Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.11.2011


BPatG 15.11.2011 - 33 W (pat) 12/10

Markenbeschwerdeverfahren – "GLAS MAN® Sofort Glasservice (Wort-Bild-Marke)/GLAS-MA (Gemeinschaftsmarke)" – Dienstleistungsidentität - zur Kennzeichnungskraft - keine Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
15.11.2011
Aktenzeichen:
33 W (pat) 12/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 71 203

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender, der Richterin Dr. Hoppe und des Richters Kätker

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der farbigen Wort-/Bildmarke 307 71 203

Abbildung

2

für

3

Klasse 37: Ausführungen von Glasreparaturen (Glaserarbeiten);

4

Klasse 40: Materialbearbeitung

5

ist Widerspruch erhoben worden aus der Gemeinschaftsmarke EM 4 807 681

6

GLAS-MA

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für

8

Klasse 19: Glas, ausgenommen Glas für Fahrzeugscheiben, auch aus Kunststoffen wie Acrylglas oder aus Polycarbonat, insbesondere für Bauzwecke; Sicherheitsglas; Isolierglas für Bauzwecke; Fensterscheiben für Bauzwecke; Brandsicherheitsgläser; ESG-Gläser; alle vorgenannten Waren jeweils auch oberflächenbehandelt, insbesondere beschichtet;

9

Klasse 37: Lackierarbeiten, Malerarbeiten, Auskünfte in Bauangelegenheiten, Dämmungsarbeiten an Gebäuden, Glaserarbeiten;

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Klasse 40: Materialbearbeitung; Oberflächenbearbeitung von Gläsern, insbesondere Oberflächenbeschichtung; Entfernen von Oberflächenbeschichtungen von Gläsern; Glaspolieren, Glasätzen, Glasfärben oder Glasmattieren.

11

Mit Beschluss vom 24. Juni 2009 hat die Markenstelle für Klasse 37 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle besteht keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Trotz identischer Dienstleistungen halte die angegriffene Marke einen noch ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke ein. In ihrer Gesamtheit seien die Marken ohne weiteres voneinander zu unterscheiden. Zwar komme dem größenmäßig herausgestellten Wortbestandteil "GLAS MAN" eine den klanglichen Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende bzw. selbstständig kollisionsbegründende Wirkung zu, da der weitere Wortbestandteil "Sofort Glasservice" glatt beschreibend sei. Rein klanglich könne man daher die Wortkombinationen "GLAS-MAN" und "GLAS-MA" miteinander vergleichen, wobei diese in dem - allerdings beschreibenden - Wort "GLAS" übereinstimmten. Dennoch seien diese Wortbestandteile ausreichend sicher zu unterscheiden, da die abweichenden Sinngehalte, nämlich "Glas-Mann" und "Glas- Mutti", ein sicheres Auseinanderhalten der Marken gewährleisteten.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Zur Begründung führt er aus, dass die wesentliche Argumentation der Markenstelle, wonach die begriffliche Unterscheidbarkeit der Marken i. S. v. "GLAS-MANN" und "GLAS-MA(MA)" eine Verwechslungsgefahr ausräume, nicht tragfähig sei. Die Assoziation der Widerspruchsmarke mit "GLAS-MAMA" sei abwegig, da es keine "GLAS-MAMA" gebe und das Wort "MA" für "Mutter" oder "Mutti" in Deutschland ungewöhnlich sei. Vielmehr sei die Widerspruchsmarke in Anlehnung an den Begriff "Glas-Mattierung" kreiert worden.

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Doch selbst wenn man die Marken als begrifflich entfernt ansehe, so kämen sie sich wegen des klangschwachen Buchstabens "n" im Bestandteil "GLAS MAN" der angegriffenen Marke klanglich und schriftbildlich sehr nahe. Dabei könne auch die gelegentlich erfolgende Aussprache von "MAN" mit "ä" eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht ausräumen, zumal auch der Begriff "man" in der deutschen Sprache sehr üblich sei.

14

Der Widersprechende beantragt sinngemäß,

15

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

16

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle hat er vorgetragen, dass sich das Wort "MAN" in seiner Marke auf den Bildbestandteil beziehe und daher englisch ausgesprochen werde. Im Übrigen bezögen sich die Wort-/Bildbestandteile seiner Marke eindeutig auf Sofortglasservice (Lieferung und Montage von Fenstern und Glas bzw. Folien), nicht aber auf "MA" (Mattierungen, Markierungen), wie es das Logo der Firma des Widersprechenden bezeichne.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

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Die zulässige Beschwerde des Widersprechenden ist nicht begründet. Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu Recht verneint.

19

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 05, 1042, Rdn. 28 - THOMSON LIFE; GRUR 2008, 343, Nr. 33 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM ("BAINBRIDGE"), jew. m. w. N.).

20

Insbesondere bestimmt sich die Verwechslungsgefahr anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 544, 545 - BANK 24 m. w. N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).

