Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.12.2012


BPatG 06.12.2012 - 30 W (pat) 87/11

Markenbeschwerdeverfahren – "MEDICAL SUN" – fehlende Unterscheidungskraft –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
06.12.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 87/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 028 861.2

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde und der Antrag auf Rückzahlung der Erinnerungs- und der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet ist das Zeichen

2

MEDICAL SUN

3

für folgende Dienstleistungen der Klassen 35, 42 und 44:

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„Dienstleistungen und Beratung im Bereich Qualitätsmanagement; Zertifizierungen; Verleihen von Siegeln nach Qualitätsprüfung; Qualitätsprüfung und -sicherung durch Durchführung von Qualitätskontrollen im Hinblick auf zertifizierte Dienstleistungen; Betrieb von Solarien.“

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Markenanmeldung nach Beanstandung vom 14. Juni 2010 mit Beschluss vom 29. Juli 2010 zurückgewiesen. Das Zeichen „MEDICAL SUN“ sei sprachüblich aus dem Verkehr bekannten englischen Worten gebildet; es werde im Sinne von „medizinische Sonne“ bzw. „medizinisch wirkende Sonne“ und deshalb als beschreibende Sachaussage hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen aufgefasst, zumal es nachweislich medizinische Sonnenstudios gebe. Ihm fehle deshalb die erforderliche Unterscheidungskraft. Dies gelte unmittelbar für die Dienstleistungen der Klasse 44 und ebenso für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42, weil diese sich auf medizinische Solarien beziehen könnten. Das Zeichen stelle zudem für alle beanspruchten Dienstleistungen eine freihaltungsbedürftige, beschreibende Sachangabe dar, die sich dem maßgeblichen Verkehr unmittelbar und ohne weitere Gedankengänge erschließe.

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Der Anmelder hat Erinnerung eingelegt und u. a. die Rückzahlung der Erinnerungsgebühr beantragt. Die Markenstelle habe u. a. deswegen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, weil die Beanstandung nur die Dienstleistungen der Klasse 44 betroffen habe.

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Die Erinnerung ist insgesamt - im Wesentlichen aus den Gründen des Erstbeschlusses - erfolglos geblieben (Beschluss vom 16. Juni 2011). Eine Rückzahlung der Erinnerungsgebühr komme nicht in Betracht. Ob ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliege, sei zweifelhaft. Jedenfalls aber habe sich ein etwaiger Verstoß nicht auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit der Begründung, das Zeichen „MEDICAL SUN“ habe in Bezug auf den Betrieb von Solarien einen unscharfen Bedeutungsgehalt und sei deshalb unklar. Für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 habe es keine beschreibende Bedeutung. Darüber hinaus habe auch der Erinnerungsprüfer gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen.

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Der Anmelder beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 2010 und vom 16. Juni 2011 aufzuheben und die Rückzahlung der Erinnerungs- und der Beschwerdegebühr anzuordnen;

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hilfsweise beschränkt er das Dienstleistungsverzeichnis auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 42;

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hilfsweise hierzu beansprucht er nur noch folgende Dienstleistungen der Klassen 35 und 42:

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„Dienstleistungen und Beratung im Bereich Qualitätsmanagement bei der Herstellung von Sonnenbrillen, Bekleidung, Kosmetika und Pharmazeutika; Dienstleistungen und Beratung im Bereich Qualitätsmanagement bei Friseuren zur Früherkennung von Hautveränderungen; Dienstleistungen und Beratung im Bereich Qualitätsmanagement in medizinischen Einrichtungen;

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Zertifizierungen; Verleihen von Siegeln nach Qualitätsprüfung; Qualitätsprüfung und -sicherung durch Durchführung von Qualitätskontrollen im Hinblick auf zertifizierte Dienstleistungen; alle vorgenannten Dienstleistungen im Bereich der Herstellung von Sonnenbrillen, Bekleidung, Kosmetika und Pharmazeutika, bei Friseuren zur Früherkennung von Hautveränderungen und in medizinischen Einrichtungen“.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

