Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.11.2014


BPatG 27.11.2014 - 30 W (pat) 549/13

Markenbeschwerdeverfahren – „Kanzlei Hamburg Gänsemarkt“ – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
27.11.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 549/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 057 965.5

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung

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Kanzlei Hamburg Gänsemarkt

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für „Juristische Dienstleistungen“ gemeinsam von R…, B… und C….

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Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet, weil sie lediglich auf eine Kanzlei hinweise, die ihren Sitz in Hamburg am Gänsemarkt habe. Das angemeldete Markenwort stelle für die beanspruchten Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Angabe dar, die im Interesse des Wirtschaftsverkehrs, insbesondere der Mitbewerber freizuhalten sei (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Als ohne Weiteres verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe sei die Anmeldung nicht geeignet, die betreffenden Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden; ihr fehle daher auch jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Mit Beschluss vom 22. Mai 2013 hat dieselbe Markenstelle die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, dass im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen die beschreibende Bedeutung der angemeldeten Angabe von den angesprochenen Verkehrskreisen sofort und ohne Weiteres erkannt werde. Für die Schutzfähigkeit einer Marke komme es weder auf eine Wortneubildung noch auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen an.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Mitanmelders R…. Er hält die Anmeldung als neue Kunstwortschöpfung und wegen vergleichbarer Voreintragungen für unterscheidungskräftig. Ein eingehender Schriftsatz auf dem Briefpapier der Kanzlei werde mit den natürlich weit überdurchschnittlichen Fähigkeiten ihrer Rechtsanwälte assoziiert, was gegebenenfalls eine unzutreffende Selbsteinschätzung darstelle. Der Markenname unterscheide sich auch insoweit von einer rein beschreibenden Angabe, weil diese eine andere grammatikalische Beugung vorschreiben würde, nämlich „Kanzlei am Hamburger Gänsemarkt“. Die Frage, ob ein Begriff etwas beschreibe oder nicht, sei kein taugliches Unterscheidungsmerkmal, um zu ergründen, ob ein Markenname Unterscheidungskraft besitze oder nicht. Die Einordnung von „lediglich beschreibenden Begriffen“ als nicht unterscheidungskräftig sei untunlich. Sie werde zwar von Autoren und Gerichten propagiert, was aber nicht bedeute, dass dieser Unfug nicht endlich über Bord geworfen werden könne und solle. Es gebe keinen systematisch begründeten Unterschied zwischen einem beschreibenden Begriff und einem Wort, das nicht beschreibe. „KanzleiHamburgGänsemarkt“ sei genauso unterscheidungskräftig oder nicht unterscheidungskräftig wie etwa „Schnurpselknurpsel Recht“. Ersteres klinge aber irgendwie schöner und habe zusätzlich zur allgemeinen Unterscheidungskraft noch den angenehmen Effekt, dass man auch ohne Blick auf die Adresszeile des Briefpapiers wisse, wo die Kanzlei zu finden sei. Der einzig taugliche Abgrenzungstatbestand für eine eintragungsfähige Marke und eine solche, die zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs nicht eingetragen werden solle, könne nur sein, ob die Marke einen Begriff besetze, der im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung finde und deshalb freizuhalten sei oder nicht. Den übrigen Kanzleien am Gänsemarkt in Hamburg entziehe die Anmeldung schon das Recht, sich ebenfalls so zu nennen; das sei aber Sinn der Markenanmeldung.

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Der Beschwerdeführer hat um Eintragung der Wortmarke „KanzleiHamburgGänsemarkt“ ohne Leerzeichen, hilfsweise mit Leerzeichen gebeten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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1. Die Beschwerde ist zulässig; als Mitanmelder der Anmeldergemeinschaft B…, C… und R… war der Beschwerdeführer am patentamtlichen Verfahren beteiligt (§ 66 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) und ist durch die Entscheidung der Markenstelle beschwert. Mehrere Mitanmelder einer Marke sind notwendige Streitgenossen im Sinn von § 62 ZPO. Die Anwendung der Vorschriften über die Streitgenossenschaft nach §§ 59 ff. ZPO folgt aus § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Jeder Streitgenosse ist für sich beschwerdeberechtigt und kann innerhalb der für ihn geltenden Beschwerdefrist Beschwerde einlegen; die Beschwerde wirkt gemäß § 62 Abs. 2 ZPO für alle und alle sind am Verfahren beteiligt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 66 Rdn. 22; BGH GRUR 2014, 1024, Nr. 10 - VIVA FRISEURE/VIVA). Die Beschwerde ist auch innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt worden (§ 66 Abs. 2 MarkenG).