21

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist in ihrer Gesamtheit als normal anzusehen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst festgestellt worden, dass der sich an das (für sich genommen schutzunfähige) Wort "GLAS" anschließende Markenbestandteil "MA" eine gängige Fachabkürzung für "Mattierung" oder ein sonstiger Fachbegriff aus dem Bereich der Glaserarbeiten und der Materialbeschichtung ist.

22

b) Die für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen "Ausführungen von Glasreparaturen (Glaserarbeiten); Materialbearbeitung" sind mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen "Glaserarbeiten; Materialbearbeitung" identisch.

23

c)  Den danach erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke jedoch noch ein.

24

In ihrer Gesamtheit lassen sich die Marken in jeder Hinsicht deutlich voneinander unterscheiden, da die angegriffene Marke nicht nur über einen zusätzlichen Bildbestandteil verfügt, sondern auch über eine weitere Wortkombination ("Sofort Glasservice"), die die Gesamtlänge aller Wortbestandteile gegenüber der Widerspruchsmarke mehr als verdoppelt. Schon von daher sind Verwechslungen ausgeschlossen, wenn man die Marken in ihrer Gesamtheit vergleicht.

25

Eine Verwechslungsgefahr besteht jedoch auch nicht, wenn man mit dem Widersprechenden davon ausgeht, dass der klangliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den obenstehenden und (auch nach seiner Größe und grafischen Ausgestaltung) optisch hervorgehobenen Wortbestandteil "GLAS MAN" allein geprägt wird und sich somit die Wortkombinationen "GLAS MAN" und "GLAS-MA" gegenüberstehen. Soweit diese beiden Wortkombinationen jeweils den Bestandteil "GLAS" identisch aufweisen, ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine glatt beschreibende und damit schutzunfähige Angabe über das bearbeitete Material handelt. Diese Übereinstimmung kann daher im markenrechtlichen Vergleich aus Rechtsgründen nur von nachrangiger Bedeutung sein.

26

Zwar weisen auch die Bestandteile "MAN" und "MA" erhebliche Übereinstimmungen auf, allerdings wird der Bestandteil "MAN" in der angegriffenen Marke vom Verkehr schon wegen des an Comics erinnernden Bildbestandteils und im Hinblick auf die allgemeine Bekanntheit verschiedener Comic-Superhelden (z. B. Superman, Batman, Spiderman) vom Verkehr ohne weiteres als das englische Wort für "Mann" erkannt und dementsprechend englisch ("män") ausgesprochen.

27

Hingegen ist, was auch der Widersprechende vorgetragen hat, der Markenbestandteil "MA" der Widerspruchsmarke in Deutschland nicht als Kurzform für "Mama" oder "Mutti" bekannt. Im Zusammenhang mit Glaserarbeiten und Materialbearbeitung hat der Verkehrsteilnehmer, selbst wenn er über gute Englischkenntnisse verfügt, ohne weitere Anhaltspunkte auch keinen Anlass, das dem Wort "GLAS" mit einem Bindestrich nachgestellte Markenelement "MA" im Sinne von "Mutter" zu verstehen. Er wird es daher deutsch ("ma") aussprechen. Für einen Teil der Verkehrskreise mag auch eine Aussprache als Buchstabenkombination (gesprochen: "em-a") in Betracht kommen.

28

Infolge der dadurch bedingten unterschiedlichen Aussprachen ("män" gegenüber "ma" bzw. "em-a") lassen sich die Wörter "MAN" und "MA", auf denen der kennzeichnende Schwerpunkt liegt, noch deutlich auseinander halten. Dabei erleichtert der bei der angegriffenen Marke nahe gelegte Bedeutungsgehalt i. S. v. "Mann" auch in klanglicher Hinsicht die Unterscheidbarkeit und bedingt eine geänderte und deutliche Aussprache der von "MA" abweichenden Laute "A" (gesprochen als "ä") und "N" in der angegriffenen Marke. Solche Begriffsinhalte, auch wenn sie nur bei einem der Zeichen festzustellen sind, vermögen die Unterscheidbarkeit zu erleichtern, u. U. sogar zu neutralisieren (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 36, 41 - ZIHR/SIR).

29

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Dienstleistungen vom angesprochenen Verkehr nicht alltäglich nachgefragt, sondern regelmäßig erst nach einer Suche nach geeigneten Handwerkern in Anspruch genommen werden. Dementsprechend begegnet der Verkehr den Kennzeichnungen mit erhöhter Aufmerksamkeit, so dass die zwischen den Marken vorhandenen Unterschiede leichter bemerkt werden.

30

Insgesamt vermag der Senat unter diesen Umständen keine Verwechslungsgefahr festzustellen, so dass die Beschwerde des Widersprechenden nicht begründet ist.

31

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, einem der Verfahrensbeteiligten aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.