Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.11.2013


BPatG 14.11.2013 - 30 W (pat) 705/13

Geschmacksmusterbeschwerdeverfahren – zur Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters neben der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
14.11.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 705/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 24 GeschmMG

Leitsätze

Vertreterbeiordnung

Ob im Geschmacksmustereintragungsverfahren neben der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe ein anwaltlicher Vertreter beizuordnen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei können auch Umstände zu berücksichtigen sein, die der Einreichung der Anmeldung vorgelagert sind, z. B. besondere Schwierigkeiten bei der sachgerechten Darstellung des Musters. Die mögliche Sachdienlichkeit einer Recherche zu Neuheit und Eigenart des Musters rechtfertigt die Beiordnung jedoch nicht.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Geschmacksmusteranmeldung 40 2011 006 302.6

(hier: Vertreterbeiordnung für das Eintragungsverfahren)

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Für die am 17. November 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Geschmacksmustersammelanmeldung mit sieben zweidimensionalen Einzelmustern hat der Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren und die Aufrechterhaltung des Musters sowie die Beiordnung eines Vertreters beantragt.

2

Mit Beschluss vom 19. April 2012 hat die Geschmacksmusterstelle dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren (ohne Einbeziehung von Aufrechterhaltungsgebühren) bewilligt und den auf Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten gerichteten weiteren Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung des Beiordnungsantrags hat sie ausgeführt, die Voraussetzungen des § 24 S. 3 GeschmMG i. V. m. § 133 S. 1 PatG lägen nicht vor. Der Anmelder habe nicht hinreichend dargelegt, dass er nach seinem Bildungsstand überfordert sei, den einfach und übersichtlich gestalteten Antrag auf Eintragung in das Geschmacksmusterregister - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der vom Deutschen Patent- und Markenamt kostenlos zur Verfügung gestellten Merk- und Informationsblätter und mit Unterstützung eines Patentinformationszentrums - ohne anwaltliche Hilfe einzureichen. Es handele sich um eine Geschmacksmusteranmeldung im üblichen Umfang und von normaler Schwierigkeit. Die Beiordnung eines Vertreters sei auf Umstände beschränkt, die das Geschmacksmustereintragungsverfahren selbst beträfen und umfasse daher nicht die Beurteilung der relativen, nicht vom Deutschen Patent- und Markenamt zu prüfenden, Schutzvoraussetzungen.

3

Gegen die Zurückweisung der Beiordnung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Erfordernis der Sachdienlichkeit im Sinne von § 133 Satz 1 PatG könne nicht auf das bloße Ausfüllen des Antragsformulars reduziert werden. Die vom Deutschen Patent- und Markenamt zur Verfügung gestellten Merkblätter gäben allenfalls eine Hilfestellung beim Ausfüllen der Anträge und Beiblätter. Die Beratung durch ein Patentinformationszentrum oder durch einen im Rahmen des Beratungshilfegesetzes beratenden Anwalt sei zum einen nicht obligatorisch und zum anderen nicht ausreichend. Eine auf die konkrete Anmeldung bezogene Rechtsberatung sei den auf diesen Grundlagen beratenden Personen nämlich untersagt. Die Darstellung des Musters begrenze den Schutzumfang nach § 37 GeschmMG und könne nicht mehr erweitert werden. Dieser Umstand übersteige das Rechtsverständnis des Anmelders. Die Beiordnung beziehe sich entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht nur auf das anhängige Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, sondern bereits auf die Phase davor. Dies ergebe sich aus § 4 VertrGebErstG. Die Ablehnung der Beiordnung sei auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil bei der Gebrauchsmusteranmeldung eine Beiordnung regelmäßig für sachdienlich gehalten werde.

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Er beantragt,

5

den Beschluss der Geschmacksmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. April 2012 aufzuheben, soweit der Antrag auf Beiordnung eines Vertreters für das Geschmacksmustereintragungsverfahren zurückgewiesen worden ist, und die Beiordnung eines Vertreters anzuordnen.

