Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.04.2011


BPatG 07.04.2011 - 30 W (pat) 88/09

Markenbeschwerdeverfahren – "signals for motion" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
07.04.2011
Aktenzeichen:
30 W (pat) 88/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 306 26 055.7

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. April 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Bayer

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Die Bezeichnung

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signals for motion

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ist u. a. für die Waren und Dienstleistungen

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„Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Apparate und Instrumente; alle der vorgenannten Waren nicht im Zusammenhang mit Zahnwurzel- und Zahnfleischbehandlungen und Gentests zur Periodontitisanfälligkeit; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse; alle der vorgenannten Waren nicht im Zusammenhang mit Zahnwurzel- und Zahnfleischbehandlungen und Gentests zur Periodontitisanfälligkeit; (zahn-)medizinische Dienstleistungen; Betreiben von Behandlungszentren; Vermietung von chirurgischen, ärztlichen, zahn- und tierärztlichen Apparaten und Instrumenten; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; sämtliche vorgenannte Dienstleistungen nicht im Zusammenhang mit Zahnwurzel- und Zahnfleischbehandlungen und Gentests zur Periodontitisanfälligkeit“

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zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

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Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des DPMA vom 16. Oktober 2006 wurde die Anmeldung zunächst von einem Prüfer des gehobenen Dienstes gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in vollem Umfang zurückgewiesen.

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Die dagegen eingelegte Erinnerung hat ein Prüfer des höheren Dienstes mit Beschluss vom 20. Mai 2009 hinsichtlich der oben aufgeführten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen.

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Bei dem angemeldeten Zeichen handle es sich um eine sprachregelgerecht gebildete Wortfolge im Stil eines Werbeslogans. Die Bezeichnung habe die erkennbare Bedeutung „Signale für Bewegung“. Im hier maßgeblichen medizinischen Bereich fänden Signale und Reize bei verschiedensten Therapieformen Anwendung, die insbesondere auf den Bewegungsapparat bezogen seien. Diesen Therapieformen sei gemein, dass hierbei magnetische oder elektrische Signale eingesetzt würden, um gezielt Teile des Bewegungsapparats zu behandeln. Die angemeldete Bezeichnung weise schlagwortartig werbend auf den Zweck oder Gegenstand der Waren und Dienstleistungen hin, wobei sämtliche genannten Waren und Dienstleistungen einen engen sachlichen Bezug zu derartigen Signalen aufweisen könnten. Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Apparate und Instrumente könnten Signale erzeugen und abgeben und zu Therapiezwecken des Bewegungsapparates zur Steigerung der Beweglichkeit eingesetzt werden. Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate) und Druckereierzeugnisse könnten sich mit derartigen Therapieanwendungen befassen bzw. diese zum Gegenstand haben. Bei (zahn-)medizinischen Dienstleistungen und Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen könnten derartige Signale und Therapieformen eingesetzt werden. Das Betreiben von Behandlungszentren kann Behandlungszentren mit derartigen Signaltherapiegeräten betreffen. Auch Vermietung von chirurgischen, ärztlichen, zahn- und tierärztlichen Apparaten und Instrumenten könne derartige Geräte zum Gegenstand haben. Der Umstand, dass es sich bei der Wortfolge um einen sehr weit gefassten und inhaltlich nicht eindeutig und abschließend definierten Begriff handle, führe nicht zur Annahme von Unterscheidungskraft.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag (sinngemäß),

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2006 und vom 20. Mai 2009 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

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Die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft einer sloganartigen Wortfolge dürften keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei anderen Wortmarken. Indizien für die konkrete Unterscheidungskraft einer Wortfolge seien deren Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz sowie deren Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit. Jedenfalls ein Teil der Waren und Dienstleistungen richte sich nicht nur an das Fachpublikum, sondern an Verbraucher, die die Wortfolge nicht mit „Signale für die Bewegung“ übersetzten. Selbst wenn man die Wortfolge mit „Signale für die Bewegung“ übersetzen würde, folge daraus nicht, dass die Wortfolge als eine im Vordergrund stehende werbende Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen anzusehen sei. Maßgeblich sei, ob das Zeichen in einer branchenüblichen Art als Herkunftshinweis eingesetzt werden könne. In dem hier maßgeblichen medizinischen Bereich bestünden Einsatzformen für das angemeldete Zeichen als Herkunftshinweis für Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse und das Betreiben von Behandlungszentren, welche nicht vordergründig mit Signalen und Reizen für die Bewegung in Zusammenhang stünden. Auch für die übrigen angemeldeten Waren und Dienstleistungen sei die Wortfolge nicht als eine im Vordergrund stehende werbende Beschreibung anzusehen. Die Wortfolge und ihre deutsche Übersetzung seien diffus und interpretationsbedürftig. Aufgrund dessen werde der Verkehr das Zeichen als einen Herkunftshinweis eines bestimmten Unternehmens erkennen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.

