Entscheidungsdatum: 15.03.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 000 262.0
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Oktober 2014 und vom 27. Juli 2016 aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
Multiflux
ist am 17. Januar 2014 für die Waren der
„Klasse 9: Durchflussmessgeräte, insbesondere magnetisch-induktive Durchflussmessgeräte, Ultraschall-Durchflussmessgeräte, Wirbelfrequenz-Durchflussmessgeräte, Coriolis-Massedurchflussmessgeräte, Schwebekörper-Durchflussmessgeräte“
zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung durch Beschluss vom 16. Oktober 2014 wegen des Vorliegens von Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Anmelderin wurde mit Beschluss vom 27. Juli 2016 zurückgewiesen, da es sich bei dem Anmeldezeichen um eine merkmalsbeschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handele.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Marke setze sich aus den Bestandteilen „Multi” und „flux” zusammen. „Multi" sei ein dem Lateinischen entstammendes Wortbildungselement mit der Bedeutung „mehrfach, vielfach“, welches in vielen deutschen Wortzusammensetzungen Verwendung finde. „Flux” sei ein lexikalisch nachweisbarer Begriff, dem u. a. die im vorliegenden Warenzusammenhang glatt beschreibende Bedeutung „Durchflussmenge“ zukomme. Ausgehend hiervon sei die Gesamtbezeichnung Multiflux geeignet, die beanspruchten Durchflussmessgeräte hinsichtlich ihrer Bestimmung, den Durchfluss verschiedener Medien zu messen, zu beschreiben. Darauf, dass Multiflux nicht als Fachbegriff nachgewiesen sei (anders als „Wasserflux“, vgl. BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 22/14 - WATERFLUX), komme es vorliegend nicht entscheidend an, weil auch zukünftige Entwicklungen mit einzubeziehen seien und das Zeichen überdies bereits im einschlägigen Markt zur Bezeichnung eines Messrechners verwendet worden sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Zur Begründung trägt die Anmelderin vor, das Anmeldezeichen sei für die beanspruchten Waren weder unmittelbar beschreibend noch weise es einen engen beschreibenden Bezug zu diesen Waren auf. Der erste Wortbestandteil „Multi“ habe sowohl im Englischen als auch im Deutschen die Bedeutungen „vielfach" oder „mehrfach“. Dem zweiten Wortbestandteil „Flux” komme die Bedeutung „Fließen“, „Fluss“, „Strömung”, oder „Wasserwert“ zu. Somit ergebe sich für das Gesamtzeichen ein Aussagegehalt im Sinne von „Mehrfachfließen“ oder „Mehrfachströmung”, was nicht gleichzusetzen sei mit der Eignung eines Geräts zur Durchflussmessung von unterschiedlichen Medien. Zu letztgenannter Bedeutung werde der Verkehr allenfalls aufgrund mehrerer Gedankenschritte im Rahmen einer analysierenden Betrachtungsweise gelangen, was bereits die Schutzfähigkeit der Marke begründe. Soweit die Markenstelle darauf verweise, dass das Anmeldezeichen bereits auf dem einschlägigen Markt verwendet werde, sei darauf hinzuweisen, dass das Verwendungsbeispiel der Markenstelle, die Wortmarke „Multi-Flux-FMC 2000”, abweichend von „Multiflux“ gebildet sei und zudem nicht beschreibend, sondern markenmäßig, verwendet werde.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Oktober 2014 und vom 27. Juli 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG bestehen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; GRUR2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) - KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) - OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) - Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) - Stadtwerke Bremen; 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) - TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).
2. Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung Multiflux über die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich die angemeldete Marke aus den Elementen „Multi“ und „flux“ zusammensetzt.
Das aus dem lateinischen stammende Präfix „Multi“ bedeutet in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben „viel, vielfach, mehr, mehrfach“ (www.duden.de). Im Zusammenhang mit Adjektiven wird es beispielsweise in den Worten „multimedial“ und „multikulturell“ benutzt, bei Substantiven beispielsweise in den Worten „Multitalent“ oder „Multimillionär“. (vgl. hierzu etwa BPatG PAVIS PROMA, 28 W (pat) 563/12 - MULTIZOO; 28 W (pat) 38/10 - MULTITUBO; 24 W (pat) 81/07 - MultiStar)
Bei dem Zeichenbestandteil „flux“ handelt es sich um einen lexikalisch nachweisbaren, ursprünglich aus dem Lateinischen stammenden und in verschiedene Sprachen übernommenen Begriff, welcher mehrere Bedeutungen haben kann. Lexikalisch ist dieser Begriff in der Bedeutung „Materie- oder Teilchenströmung, speziell für den Neutronenfluss“ sowie als Bezeichnung für „Stoffverlagerungen durch die Membran lebender Zellen und ihrer Organellen“ nachweisbar (vgl. DUDEN, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl., 2007 S. 468). Diesem letztgenannten Begriffs- und Bedeutungsgehalt weitgehend entsprechend bezeichnet „FLUX“ in der Filtrations- und Membrantechnik den sog. „Wasserwert“ (vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserwert). Dieser Wert gibt die Durchtrittsrate bzw. den Durchsatz eines Mediums (Wasser) durch einen Filter oder eine Membran an, also den volumenmäßigen Durchsatz pro Zeiteinheit und pro Druckdifferenz (vgl. hierzu schon m. w. N. BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 22/14 - WATERFLUX).