6

Der bis zur Änderung des Geschäftsverteilungsplans des Bundespatentgerichts zum 1. Januar 2013 für das Verfahren zuständige 10. Senat hat der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 22. August 2012 die Prüfung des Beitritts zum Verfahren anheimgegeben und zur Begründung ausgeführt, in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zu einer die Beiordnung zulassenden Auffassung zu tendieren. Auch wenn die Beiordnung nur für das mit Einreichung einer Geschmacksmusteranmeldung beginnende Eintragungsverfahren bewilligt werden könne, erscheine es geboten, in die Erforderlichkeitsprüfung auch Tätigkeiten einzubeziehen, die der Einreichung der Anmeldung vorgelagert seien. Die Vertretung durch einen Patent- oder Rechtsanwalt zur sachgemäßen Erledigung des Eintragungsverfahrens unter Einbeziehung der Erstellung der Wiedergabe des Musters und dessen Prüfung auf das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen könne erforderlich sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der in § 3 GeschmMG genannten Ausschlussgründe vorlägen, sowie im Hinblick auf die Prüfung eines Musters auf Neuheit und Eigenart (§ 2 GeschmMG), da hier die allgemeinen Informationen des Patentamts und der Patentinformationszentren nicht ausreichten und die erforderliche Recherche- und Vergleichstätigkeit ein hohes Maß an Kenntnissen und Erfahrungen erfordere, über die jedenfalls ein durchschnittlicher Anmelder nicht verfüge. Es erscheine nicht gerechtfertigt, die Beiordnung in geschmacksmusterrechtlichen Eintragungsverfahren anders zu behandeln als im Gebrauchsmusterrecht.

7

Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat am 14. Dezember 2012 ihren Beitritt zum Verfahren erklärt und die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Beiordnung lägen nicht vor. Diese lägen nur dann vor, wenn der jeweilige Einzelfall mit Rücksicht auf seinen Schwierigkeitsgrad eine Vertretung angezeigt erscheinen lasse oder die Fähigkeiten der Person des jeweiligen Beteiligten nicht ausreichten, seine Interessen in sachgerechter Weise wahrzunehmen. Die Geschmacksmusterstelle stelle in ausreichendem Umfang Ausfüllhilfen zum Eintragungsantrag, allgemeine Hinweise zum Verfahren, ein Merkblatt für Geschmacksmusteranmelder und eine Schutzrechtsbroschüre zum Thema Geschmacksmuster zur Verfügung. Darüber hinaus gebe es eine kostenlose Erstberatung bei den Patentinformationszentren und Leistungen nach dem Beratungshilfegesetz. Die der Einreichung der Anmeldung vorgelagerten Tätigkeiten dürften nicht in die Erforderlichkeitsprüfung der Beiordnung einbezogen werden. Die Erforderlichkeit der Beiordnung könne nicht mit der Notwendigkeit der Erstellung der Wiedergabe des Musters oder der Prüfung auf das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen, insbesondere unter den Gesichtspunkten der Neuheit und Eigenart, begründet werden. Die Prüfung dieser Gesichtspunkte sei vom Gesetzgeber dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten worden. Im Gegensatz zur Gebrauchsmusteranmeldung werde bei der Geschmacksmusteranmeldung technischer Sachverstand nicht benötigt. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Patentanwalts lägen beim Anmelder nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass seine Fähigkeiten nicht ausreichten, seine Interessen in sachgerechter Weise wahrzunehmen. Umfang und Schwierigkeit der Anmeldung ließen die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters nicht erforderlich erscheinen. Die Anzahl der Zusammenfassung von sieben Einzelmustern in einer Sammelanmeldung sei gering; der Durchschnitt liege insoweit bei 13-14 Mustern. Eine besondere Schwierigkeit in der Auswahl und Darstellung der Muster sei nicht gegeben. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten sei nicht ersichtlich.

