Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.06.2013


BPatG 20.06.2013 - 30 W (pat) 701/13

Geschmacksmusterbeschwerdeverfahren – "NOR DER NEY" – die Beantwortung der Frage, ob Anordnungen von Buchstaben oder Buchstabenkombination die Schutzvoraussetzungen erfüllen, ist von grundsätzlicher Bedeutung - Präsidentin des DPMA wird der Beitritt zum Verfahren anheimgegeben – zur Auffassung des Senats


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
20.06.2013
Aktenzeichen:
30 W (pat) 701/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 23 Abs 2 GeschmMG 2004
§ 1 Nr 2 GeschmMG 2004

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Geschmacksmusteranmeldung 40 2009 003 417

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. Juni 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi

beschlossen:

Der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts wird der Beitritt zum Beschwerdeverfahren anheimgegeben.

Gründe

I.

1

Am 16. Juli 2009 hat der Anmelder beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters unter Angabe der Erzeugnisse „Aufkleber, Postkarten, Bücher, Werbeartikel, Drucksachen, Kleidung, Geschirr“ mit folgender Musterdarstellung (hier verkleinert wiedergegeben) eingereicht:

2

N O R

3

D E R

4

N E Y.

5

Im Anschluss an einen Zwischenbescheid hat die Geschmacksmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit Beschluss vom 10. November 2009 zurückgewiesen, weil der Gegenstand der Anmeldung kein Muster im Sinne von § 1 Nr. 1 GeschmMG sei. Zur Begründung ist ausgeführt, dass Buchstaben lediglich in besonderer Ausgestaltung als typografische Schriftzeichen Schutz erlangen könnten, was hier nicht in Rede stehe. Im Übrigen seien besondere grafische Ausgestaltungen nur dann musterfähig, wenn sie einem Erzeugnis, z. B. einem Werbeschild, zugeordnet seien. Im vorliegenden Fall lasse die eingereichte Wiedergabe keine konkrete Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon erkennen. Die Wiedergabe zeige lediglich eine Folge von neun einzelnen, in Majuskeln/Versalien dargestellten Buchstaben, welche in horizontaler und vertikaler Anordnung eine Art Blocksatz bilde. Eine besondere Form- und Farbgestaltung sei nicht erkennbar. Vielmehr handele es sich um eine Standardschriftart. Die Auflösung des Ortsnamens „Norderney“ in seine Silben „NOR“, „DER“ und „NEY“ sei geschmacksmusterrechtlich nicht relevant, da die gedankliche Bedeutung von Buchstaben und Worten nicht vom Geschmacksmusterschutz umfasst werde. Zur Fortbildung des Rechts, insbesondere zu der Frage, ob eine blocksatzartige Anordnung von Buchstaben eine besondere grafische Ausgestaltung darstelle, die in den Begriff des musterfähigen Gegenstandes einbezogen sei, sei die Einlegung einer Beschwerde wünschenswert.

6

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Unter Bezugnahme auf sein Schreiben im Patentamtsverfahren hält er die Darstellung mit der Auflösung des Ortsnamens „Norderney“ in seine Silben „NOR“, „DER“ und „NEY“, formend daraus in serifenlosen Versalien übereinander gestellt einen nahezu monolithischen Block, als Geschmacksmuster für schutzfähig. Zu praktischen Anwendungen hat er im Beschwerdeverfahren Bücher, Werbepostkarten und Aufkleber eingereicht.

II.

7

Der Erfolg der zulässigen Beschwerde hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob Anordnungen von Buchstaben oder Buchstabenkombination die Schutzvoraussetzungen von § 1 GeschmMG erfüllen. Die Beantwortung dieser Frage ist über den Einzelfall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung. Aus diesem Grund wird der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 23 Abs. 2 GeschmMG i. V. m. § 77 PatG der Beitritt zum Verfahren anheimgegeben. Aus vorläufiger Sicht des Senats erscheint ein Erfolg der Beschwerde nicht ausgeschlossen. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass Darstellungen von Buchstaben oder Buchstabenkombinationen, denen gestalterisch-kreative Aspekte innewohnen, die nicht der normalen Schreibweise entsprechen, besondere Ausgestaltungen aufweisen und den grafischen Symbolen des § 1 Nr. 2 GeschmMG zugeordnet werden können (Klasse 32 der Klassifikation für Geschmacksmuster). Hierfür spricht auch die Überlegung, dass der Entwurf von Gestaltungen der vorliegenden Art zum typischen Arbeitsfeld von Graphikdesignern zählt.