Entscheidungsdatum: 27.03.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 008 500.5
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 27. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die am 16. Februar 2009 angemeldete Bezeichnung
Lawyering
soll als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, insbesondere Aktendeckel, Aktenhüllen, Aktenordner, Briefbögen, Briefumschläge, Blöcke, Briefpapier, Broschüren, sonstige Papier- und Schreibwaren, Formulare, Informationsblätter, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Stempel
Klasse 35:
Werbung für anwaltliche Dienstleistungen und Rechtsvertretungen, Büroarbeiten aller Art, Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellung von Steuererklärungen
Klasse 45:
Juristische und anwaltliche Dienstleistungen, Rechtsberatung und -vertretung, Erledigung von Rechtsangelegenheiten für natürliche und juristische Personen, juristische Beratung in Steuerangelegenheiten für natürliche und juristische Personen, Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten, Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten“
in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung beanstandet, weil sie als beschreibende Angabe einem Freihaltungsbedürfnis unterliege und jeglicher Unterscheidungskraft entbehre (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG). Der englischsprachige Begriff „Lawyering“ sei die Bezeichnung für „Ausübung des Anwaltsberufs“ (Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 5. Aufl. 2000, S. 443). Für die angesprochenen Verkehrskreise stelle die Marke deshalb lediglich eine beschreibende Angabe dahingehend dar, dass die so gekennzeichneten Waren für die Ausübung des Anwaltsberufs nach Art und Ausstattung besonders geeignet seien. Hinsichtlich der Dienstleistungen werde das Publikum der Marke den Hinweis entnehmen, dass diese sich inhaltlich (thematisch) mit der Ausübung des Anwaltsberufs befassen bzw. im Zusammenhang damit erbracht würden. Die Marke könne damit auf Art, Beschaffenheit und Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinweisen und unterliege damit einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Darüber hinaus fehle der einer Welthandelssprache zugehörigen Marke auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wobei auf dem relevanten Waren- und Dienstleistungssektor Englisch auch Fachsprache sei.
In der Parallelsache zur Anmeldung der Wort-/Bildmarke 30 2009 026 610.7 (30 W (pat) 539/12) sind dem Anmelder mit dem Beanstandungsbescheid Nachweise zur Verwendung von Bezeichnungen wie „case lawyering“, „cause lawyering“, „public lawyering“, „Corporate Lawyering“, „Strategic Lawyering“, „Mega-lawyering“, „Relationship Lawyering“, „Transaction Lawyering“, „Multi-Cultural Lawyering“, „practical Lawyering”, “E-Lawyering” und „Cross-Border-Lawyering” übersandt worden.
Dieselbe Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. Juli 2012 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, dass das Wort „lawyer“ mit der Bedeutung „(Rechts)Anwalt, (Rechts)Anwältin“ zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehöre und als Berufsbezeichnung einen der grundlegendsten Begriffe auf dem beanspruchten Waren-/Dienstleistungsbereich darstelle. Weiter ist darauf hingewiesen, dass für das Verständnis einer fremdsprachigen Bezeichnung auch allein der beteiligte Fachverkehr maßgeblich sein könne.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hält mit näheren Ausführungen Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht für gegeben. Insbesondere verweist er darauf, dass es sich um eine von ihm entwickelte Phantasiebezeichnung handele, zusammengesetzt aus „Lawyer“ und „ing“, die weder beschreibend noch in Internet-Lexika wie „Leo“ und „Wikipedia“ verzeichnet sei. Die Marke stehe unter Anderem für die Ausübung und Tätigkeiten des Anwaltsberufs, es handele sich aber nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder englischen Sprache oder eine normale deutsche oder englische Ausdrucksweise. Das von der Markenstelle herangezogene Lexikon dürfte dem deutschen Verbraucher nicht vorliegen, so dass die beteiligten Verkehrskreise in Deutschland dem Wort einen Sinngehalt nicht direkt entnehmen könnten. Ferner verweist der Anmelder auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Lawyer“.
