Entscheidungsdatum: 23.02.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 896 541
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die unter der Nr. 896 541 international registrierte Marke
MYPILOT
sucht - nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung für den deutschen Teil der Marke - für
„Transmitters and Receivers in form of remote controls for hearing instruments“
um Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nach.
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes hat der IR-Marke - auf der Grundlage des ursprünglich bestehenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses - in zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - den Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert. Der Erstprüfer hat die Unterscheidungskraft der Bezeichnung „MYPILOT“ verneint, da es sich bei der schlichten Zusammenfassung des englischen Possessivpronomens „my“ mit dem im Technikbereich einschlägig besetzten Wort „Pilot“, welches hier die Bedeutung „Steuergerät“ habe, lediglich um eine schlagwortartig verkürzte, schutzunfähige Sachangabe bezüglich aller beanspruchten Waren handle. In ihrer Gesamtheit habe die Marke die Bedeutung „Mein Steuergerät“ und stehe für ein Steuergerät, welches z. B. in seiner Funktion bzw. seinen Einstellungen ganz individuell auf die jeweiligen persönlichen Erfordernisse des Kunden angepasst bzw. personalisiert werden könne. Unabdingbarer Bestandteil von Steuergeräten jeglicher Art sei immer ein Sensor mit Sender und Empfänger. Diese Sensoren ermittelten eine bestimmte physikalische Kenngröße und leiteten diese Signale weiter zum jeweiligen Steuergerät, welches bei Vorliegen vorher bestimmter - individueller - Messgrößen automatisch die gewünschten Vorgänge starte. Die sprachregelgerechte Verbindung mit „my“ spezifiziere das Steuergerät in werblich anpreisender Form als ein ganz speziell für den angesprochenen Kunden bestimmtes Steuergerät. Die geschlossene Schreibweise stehe dem beschreibenden Verständnis nicht entgegen.
Die Erinnerung ist erfolglos geblieben. Die Erinnerungsprüferin hat die Schutzverweigerung zudem auf ein bestehendes Freihaltebedürfnis gestützt und ausgeführt, dass der Verbraucher „Mein Pilot“ gerätebezogen in dem Sinne verstehe, dass die so bezeichneten Sende- und Empfangsgeräte als Führer oder Lotse dienten. In der Werbesprache im technischen Bereich habe sich diese Bedeutung von „Pilot“ als Führer oder Lotse für Steuergeräte eingebürgert. Der Durchschnittsverbraucher kenne diese gerätebezogene Bezeichnung von Pilot auch aus den Begriffen „Autopilot“ und „Parkpilot“. „MYPILOT“ beschreibe daher die Funktion und Bestimmung der beanspruchten Waren. Entsprechend bewerbe die Markeninhaberin ihre Produkte.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, Sende- und Empfangsgeräte seien technische Einrichtungen, die Signale abgeben bzw. aufnehmen könnten. Die Marke „MYPILOT“ weise keinen für Sende- und Empfangsgeräte deutlich hervortretenden beschreibenden Begriffsgehalt auf. Die Markenstelle habe eine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise vorgenommen. Das Gesamtzeichen „MYPILOT“ sei ein Kunstbegriff, dem keinerlei Bedeutung zukomme. Selbst bei unzulässiger zergliedernder Betrachtungsweise ergebe sich kein deutlich und unmissverständlich hervortretender beschreibender Begriffsgehalt. Die Auffassung der Markenstelle, wonach das Zeichen beschreibe, dass die beanspruchten Waren als Führer oder Lotsen dienten, erfordere nicht nur einen mehrere Schritte umfassenden analytischen Denkprozess, sondern sei auch abwegig. Die Markeninhaberin verweist auf vergleichbare Voreintragungen.
Die Markeninhaberin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses nunmehr beanspruchte Fernbedienung für Hörgeräte diene dazu, Hörgeräte hinsichtlich der Lautstärke und des Hörmodus zu verstellen sowie eine Statusanzeige bereitzustellen. Der angesprochene Verkehr sehe in „MYPILOT“ eine ungewöhnliche Kombination und nehme keine Zergliederung in die Einzelbestandteile vor. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Bestandteil „pilot“ im Sinne von „Steuerung“ verwendet werde.
Die IR-Markeninhaberin beantragt - auf der Grundlage des neuen eingeschränkten Warenverzeichnisses -,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 IR aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats fehlt der IR-Marke „MYPILOT“ die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, weshalb ihr der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht von der Markenstelle verweigert worden ist (§§ 107, 113, 37 Abs. 1 MarkenG, Art. 5 Abs. 1 MMA).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus).
Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).
2. Die angemeldete Wortmarke erfüllt nach den obengenannten Grundsätzen selbst diese geringen Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich in der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft (vgl. BGH a. a. O. - marktfrisch).
Die Wortmarke „MYPILOT“ stellt eine Zusammensetzung aus zwei englischen Wörtern dar. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, soweit die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 - BioID).
Das Wort „pilot“ bedeutet „Pilot, Lotse“ sowie „steuern, lenken“ (vgl. LEO - Online Wörterbuch der TU München). Im technischen Bereich wird der Begriff „Pilot“ in einer - für die Werbesprache üblichen - personifizierten Form in der Bedeutung von Führer, Lotse für ein Steuergerät als beschreibender Hinweis verstanden (vgl. BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 56/02 - PARKPILOT; PAVIS PROMA 30 W (pat) 222/95 - GRAPHIC-PILOT). Das englische Pronomen „my“ (mein) wird als werbeüblicher Zusatz verwendet, um eine persönliche Ansprache und das Gefühl der individuellen Behandlung zu bewirken. Die Marke „MYPILOT“ in ihrer Gesamtheit bedeutet daher in wörtlicher Übersetzung „Mein Pilot“ und kann grundsätzlich im Sinne von „mein persönliches Steuergerät“ verstanden werden.
Die aus beschreibenden Bestandteilen sprachüblich zusammengesetzte Wortfolge „MYPILOT“ in ihrer Gesamtheit enthält damit keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgeht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 29 - BioID).
Die angesprochenen fachlich informierten Verkehrskreise entnehmen der sprachüblich gebildeten Kombination ohne weiteres die Bedeutung „Mein Steuergerät“. Auch nach Einschränkung des Warenverzeichnisses werden Waren beansprucht, für die „MYPILOT“ einen im Vordergrund stehenden Bedeutungsgehalt im Sinne von „individuelles Steuerungsgerät“ haben kann. In Bezug auf die noch beanspruchten Waren, die Fernbedienungen für Hörgeräte betreffen, ergibt die schutzsuchende Marke „MYPILOT“ die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um Waren handelt, die ein „persönliches, individuelles Steuergerät“ oder Teile hiervon darstellen oder hierfür bestimmt sind oder dort Verwendung finden.
So ist Steuern „die gerichtete Beeinflussung (durch Information, Nachricht, Reiz, Input) des Verhaltens eines Systems von außen. Durch den Steuervorgang wird das System gerichtet von einem in einen anderen (ausgewählten) Zustand gebracht. Welcher Zustand angesteuert wird, hängt von der Art des Einflusses ab.“ (vgl. Wikipedia.de zum Begriff „Steuern“).
Auch die noch beanspruchten Fernbedienungen für Hörgeräte stellen Steuerungsgeräte dar, da sie zweifellos Steuerungswirkung haben. Als Fernbedienung bezeichnet man üblicherweise „ein elektronisches Handgerät, mit dem sich über kurze bis mittlere Entfernungen (etwa 6 bis 20 m) Geräte oder Maschinen bedienen lassen“ (vgl. Wikipedia.de zum Begriff „Fernbedienung“). Wie die Anmelderin selbst ausgeführt hat, dient die beanspruchte Fernbedienung dazu, Hörgeräte hinsichtlich der Lautstärke und des Hörmodus zu verstellen sowie eine Statusanzeige bereitzustellen. Damit wird aber auf die Funktionen des Hörgeräts eingewirkt, so dass die beanspruchten Fernbedienungen individuelle Steuerungsaufgaben wahrnehmen.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin lässt sich damit ein eindeutig beschreibender Begriffsgehalt auch für die nach Einschränkung des Warenverzeichnisses noch beanspruchten Waren feststellen. Einer beschreibenden Eignung der sprachüblich verwendeten und ohne weiteres verständlichen Kombination „MYPILOT“ steht auch nicht entgegen, dass der Fachverkehr für die hier beanspruchten Fernbedienungen möglicherweise anderslautende Fachbegriffe verwendet. Die Angabe eines Ausstattungsmerkmals bzw. einer Bestimmungs- oder Inhaltsangabe der beanspruchten Waren ist eine wichtige Sachinformation, die unabhängig davon, ob möglicherweise andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind, den Mitbewerbern zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stehen muss. Maßgeblich ist der objektiv beschreibende Charakter und das darauf beruhende Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit als Sachangabe (vgl. EuGH a. a. O. - KPN-Postkantoor; BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS).
Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.