Entscheidungsdatum: 30.11.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 034 309
(hier: Löschungsverfahren S 173/13 Lösch - Kostenantrag)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Dr. Meiser und Merzbach
beschlossen:
Der Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
I.
Die Bildmarke 30 2012 034 309
wurde am 11. Juni 2012 angemeldet und am 27. Juli 2012 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 18, 21, 25, 28, 35, 41 und 42 in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen.
Den am 4. Juni 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen Löschungsantrag hat die Antragstellerin mit dem Vorliegen von Schutzhindernissen gemäß §§ 50 Abs. 1, 2 i. V. m. 8 Abs.2 Nr. 1 und 2 MarkenG begründet.
Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag am 4. Juli 2013 widersprochen. Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG lägen nicht vor; zudem sei die Marke verkehrsdurchgesetzt im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG.
Mit Beschluss vom 25. Juni 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts den Löschungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die angegriffene Bildmarke - bei der es sich nicht lediglich um eine einfache geometrische Grundform oder rein dekorative Gestaltung handele - weder der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entbehre, noch Merkmale der geschützten Waren und Dienstleistungen i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beschreibe. Auf die Frage einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG komme es daher nicht an. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestehe keine Veranlassung.
Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Beschwerde „kostenpflichtig“ zurückzuweisen.
Mit Hinweis vom 16. März 2017 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung ein Erfolg der Beschwerde nicht in Aussicht gestellt werden könne. Allerdings seien auch keine Gründe ersichtlich, der Antragstellerin - wie beantragt - die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragstellerin hat hierauf am 23. März 2017 den Löschungsantrag zurückgenommen. Die Antragsgegnerin hat auf Rückfrage des Senats erklärt, der Antrag auf Kostenauferlegung bleibe aufrecht erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Nach Rücknahme des Löschungsantrags in der Hauptsache ist nur noch über den Antrag der Antragsgegnerin, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen, zu entscheiden.
Der Kostenantrag ist zwar auch nach der Beendigung des Beschwerdeverfahrens ohne Sachentscheidung zulässig (vgl. § 71 Abs. 4 MarkenG).
Jedoch ist der Kostenantrag nicht begründet.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ist § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, wonach das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Das Gesetz geht dabei - wie aus § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG sowie auch aus § 63 Abs. 1 MarkenG hervorgeht - von dem Grundsatz aus, dass im markenrechtlichen Verfahren, auch im Beschwerdeverfahren, jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Zu einer Abweichung von diesem Grundsatz der eigenen Kostentragung bedarf es stets besonderer Umstände (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 71 Rn. 12). Der Verfahrensausgang allein genügt hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass darüber hinausgehende Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen angebracht erscheinen lassen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 5, 12 m. w. N.). Solche besonderen Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 12).
Derartige besondere Umstände hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor.
Eine Kostenauferlegung entspricht nach der gesetzlichen Regelung (§ 71 Abs. 4 MarkenG) noch nicht deshalb der Billigkeit, weil der Löschungsantrag zurückgenommen worden ist und die Antragstellerin sich gleichsam freiwillig in die Lage der Unterlegenen begeben hat (vgl. BPatG, Beschluss vom 7. Juli 2015, 28 W (pat) 531/14 – B.O.S.S./BOSS HOSS, juris, Rn. 19).
Eine Vermutung für die Billigkeit einer Kostenauferlegung kann des Weiteren auch nicht dem Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juni 2014, in dem der Löschungsantrag zurückgewiesen worden ist, entnommen werden (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 11).
Vielmehr bedürfte es nach den dargelegten Grundsätzen eines schuldhaften Verstoßes der Antragstellerin gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht, welcher dann vorliegt, wenn eine Partei in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation versucht, ihr eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 12). Dabei ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Nach dieser Maßgabe kann das Verhalten eines Löschungsantragstellers dann Anlass für eine Kostenauferlegung geben, wenn der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, insbesondere wenn der Löschungsantrag auf Gründe gestützt wurde, für die es weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur auch nur ansatzweise eine Bestätigung gibt (vgl. BPatG MarkenR 2006, 172, 175 Pinocchio; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 15).
Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.