Der Anmelder beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet; die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610 Rn. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731, Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045 Rn. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045 Rn. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270 Rn. 8 - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 100).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u.a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Ausgehend von diesen Maßstäben kommt dem Zeichen Lawyering die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht zu.
Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass das Wort „lawyering“ der englischen Sprache als Substantiv im Deutschen „Ausübung des Anwaltsberufs“ bedeutet; der vom Patentamt beigebrachte Nachweis stammt aus einem Lexikon, das im Jahr 2000 erschienen ist (Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 5. Aufl. 2000, S. 443, Kopie übersandt mit dem Beanstandungsbescheid), also lange vor dem Anmeldetag (16. Februar 2009). „Merriam-Websters Collegiate Dictionary“ (11. Aufl., 2007, S. 705) erklärt „lawyering“ mit „the profession or work of a lawyer“. Das im angefochtenen Beschluss angeführte Buch mit dem Titel „Lawyering Skills and the Legal Process“ (C. Morgan, J. Webb, ISBN 13 978-0-521-61950-9) ist, wie der Leseprobe im Internet bei Google Books zu entnehmen, zuerst 1995 erschienen. Den im Parallelverfahren mit dem Beanstandungsbescheid übersandten weiteren Nachweisen ist zu entnehmen, dass ein Schwerpunkt einer Fachtagung „Unternehmensjuristentage Schweiz 2007“ unter der Überschrift „From Good to Excellent Corporate Lawyering“ vorgestellt wurde. Die „Peter Lang Verlagsgruppe“ hat ein im Jahr 2000 erschienenes Buch mit dem Titel „Mega-lawyering in Europa“ im Angebot. In der Ausgabe 15/2007 der Zeitung „das freischüssler“ des „Arbeitskreises kritischer Juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin“ ist in einem Artikel über anwaltliche Tätigkeit von „cause lawyering“ die Rede. Dazu ist ausgeführt: „Der Begriff bezeichnet anwaltliche Tätigkeit („lawyering“), die ein bestimmtes politisches Ziel, eine Sache, ein Anliegen („cause“) verfolgt…“. Ein Internetausdruck mit der Überschrift „Handakte WebLAWg“ mit dem Datum „08.02.03“ überschreibt den Beitrag zur Nutzung elektronischer Möglichkeiten des Internet bei US-Anwälten mit „E-Lawyering“.
Die Behauptung des Anmelders, es handele sich bei Lawyering um eine von ihm erfundene Phantasiebezeichnung, trifft damit ersichtlich nicht zu.
Angesichts der heute üblichen internationalen Verflechtungen von Anwaltskanzleien und Unternehmen werden diese beteiligten inländischen Verkehrskreise auch im Stande sein, die Bedeutung dieses englischsprachigen Wortes zu erkennen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das in dem Zeichen enthaltene Wort „law“ zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehört (vgl. E. Weis, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 1977, S. 59) und die Wortfolge „law and order“ als Schlagwort zur Bekämpfung von Kriminalität Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., 2006, S. 1056).
Dem Wort Lawyering mit der Bedeutung „Ausübung des Anwaltsberufs“ werden die in erster Linie angesprochenen Fachkreise, nämlich Anwälte und Rechtsberatung suchende Unternehmen, für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen die sachbezogene Aussage zuordnen, dass es um Waren und Dienste im Zusammenhang mit der Ausübung des Anwaltsberufs geht. Hinsichtlich der Waren entnimmt der Verkehr bei einer entsprechenden Kennzeichnung einen Hinweis auf die Beschaffenheit und Bestimmung; die Dienstleistungen beschreibt das Zeichen nach ihrer Art und ihrem thematischen Bezug.
Die Marke Lawyering kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten, Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist somit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
3. Da die Marke Lawyering ausschließlich aus einer Angabe besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit und Bestimmung der Waren bzw. der Art und des Gegenstands der Dienstleistungen dienen kann, besteht auch ein Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
4. Ein Eingehen auf die vom Anmelder genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 Nr. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V., m.w.N.).
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.