Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.05.2012


BPatG 10.05.2012 - 30 W (pat) 98/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Actrice Escort" – teilweise fehlende Unterscheidungskraft –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
10.05.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 98/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 002 295.7

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. Mai 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. September 2010 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für die Dienstleistungen

"Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten"

zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

 I.   

1

Die Bezeichnung

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Actrice Escort

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ist als Marke für die Dienstleistungen

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"Klasse 35:  Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Mannequindienste für Werbe- und verkaufsfördernde Zwecke; Online Werbung in einem Computernetzwerk; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations);

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Klasse 39: Reisebegleitung;

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Klasse 41: Dienste von Unterhaltungskünstlern; Partyplanung (Unterhaltung); Betrieb einer Modellagentur für Künstler; Fotografieren und Aufzeichnung von Videobändern von Models; Dienstleistungen bzgl. Freizeitgestaltung; Information in Bezug auf Erziehung und Bildung, Ausbildung, Unterhaltung, Freizeit, Sport und Publizieren; Veranstaltung von Unterhaltungsshows, Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Anfertigung von Übersetzungen;

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Klasse 45: Dienstleistungen einer Agentur für gesellschaftliche Begleitung; Vermittlung von Bekanntschaften; persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; Sicherheitsbegleitung (Eskorte)“

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zur Eintragung in das Register angemeldet.

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Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach vorangegangener Beanstandung die Anmeldung mit Beschluss vom 29. September 2010 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die beanspruchte Bezeichnung setze sich aus dem französischen Wort "actrice" für "Schauspielerin" und dem englischen "escort" für "Begleitperson, Begleitung, Geleit, Eskorte" zusammen und werde vom Verkehr ohne Schwierigkeiten im Sinne von "Darstellerin/Schauspielerin als Begleitperson/Eskorte" bzw. "Begleitung für Schauspielerinnen" verstanden. Die angemeldete Marke erschöpfe sich insoweit einer beschreibenden Angabe dahingehend, dass die von ihr erfassten Dienstleistungen von Schauspielerinnen bzw. von weiblichen Personen erbracht würden, die wie eine Schauspielerin in die jeweils gewünschten Rollen, je nach gesellschaftlichem Anlass und Kundenwunsch, schlüpften.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem (sinngemäßen) Antrag,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

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Sie ist der Ansicht, die Entscheidung der Markenstelle gehe von falschen Voraussetzungen aus. Zwar werde "Escort" als Hinweis auf eine Escort-Agentur verstanden. Der dem Französischen entnommene Begriff "Actrice" sei dem deutschen Verkehr indessen nicht bekannt und verständlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg. Mit Ausnahme der im Tenor genannten Dienstleistungen hat die Markenstelle die Anmeldung zutreffend wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden (Waren und) Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BioID; EuGH a. a. O. Nr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten (Waren oder) Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen (Waren oder) Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153  - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Nr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen kann der Bezeichnung "Actrice Escort" die erforderliche (geringe) Unterscheidungskraft für einen Großteil der beanspruchten Dienstleistungen nicht zuerkannt werden. Dass der Zeichenteil "Escort" lediglich einen Begleitservice beschreibt, ist offensichtlich und wird auch von der Anmelderin nicht in Abrede gestellt. Zutreffend ist die Markenstelle weiter davon ausgegangen, dass der angesprochene Verkehr das Zeichenwort "Actrice" im Sinne von "Schauspielerin" versteht. Es handelt sich um ein Wort der französischen Sprache, die an vielen weiterbildenden Schulen gelehrt wird. Jedenfalls diejenigen, nicht unerheblichen Verkehrskreise, die über Grundkenntnisse des Französischen verfügen, verstehen den Begriff somit ohne weiteres. Aber auch der Teil des Verkehrs, der des Französischen an sich nicht mächtig ist, kann den Begriff "Actrice" wegen der Nähe zum englischen "actress" ohne größere Schwierigkeiten in zutreffendem Sinne richtig erfassen, und sei es nur deswegen, weil er "Actrice" fälschlich als englisches Wort auffasst. Insoweit ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass bei der markenrechtlichen Beurteilung vom Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist. Dessen Fähigkeiten dürfen daher nicht zu niedrig angesetzt werden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 30 m. w. N.).

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Der Markenstelle ist daher darin beizupflichten, dass der Verkehr die Bezeichnung "Actrice Escort" im Sinne eines Begleitservices verstehen wird, der von Schauspielerinnen bzw. von Frauen erbracht wird, die wie Schauspielerinnen in die jeweils verlangte Rolle schlüpfen. Mit dieser Bedeutung erschöpft sich die beanspruchte Marke in einer allgemein anpreisenden Beschreibung der Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 45, die zum üblichen Leistungsspektrum einer Escort-Agentur gehören. Aber auch im Hinblick auf die in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen "Werbung; Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Mannequindienste für Werbe- und verkaufsfördernde Zwecke; Online Werbung in einem Computernetzwerk; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations)" liegt lediglich ein beschreibender Sinngehalt vor. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass ein Escortservice die bei ihm beschäftigten Damen Dritten für Werbezwecke und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stellt.

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Lediglich im Hinblick auf die außerdem beanspruchten Dienstleistungen "Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten" liegt ein beschreibender Aussagegehalt von "Actrice Escort" fern. Für derartige Dienstleistungen werden keine Schauspielerinnen benötigt, sondern Leute, die es können. In diesem Umfang war der Beschwerde daher der Erfolg nicht zu versagen.