Entscheidungsdatum: 26.04.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 003 049.2
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. April 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die am 4. Februar 2016 angemeldete Wortmarke
Glatte Wand
soll u. a. für die Waren
„Klasse 02: Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; Spachtelmassen zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes [Anstrichmittel]; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur;
Klasse 03: Wasch und Bleich, Putz, Polier, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel;
Klasse 19: Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; Putzfüllmittel; Baukalk; Spachtelmassen und Grundierungsmittel [soweit in Klasse 19 enthalten] für Bauzwecke“
eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. April 2016 zunächst vollständig und - auf Erinnerung der Anmelderin - mit Beschluss vom 5. August 2016 teilweise, nämlich für o. g. Waren zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung insoweit an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Die sprachüblich aus Begriffen der deutschen Alltagssprache gebildete Wortkombination werde von den angesprochenen Fachkreisen aus dem Bauwesen sowie privaten Bauherren und interessierten und informierten Laien als beschreibender Hinweis auf Art, Zweck und Wirkungsweise der in Frage stehenden Waren verstanden, nämlich dass sie zum Glätten unebener Wände bestimmt und geeignet seien. Dies könne auf die zurückgewiesenen Waren zutreffen, so dass Glatte Wand sich auf einen beschreibenden Hinweis beschränke, dass es sich um Waren handele, die dazu dienten, glatte Wände zu erzeugen. In diesem Sinne werde die Wortfolge auch verwendet, und zwar nicht nur von der Anmelderin, so dass dieser Begriff nicht mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, dass die Begriffskombination Glatte Wand vielfältige Interpretationsmöglichkeiten erlaube und auch nicht alle zurückgewiesenen Waren dafür bestimmt und geeignet seien, glatte Wände zu erzeugen. So würden die in Klasse 2 genannten Färbemittel nicht typischerweise zur Herstellung einer glatten Wand verwendet. Sie dienten vielmehr zur Farbgebung der Wand. Gleiches gelte für jegliche Grundierungsmittel. Diese würden eingesetzt, um einen farblich vorteilhaften Grund für das anschließend eingesetzte Färbemittel zu schaffen. Auch die in Klasse 2 genannten Beizmittel dienten einem anderen Zweck. Beizen würden zum Schutz der Oberfläche gegen Oxidation (bei Metall) oder Schimmel (bei Holz und Geweben) eingesetzt. Entsprechend sei das Zeichen auch für „Verdünnungsmittel“ der in Klasse 2 genannten Färbe- und Beizmittel sowie für „Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit“ e intragungsfähig. Die übrigen in Klasse 2 genannten Waren wie zB „Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler“ dienten nur zur weiteren Dekoration und Farbgebung. Beispielsweise werde eine Wand durch Aufbringung von Blattgold keinesfalls glatter, sondern eher unebener. Ebensowenig dienten die übrigen Waren der Klassen 3 und 19 „Wasch- und Bleich-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, Abbeizmittei" oder „Baumaterialien“ der Herstellung einer glatten Wand.
Der Fachmann wisse, dass die Herstellung einer glatten Wand sehr kompliziert und arbeitsaufwändig sei. Je nach der zu bearbeitenden Oberfläche seien unterschiedliche Schritte gefragt. Eine einzelne Farbe (Klasse 2), Bleichmittel (Klasse 3) oder Baukalk (Klasse 19) könne dies nicht leisten. Nur im Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Materialien und Arbeitsgänge sei dies möglich.
Eine warenbeschreibende Sachaussage, die auf bestimmte Eigenschaften der in Frage stehenden Waren selbst Bezug nehme, sei dem angemeldeten Zeichen daher nicht zu entnehmen. Bei Glatte Wand handele es sich auch nicht um eine so gebräuchliche Wortfolge der Alltagssprache, dass sie vom Verkehr allein und stets als solche aufgenommen und verstanden werde.
Dementsprechend seien auch eine Reihe vergleichbar mit den Begriffen „glatt“ bzw. „Wand“ gebildete Kombinationen als Marke eingetragen worden.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2016 und 5. August 2016 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die obengenannten Waren darin zurückgewiesen worden ist.
Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach Terminsladung zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache unbegründet, da die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Markenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2015, 1198 (Nr. 59) - Kit Kat; GRUR 2014, 373 (Nr. 20) KORNSPITZ; 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2016, 934 (Nr. 9) - OUI; GRUR 2015, 581 (Nr. 16) - Langenscheidt-Gelb; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 29) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2016, 1167 (Nr. 13) - Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 581 (Nr. 9) - Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 (Nr. 46) - Deichmann; GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 30, 32) - Stadtwerke Bremen; 2014, 1204 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2017, 186 (Nr. 32) - Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 1204 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2010, 1100 (Nr. 23) - TOOOR!; GRUR 2006, 850 (Nr. 28 f.) - FUSSBALL WM 2006).
