Entscheidungsdatum: 13.12.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die international registrierte Marke IR 1 014 468
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 2011 aufgehoben.
I.
Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wird nachgesucht für die international registrierte Marke IR 1 014 468
SpeakUp
die für folgende Dienstleistungen eingetragen ist:
“Klasse 35:
Information and reporting services, namely the provision of organisational information in the context of dealing with profit and non-profit organisations and the employees of these organisations as regards infringements of business principles, breaches of codes of conduct and unacceptable conduct; information and reporting services, namely the provision of organisational and commercial information relating to working procedures within organisations.
Klasse 42:
Information and reporting services, namely the provision of information on harm to the environment; information and reporting services, namely the provision of legal information relating to discrimination, unethical conduct and the commission of crimes; information and reporting services, namely the provision of legal information relating to ethical and moral issues.
Klasse 45:
Information and reporting services, namely the provision of information on security; information and reporting services, namely the provision of social and communal information relating to discrimination, unlawful conduct, unethical conduct and the commission of crimes; information and reporting services, namely the provision of social and communal information relating to ethical and moral issues.”
Die Markenstelle für Klasse 45 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Die Wortkombination „SpeakUp“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, in erster Linie international tätige Unternehmen, aufgrund der ihnen zu unterstellenden Englischkenntnisse ohne weiteres im Sinne einer Aufmunterung zum Sichaussprechen verstanden, nicht aber als Unternehmenskennzeichen. „SpeakUp“ sei als zum englischen Anfängerwortschatz gehörende Aufforderung „speak up“ zu erkennen und im Sinne von „laut(er) sprechen“, „sich einsetzen für“, „frisch von der Leber weg sprechen“ bzw. als Redewendung „heraus mit der Sprache“ zu übersetzen. Es sei als Aufforderung zu verstehen, sich über eine Plattform zu einem der im Dienstleistungsverzeichnis genannten Themen auszusprechen und über entsprechende Verfehlungen zu berichten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin mit der Begründung, die beanspruchten Dienstleistungen richteten sich an Unternehmen jeder Größe und deshalb auch an kleine oder mittelständische Unternehmen und natürliche Personen, die allein in Deutschland tätig seien. Diese verstünden „SpeakUp“ mangels ausreichender Englischkenntnisse und aufgrund der sprachunüblichen Zusammenschreibung mit Binnengroßschreibung allenfalls als Übersetzung von „Sprechen Auf“, was hinsichtlich der Dienstleistungen keinen Sinn ergebe. Deshalb sähen sie es als Phantasiezeichen an. Zudem sei das Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Es sei kein Synonym für „Whistleblowing“ und werde auch nicht im Zusammenhang damit genutzt. Selbst wenn es im Sinne der Aufforderung „laut(er) sprechen“ in übertragener Bedeutung als „etwas aufzeigen“ verstanden würde, bedürfte es noch mehrerer gedanklicher Schritte, um es mit den beanspruchten Dienstleistungen in Verbindung zu bringen.
Sie beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat auch in der Sache Erfolg. Der IR-Marke kann der Schutz nicht nach §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ versagt werden. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann dem Zeichen „SpeakUp“ weder die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, noch steht ein Freihaltebedürfnis der Schutzerstreckung entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 33 - Audi [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 220, Nr. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138, Nr. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.
Hiervon ausgehend sind Wortmarken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus).
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH; GRUR 2010, 228, Nr. 36 - Audi [Vorsprung durch Technik]; EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 32 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949, Nr. 12 - My World; BGH GRUR 2009, 778, Nr. 12 - Willkommen im Leben). Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 - Audi [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027 Nr. 35 und 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228 Nr. 39 - Audi [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Nr. 31, 32 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Nicht unterscheidungskräftig sind demgegenüber spruchartige Wortfolgen, die lediglich in sprach- oder werbeüblicher Weise eine beschreibende Aussage über die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen enthalten oder sich in Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Nr. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermittelt werden könnte, reicht zum Verneinen der Unterscheidungskraft nicht aus (vgl. BGH GRUR 2012, 270, Nr. 12 - Link economy). Insoweit muss in einer auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen bezogenen Einzelfallbeurteilung festgestellt werden, dass das betreffende Zeichen auf dem einschlägigen Gebiet als beschreibende Angabe benutzt und verstanden werden kann (vgl. für Buchstabenfolge: BPatG BlPMZ 2012, 283, 284 - B&P m. w. N.).