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Beschwerdeführerin ist die B… GmbH, der gegenüber die Beschlüsse erlassen wurden. Da vorliegend von keinem Rechtsübergang auf die G… SAS ausgegangen werden kann, denn diese hat weder einen Umschreibungsantrag gestellt noch eine Rechtsnachfolge nachgewiesen, ist auch die Rücknahme der Erinnerung und der Anmeldung unbeachtlich, welche mit Schreiben vom 19. November 2007 von den als Vertreter der G… SAS aufgetretenen Rechtsanwälten erklärte wurde.

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Die angemeldete Wortmarke ist für die oben aufgeführten Waren und Dienstleistungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, denn ihr fehlt hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR Int. 2005, 135, Nr. 29 - Maglite; BGH GRUR 2009, 411, Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 952, Nr. 9 - DeutschlandCard). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist im Hinblick auf jede der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, wobei es auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise ankommt. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 53, 81, 83 m. w. N.).

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Die angemeldete Bezeichnung weist zu den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen einen engen beschreibenden Bezug auf, der von maßgeblichen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt wird und dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Herkunftshinweis auf einen bestimmten Betrieb aufgefasst wird.

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Die angemeldeten Waren und Dienstleistungen richten sich maßgeblich zumindest auch an den Fachverkehr. Dies gilt insbesondere für „chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Apparate und Instrumente“ und „Vermietung von chirurgischen, ärztlichen, zahn- und tierärztlichen Apparaten und Instrumenten“. Unter die Oberbegriffe „Lehr- und Unterrichtsmaterial, Druckereierzeugnisse“ fallen auch solche Produkte, die sich nur an den Fachverkehr wenden (z. B. Fachliteratur). Bei (zahn-)medizinischen Dienstleistungen, beim Betreiben von Behandlungszentren und der Gesundheits- und Schönheitspflege ist der Fachverkehr, auch soweit diese Dienstleistungen von allgemeinen Verkehrskreisen in Anspruch genommen werden, maßgeblich involviert, etwa wenn es hierbei um zu beachtende Gesundheitsaspekte geht.

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Der Fachverkehr wird die Bezeichnung „signals for motion“ ohne weiteres mit „Signale für Bewegung“ übersetzen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass auch die allgemeinen Verkehrskreise zu einem großen Teil den Ausdruck verstehen, da er aus einfachen englischen Wörtern sprachregelgerecht gebildet ist und die allgemeinen Verkehrskreise häufig zumindest Grundkenntnisse der englischen Sprache haben.

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Soweit die Beschwerdeführerin im Erinnerungsverfahren eine Google-Recherche eingereicht hat, aus der ihrer Ansicht nach hervorgehe, dass „motion“ stets in Verbindung mit einem weiteren Wort stehe, das den drei Wörtern „signals for motion“ überhaupt erst einen Sinn verleihe, wie z. B. signals for motion estimation, signals for motion discontinuity localisation, signals for motion-in-depth, signals for motion-tracked binaural sound, signals for motion prediction, signals for motion detection, signals for motion computation, spricht dies entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht für die Schutzfähigkeit der vorliegenden Bezeichnung. Die von der Anmelderin genannten Ausdrücke kann man zwar nicht alle mit dem Ausdruck „signals for motion“ zusammenfassen, da dies den Sinn einiger Ausdrücke verfälschen würde. Dies bedeutet aber nicht, dass der Ausdruck „signals for motion“ keinen Sinn hat und vom Verkehr nicht verstanden würde.

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Wie bereits die Markenstelle ausgeführt hat, gibt es verschiedene Therapieformen, bei denen magnetische oder elektrische Signale eingesetzt werden, um gezielt Teile des Bewegungsapparats zu behandeln und die Beweglichkeit zu fördern. Der Verkehr wird die Bezeichnung daher lediglich als Hinweis darauf sehen, dass Signale für die Bewegung verwendet werden.

