Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.09.2012


BPatG 20.09.2012 - 30 W (pat) 536/11

Markenbeschwerdeverfahren – "MC3 (IR-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
20.09.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 536/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 962 959

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wird nachgesucht für die international registrierte Marke IR 962 959

2

MC3

3

deren Warenverzeichnis lautet:

4

Klasse 9:

5

« Composants électriques, électromécaniques et électroniques; connecteurs et dispositifs de contact électriques ».

6

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 IR hat der Marke mit Beschluss vom 7. April 2011 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Das Zeichen „MC3“ werde auf dem beanspruchten Warengebiet von verschiedenen Herstellern als Hinweis auf (Standard-)Steckverbindungen verwendet, die mit sonstigen Komponenten kompatibel seien und bestimmte Systemanforderungen erfüllten. Es werde von den angesprochenen Verkehrskreisen in diesem Sinne beschreibend und nicht als Betriebskennzeichen gesehen.

7

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass der Zeichenfolge „MC3“ keine beschreibende Bedeutung im Hinblick auf die angemeldeten Waren entnommen werden könne. Die von der Markenstelle festgestellten Benennungen Dritter bezögen sich auf das Produkt der Beschwerdeführerin. Das werde von den beteiligten Verkehrskreisen auch so und deshalb im Sinne eines unternehmerischen Herkunftshinweises verstanden. Es handele sich auch nicht um einen Standard im Sinne einer technischen Norm. Die Beschwerdeführerin habe lediglich als Marktführerin auf dem Gebiet der Steckverbinder für Photovoltaikanlagen einen Qualitätsstandard etabliert, der allein mit ihrer Marke und ihrem Unternehmen verbunden werde.

8

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR vom 7. April 2011 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

11

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der IR-Marke kann der Schutz nicht nach §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ versagt werden. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann dem Zeichen „MC3“ die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden. Auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht nicht.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren (oder Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (bzw. Dienstleistungen) zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Zeichen „MC3“ die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

15

Die Markenstelle hat nicht festgestellt, dass der Zeichenfolge „MC3“ auf dem vorliegenden Warengebiet ein bestimmter beschreibender Sinngehalt zukommt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Zwar liegt es nahe, in den Buchstaben „MC“ eine Abkürzung für die Bezeichnung „Multi-Contact“ zu sehen, unter der die Markeninhaberin am Markt auftritt. Daraus ergibt sich aber kein beschreibender Aussagegehalt im markenrechtlichen Sinne; dies gilt erst recht für die kombinierte Bezeichnung „MC3“.

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Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann auch nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Zeichen „MC3“ um einen Hinweis auf einen herstellerunabhängigen technischen Standard handelt. Die Markenstelle hat zwar eine Reihe von Fundstellen ermittelt, in denen im Zusammenhang mit Steckverbindungen für Photovoltaikanlagen von einem „Typ MC3“ oder einem „Marktstandard MC3“ gesprochen wird. Diese Benennungen dürfen jedoch nicht isoliert, sondern müssen in ihrem Kontext betrachtet werden. So wird in den Fundstellen, in denen die Bezeichnung „Typ MC3“ verwendet wird, in der Regel zugleich auf die Markeninhaberin („Multi-Contact“) hingewiesen. Soweit von einem „Marktstandard MC3“ gesprochen wird, bezieht sich dies ersichtlich auf die Kompatibilität anderer, von Dritten hergestellter Steckverbinder zu dem Produkt „MC3“ der Beschwerdeführerin und damit auf die unternehmensbezogene Herkunft dieses Produkts. Die Bedeutung dieser Kompatibilität folgt - wie die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren überzeugend dargetan hat - allein aus ihrer Stellung als Marktführerin für Steckverbindungen an Photovoltaikanlagen, nicht aber aus einem allgemein verbindlichen technischen Standard. Besonders deutlich wird dies anhand der vorgelegten Auszüge aus den Fachzeitschriften „Erneuerbare Energien“ 2/2010, „KEM“ 5/2010, „Management und Qualität“ 4/2010, „Photon“ 9/2007, „Photon Profi“ 9/2009 und 9/2010, „Photovoltaik“ 08/2009. Diese enthalten sämtlich die genannten Hinweise auf das Produkt der Beschwerdeführerin und auf die Beschwerdeführerin selbst. Die Unterlagen zeigen auch auf, dass das als „MC3“ bezeichnete Produkt der Beschwerdeführerin eine Vielzahl von Nachahmern gefunden hat, die damit werben, dass ihre Produkte in ihren Eigenschaften dem der Beschwerdeführerin entsprächen bzw. mit diesem kompatibel seien. Den insoweit angesprochenen Fachkreisen sind diese Zusammenhänge bekannt. Das ist durch die vorgenannten Publikationen nachgewiesen. Sie erkennen mit „MC3“ bezeichnete Waren deshalb als solche aus dem Unternehmen der Beschwerdeführerin und das Zeichen „MC3“ als Hinweis auf die Beschwerdeführerin selbst.

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3. Bei dieser Sachlage kann auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG festgestellt werden.

18

Der angegriffene Beschluss war deshalb aufzuheben.