8

Hierzu hat der Anmelder ausgeführt, die Auffassung der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamtes führe im Ergebnis zu einer extremen Beschränkung der Bewilligungen und entwerte das Instrument der Beiordnung. Im Hinblick auf die Beiordnungspraxis im Gebrauchsmusterverfahren privilegiere das Deutsche Patent- und Markenamt den Anmelder eines technischen Schutzrechts gegenüber dem Geschmacksmusteranmelder. Eine derartige Unterscheidung der Schutzrechtsarten verbiete sich, da das Geschmacksmuster gegenüber dem Gebrauchsmuster als technisches - gleichermaßen ungeprüftes - Schutzrecht kein minderes Recht darstelle, weil es das gleiche Monopolrecht und die damit verbundenen Verbietungsmöglichkeiten biete. Die unterschiedliche Behandlung der Geschmacksmusteranmelder verstoße gegen Art. 3 GG. Vor dem Hintergrund der Entscheidung BGH GRUR 2012, 1139 - Weinkaraffe - sei die korrekte Auswahl und Wiedergabe der Muster gerade als nicht trivial anzusehen. In der mündlichen Verhandlung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders ergänzend darauf hingewiesen, dass es auf seine Beratung zurückzuführen sei, dass die Eintragung von sieben Einzelmustern als Sammelanmeldung und nicht, wie vom Anmelder selbst ursprünglich beabsichtigt, eines Einzelmusters mit sieben Darstellungen beantragt worden sei.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

10

Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 24 S. 3 GeschmMG i. V. m. § 133 S. 1 PatG für die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders liegen nicht vor, so dass die Geschmacksmusterstelle den darauf gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. § 24 S. 3 GeschmMG verweist hinsichtlich der Beiordnung eines zur Übernahme der Vertretung bereiten Patentanwalts auf die entsprechende Anwendung des § 133 PatG. Nach § 133 S. 1 PatG ist einem Beteiligten, dem - wie hier dem Anmelder - Verfahrenskostenhilfe nach den Vorschriften der §§ 130 bis 132 PatG bewilligt worden ist, auf Antrag ein solcher beizuordnen, wenn die Vertretung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich erscheint oder ein Beteiligter mit entgegengesetzten Interessen durch einen Patentanwalt, einen Rechtsanwalt oder einen Erlaubnisscheininhaber vertreten ist.

12

Hier kommt nur eine Vertretung des Anmelders wegen der Erforderlichkeit zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens in Betracht. Erforderlich war und ist diese unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände des Falles nicht; denn ein bemittelter Anmelder in der Position des unbemittelten Anmelders hätte mit der verfahrensgegenständlichen Sammelanmeldung keinen Patentanwalt beauftragt.

13

2. Zunächst ist festzustellen, dass die Erforderlichkeit der Beiordnung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens stets einzelfallbezogen zu prüfen ist und keine Grundsatzfrage darstellt, die allgemeingültig beantwortet werden könnte.

14

Die bisherige Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (vgl. BPatG 4 W (pat) 701/97, 10 W (pat) 706/01) hat die Sachdienlichkeit im Regelfall unter Hinweis darauf verneint, dass die sachgemäße Erledigung des Verfahrens entweder durch die eigene Sach- und Rechtskenntnis des Beteiligten oder durch die im Rahmen des Verfahrens möglichen Hinweise des Deutschen Patent- und Markenamts oder des Bundespatentgerichts gewährleistet ist (so auch Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl. 2010, § 24 Rn. 11).

15

Für den Anwendungsbereich des § 78 Abs. 2 FamFG hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, XII ZB 232/09, NJW 2010, 3029) in einem der Amtsermittlung unterliegenden familiengerichtlichen Verfahren entschieden, dass für die Frage der Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung in jedem Fall eine einzelfallbezogene Prüfung anzustellen ist. Dies gilt auch für das Geschmacksmusterrecht, weil sonst das gesetzliche Erfordernis der „Erforderlichkeit zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens“ unterlaufen werden würde. Dies lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen dem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren immer, grundsätzlich oder grundsätzlich kein Anwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nach der gebotenen individuellen Beurteilung also nicht mit dem Gesetz vereinbar (BGH a. a. O., Rn. 18 und 20).

