Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.03.2015


BPatG 26.03.2015 - 30 W (pat) 551/13

Markenbeschwerdeverfahren – "STYLE VISION" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
26.03.2015
Aktenzeichen:
30 W (pat) 551/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 042 898.0

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Werner und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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STYLE VISION

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ist am 5. August 2011 als Wortmarke für folgende Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden:

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„Klasse 9: Computerprogramme und Software für Datenverarbeitungsanlagen und –geräte; elektronisches und digitales Lehr- und Unterrichtsmaterial; alle vorgenannten Waren zur Benutzung auf dem Gebiet der Haarpflege sowie für Aus- und Weiterbildung im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen;

5

Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmaterial, Drucksachen; alle vorgenannten Waren zur Benutzung auf dem Gebiet der Haarpflege sowie für Aus- und Weiterbildung im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen;

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Klasse 41: Aus- und Weiterbildung im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen;

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Klasse 42: Gestaltung, Einrichtung, Wartung und Beratung von Software zur Benutzung auf dem Gebiet der Haarpflege sowie für Aus- und Weiterbildung im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen;

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Klasse 44: Dienstleistungen im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen; Beratung im Bereich der Haarpflege und sonstiger Friseurdienstleistungen“.

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Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 20. Juni 2013 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Auf dem hier einschlägigen Gebiet des Friseurhandwerks erschließe sich die angemeldete Marke den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres als beschreibender Sachhinweis dahingehend, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen dazu dienten und bestimmt seien, eine zukunftsweisende Stilrichtung zu kreieren bzw. eine Vision für neue Stile zu entwickeln. Darunter könnten Gestaltungsmöglichkeiten mit neuen Mitteln und Substanzen, Vergrößerung der Frisurenvielfalt, neue, ungewöhnliche Farben in nie dagewesener Zusammensetzung und deren Anwendung, neue Schnitt- und Frisiertechniken usw. fallen, eben alles, was eine Vision neuer Stilrichtungen ausmache. Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten allesamt dazu dienen, solche Visionen in multimedialer Form zu entwickeln, darzustellen und zu vermitteln.

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Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nach ihrer Auffassung eröffnet die Wortkombination „STYLE VISION“ zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Konkrete Eigenschaften der angemeldeten Waren und Dienstleistungen würden jedoch nicht beschrieben. So könnten Computerprogramme und darauf bezogene Dienstleistungen weder eine Vision darstellen noch handle es sich bei einer Vision um eine Eigenschaft eines Computerprogramms. Computerprogramme hätten auch keinen Stil. Ein Computerprogramm könne allenfalls ein Werkzeug zur Darstellung einer Vision sein, vergleichbar dem Pinsel des Malers. Maßgeblich für die Realisierung einer Vision sei die Kreativität des Programmanwenders, nicht das Programm selbst. Das gleiche gelte für Unterrichtsdienstleistungen und –material. „STYLE VISION“ beschreibe auch keine Merkmale von Friseurdienstleistungen. Allenfalls könne durch solche Dienstleistungen eine Vision des Friseurs umgesetzt werden.

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Die Anmelderin beantragt,

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht und mit zutreffender Begründung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235 (Nr. 45) - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270, 271 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Handelt es sich bei den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Güter auch einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können (z. B. Computerprogramme, Druckereierzeugnisse, Ausbildungsdienstleistungen), so ist die Unterscheidungskraft auch dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen zu beschreiben (vgl. etwa BGH GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042 – REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043 – Gute Zeiten –Schlechte Zeiten; GRUR 2009, 778 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949, 950 [Nr. 16 ff.] – My world; GRUR 2010, 1100, 1101 [Nr. 14, 22] - TOOOR!; BPatG GRUR 2006, 593 - Der kleine Eisbär; Hacker, Markenrecht, 3. Aufl., Rn. 146 m. w. N.).

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Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) – DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 19) – FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Grundsätzen kommt eine Eintragung der angemeldeten Marke nicht in Betracht, da es sich um eine werblich überhöhte Sachaussage ohne jeden herkunftsindividualisierenden Gehalt handelt.