16

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, weil die angemeldete Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist. Dies gilt sowohl für den Hauptantrag als auch für die gestellten Hilfsanträge. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Der Antrag auf Erstattung der Erinnerungs- und der Beschwerdegebühr ist ebenfalls nicht begründet.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Darüber hinaus besitzen auch solche Zeichen keine Unterscheidungskraft, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006). Letzteres kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die beanspruchte Bezeichnung einen unmittelbar beschreibenden Inhalt für Waren oder Dienstleistungen hat, die mit den konkret zu prüfenden Waren oder Dienstleistungen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (BGH GRUR 2009, 949, 950 Rn. 20 - My world).

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2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Zeichen „MEDICAL SUN“ in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zugesprochen werden. Dies gilt zunächst für die Dienstleistung „Betrieb von Solarien“. „MEDICAL SUN“ wird - wie von der Markenstelle zutreffend dargelegt - vom angesprochenen Verkehrskreis insoweit unmittelbar beschreibend verstanden. Angesprochen sind normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher. Sie werden die ihnen aufgrund der vielfachen Verwendung im Inland verständlichen englischen Begriffe „medical“ und „sun“ als einheitlichen Begriff „MEDICAL SUN“ wahrnehmen und ihn als „medizinische Sonne“ im Sinne des medizinischen Besonnens, also eines gesundheitlich unbedenklichen oder heilenden Solariums bzw. Sonnenstudios verstehen. Das wird unterstützt durch die in den letzten Jahren öffentlich geführte Diskussion um die gesundheitlichen Gefahren von Sonne und Solarien, vor allem im Hinblick auf Hautkrebserkrankungen. Es kann unterstellt werden, dass diese Problematik dem angesprochenen Verkehr zumindest in Stichworten geläufig ist. Das belegen die von der Markenstelle in Bezug genommenen Anlagen zum Beschluss vom 29. Juli 2010. Deshalb ist die genannte beschreibende Bedeutung für den Verkehr ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbar. Eine die Unterscheidungskraft bewirkende Mehrdeutigkeit des Begriffs „MEDICAL SUN“ ist nicht zu erkennen.

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Zu den Dienstleitungen der Klassen 35 und 42 hat „MEDICAL SUN“ zumindest einen engen beschreibenden Bezug. Dieser ergibt sich daraus, dass die genannten Dienstleistungen in engem sachlichen Zusammenhang mit Dienstleistungen stehen, für die „MEDICAL SUN“ unmittelbar beschreibend ist. Das ist hier der Fall, weil sie auch für Betreiber von Solarien und Sonnenstudios erbracht werden können, für deren Dienstleistung „Betrieb von Solarien“ das Zeichen unmittelbar beschreibend ist. Auch sie sind Dienstleister, die Qualitätsmanagement und/oder Qualitätsprüfungen in Anspruch nehmen, um - maßgeblich zu Werbezwecken - Zertifizierungen oder Qualitätssiegel zu erlangen. Dieser gewerbliche Verkehrskreis versteht den Begriff „MEDICAL SUN“ ebenso wie der Durchschnittsverbraucher. Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis sind nicht erkennbar.

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Der erste Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg. Mit ihm verzichtet der Beschwerdeführer lediglich auf die Dienstleistung „Betrieb von Solarien“. Für die unverändert weiter beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 gilt das oben Gesagte.