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Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders setzt auch die Bestimmung des § 4 VertrGebErstG keine voraussetzungslose Beiordnung voraus. Ein nicht bemittelter Anmelder könnte nämlich zunächst Verfahrenskostenhilfe beantragen und dazu die beabsichtigte Geschmacksmusteranmeldung - zunächst nur zur Information zur Prüfung der Erfolgsaussicht des Eintragungsbegehrens - beifügen. Wird dann Verfahrenskostenhilfe ungeachtet einer rechtlich schwierigen Beanstandung seitens des Deutschen Patent- und Markenamts (z. B. nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG) wegen gleichwohl angenommener hinreichender Aussicht auf Eintragung des Musters in das Register gewährt (das dürfte wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache tatsächlich vorkommen) und deshalb bereits im Verfahrenskostenhilfestadium ein Anwalt beigeordnet, könnte die Beratung durch diesen Anwalt dazu führen, dass die ursprünglich beabsichtigte Anmeldung letztlich nicht eingereicht wird. Für diesen Fall gewährt § 4 VertrGebErstG dem Anwalt eine hälftige Verfahrensgebühr.

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Ob im Gebrauchsmusterrecht über die Beiordnung im Eintragungsverfahren anders (und möglicherweise zu großzügig) entschieden wird, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls erfordert eine Gebrauchsmusteranmeldung die Fähigkeit, eine technische Lehre in einen mehr oder weniger abstrakt formulierten Schutzanspruch umzuformulieren (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 3 GebrMG); dies stellt einen rechtlich und tatsächlich komplexen Vorgang dar, zu dessen Bewältigung auch ein technisch versierter Gebrauchsmusteranmelder regelmäßig patentanwaltlicher Unterstützung bedarf. Demgegenüber ist es für die Anmeldung eines Geschmacksmusters lediglich erforderlich, den körperlich vorhandenen Gegenstand des Musters in geeigneter Weise z. B. fotografisch wiederzugeben. Wegen dieser evident anderen Ausgangslage ist im Geschmacksmusterrecht - entgegen der Auffassung des Anmelders - eine andere Sachbehandlung nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten; denn der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet bei staatlichen Begünstigungen nicht nur, wesentlich Gleiches gleich, sondern auch - wie hier - wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zuletzt BVerfG, 1 BvR 924/12, Nichtannahmebeschluss vom 18. September 2013, Rn. 10).

18

Die danach notwendige Einzelfallprüfung erfordert deshalb auch im Geschmacksmusterrecht eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles (vgl. BGH a. a. O., Rn. 11/12 und 14) orientierte Prüfung, ob die Vertretung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich erscheint.

19

Entscheidend ist dabei darauf abzustellen ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Dieser Prüfungsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG geboten (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2013, 1148, Rn. 16).

20

3. Nach diesen Grundsätzen war und ist im vorliegenden Fall eine Beiordnung nicht erforderlich. Zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens, hier also zur erfolgversprechenden Beantragung der Eintragung der eingereichten sieben Muster als Sammelanmeldung, hätte ein bemittelter Anmelder keinen Patentanwalt beauftragt.

21

a) Intellektuelle oder sonstige subjektive Einschränkungen des Anmelders im Hinblick auf seine Fähigkeit, seine Interessen in sachgerechter Weise selbst wahrzunehmen, sind nicht ersichtlich. Der Anmelder ist 1969 geboren. Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Verfahrens- oder Verständnisfähigkeit aus körperlichen oder geistigen Gründen sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

22

Angesichts dessen erscheint es nicht unzumutbar, vom Anmelder vor einer Inanspruchnahme der Solidargemeinschaft der Steuerzahler zu verlangen, sich bei Bedarf wegen praktischer Fragen bei der Anmeldung entweder über die Internetseite des Deutschen Patent- und Markenamts zu informieren oder das kostenlose Beratungsangebot der Patentinformationszentren, z. B. in dem rund 100 Straßenkilometer vom Wohnsitz des Anmelders entfernten Dresden, in Anspruch zu nehmen.