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a) Das ursprünglich englische Wort „style“ ist im inländischen Verkehr als modernisierte Form des deutschen Wortes „Stil“ allgemein bekannt und hat auch in Wortzusammensetzungen wie „Lifestyle“ und in dem Verb „stylen“ Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Gleiches gilt für das englische wie deutsche Wort „vision“ bzw. „Vision“. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die ausdrücklich auf das Gebiet der Haarpflege und Friseurdienstleistungen bezogen sind – und ohne diese Klarstellung auf diesen Bereich bezogen sein könnten –, weist der Ausdruck „STYLE VISION“ somit darauf hin, dass es um die Verwirklichung, Ermöglichung und Vermittlung neuer, zukunftsorientierter Haarstile, um visionäres Hairstyling geht. Im Einzelnen:

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b) Die in Klasse 9 beanspruchten Computerprogramme können, z. B. in Form von Lehr- und Unterrichtsmaterial, aber auch zur Veranschaulichung dem Kunden gegenüber, Visionen über neue Arten des Hairstylings enthalten. Dabei greift die Gleichstellung eines Computerprogramms mit dem Pinsel des Malers zu kurz. Anders als der Pinsel des Malers kann das Computerprogramm selbst bereits Visionen von zukünftigen Haarstilen enthalten oder dem Anwender konkrete Optionen zur Verfügung stellen, solche zu gestalten. Die angemeldete Marke ist daher durchaus geeignet, den gedanklichen Inhalt von Software zu beschreiben. Zu den softwarebezogenen Dienstleistungen der Klasse 42 besteht insoweit jedenfalls ein enger beschreibender Bezug.

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Für die Waren der Klasse 16 gilt dasselbe, denn insoweit handelt es sich nur um ein anderes (analoges) Medium, das aber dieselben Inhalte wie Software aufweisen kann.

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Die Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen der Klasse 41 können ebenfalls dieselben Inhalte vermitteln wie die digitalen Lehr- und Unterrichtsmaterialien der Klasse 9.

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Die Haarpflege- und Friseurdienstleistungen der Klasse 44 schließlich können – dem Kunden gegenüber – mit der beanspruchten Marke dahin beschrieben werden, dass ihm ein visionäres, d. h. bisher nicht gekanntes Hairstyling versprochen wird. Die von der Anmelderin vorgenommene Differenzierung zwischen der Vision als Gedankengut des Friseurs und der Friseurdienstleistung, mit der diese Vision lediglich umgesetzt werde, ist gekünstelt und wird vom Verkehr so nicht vorgenommen. Wenn dem Kunden eine „STYLE VISION“ versprochen wird, so erwartet er ein entsprechendes Ergebnis gerade aufgrund der vom Friseur zu erbringenden Dienstleistung.

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c) Der Anmelderin ist allerdings darin Recht zu geben, dass der Ausdruck „STYLE VISION“ den angesprochenen Verkehr – Friseure (im Bereich der Klassen 9, 16, 41 und 42) ebenso wie Endkunden (im Bereich der Klasse 44) – im Unklaren darüber lässt, was ihn im Einzelnen erwartet. Dabei kann es sich etwa, wie die Markenstelle ausgeführt hat, um Gestaltungsmöglichkeiten mit neuen Mitteln und Substanzen, um eine Vergrößerung der Frisurenvielfalt, um neue, ungewöhnliche Farben in nie dagewesener Zusammensetzung und deren Anwendung, um neue Schnitt- und Frisiertechniken oder um eine Kombination von alledem handeln. Diese inhaltliche Offenheit mag der Annahme einer konkreten Merkmalsbezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen; sie verschafft der angemeldeten Marke aber noch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. So hat der Bundesgerichtshof auch der Wortfolge „Bücher für eine bessere Welt“ die Unterscheidungskraft abgesprochen (BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt), obwohl es für den angesprochenen Verkehr eine Fülle von Interpretationsmöglichkeiten gab. Die bloße inhaltliche Unbestimmtheit eines Ausdrucks ermöglicht noch keine individuelle Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller oder Anbieter. Nebulöse Ankündigungen und Versprechungen wie „Bücher für eine bessere Welt“ oder auch „STYLE VISION“ bleiben vielmehr bei aller Unbestimmtheit sachbezogen und können von jedem beliebigen Unternehmen stammen, das entsprechende Waren und Dienstleistungen anbietet. Eben dies steht der Annahme einer auch nur geringen individuellen Unterscheidungskraft entgegen.

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Die von der Anmelderin herangezogenen Entscheidungen zu den Marken „Link Economy“ und „Essbarer Tiergarten“ sind damit nicht vergleichbar. Diesen Zeichen konnte, wenn überhaupt, nur mit näheren Überlegungen ein nachvollziehbarer Sinngehalt und – darauf aufbauend – ein sachlicher Bezug zu den beanspruchten Produkten entnommen werden. Bei „STYLE VISION“ dagegen handelt es sich um eine in sich sinnvolle Begriffsbildung, deren Sachbezug zu Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet des Friseurhandwerks bei aller Offenheit im Einzelnen auf der Hand liegt.