2. Nach diesen Grundsätzen kann der Marke „SpeakUp“ die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Als Wortkombination bzw. Wortfolge wird es von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar und ohne gedankliche Analyse als schlagwortartige Aufforderung im Sinne von „sprich lauter“/„heraus mit der Sprache“ verstanden. Angesprochen sind in erster Linie Unternehmen, denen entsprechende Kenntnisse der Welthandelssprache Englisch unterstellt werden können. Das gilt aufgrund der zunehmenden Verbreitung englischer Begriffe im Sprachgebrauch der Wirtschaft auch für mittelständische und kleinere Unternehmen in Deutschland. Die von der Markeninhaberin genannte Bedeutung „sprechen auf“ ist dagegen sprachlich fernliegend. Die Wortfolge „speak up“ wird in gängigen Wörterbüchern und Internetdiensten durchweg mit „sprich lauter“ übersetzt (vgl. Anlage 1b zum angegriffenen Beschluss; Duden Oxford Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., S. 1565; Langenscheidt-Collins, Großwörterbuch Englisch, 2008, S. 804; Langenscheidt Muret-Sanders Großwörterbuch Englisch, 2010, Teil 1, S. 910; Pons, Großwörterbuch Englisch/Deutsch, 2008, S. 933; aktuelle Abfrage von dict.cc und dict.leo.org), in vielen auch als „heraus mit der Sprache“ (vgl. Langenscheidt-Collins a. a. O.; Langenscheidt Muret-Sanders a. a. O.; dict.cc). Diesem Verständnis stehen weder das Zusammenschreiben der Worte „speak“ und „up“ noch die verwendete Groß- und Kleinschreibung entgegen. Ersteres verändert den Sinngehalt nicht. Letztere ist eine werbeübliche Hervorhebung der Wortanfänge, die darauf hinweist, dass es sich um eine Kombination aus mehreren Worten handelt (vgl. BPatG 30 W (pat) 536/12 - MobileFamilyTree).
So verstanden ist das Zeichen jedoch nicht beschreibend für die beanspruchten Dienstleistungen. Bei diesen handelt es sich um Informations- und Berichtsdienste zu verschiedenen Themenbereichen, die dem Begriff „Whistleblowing“ unterfallen. Sie umfassen das Bereitstellen und Weiterleiten von Informationen, nicht aber das originäre Einsammeln derselben von Betriebs- oder Organisationsangehörigen („Whistleblowern“). Hierfür wäre die Aufforderung „sprich lauter“ bzw. „heraus mit der Sprache“ aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen der Aufforderung an eine Person, sich auszusprechen, und dem Erlangen von Informationen auf diesem Weg beschreibend. Ein enger sachlicher Bezug bestünde deshalb auch zum allgemeinen Sammeln von Informationen. Das ist jedoch nicht beansprucht. Zu den beanspruchten Dienstleistungen besteht hingegen kein enger sachlicher Bezug. Das Vorhalten, Bereitstellen und Weiterleiten von Informationen setzt nämlich nicht voraus, dass die Informationen selbst durch Befragen Dritter erlangt oder sonst gesammelt worden sind. Sie können ebenso gut über zugängliche Quellen erlangt oder angekauft worden sein. Insoweit liegt der Fall anders als die von der Markenstelle in Bezug genommene, zurückgewiesene Anmeldung der Gemeinschaftsmarke Nr. 005 803 515. Dort war das Zeichen „SPEAKUP“ für ein anders gefasstes Dienstleistungsverzeichnis angemeldet worden, das auch das Sammeln von Informationen umfasst hat.
3. Bei dieser Sachlage kann auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG festgestellt werden.
Der angegriffene Beschluss war deshalb aufzuheben.