23

b) Wegen des nur eingeschränkten Prüfungsumfangs des Deutschen Patent- und Markenamts bei der Registrierung der Sammelanmeldung als Geschmacksmuster bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Sach- und Rechtslage hätte einen bemittelten und voll verfahrens- und verständnisfähigen Anmelder zur Beauftragung eines Rechts- oder Patentanwalts veranlasst.

24

aa) Mit der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hält der Senat eine im Ansatz verfahrensbezogene Sichtweise für geboten. Dies ergibt sich sowohl aus § 24 S. 1 GeschmMG, wonach Verfahrenskostenhilfe gewährt wird, „wenn hinreichende Aussicht auf Eintragung des Musters in das Register besteht“, als auch aus § 133 S. 1 PatG, wonach die Erforderlichkeit der Beiordnung im Hinblick auf die sachdienliche Erledigung „des Verfahrens“ zu beurteilen ist. Die Beiordnung eines Patentanwalts bzw. Rechtsanwalts wird daher im Allgemeinen nur dann in Betracht kommen, wenn das Deutsche Patent- und Markenamt den Eintragungsantrag im Hinblick auf rechtliche Erwägungen, z. B. das Vorliegen von Eintragungshindernissen (vgl. § 18 GeschmMG), beanstandet. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

25

bb) Dies schließt es jedoch nicht generell aus, die Erforderlichkeit der Beiordnung im Einzelfall aus der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Anwalts wegen einer auf tatsächlichem oder rechtlichem Gebiet liegenden Schwierigkeit von Tätigkeiten abzuleiten, die dem eigentlichen Eintragungsantrag vorgelagert sind. Denn die Vorbereitung der Antragsunterlagen einerseits und der verfahrenskostenhilfefähige Eintragungsantrag andererseits müssen - insoweit ist der Auffassung des Anmelders beizutreten - als einheitlicher Gesamtvorgang angesehen werden (vgl. für das Patentrecht BPatG Mitt. 1994, 275, 277).

26

Zu weit ginge es allerdings, eine dem Eintragungsverfahren möglicherweise vorgelagerte Prüfung des Musters auf Neuheit und Eigenart (§ 2 GeschmMG) in die Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung zur sachdienlichen Erledigung bereits des Eintragungsverfahrens mit einzubeziehen. Eine potentiell drohende Nichtigkeitsklage nach § 33 Abs. 2 GeschmMG von vornherein zu vermeiden, erscheint zwar auf den ersten Blick sinnvoll. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, das Eintragungsverfahren in Geschmacksmustersachen als voraussetzungsarmes Registerverfahren ohne Sachprüfung (vgl. Gesetzesbegründung GeschmMReformG, BT-Drucksache 15/1075, S. 30) auszugestalten und nach § 39 GeschmMG bereits der Eintragung die Vermutung der Rechtsgültigkeit zuzuweisen. Nach der Gesetzessystematik ist die materielle Prüfung der Neuheit und Eigenart dem Geschmacksmusterstreitverfahren vor den Landgerichten (vgl. hierzu Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 33 Rn. 7) und ab dem 1. Januar 2014 daneben dem Nichtigkeitsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (vgl. §§ 33 Abs. 3 und 34a DesignG i. d. F. des Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. Oktober 2013, BGBl. I S. 3799) vorbehalten. Nennenswerte Rechtsnachteile entstehen dem unbemittelten Anmelder insoweit auch dann nicht, wenn eine ohne anwaltliche Beratung eingereichte und eingetragene Anmeldung später Gegenstand einer Nichtigkeitsklage (oder künftig eines Nichtigkeitsantrags) werden sollte. In einem Nichtigkeitsverfahren wird bei Vorliegen der Voraussetzungen, insbesondere Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung, Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfe gewährt und ein Anwalt beigeordnet. Bei fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung kann der Inhaber mit einem unverzüglichen Verzicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 GeschmMG reagieren. Im Übrigen würde die Auffassung des Anmelders dazu führen, dass eine Beiordnung ausnahmslos zu gewähren wäre, was dem oben 1. dargelegten Grundsatz der Einzelfallprüfung zuwiderliefe. Die mögliche generelle Sachdienlichkeit einer Recherche kann deshalb eine Beiordnung nicht rechtfertigen.