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In Bezug auf „chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Apparate und Instrumente“ weist die Bezeichnung darauf hin, dass Signale zur Therapie des Bewegungsapparates und zur Steigerung der Beweglichkeit eingesetzt werden können. Für „Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate) und Druckereierzeugnisse“ ist die Bezeichnung ein Hinweis auf das Thema und den Inhalt, da Signale für die Bewegung als Therapieanwendungen das Thema oder den Gegenstand dieser Waren bilden können. Bei (zahn-)medizinischen Dienstleistungen und Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen können derartige Signale und Therapieformen ebenfalls eingesetzt werden, so dass die Bezeichnung ein Merkmal dieser Dienstleistungen beschreiben kann. Auch in Behandlungszentren können derartigen Signaltherapien und -geräte eingesetzt werden. Die „Vermietung von chirurgischen, ärztlichen, zahn- und tierärztlichen Apparaten und Instrumenten“ kann derartige Geräte zum Gegenstand haben.

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Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, in dem hier maßgeblichen medizinischen Bereich bestünden Einsatzformen für das angemeldete Zeichen als Herkunftshinweis für „Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse“ und „Betreiben von Behandlungszentren“, welche nicht vordergründig mit Signalen und Reizen für die Bewegung in Zusammenhang stünden, ist zu berücksichtigen, dass einem Zeichen schon dann für einen Waren/Dienstleistungsbegriff die Unterscheidungskraft fehlt, wenn unter diesen Begriff Waren oder Dienstleistungen fallen, für die ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG besteht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 8 Rdn. 65).

24

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, die angesprochenen Verkehrskreise könnten die Wortfolge nur nach einer eingehenden Analyse bzw. aufgrund eingehenden Nachdenkens als eine die Ware bzw. Dienstleistung beschreibende Angabe verstehen und sie sei diffus und interpretationsbedürftig (Was bewegt sich? Woher kommen die Signale? Um welche Signale handelt es sich? Dienen die Signale der Bewegung? Werden Signale erzeugt um Bewegung zu ermöglichen? Bewirken die Signale die Bewegung? usw.), vermag nicht zu überzeugen. Allein der Umstand, dass eine Angabe einen sehr allgemeinen Inhalt aufweist und je nach Produkt auf ganz unterschiedliche Weise in beschreibendem Sinne verstanden werden kann, macht die Angabe noch nicht diffus und interpretationsbedürftig. Die vorliegende Wortfolge sagt eindeutig, dass es um Signale für die Bewegung geht. Wie bereits ausgeführt, besteht bei den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen (potentiell) ein enger sachlicher Bezug zu Signalen für Bewegung, da damit der Gegenstand und/oder Inhalt der Waren und Dienstleistungen bezeichnet werden kann, wo solche Signale eine Rolle z. B. als Therapieform spielen können. Eine solche Sachangabe wird nicht dadurch diffus und interpretationsbedürftig, dass die konkrete Wirkungsweise oder die Art dieser Signale nicht näher angegeben wird. Die von der Beschwerdeführerin aufgeführten Fragen (Was bewegt sich? Woher kommen die Signale? usw.) zeigen nicht, dass die Bezeichnung selbst diffus und interpretationsbedürftig ist, sondern nur, dass sie keine allumfassende Beschreibung der Therapie, ihrer Anwendungsmöglichkeiten und der Geräte darstellt.

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Die Ansicht der Beschwerdeführerin, die vorliegende Bezeichnung sei vergleichbar mit „Partner with the Best“ (BGH GRUR 2000, 323) und „Radio von hier, Radio wie wir“ (BGH GRUR 2000, 321), Wortfolgen, bei denen der BGH die Unterscheidungskraft bejaht habe, teilt der Senat nicht. Der angemeldete Ausdruck weist ausschließlich eine Sachaussage auf, nämlich dass es um Signale für die Bewegung geht. Die Ausdrücke „Partner with the Best“ und „Radio von hier, Radio wie wir“ sind dagegen nicht rein auf die Sache bezogen, so dass der jeweilige Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Im Übrigen führen Voreintragungen weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 8 Rdn. 26).