Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.10.2012


BPatG 18.10.2012 - 30 W (pat) 545/11

Markenbeschwerdeverfahren – "ip-matters" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
18.10.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 545/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 000 499.4

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Oktober 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register ist angemeldet

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ip-matters

3

für die Dienstleistungen

4

„Klasse 45:

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Dienstleistungen eines Rechtsanwalts, Dienstleistungen eines Patentanwalts.“

6

Die Markenstelle für Klasse 45 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 5. Juli 2011 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 31. Mai 2011 zurückgewiesen. Sie ist der Auffassung, der Eintragung stehe sowohl mangelnde Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als auch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Das Zeichen „ip-matters“ sei sprachüblich gebildet und bestehe ausschließlich aus Angaben, die von den maßgeblichen Verkehrskreisen hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen als unmittelbar beschreibend verstanden würden. In Verbindung mit diesen Dienstleistungen weise das Zeichen darauf hin, dass „intellectual property“ Thema, Gegenstand oder Objekt derselben sei. Das Zeichen beschreibe somit Art und Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen. Als Hinweis auf ihre unternehmerische Herkunft sei es deshalb nicht geeignet. Aus den genannten Gründen unterliege es auch einem Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Juli 2011 aufzuheben.

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Sie ist der Ansicht, das Zeichen sei für die beanspruchten Dienstleistungen nicht beschreibend. Der Bestandteil „matters“ sei mehrdeutig. Er bedeute nicht nur „Angelegenheiten, Belange, Themen, Fragen“, sondern auch „ist relevant/wichtig“ und sei deshalb unterscheidungskräftig. Das bestätigten beispielhaft die Eintragungen der Gemeinschaftsmarken Nr. 1835610 und 2769610 durch das HABM. Die Verknüpfung von „ip“ und „matters“ durch den Bindestrich sei innovativ und ungewöhnlich und verleihe schon deshalb Kennzeichnungskraft. Sie stehe auch der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht (auch) wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 265). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Rdn. 56 - Postkantoor). Hierbei schließt § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG alle Beschaffenheitsangaben vom Schutz aus und betrifft nicht nur solche, die wichtige Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen beschreiben (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 323 m. w. N.).

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Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren bzw. durchschnittlichen Auftraggebers der Dienstleistungen als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und z. B. für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Zeichen nicht notwendig die teilweise sehr beschränkten Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher entscheidungserheblich sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rdn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).

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Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146 Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 Nr. 98 - Postkantoor).

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Das angemeldete Zeichen „ip-matters“ besteht nach diesen Maßstäben ausschließlich aus Angaben, die den Gegenstand und die Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen beschreiben. Die Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes Interesse an deren freien ungehinderten Verwendung.

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Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass „ip“ als gebräuchliche Abkürzung für „intellectual property“ und der englische Begriff „matters“ als Substantiv (Plural) für „Angelegenheiten/Belange/Themen/Fragen“ und das aus beiden sprachüblich gebildete Zeichen „ip-matters“ deshalb für „intellectual property-Angelegenheiten/-Belange/-Themen/-Fragen“ steht. Es ist zu ergänzen, dass dem Begriff „intellectual property“ im Deutschen der Terminus „Geistiges Eigentum“ entspricht (vgl. PONS, Großwörterbuch Englisch, 2008, S. 498; Muret-Sanders, Langenscheidt Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 2001, S. 597). So ergibt sich die Bedeutung „Angelegenheiten/Belange/Themen/Fragen des geistigen Eigentums“. Deshalb ist „ip-matters“ objektiv geeignet, den Gegenstand und die Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder eines Patentanwalts dahingehend zu beschreiben, dass diese „Angelegenheiten/Belange/Themen/Fragen des geistigen Eigentums“ zum Gegenstand haben. Das ist jedenfalls für die zum angesprochenen Verkehrskreis gehörenden inländischen Fachkreise (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 Nr. 24 ff.- Matratzen Concord/Hukla) aufgrund ihrer zu unterstellenden Sprach- und Branchenkenntnisse ohne weiteres verständlich und erkennbar (vgl. BPatG 24 W (pat) 15/08 - IPXperts). Auf den Unterschied zwischen Groß- und Kleinschreibung - „ip“ oder „IP“ - kommt es insoweit nicht an. Das Substantiv „matter“ und der Plural „matters“ gehören zum Grundwortschatz. Die Bindestrich-Kombination ändert an der Bedeutung des Gesamtbegriffs und seiner Beschreibungseignung nichts. Sie ist nicht innovativ, sondern sprach- und werbeüblich. Sie legt überdies das Verständnis von „matters“ als Substantiv (Plural) nahe, weil es in der englischen wie in der deutschen Sprache üblich ist, Substantive mit Bindestrich zu Gesamtbegriffen zu verbinden. Zudem wird das Vorhandensein oder das Fehlen des Bindestrichs vom angesprochenen Verkehr zumindest sehr häufig nicht bemerkt werden (vgl. BGH GRUR 2003, 882, 883 - Lichtenstein).

18

Es kommt nicht darauf an, dass das Zeichen „ip-matters“ tatsächlich auch die Bedeutung „ip ist wichtig“ oder „ip ist relevant“ haben kann (vgl. Muret-Sanders, Langenscheidt Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 2001, S. 702). Für das Vorliegen eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG reicht aus, dass das Zeichen eine zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen geeignete Bedeutung hat (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 301 m. w. N.). Überdies könnte das Zeichen auch dann in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen objektiv zur Beschreibung von deren Gegenstand und Bestimmung geeignet sein.

19

Die Anmelderin kann sich nicht mit Erfolg auf andere, ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen berufen. Voreintragungen, auch solche des HABM, binden weder die Markenstelle noch das Gericht (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 Nr. 8 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft m. w. N.). Nur ergänzend ist zu erwähnen, dass die den Eintragungen der Gemeinschaftsmarken 1835610 „IP MATTERS“ und 2769610 „IP MATTERS“ zu Grunde liegenden Sachverhalte mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar sind, da sie andere Waren/Dienstleistungen betreffen, nämlich solche der Klassen 9, 16 und 41. Die hier beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 45 sind in keiner dieser Eintragungen enthalten.

20

Die Beschwerde kann deshalb keinen Erfolg haben.