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Die zulässige Beschwerde ist indessen in der Sache nicht begründet; die angemeldete Marke ist wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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2. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass Gegenstand des Verfahrens die Marke ist, wie in der Anmeldung wiedergegeben (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das ist hier die Marke Kanzlei Hamburg Gänsemarkt. Die Marke stellt vom Anmeldetag an eine unveränderliche Einheit dar (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 32 Rdn. 27); sie kann hier nicht, wie erbeten, im Nachhinein in eine Wiedergabe ohne Leerzeichen zwischen den Markenwörtern geändert werden.

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3. Zwar hat die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss die Zurückweisung der Anmeldung auf die fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung gestützt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Jedoch erfolgte die Zurückweisung ausdrücklich auch unter Bezugnahme auf die Gründe des vorausgegangenen Beanstandungsbescheides, der außer auf die fehlende Unterscheidungskraft auch auf den beschreibenden Charakter und das daraus resultierende Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung abgestellt hat. Mithin ist der Senat nicht gehindert, das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorrangig zu berücksichtigen.

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4. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 337). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Nr. 56 - Postkantoor). Hierbei schließt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG alle Angaben vom Schutz aus, die Eigenschaften der beanspruchten Waren/Dienstleistungen beschreiben können und betrifft nicht nur solche, die wichtige Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen beschreiben (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 365 m. w. N.).

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Maßgeblich ist in erster Linie der objektiv beschreibende Charakter des betreffenden Zeichens. Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren bzw. Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, Nr. 98 - Postkantoor). Dabei besteht bei Namen von Großstädten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten eine stärkere Vermutung dafür, dass sie als geographische Herkunftsangaben bzw. für die Bezeichnung von Orten, in denen Dienstleistungen erbracht werden, für eine Vielzahl von Waren/Dienstleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 430 m. w. N.).

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Das angemeldete Zeichen Kanzlei Hamburg Gänsemarkt besteht nach diesen Maßstäben ausschließlich aus Angaben, die die Art und den Ort der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen beschreiben. Die Mitbewerber der Anmelder haben deshalb ein berechtigtes Interesse an deren freier ungehinderter Verwendung.

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Die Anmeldung ist gebildet aus den Wörtern „Kanzlei“, „Hamburg“ und „Gänsemarkt“. Das Wort „Kanzlei“ bezeichnet nicht nur das Büro (im engeren räumlichen Sinn), sondern auch den Betrieb eines Rechtsanwalts oder mehrerer Anwälte in Gemeinschaft (vgl. BPatG 24 W (pat) 75/08 - KANZLEI WESERBERGLAND; 30 W (pat) 510/11 - Künstlerkanzlei; Beschlüsse veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts). „Hamburg“ ist der Name der zweitgrößten Stadt Deutschlands, in der zahlreiche Anwaltskanzleien angesiedelt sind. „Gänsemarkt“ ist der Name eines öffentlichen Platzes in zentraler Lage in der Hamburger Neustadt unweit des Jungfernstiegs. Neben historischen Gebäuden finden sich entlang des Platzes auch neue Bauten mit zahlreichen Geschäftssitzen in der zentralen Lage der Stadt. Wie vom Beschwerdeführer zutreffend angeführt, sind weitere Anwaltskanzleien - und auch Notariate – in Hamburg am Gänsemarkt ansässig.

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So ergibt sich ohne weiteres Nachdenken die Bedeutung „Kanzlei in Hamburg am Gänsemarkt“. Deshalb ist Kanzlei Hamburg Gänsemarkt objektiv geeignet, Art, und Ort der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen dahingehend zu beschreiben, dass diese von einer Kanzlei angeboten und erbracht werden, die in Hamburg am Gänsemarkt ihren Sitz hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die angemeldete Bezeichnung ohne die Präpositionen „in“ und „am“ gebildet ist. Der Verzicht auf diese verbindenden Elemente beeinträchtigt die Erfassung des beschreibenden Gehalts der Wortfolge in keiner Weise und ist auch nicht sprachregelwidrig. So werden etwa Zielangaben in Taxis oft ohne Präpositionen formuliert.

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Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Beschwerde kann deshalb keinen Erfolg haben.

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5. Ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277, Nr. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).