt sich die Ähnlichkeit der Marken bereits aus dem Vergleich der Marken in ihrer Gesamtheit, der vorrangig zu prüfen ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdn. 246). Auf die Frage, ob der Gesamteindruck der Marken durch einen und ggf. welchen ihrer Bestandteile geprägt wird, kommt es dann nicht mehr an.
Die oben festgestellte klangliche Ähnlichkeit wird ergänzt durch eine nicht unbeträchtliche schriftbildliche Ähnlichkeit der Marken. Dabei sind alle verkehrsüblichen Wiedergabeformen zu berücksichtigen, so dass auch eine Schreibweise der Marken durchgehend in Großbuchstaben zu berücksichtigen ist (also „TCAR“ und „TCARD“). Selbst wenn die jeweils letzten Bestandteile der Marken „CAR“ bzw. „car“ und „Card“ bzw. „CARD“ eine gewisse begriffliche Unterscheidungshilfe bieten sollten, so kann diese angesichts der oben dargelegten engen klanglichen und schriftbildlichen Annäherungen der Marken eine Verwechslungsgefahr nicht mehr neutralisieren.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
2. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.