Die Antragstellerin hat den Löschungsantrag darauf gestützt, dass der angegriffenen Bildmarke sowohl im Anmeldezeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt die Schutzhindernisse der §§ 50 Abs. 1, 2 i. V. m. 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstanden. Zur Begründung hat sie zunächst ausgeführt, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Bildmarke - welche die zweite Stufe des sog. Sierpinski-Dreiecks darstelle - um eine als solche nicht unterscheidungskräftige, einfache geometrische Grundform handele, wie es etwa auch das OLG Köln in der zwischen den Parteien ergangenen Entscheidung im Verfügungsverfahren im Hinblick auf die dort angegriffene Verletzungsform unter dem Gesichtspunkt des markenmäßigen Gebrauchs angenommen hat (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 148, 149 - Dreicksmuster; vgl. auch BGH, GRUR 2017, 730, 733, Rn 26 - Sierpinski Dreieck). Dazu ist allerdings anzumerken, dass den Verletzungsgerichten die Beurteilung einer bestimmten Fallkonstellation oblag (nämlich die Aneinanderreihung einer Vielzahl kleiner, um 180° gedrehter Sierpinski-Dreiecke, welche sich nach Art eines Stoffmusters über das gesamte Bekleidungsstück erstrecken, vgl. BGH, a. a. O., Rn. 22 - Sierpinski Dreieck), während für die registerrechtliche Beurteilung im vorliegenden Löschungsverfahren kein strenger Maßstab anzulegen ist und für die Versagung der Schutzfähigkeit kein Anlass besteht, soweit durch die Verbindung mehrerer (auch einfacher) Figuren eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung erreicht ist (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 269).
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Antragstellerin, wonach es sich bei der verfahrensgegenständlichen Bildmarke um ein übliches Muster bzw. ein rein dekoratives Element ohne Herkunftsfunktion handele, welches - insbesondere im Bereich der in Klasse 25 beanspruchten „Bekleidungsstücke“ - gängig verwendet und vom Verkehr entsprechend wahrgenommen werde, ergaben sich weitere, jedenfalls erörterungsbedürftige Fragen, darunter die Abgrenzung zwischen markenmäßigen und nicht markenmäßigen Verwendungsformen nach dem nach jüngerer europäischer Rechtsprechung gültigen Maßstab der „wahrscheinlichsten“ Verwendungsform (EuGH GRUR 2013, 519, Nr. 55 - Deichmann; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 127-129 m. w. N.) sowie die Frage nach den einschlägigen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem relevanten Sektor der (Ober-)Bekleidung (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 128, 129), auch unter Erörterung der von der Antragstellerin vorgelegten, durchaus umfangreichen Unterlagen. Neben weiteren Argumenten der Antragstellerin, hinsichtlich derer auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, haben die Beteiligten sodann um eine etwaige Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Bildmarke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG gestritten, wobei die Antragsgegnerin selbst umfangreiche Unterlagen zum Nachweis vorgelegt hat. Wenngleich es auf die Frage der Verkehrsdurchsetzung nicht ankommt, wenn der angegriffenen Marke die geltend gemachten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegenstehen, verdeutlicht dies doch den Umfang des vorliegenden Löschungsverfahrens.
Demnach handelte es sich in der Hauptsache um ein umfangreiches und auch zumindest durchschnittlich schwieriges Löschungs- und Beschwerdeverfahren, für dessen Beurteilung sich zahlreiche, jedenfalls erörterungswürdige Fragestellungen ergaben. Wenngleich der Beschwerde nach dem Hinweis des Senats vom 16. März 2017 im Ergebnis kein Erfolg in Aussicht gestellt werden konnte, kann der Antragstellerin keinesfalls der Vorwurf gemacht werden, einen erkennbar aussichtslosen, offensichtlich unbegründeten Löschungsantrag gestellt und so schuldhaft gegen ihre prozessualen Sorgfaltspflichten verstoßen zu haben. Vielmehr entsprach es dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), den Beschluss der Markenabteilung 3.4 einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.
Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigen würde, vom Grundsatz der eigenen Kostentragung abzuweichen, liegt daher nicht vor. Der Kostenantrag der Antragstellerin musste daher erfolglos bleiben.
Dr. Hacker |
Merzbach |
Dr. Meiser |