Ferner kann der Begriff „flux“, wie auch aus den von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen hervorgeht (vgl. etwa die Anlage www.leo.org), aus dem Englischen ins Deutsche mit der Bedeutung „Durchflussmenge“ übersetzt werden, und mit dieser Bedeutung wird das Wortelement im Inland nachweislich vielfach im Zusammenhang mit Durchflussmessgeräten verwendet.
Ausgehend hiervon hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass das Wortelement „flux“ in Alleinstellung geeignet ist, das Objekt der Durchflussmessung beschreiben, so dass es sich in einer glatt beschreibenden Zweckangabe für die beanspruchten Waren der Klasse 9 erschöpft und als solches schutzunfähig ist.
Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung Multiflux die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 99) - Postkantoor; GRUR 2004, 680 (Nr. 40) - BIOMILD; GRUR 2010, 534 (Nr. 42) - PRANAHAUS; BGH GRUR 2012, 270 (Nr. 16) - Link economy; GRUR 2014, 1204 (Nr. 16) - DüsseldorfCongress; GRUR 2017, 186 (Nr. 30) - Stadtwerke Bremen; siehe auch m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 201, 217-218). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 2017, 520 (Nr. 49) - MICRO COTTON; GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 23/10 - JURAWERK; BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE). Dabei kann eine die bloße Summenwirkung der beschreibenden Einzelbestandteile übersteigende und damit schutzbegründende Wirkung vor allem in syntaktischer oder semantischer Art durch eine besondere sprachliche Ausgestaltung oder durch die Ungewöhnlichkeit der Kombination erzielt werden (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 219). Dies ist vorliegend festzustellen.
Die Wortschöpfung wirkt in ihrer Zusammensetzung aus dem Präfix „Multi“ mit dem Wort „flux“ ungewöhnlich und interpretationsbedürftig, da sie sich nicht in die übliche Wortbildung aus diesen Elementen einreiht und sich die Wortbestandteile zudem ihrem Sinn nach auf Unterschiedliches beziehen. „Flux“ in Alleinstellung bezeichnet, wie dargelegt, im vorliegenden Warenzusammenhang kein Gerät und keinen Gegenstand, sondern den „Durchfluss“ als Objekt der Messung, so dass es sich um eine Zweckangabe für das Messgerät handelt. Der Bestandteil „Multi“ ist demgegenüber nicht unmittelbar auf den Durchfluss („flux“) bezogen, sondern bezieht sich entweder auf Eigenschaften des Geräts oder aber auf die Anzahl der Messvorgänge. Insoweit durch die Voranstellung von „Multi-“ regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass von dem nachfolgenden Sachbegriff ein Vielfaches vorhanden ist, ergibt dies vorliegend, in Bezug auf den nachfolgenden Bestandteil „flux“, keinen auf Anhieb nachvollziehbaren Gesamtsinn. Der angesprochene Verkehr kann nicht ohne weiteres erkennen, was in der Wortverbindung Multiflux vervielfältigt wird. Die nach der gewohnten Wortbildung naheliegende Bedeutung „viel Durchfluss“ bzw. „Mehrfachdurchfluss“ enthält keine unmittelbar nachvollziehbare, sinnvolle Sachaussage für die beanspruchten Waren. Zu der von der Markenstelle unterstellten Bedeutung, wonach sich der „Mehrfachdurchfluss“ auf die Bestimmung des Messgerätes, den Durchfluss verschiedener Medien zu messen, bezieht, gelangt der angesprochene Verkehr nur im Rahmen einer analysierenden Betrachtungswiese und über mehrere Gedankenschritte, was aber bereits die Unterscheidungskraft begründet.
Nichts anderes ergibt sich aus den Rechercheergebnissen der Markenstelle sowie des Senats, wonach das Gesamtwort „Multiflux“ weder im Sinne eines Fachbegriffs, noch zur werblichen Beschreibung von Durchflussmessgeräten verwendet wird. Der einzige Nachweis der Markenstelle (digitaler Messrechner „Multi-Flux-FMC 2000“) bezieht sich auf eine markenmäßige Verwendung, und darüber hinaus konnte auch der Senat keine Belege für eine beschreibende Verwendung des Gesamtbegriffs ermitteln.
Die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis kann dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit deshalb nicht abgesprochen werden.
3. Da dem Zeichen in seiner Gesamtheit mangels einer im Vordergrund stehenden Sachaussage für die beanspruchten Waren das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann, besteht an dem Gesamtbegriff Multiflux auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.