2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen Glatte Wand bezüglich der maßgeblichen Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die aus in ihrer Bedeutung allseits bekannten Begriffen der deutschen Sprache gebildete Wortkombination Glatte Wand bedeutet „geglättete, keine Unebenheiten aufweisende Wand“. Mit dieser den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres geläufigen Bedeutung beschränkt sich die angemeldete Wortfolge in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren, bei denen es sich überwiegend um Maler-, Anstrich- und Baumaterialien handelt, auf einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die entsprechenden Waren dafür bestimmt und geeignet sind, geglättete und damit glatte Wände zu schaffen bzw. zur Herstellung solcher Wände beizutragen.
Eine solche Bestimmung bzw. Eignung kann entgegen der Auffassung der Anmelderin auch sämtlichen zurückgewiesenen Waren zukommen. So handelt es sich bei den zu den Klassen 2 und 19 beanspruchten „ Anstrichmittel; Farben; Firnisse; Lacke; Grundierungsmittel als Anstrichfarbe; … Färbemittel; ...Spachtelmassen zum Glätten und Ausbessern eines rauen Untergrundes [Anstrichmittel]; Beschichtungsmittel aus Kunststoff als Paste und flüssig für Oberflächen aus Holz und Metall zum Schutz gegen Feuchtigkeit; streichfähige Makulatur ; Baumaterialien [nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthalten]; Fassadenmörtel; Verputzmittel; Edelputz; Streichputz; Fertigmörtel; Putzfüllmittel; .. Spachtelmassen und Grundierungsmittel [soweit in Klasse 19 enthalten] für Bauzwecke“ um Materialien, welche unmittelbar z. B. als Wandbeläge oder Verputzmittel der Herstellung „glatter Wände“ dienen können.
Was die Waren „Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Verdünnungsmittel für sämtliche vorgenannte Waren;…Wasch- und Bleich-, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel für das Maler- und Stuckateurhandwerk; Abbeizmittel“ betrifft, tragen diese zwar nicht unmittelbar zur Anfertigung glatter Wände bei; sie können jedoch ohne weiteres ihrer Beschaffenheit nach für die Bearbeitung oder Behandlung glatter (Holz)Wände gedacht und bestimmt sein, so dass Verkehr auch insoweit der angemeldeten Wortfolge einen beschreibenden Hinweis auf den Bestimmungs- und Verwendungszweck dieser Waren entnehmen wird; er wird darin aber keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.
Auch die Waren „Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler“ sowie „Baukalk“ können auf „glatten Wänden“ zur Anwendung kommen bzw. - was die Ware „Baukalk“ betrifft - als Bestandteil von Bau- und/oder Verputzmaterialien zur Herstellung solcher Wände beitragen. Insoweit beschreibt Glatte Wand möglicherweise nicht unmittelbar Merkmale und Eigenschaften dieser Waren; es besteht jedoch auf jeden Fall ein enger beschreibender Bezug, so dass Endverbraucher wie auch die vorliegend in erster Linie angesprochenen Fachverkehrskreise sowie fachlich interessierten Laien (Heimwerker) Glatte Wand in Zusammenhang mit diesen Waren nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstehen werden.
Die angemeldete Bezeichnung beschreibt damit unmittelbar Merkmale und Eigenschaften der zurückgewiesenen Waren bzw. weist zumindest einen engen beschreibenden Bezug zu diesen auf. Dieser beschreibende bzw. sachbezogene Aussagegehalt drängt sich dem Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren entgegen der Auffassung der Anmelderin auch ohne weiteres Nachdenken auf. Die Wortfolge Glatte Wand weist angesichts ihres nahezu jedermann verständlichen Bedeutungsgehalts insbesondere auch keine schutzbegründende Interpretationsbedürftigkeit und Mehrdeutigkeit auf. Die seitens der Anmelderin in der Beschwerdebegründung aufgezeigten Interpretations- und Verständnismöglichkeiten sind bereits aus sich heraus, erst recht aber in Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten und für die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zeichens allein maßgeblichen Waren fernliegend. Zudem ist ein Wortzeichen in rechtlicher Hinsicht schon dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der infrage stehenden Waren bezeichnet (EuGH, GRUR Int. 2004, 410, 412, Rdn. 38 – Biomild; BGH, GRUR 2008, 900, Rdn. 15 - SPA II).
3. Soweit die Anmelderin auf Voreintragungen, insbesondere mit den Begriffen „glatt“ und Wand“ Bezug nimmt, entfalten diese ungeachtet der hier ohnehin fehlenden Vergleichbarkeit in rechtlicher Hinsicht keine Bindungswirkung (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 - SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.
4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.