Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.06.2013


BPatG 06.06.2013 - 30 W (pat) 93/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Q GUARD (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
06.06.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 93/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 035 278.7

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. März 2011 und vom 2. August 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wort-/Bildmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register ist angemeldet

Abbildung

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2

für die Waren

3

"Regel- und Steuerschaltungen für Fremdstromanoden für den kathodischen Korrosionsschutz, insbesondere Potentiostaten; Fremdstromanoden für den kathodischen Korrosionsschutz".

4

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Eintragung durch Beschluss vom 16. März 2011 versagt, weil die beanspruchte Marke als beschreibende Angabe jeder Unterscheidungskraft entbehre. Der Buchstabe "Q" stehe für das Substantiv "quality-Qualität" und der englische Begriff "guard" sei neben seiner allgemeinen deutschen Bedeutung ("schützen, sichern, überwachen" bzw. "Hüter, Beschützer") im Bereich der Technik die Bezeichnung für eine Schutzvorrichtung. Bei den beanspruchten Waren für den kathodischen Korrosionsschutz sei von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Schutzanode ihre Funktion in qualitativer Hinsicht noch erfüllen könne oder ob sie sich schon "aufgezehrt" habe und ersetzt werden müsse. Bei den zur Qualitätsüberwachung im kathodischen Korrosionsschutz einsetzbaren Waren weise "QGUARD" auf deren Bestimmung bzw. Verwendungszweck hin. Die werbeübliche grafische Gestaltung sei nicht geeignet, den Schutz zu begründen. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle durch Beschluss vom 2. August 2011 zurückgewiesen.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat darauf verwiesen, dass der Buchstabe "Q" nicht die allgemein anerkannte Abkürzung für "Qualität" sei und mit näheren Einzelheiten weiter ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei für die beanspruchten Waren nicht beschreibend, da es weder um Qualität noch um Überwachung gehe. Es handele sich um Fremdstromanoden, die im Gegensatz zu Opferanoden nicht verbraucht würden. Vielmehr werde eine Gleichspannung zwischen dem korrosionsgefährdeten Objekt und der Fremdstromanode angelegt, wofür eine Regel- oder Steuerung erforderlich sei, nicht aber Qualitätsschutz und Überwachung, wie etwa bei der sich verbrauchenden Opferanode. Die hier maßgeblichen Verkehrskreise würden der Wortneuschöpfung "QGUARD" keinen beschreibenden Begriffsgehalt zuordnen. Jedenfalls sei aber die besondere grafische Ausgestaltung schutzbegründend.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. März 2011 und 2. August 2011 aufzuheben.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

9

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass die angemeldete Marke jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entbehrt.

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Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren (und Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (und Dienstleistungen) zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BiolD; EuGH a. a. O. - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 – STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen), andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Hierbei ist auf die Wahrnehmung des Handels sowie des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren (oder Dienstleistungen) abzustellen (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortzeichen bzw. die Wortbestandteile von Wort-/Bildzeichen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link Economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Nr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen kann dem beanspruchten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

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Zwar bezeichnet das in der Marke enthaltene, englische Wort "guard" auf technischem Gebiet eine Schutzeinrichtung (vgl. z. B. Richter, Technisches Wörterbuch, Englisch-Deutsch, 3. Aufl., S. 276). Aber dem weiteren Markenbestandteil, dem Buchstaben "Q", kann weder allein, noch in der konkreten Verbindung mit dem angefügten Wort "GUARD" ein Sachhinweis für die hier beanspruchten Waren betreffend Fremdstromanoden für den kathodischen Korrosionsschutz zugeordnet werden. So konnte der Senat bei seinen Recherchen schon nicht feststellen, dass der Buchstabe "Q" im Bereich der Technik oder in Bezug auf Fremdstromanoden eine Sachangabe verkörpert oder sonst im Verkehr als Fachabkürzung zur Merkmalsbeschreibung solcher Produkte verwendet wird. Dahingehende Feststellungen hat auch die Markenstelle nicht getroffen. Soweit sie darauf abgestellt hat, dass "Q" als Hinweis auf "Qualität" zu verstehen sei, tragen die von ihr ermittelten Fundstellen diese Feststellung nicht. Zwar enthalten diese den Einzelbuchstaben "Q", jedoch wird dessen Bedeutung durchweg mit dem Hinweis auf "Qualität" erläutert, z. B. in der Angabe "Q wie Qualität" oder "Q" – Qualität durch Fortbildung" (vgl. Anlagen zum Beanstandungsbescheid vom 23. September 2010) sowie in den im Erstbeschluss genannten Kombinationen wie z. B. "Qualitätsgruppe – QG" oder "Qualitätssiegel – QS"; eine nicht erläuterte Verwendung des Buchstabens "Q" anstelle des Wortes "Qualität" isoliert oder in Wortverbindungen (z.B. "Wir müssen unser Q verbessern") ist sonach nicht belegt. Der dem Wort "GUARD" vorangestellte Buchstabe "Q" ergibt damit keinen ohne weiteres verständlichen, klaren und unmissverständlichen Hinweis auf "Qualität". Schon von daher lässt sich das fehlen jeglicher Unterscheidungskraft der Gesamtbezeichnung "QGUARD" nicht feststellen.

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Aber auch mit der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung der Gesamtbezeichnung "QGUARD" Q im Sinne von "Qualitätsschutzvorrichtung" ergeben sich keine sachlichen Bezüge bezüglich der hier beanspruchten Waren. Die zur Begründung herangezogene Erwägung der Überwachung der Funktion der aufzehrbaren Schutzanode in qualitativer Hinsicht trifft für die hier maßgeblichen Waren in der Sache nicht zu. Wie dem Warenverzeichnis zu entnehmen, geht es um Fremdstromanoden für den kathodischen Korrosionsschutz. Dabei werden Bauwerke, Rohre oder Behälter aus Metall mit elektrischem Strom vor Korrosion geschützt. Wie die Anmelderin im Beschwerdeverfahren belegt hat, ist Korrosion ein elektrolytischer Vorgang mit elektrischem Ladungstransport. Durch das Anlegen einer dem Korrosionspotential entgegengesetzt gepolten elektrischen Spannung zwischen dem korrosionsgefährdeten Material und der Fremdstromanode kann der korrosive Materialabtrag wirksam unterbunden werden. Dabei findet an der Anode – im Gegensatz zur sogenannten Opferanode – kein Materialabtrag statt. Fremdstromanlagen werden mit Gleichspannung betrieben, die am Netzteil eingestellt wird. Entgegen der Auffassung der Markenstelle gibt es bei dieser Methode des Korrosionsschutzes durch gleichmäßig fließende kleine Ströme keinen "Verbrauch", der – wie bei der Opferanode – der Überwachung für Qualitätsschutz bedarf.

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Mit "QGUARD" werden nach alledem weder Merkmale der Waren beschrieben noch ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt.

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Ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG scheidet im Hinblick auf die graphische Ausgestaltung der angemeldeten Marke ohnehin aus.

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Die Beschwerde hat daher Erfolg.