Entscheidungsdatum: 14.11.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Geschmacksmusteranmeldung 40 2010 005 083.5
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 14. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Der Anmelder hat am 22. September 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters unter Angabe der Erzeugnisse der Klasse 32 „Graphische Symbole und Logos, Zierelemente für Oberflächen, Verzierungen“ gestellt und am 24. September 2010 eine Musterdarstellung nachgereicht, die auf weißem Hintergrund eine Moschee mit zwei Minaretten zeigt, eingebettet in einen roten Kreis, der von einem roten Strich diagonal durchkreuzt wird:
Die Geschmacksmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 6. Mai 2011 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung nach den §§ 18, 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Muster verstoße gegen die guten Sitten. Die deutliche Symbolik einer durchgestrichenen Moschee mit Minaretten werde von einem erheblichen Teil der beteiligten Kreise als fremdenfeindliche, insbesondere islamfeindliche Botschaft verstanden werden. Die Musterdarstellung symbolisiere - wie vom Anmelder ausdrücklich zugestanden - ein Verbotsschild, welches sich gegen Moscheen, Minarette oder eine (vermeintliche) „Islamisierung" richte. Damit richte sich das Zeichen gegen die Menschenwürde, das Diskriminierungsverbot und die Religionsfreiheit. Das Muster verstoße auch gegen die öffentliche Ordnung. Denn die von der Wiedergabe ausgehende islamfeindliche Botschaft widerspreche den gesellschaftlichen Wertvorstellungen beachtlicher Teile des deutschen Publikums. Ob die von der Wiedergabe ausgehende Botschaft verfassungsrechtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, spiele keine Rolle. Dem Deutschen Patent- und Markenamt könne nicht zugemutet werden, im Zuge seines Verfahrens Anstößiges zu publizieren und dadurch den Anschein amtlicher Billigung hervorzurufen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Muster verstoße weder gegen die guten Sitten noch gegen die öffentliche Ordnung. Der Anmelder sei ein eingetragener Verein, der als kommunale Wählervereinigung im Rat der Stadt Köln vertreten und freiheitlich, konservativ und patriotisch ausgerichtet sei. Selbstverständliche Grundlage seiner Politik sei das Grundgesetz mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Verein setze sich insbesondere für eine Verbesserung der inneren Sicherheit, bessere Ausbildung und weniger Zuwanderung ein. Der Anmelder bringe mit der Musterdarstellung seine Ablehnung gegen eine fortschreitende Islamisierung und gegen Moscheebauten, wie insbesondere in Köln-Ehrenfeld, zum Ausdruck. Er befürchte durch Moscheebauten dieser Art eine Zementierung islamistischer Parallelgesellschaften mit der Gefahr, dass der Grundwertekanon des Grundgesetzes der Bundesrepublik durch die Scharia abgelöst werde. Für den Anmelder sei es selbstverständlich, dass Muslime in der Bundesrepublik Religionsfreiheit genössen und diese auch ein Recht auf den Bau von Gebetshäusern hätten. Dieses Recht schließe aber nicht den Bau orientalischer Großmoscheen als Machtsymbol ein, was auch nicht vom Recht auf Religionsausübungsfreiheit gemäß Art. 4 des Grundgesetzes (GG) erfasst sei. Die Musterdarstellung sei deshalb weder politisch noch religiös anstößig, allenfalls islamkritisch. Keinesfalls verstoße sie gegen das sittliche Empfinden der überwiegenden Bevölkerungsteile. Im politischen Meinungskampf sei die Darstellung möglicherweise als provokant, keinesfalls aber als derart anstößig zu beurteilen, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten angenommen werden müsse. Erst Recht verstoße das Muster nicht gegen die öffentliche Ordnung. Vielmehr spreche sich der Anmelder mit seiner Kritik an der Islamisierung gerade auch gegen die Diskriminierung von Frauen aus, trete also gerade für das Diskriminierungsverbot ein.
Er beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Geschmacksmusterstelle, vom 6. Mai 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Geschmacksmusterstelle hat die Anmeldung zu Recht nach den §§ 18, 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG zurückgewiesen.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG sind Muster vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen. Damit unterliegt ein Geschmacksmuster - unabhängig von seiner Klassifizierung (§ 11 Abs. 5 GeschmMG) - für die gesamte abstrakte Verwendungsbreite seiner Erscheinungsform dem Verbotsvorbehalt (Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl. 2010, § 3 Rn. 20).