27

Nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint es hingegen, dass besondere Schwierigkeiten bei der geeigneten Darstellung des Musters im Einzelfall die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe sachgerecht erscheinen und damit im Rechtssinne erforderlich machen, zumal, worauf der Anmelder zutreffend hinweist, die eingereichte Darstellung nach § 37 GeschmMG den Schutz begrenzt und im Nachhinein nicht mehr verändert werden kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch nichts für solche eine Beiordnung rechtfertigenden Schwierigkeiten vorgetragen oder ersichtlich.

28

Verfahrensgegenständlich und Verfahrensziel ist die Eintragung einer Sammelanmeldung von sieben Geschmacksmustern. Eine besondere Schwierigkeit bei der Darstellung der sieben zweidimensionalen Muster ist nicht zu erkennen. Ausführliche Hinweise zur Wiedergabe des Musters finden sich insoweit unter Ziffer IV.3 in dem Merkblatt des Deutschen Patent- und Markenamtes für Geschmacksmusteranmelder (http://www.dpma.de/docs/service/formulare/geschmacksmuster/r5704.pdf). Darin wird insbesondere auch auf die rechtliche Bedeutung der Wiedergabe des Musters hingewiesen: „Die Merkmale des Musters, für die Sie Schutz nach dem Geschmacksmustergesetz beanspruchen, müssen deutlich und vollständig offenbart werden. Die Wiedergabe des Musters, d. h. sämtliche zu dem Muster eingereichte Darstellungen, bzw. der flächenmäßige Musterabschnitt (bspw. ein Stoffmuster), legen Gegenstand und Umfang des Schutzrechts fest und sind daher von zentraler Bedeutung. Es liegt in Ihrer Verantwortung, die aus Ihrer Sicht zu schützenden Bestandteile des angemeldeten Musters deutlich sichtbar wiederzugeben. Der Schutzgegenstand ist auf die in der Wiedergabe bzw. dem flächenmäßigen Musterabschnitt sichtbaren Erscheinungsmerkmale beschränkt, d. h. nur das, was in der Wiedergabe bzw. dem flächenmäßigen Musterabschnitt sichtbar ist, ist auch geschützt“. Auch zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Rechtsdurchsetzung - etwa infolge unterschiedlicher Darstellungen eines Musters (vgl. BGH GRUR 2012, 1139 - Weinkaraffe) - enthält das Merkblatt Hinweise: „Wenn Sie eine bestimmte Farbgestaltung Ihres Musters schützen lassen wollen, empfehlen sich Farbabbildungen. Wollen Sie sich auch andere Farbgestaltungen offen halten, bevorzugen Sie Schwarz-Weiß-Abbildungen. Vermeiden Sie, Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen innerhalb der Wiedergabe eines Musters zu mischen, da dann unklar bleibt, ob die Farbe zum Schutzgegenstand gehören soll. Melden Sie stattdessen zwei Muster an. Auch verschiedene Farbgestaltungen eines Designs können nur als eigenständige Muster geschützt werden“.

29

Dass der Anmelder seine - ersichtlich unterschiedlichen - sieben Muster ohne anwaltliche Beratung als Einzelmuster mit sieben Darstellungen eingereicht hätte, mag zutreffen, begründet jedoch nicht das Erfordernis einer Beiordnung. Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat in der mündlichen Verhandlung nämlich ausgeführt, dass die Geschmacksmusterstelle formale Mängel für die Zuerkennung eines Anmeldetages (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG), etwa wegen mangelhafter Musterdarstellungen (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 GeschmMG i. V. m. § 6 GeschmMV), beanstandet und Gelegenheit bzw. Hilfestellung zur Nachbesserung gibt. Ein Mangel dieser Art wäre also auch ohne anwaltliche Beratung behoben worden.

30

Nach alledem hat die Geschmacksmusterstelle den Beiordnungsantrag zu Recht zurückgewiesen.