Entscheidungsdatum: 05.07.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2010 003 471.8
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I. |
Das Wort-/Bildzeichen
ist als Marke für folgende Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet:
„Klasse 16:
Druckereierzeugnisse;
Klasse 35:
Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; betriebswirtschaftliche Beratung; Dienstleistungen eines Steuerberaters; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke;
Klasse 36:
Immobilienwesen; Immobilienverwaltung, sowie Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien; Vermögensverwaltung;
Klasse 45:
Rechtsberatung und -vertretung; juristische Dienstleistungen; Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten.“
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 22. Juli 2010 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. „Neuhof“ sei eine die geografische Herkunft beschreibende Ortsangabe, die vom Verkehr auch so verstanden werde. Die Markenstelle nimmt insoweit Bezug auf die Ortschaft Neuhof bei Fulda, die schon aufgrund ihrer Größe als Herkunftsangabe in Betracht komme. Auch die grafische Gestaltung sei nicht geeignet, dem Zeichen Schutzfähigkeit zu verleihen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 22. Juli 2010 aufzuheben.
Eine Begründung ist nicht zur Akte gelangt.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BioID; EuGH a. a. O. - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen, andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Hierbei ist auf die Wahrnehmung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Nr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Hiervon ausgehend besitzen Wortzeichen bzw. die Wortbestandteile von Wort-/Bildzeichen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link Economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; a. a. O. - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Ein aus Wort- und Bildelementen bestehendes Zeichen kann durch eine besondere bildliche oder grafische Ausgestaltung nicht unterscheidungskräftiger Wortbestandteile zu einem eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis werden und so Unterscheidungskraft erlangen (BGH a. a. O. - antiKALK; a. a. O. Nr. 20 - Visage; GRUR 2009, 954 Nr. 16 - Kinder III). An diese Ausgestaltung sind jedoch umso größere Anforderungen zu stellen, je kennzeichnungsschwächer der Wortbestandteil ist (BGH a. a. O. - antiKALK).
Nach diesen Grundsätzen kann dem beanspruchten Zeichen in seiner Gesamtwirkung aus Wortbestanteil und graphischer Gestaltung die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden.
Der Wortbestandteil „Neuhof“ des beanspruchten Zeichens stellt nicht nur den Familiennamen des Anmelders dar, sondern deckt sich - anders als etwa „Dr. Neuhof“ - mit dem Namen mehrerer Orte in Deutschland, insbesondere aber mit dem Namen der bei Fulda gelegenen Gemeinde Neuhof. Diese Gemeinde hat ca. 11.000 Einwohner. Wie von der Markenstelle zutreffend ermittelt und belegt, werden Dienstleistungen der von der Anmeldung beanspruchten Art von Gewerbetreibenden und Freiberuflern in Neuhof angeboten. Insoweit steht fest, dass es sich bei „Neuhof“ um eine Angabe handelt, die zur Bezeichnung der geographischen Belegenheit entsprechender Angebotsstätten dienen kann. Im Hinblick auf die des Weiteren beanspruchten „Druckereierzeugnisse“, aber auch die „Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke“, kann es sich um Produkte handeln, die sich mit der Gemeinde Neuhof befassen, z. B. in Form eines Stadt- oder Behördenführers, wie sie auch von kleineren Gemeinden häufig herausgegeben werden. Damit aber handelt es sich bei „Neuhof“ hinsichtlich sämtlicher von der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen um eine beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Als solcher fehlt ihr zugleich zwingend jede Unterscheidungskraft (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Nr. 19 - BIOMILD).
Dass die Gemeinde Neuhof nicht weiter bekannt ist und es weitere Gemeinden dieses Namens gibt, rechtfertigt keine andere Sichtweise (vgl. BGH GRUR 2003, 882, 883 - Lichtenstein). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Amtsverfahren vorgelegten Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 17. Februar 2005 (Az. 304 13 332.9/36). Dort ist der Wortmarke „Neuhof Beratung für Banken“ Unterscheidungskraft zugebilligt worden. Allerdings ist dem Beschluss nicht zu entnehmen, welche Gemeinde dieses Namens der Prüfer im Blick hatte. Außerdem hat er angenommen, dass innerhalb der Wortfolge „Neuhof Beratung für Banken“ der Bestandteil „Neuhof“ nicht ohne Weiteres als Ortsangabe erkennbar sei. Ob dies zutrifft, bedarf keiner Entscheidung (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 Nr. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V. m. w. N.).
Auch die grafische Gestaltung des angemeldeten Zeichens ist nicht geeignet, die erforderliche Unterscheidungskraft zu begründen. Das wäre nur der Fall, wenn sich hierdurch ein die beschreibende Angabe überlagernder, auf die unternehmerische Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen deutender Gesamteindruck ergäbe. Hieran fehlt es. Die blaue Schrift und das als Hintergrund verwendete türkise Quadrat stellen einfache Gestaltungsformen dar, die nicht über eine gängige werbemäßige Hervorhebung des Wortes „Neuhof“ hinausgehen (vgl. BGH a. a. O. - antiKALK; a. a. O. - Kinder III).