1. Das Geschmacksmuster verstößt gegen die guten Sitten.
a) Wann ein Verstoß gegen die guten Sitten anzunehmen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Rechtsprechung und Literatur nehmen einen Verstoß dann an, wenn das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt wird (RGZ 80, 221; BPatG 10 W (pat) 711/99, GRUR 2000, 1026 f., Rn. 10 - Penistrillerpfeife; Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 3 Rn. 19; für das Zivilrecht: Ellenberger, in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 138 Rn. 2 m. w. N.; kritisch zur Übernahme für das Patentrecht, weil zu eng: Busse, Patentgesetz, 7. Aufl. 2013, § 2 Rn. 20). Da § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG inzwischen identisch gefasst ist wie der Schutzausschließungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 5 Alternative 2 MarkenG, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Geschmacksmusterrechts ein Rückgriff auf die markenrechtliche Judikatur möglich. Von einem Verstoß gegen die guten Sitten ist danach auszugehen, wenn das Geschmacksmuster geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (vgl. BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK [zu § 8 Abs. 2 Nr. 5 Alternative 2 MarkenG]; GRUR 1964, 136, 137 - Schweizer [zu § 4 Abs. 2 Nr. 4 WZG]; BGHZ 130, 5, 9 ff. - Busengrapscher [zu § 1 UWG a. F.]; EuG GRUR Int. 2012, 247 Rn. 14 ff. - PAKI [zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. f GMV]). Maßgeblich ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die Erzeugnisse unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Geschmacksmuster im Alltag zufällig begegnen (vgl. BGH GRUR 2013, 729, Rn. 9 - READY TO FUCK [zu § 8 Abs. 2 Nr. 5 Alternative 2 MarkenG]; EuG GRUR Int. 2012, 247, Rn. 18 - PAKI [zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. f GMV]), zumal Geschmacksmuster aufgrund ihrer gegenständlich unbeschränkten Bekanntmachung und Verwendungsbreite Berührungspunkte mit schützenswerten Anschauungen auch von Minderheiten haben und sich deshalb ein Abstellen auf aus dem Rahmen fallende Robustheiten verbietet (BPatGE 46, 228 - Vibratoren; Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 3 Rn. 19). Maßgeblich ist also weder eine übertrieben nachlässige noch eine besonders feinfühlige und empfindsame, sondern eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise. Auch darf die Prüfung des Schutzversagungsgrunds nicht in einer Geschmackszensur bestehen. Rechtsprechung und Literatur betonen, dass bei der Annahme von Verstößen dieser Art Zurückhaltung geboten ist (BPatG GRUR 2004, 160 - Vibratoren; Mitt. 2006, 88 - Flasche in Form eines Sperma; Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 3 Rn. 19).
Die hier in Betracht zu ziehende religiöse Anstößigkeit beurteilt sich auch unter Beachtung des durch Art. 4 Abs. 2 GG gewährleisteten Grundrechts auf Religionsausübungsfreiheit (vgl. BPatG GRUR-RR 2012, 467, Rn. 26 - Hl. Hildegard [zu § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG]). Dieses Grundrecht wirkt in wertausfüllungsfähige und wertausfüllungsbedürftige Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe ein (Herzog, in Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 2011, Art. 4 Rn. 71) und setzt voraus, dass sich der Staat in religiöser Hinsicht neutral verhält (BVerfGE 93, 1, 16 f.; 105, 279, 294 f.; Korioth, in Maunz-Dürig, a. a. O., Art. 140 Rn. 31), zumal bei hoheitlicher Tätigkeit. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Geschmacksmusterschutz in Deutschland allein durch Eintragung in das Register, also durch einen staatlichen Hoheitsakt, begründet wird (§ 27 GeschmMG), insoweit anders als das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster) oder die Benutzungsmarke (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Anders als im Markenrecht, wo das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG auch für die Benutzungsmarke gilt, weshalb dort bei der Bewertung nicht auf den Akt der Eintragung abgestellt werden darf (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 729, Rn. 18 - READY TO FUCK), ist das Neutralitätsgebot im geschmacksmusterrechtlichen Eintragungsverfahren bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG und der Feststellung einer religiösen Anstößigkeit entsprechend der Auffassung der Geschmacksmusterstelle also durchaus von Bedeutung.
