Entscheidungsdatum: 24.11.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 050 861.5
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juni 2010 aufgehoben.
I.
Das Zeichen CANTUS VERLAG ist als Wortmarke für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 41 und 45 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden, nämlich für:
„Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke insbesondere: Bücher, Druckereierzeugnisse, Booklets, Broschüren, Farbdrucke, Gesangbücher, grafische Darstellungen, Karten, Plakate, Prospekte, Rundschreiben, Schriften [Veröffentlichungen], Tickets, Zeitschriften [Magazine], Zeitungen.
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten insbesondere: Geschäftsführung für darstellende Künstler; kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte, Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke, Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Erbringung von Dienstleistungen.
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten insbesondere: Auskünfte über Veranstaltungen [Unterhaltung], Aufzeichnung von Videobändern, Dienste von Unterhaltungskünstlern, Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten, Durchführung von Live-Veranstaltungen, Eintrittskartenvorverkauf [Unterhaltung], Filmproduktion, Komponieren von Musik, Musikdarbietungen, Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften, Produktion von Shows, Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke, Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet, Rundfunkunterhaltung, Theateraufführungen, Unterhaltung, Videofilmproduktion, Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen, Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Produktion von Shows, Neuentwicklung von Bühnenstücken [Oper, Operette, Musical, Theater, Ballett], Veranstaltung von Unterhaltungsshows [Künstleragenturen], Verfassen von Drehbüchern, Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte, Veröffentlichung von Büchern.
Von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse insbesondere: Handel mit Film-, Fernseh- und Videolizenzen, insbesondere Vermarktung und Verleih von Auftrittsrechten [Theater, Oper, Operette, Ballett, Musical], Vergabe von Lizenzen an gewerblichen Schutz- und Urheberrechten; Verwaltung von Urheberrechten“.
Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet. Da die lateinische Bezeichnung „Cantus“ im Deutschen neben „Gesang, Melodie, Lied“ auch „Musik“ bedeute und mit „Verlag“ ein Unternehmen bezeichnet werde, das Manuskripte erwerbe, Druckerzeugnisse herstelle und diese über den Buchhandel verkaufe, weise die angemeldete Bezeichnung beschreibend auf das Tätigkeitsfeld eines Musik-Verlages hin. Mit Beschluss vom 24. Juni 2010 hat die Markenstelle die Anmeldung aus den Gründen des Beanstandungsbescheides zurückgewiesen, nachdem eine Stellungnahme der Anmelderin nicht zur Akte gelangt war.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht zu den Akten gelangt.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patent und Markenamts vom 24. Juni 2010 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung CANTUS VERLAG stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Die angemeldete Marke CANTUS VERLAG kann nicht deshalb von der Eintragung ausgeschlossen werden, weil sie mit der Bedeutung des lateinischen Wortes „Cantus“, nämlich „Gesang, Lied, Melodie, Klang, Musik“ (vgl. Pons, Wörterbuch für Schule und Studium, Latein-Deutsch, 2003, S. 116), in Verbindung mit der gebräuchlichen Unternehmensbezeichnung „Verlag“ (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 1890) ein beschreibender Hinweis auf Waren und Dienstleistungen eines Musik-Verlages sei.
Kommt einem fremdsprachigen Markenwort beschreibende Bedeutung zu, ist ein Markenwort von einer Eintragung auszuschließen, sofern die beteiligten Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen der Marke und den beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen herstellen können (vgl. EuGH GRUR 2010, 534, Nr. 29 - PRANAHAUS; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rdn. 392 f.).
Wörtern toter Sprachen wie Latein fehlt die Schutzfähigkeit allerdings nur, sofern es sich um Begriffe handelt, die entweder als Ganzes oder in ihren Wortstämmen in den allgemeinen deutschen Sprachschatz übergegangen sind (BPatGE 26, 176 - VARIO) oder die auf Gebieten eingesetzt werden, in denen eine ansonsten tote Sprache als aktuelle Fachsprache verwendet wird und weiterlebt (vgl. EuGH GRUR 2010, 534 , Nr. 25 - 31 - PRANAHAUS, in Bestätigung von EuG GRUR Int. 2008, 1040, Nr. 31 - 35 - PRANAHAUS; EuG T-286/08, Nr. 48, 56 - Hallux). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall hinsichtlich des Markenwortes CANTUS. Davon, dass bei den hier angesprochenen Fachhändlern oder beim durchschnittlichen allgemeinen Endverbraucher Lateinkenntnisse vorausgesetzt werden können, die zum Verständnis der Bedeutung von „Cantus“ erforderlich sind, kann nicht ausgegangen werden. Auch in den allgemeinen deutschen Sprachschatz ist das Wort „Cantus“ nicht übergegangen. Dass „Cantus“ - im Gegensatz zur Verwendung lateinischer Fachbezeichnungen z. B. im medizinischen Bereich - im hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich als Fachbegriff im Gebrauch ist, kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Zwar ist „Cantus“ in Wörterbüchern mit der oben genannten Bedeutung verzeichnet (vgl. Pons, Wörterbuch für Schule und Studium, Latein-Deutsch, 2003, S. 116); ersichtlich handelt es sich dabei jedoch um einen veralteten Fachbegriff, insbesondere im mittelalterlichen Vokalsatz (vgl. F. Hirsch, Das große Wörterbuch der Musik, S. 81; ähnlich Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 5, S. 30), der aktuell nicht mehr beschreibend im Gebrauch ist. In einem Fachwörterbuch ist ausgeführt, dass sich dazu im 17. Jahrhundert die Bezeichnung „Sopran“ durchgesetzt habe (Thiel, Sachwörterbuch der Musik, S. 87).
Damit stellt die angemeldete Wortkombination CANTUS VERLAG in der insoweit maßgeblichen Gesamtheit bezogen auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine beschreibende Angabe dar und ist nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; es fehlt an einem Allgemeininteresse an der freien Verwendung.
Da aus den genannten Gründen die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Bezeichnung CANTUS VERLAG in der Gesamtheit weder eine beschreibende Angabe noch einen engen beschreibenden Bezug hinsichtlich der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen erkennen, fehlt ihr auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG.
Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben.