Entscheidungsdatum: 17.03.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 011 232.3
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. März 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die am 26. Januar 2012 angemeldete Wortmarke
AID24
soll für die Dienstleistungen der Klasse 45
„Rechtsberatung und Rechtsvertretung“
eingetragen werden.
Mit Beschluss vom 21. März 2013 hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen, da es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine merkmalsbeschreibende Angabe i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handele.
Die angemeldete Marke bestehe aus einer Kombination des englischen Begriffs „AID“ (= Hilfe, Unterstützung, Beistand) sowie der Zahl „24“, bei der es sich um ein gängiges Werbesynonym für „24 Stunden rund um die Uhr“ handele. Der Verkehr werde „AID“ in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres i. S. von „Hilfe“ verstehen, da dieser Begriff auch in Zusammenhang mit juristischen Dienstleistungen in Wortkombinationen wie „Anwaltshilfe“ oder „Beratungshilfe“ verwendet werde. Das angemeldete Zeichen erschöpfe sich daher in einem beschreibenden Hinweis auf eine 24 Stunden verfügbare Rechtsberatung.
Der angemeldeten Wortmarke „AID24“ fehle es darüber hinaus auch an der erforderlichen Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da AID24 für die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen beschreibenden Hinweis auf juristischen Beistand durch einen beliebigen Anbieter enthalte.
Soweit der Anmelder auf seiner Auffassung nach vergleichbare Voreintragungen verweise, handele es sich zum einen um durchweg ältere Entscheidungen, die in Anbetracht der sich verändernden Sprach- und Bezeichnungsgewohnheiten nicht mehr herangezogen werden könnten; zudem seien Voreintragungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes geeignet, einen Eintragungsanspruch zu begründen.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass der lexikalisch nicht nachweisbaren und im Inland nicht gebräuchlichen Bezeichnung AID24 die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden könne.
Insbesondere könne „AID“ im Hinblick auf die beantragte Klasse 45 nicht als beschreibend angesehen werden. Denn dieser Begriff sei dem inländischen Verkehr allenfalls im medizinischen Bereich in Zusammenhang mit der Begriffskombination „first aid“ (= erste Hilfe) bekannt, stelle jedoch im vorliegend relevanten, von Anglizismen kaum durchdrungenen Rechtsdienstleistungsbereich ein Novum dar und sei vollkommen unüblich. Abseits des medizinischen Bereichs handele es sich bei „AID“ vielmehr um ein im Inland völlig unbesetztes Wort. Auch in Kombination mit der Zahl „24“ handele es sich daher nicht um eine naheliegende branchenübliche Begriffsbildung zur Bezeichnung von Rechtsdienstleistungen, sondern allenfalls um ein „sprechendes Zeichen“, dem eine Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden könne.
Dementsprechend seien Im Inland eine Reihe inländischer Marken mit dem Bestandteil „AID“ ins Markenregister eingetragen worden.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. März 2013 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist für die beanspruchten Dienstleistungen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass das angemeldete Zeichen AID24 im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen Klasse 45 „Rechtsberatung und Rechtsvertretung“ eine beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt.
a. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 337). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 - Postkantoor).
Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla).
Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 35 - Chiemsee; GRUR 2004, 674 Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Nr. 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146 Nr. 32 - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 Nr. 98 - Postkantoor).
b. Das angemeldete Zeichen AID24 besteht nach diesen Maßstäben in Bezug auf die obengenannten Dienstleistungen ausschließlich aus einer merkmalsbeschreibenden Angabe i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Mitbewerber der Anmelderin haben deshalb ein berechtigtes Interesse an der freien ungehinderten Verwendung dieser Angabe.
In der angemeldeten Buchstaben-/Zahlenfolge AID24 wird der Verkehr eine Kombination des englischen Begriffs „aid“ mit der Zahl „24“ erkennen. Ein Verständnis der Buchstabenfolge AID als einheitlicher Begriff (und nicht als Aneinanderreihung der Großbuchstaben A,I und D) liegt nahe, da „aid“ als englischer Begriff für „Hilfe, Unterstützung, Beistand“ vor allem in der allgemein bekannten und gebräuchlichen Begriffskombination „First Aid“ (=Erste Hilfe) Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat, was auch der Anmelder nicht in Abrede stellt. Zudem ist dem inländischen Verkehr dieser Grundbegriff der englischen Sprache auch seit den weltweit bekannten „Live Aid“-Konzerten der 1980er Jahre weithin geläufig. Ein entsprechendes Verständnis liegt entgegen der Auffassung des Anmelders insbesondere auch in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Rechtsberatungsdienstleistungen nahe. Die Verwendung des Begriffs „Hilfe“ ist im inländischen juristischen (Fach-)Sprachgebrauch allgemein gebräuchlich und üblich. So spricht man im Umfeld anwaltlicher Beratungsdienstleistungen gemeinhin von „anwaltlicher/rechtlicher Hilfe“, oder auch „Beratungshilfe“, wie die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss durch entsprechende Nachweise belegt hat. Vor diesem Hintergrund wird der inländische Verkehr den ihm jedenfalls durch „First aid“ in seiner Bedeutung allgemein geläufigen Zeichenbestandteil „AID“ auch in Zusammenhang mit den beanspruchten (juristischen) Dienstleistungen der Klasse 45 sofort und ohne weiteres i.S. von „Hilfe“ (in juristischer/rechtlicher Hinsicht) verstehen.
Die dem Begriff „aid“ angefügte Zahl „24“ wird in unterschiedlichen Wortzusammenstellungen im Bereich des täglichen Lebens als Kürzel und Synonym für "rund um die Uhr" bzw. "24 Stunden" verwendet (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rdnr. 469 m.w.Nachw.), insbesondere in Zusammenhang mit online verfügbaren Angebots- und/oder Vergleichsportalen. Sie wird vom Verkehr als Hinweis auf eine ständige Verfügbarkeit des entsprechenden Service verstanden.
Vor diesem Hintergrund werden die angesprochenen Verkehrskreise der Kombination des Begriffs „AID“ mit der Zahl „24“ in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen sofort und ohne weiteres eine verständliche beschreibende Aussage über Merkmale der begehrten Dienstleistungen dahingehend entnehmen, dass Rechts-/Beratungshilfe 24 Stunden bzw. rund um die Uhr angeboten wird bzw. in Anspruch genommen werden kann. Um sich diese Bedeutung zu erschließen, bedarf es keiner vertieften Analyse. Vielmehr drängt sie sich dem Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres Nachdenken auf.
Das angemeldete Zeichen AID24 geht auch in seiner Gesamtheit weder hinsichtlich der sprachlichen Form noch hinsichtlich ihres begrifflichen Inhalts über die bloße Summe der beiden Sachangaben hinaus (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Nr. 39-41 - BIOMILD; GRUR 2006, 229, 230 f.- Nr. 34-37 - BioID), sondern weist die angesprochenen Verkehrskreise in verkehrsüblicher Sprachform lediglich auf die Art und den Zweck der betreffenden Dienstleistungen und ihre 24-stündige Verfügbarkeit hin, ohne einen darüber hinausreichenden herkunftshinweisenden Gesamteindruck zu vermitteln.
Soweit der Anmelder auf Voreintragungen Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Bindungswirkung haben (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 – Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 - SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Ausgehend von Art. 20 Abs. 3 GG ist die rechtsprechende Gewalt allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht aber an vorangehende Entscheidungen eines Amtes, dessen Tätigkeit gerade überprüft werden soll. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt zudem, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.
c. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.