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Hinsichtlich der mit dem eingeschränkten Verzeichnis des zweiten Hilfsantrags beanspruchten Dienstleistungen fehlt „MEDICAL SUN“ ebenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft. Auch zu diesen spezifizierten Dienstleistungen besteht sämtlich ein enger beschreibender Bezug des Zeichens. Teilweise können sie für die Betreiber von medizinischen Solarien erbracht werden, da es sich dabei um medizinische Einrichtungen handelt, wie sich bereits aus den Recherchen der Markenstelle ergibt. Insoweit gilt das oben zum Hauptantrag Gesagte. Die Dienstleistungen sprechen im Übrigen Hersteller von Waren an, die dem Sonnenschutz dienen. Diese werden den Begriff „MEDICAL SUN“ hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen ohne Analyse oder weitere gedankliche Schritte so verstehen, dass sie im Hinblick auf die medizinischen Auswirkungen von Sonneneinstrahlung erbracht werden. Ihnen kann die Diskussion um die gesundheitlichen Gefahren von Sonneneinstrahlung als bekannt und geläufig unterstellt werden. Für die Hersteller von Sonnenbrillen, Bekleidung, Kosmetika und Pharmazeutika liegt der unmittelbare sachliche Bezug auf der Hand. Hinsichtlich dieser Waren weist das Zeichen nämlich darauf hin, dass sie einen besonderen, medizinisch überprüften Sonnenschutz bieten. Dies wird (unter anderem) durch Dienstleistungen und Beratung im Bereich Qualitätsmanagement, Qualitätsprüfung und Qualitätskontrollen bei der Herstellung erreicht und durch Zertifizierungen für Dritte (Handel und Endverbraucher) sichtbar gemacht. Daran wird der enge sachliche Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen deutlich.

23

Ein enger beschreibender, weil sachlicher Bezug besteht auch hinsichtlich der an Friseure gerichteten Dienstleistungen mit dem Ziel „zur Früherkennung von Hautveränderungen“. Das optische Erkennen (nicht eine Diagnose) von Erkrankungen der Kopfhaut ihrer Kunden gehört zur Ausbildung und Berufstätigkeit der Friseure (vgl. § 7 Abs. 4 Nr. 1.a FriseurAusbV 2008). Das gilt primär in Bezug auf ihre Tätigkeit und die Verträglichkeit von Haarpflege- und Haarfärbemitteln. Dabei haben sie auch die Möglichkeit, Auffälligkeiten oder Veränderungen der Kopfhaut zu bemerken und die Kunden auf diese aufmerksam zu machen. Das sich daraus ergebende Potential zur Früherkennung von Hautkrankheiten ist in Friseur-Fachkreisen bekannt. Es war beispielsweise bereits 2009 Gegenstand einer Veröffentlichung in einer vom Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks herausgegebenen Fachzeitschrift (vgl. Friseurwelt vom 17. September 2009: „Hautkrankheiten bei Kunden“). Überdies wird die potentielle Möglichkeit der Früherkennung von Hautveränderungen, insbesondere von Hautkrebs, durch Friseure in Ärztekreisen aktuell diskutiert (vgl. Ärztezeitung.de, Artikel vom 10. April 2012 „Hautkrebs-Check beim Friseur“; aerzteblatt.de, Blog vom 20. März 2012 „Hautkrebs: Früherkennung beim Friseur“).

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3. Die Erstattung der Beschwerdegebühr war nicht geboten. Diese kann gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG im Ausnahmefall aus Billigkeitsgründen angeordnet werden. Solche besonderen Gründe liegen nicht vor. Ein grober Verfahrensfehler, insbesondere ein Verstoß der Markenstelle gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs ist nicht zu erkennen. Im Übrigen fehlt es jedenfalls an der Kausalität eines etwaigen Verfahrensverstoßes für das materielle Prüfungsergebnis (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, § 71 Rn. 47).

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Eine Rechtsgrundlage für die beantragte Rückzahlung der Erinnerungsgebühr besteht nicht. Deren Erstattung erfolgt gemäß § 64 Abs. 5 MarkenG im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung (vgl. BPatG 28 W (pat) 39/08; 28 W (pat) 94/08). Soweit diese Entscheidung aufgrund der Beschwerde zu überprüfen ist, müsste sie sich als ermessensfehlerhaft erweisen. Das ist aus den zu § 71 Abs. 3 MarkenG genannten Gründen nicht der Fall.