Zu berücksichtigen ist andererseits, dass die Religionsfreiheit nicht schrankenlos gewährt ist, sondern insbesondere durch die Grundrechte anderer beschränkt wird. Insoweit ist von Bedeutung, dass auch Äußerungen in Wirtschaft und Werbung, also auch bei der Ausübung gewerblicher Schutzrechte, unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG stehen können, sofern sie einen wertenden, auf Meinungsbildung gerichteten Inhalt haben (BVerfG GRUR 2001, 170, 172 - Benetton-Werbung, Schockwerbung Benetton [zu § 1 UWG]; GRUR 2003, 442 - Benetton-Werbung, Schockwerbung Benetton II [zu § 1 UWG]; GRUR 2008, 81 - Pharmakartell [zu § 1 UWG und § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG]; noch offen gelassen in NJW 1994, 3342 - Mars-Kondom [zu § 1 UWG, WZG]; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 14 Rn. 193).
b) Nach diesen Grundsätzen verstößt die verfahrensgegenständliche Geschmacksmusterdarstellung als religiös anstößig gegen die guten Sitten, indem es das Bild eines islamisches Gotteshauses als Symbol für den Islam zum Gegenstand eines vermeintlich von einer übergeordneten Stelle verfügten Verbotes macht und damit den Eindruck erweckt, als gehe von einer Moschee oder dem Islam als solchem eine Gefahr aus, vor der gewarnt werden müsse.
Das Muster ist in Anlehnung an die Verbotszeichen der Berufsgenossenschaftliche Vorschrift „BGV A8 - Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz“ (Stand: 1. April 2002, http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/a8.pdf) gestaltet. Danach ist ein Verbotszeichen ein Sicherheitszeichen, das ein Verhalten untersagt, durch das eine Gefahr entstehen kann. Zur Kennzeichnung eines Verbotes oder einer Gefahr ist die Kreisform und die Verwendung der Farbe Rot mit folgenden Maßgaben angeordnet:
In Anlage 2 dieser Vorschrift finden sich Muster für Verbotszeichen, z. B.
- (Rauchen verboten),
- (für Flurförderfahrzeuge verboten),
- (Mitführen von Tieren verboten) oder
- (Mobilfunk verboten).
Die eingereichte Geschmacksmusterdarstellung, die auch der Anmelder selbst für „provokant“ hält, bildet ein Verbotszeichen im Sinne dieser Vorschrift nach und macht die Abbildung einer typischen Moschee mit zwei sichtbaren Minaretten, mithin das Gotteshaus einer in Deutschland anerkannten Glaubensrichtung und damit die Glaubensrichtung selbst, zum Gegenstand eines vermeintlichen Verbots. Dass sich das Verbotsschild - wie vom Anmelder argumentiert - nur gegen eine besondere Ausprägung des Islam richten soll, nämlich den Bau größerer Moscheen, wie in Köln-Ehrenfeld, wo seit Jahren über den Bau einer bislang nicht fertiggestellten Moschee für 1.200 Gläubige gestritten wird, ist schon aus der eingereichten Musterdarstellung nicht klar ersichtlich und deshalb ohne Relevanz, weil nur die der Wiedergabe entnehmbare Offenbarung Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist (vgl. BPatG 10 W (pat) 701/09, Rn. 13 - Folienbeutelaufdrucke; Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 11 Rn. 26).
Der Islam ist nach dem Christentum und vor dem Hinduismus die zweitgrößte Weltreligion. In Deutschland leben zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime; das sind rund 5 % der Gesamtbevölkerung. Ohne Frage können sich die Anhänger des Islam auf die Religionsausübungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 2 GG berufen.
In den Schutzbereich dieses Grundrechts würde durch die staatliche Gewährung des Geschmacksmusterschutzes für das eingereichte Muster unter Verletzung des Neutralitätsgebots eingegriffen werden.
Der Anmelder kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf seine Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) berufen; denn diese Freiheit wird durch die Versagung des Geschmacksmusterschutzes nicht im Kern berührt. Dem Anmelder wird nämlich insoweit nicht die Benutzung seines Geschmacksmusters versagt, die im Rahmen der allgemeinen Gesetze möglich bleibt, sondern nur das durch staatlichen Akt begründete ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen (§ 38 GeschmMG). Durch die Versagung des ausschließlichen Benutzungsrechts ist der Anmelder daher allenfalls marginal in seiner Meinungsfreiheit betroffen, so dass der Religionsfreiheit der Angehörigen des Islam in der Abwägung der Vorrang einzuräumen ist.
Das Geschmacksmuster ist nach alledem wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GeschmMG vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen.
2. Ob daneben noch ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung anzunehmen ist, weil mit der Geschmacksmusterdarstellung wegen seiner religiös diskriminierenden Wirkung gegen tragende Grundsätze der Rechtsordnung verstoßen wird (Eichmann/von Falckenstein, a. a. O., § 3 Rn. 18), kann offenbleiben.