Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.08.2011


BPatG 25.08.2011 - 30 W (pat) 532/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Hurtig" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
25.08.2011
Aktenzeichen:
30 W (pat) 532/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 001 645.0

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. August 2011 unter Mitwirkung ... beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke angemeldet ist das Zeichen

2

Hurtig

3

Nach Einschränkung lautet das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen:

4

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Salz (Rohstoff), Steinsalz, Regeneriersalz; Chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Düngemittel, nämlich Salze; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln;

5

Klasse 3: Parfümeriewaren; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, nämlich Reinigungsmittel für die Körper- und Schönheitspflege, Hautpflegemittel, Seifen, nicht-medizinische Präparate zur Mund- und Zahnpflege, Zahncreme, Kosmetika, kosmetische Badesalze, Badesalze für nicht-medizinische Zwecke;

6

Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Badesalze für medizinische Zwecke, Salze für Mineralwasserbäder, Kaliumsalze, Magnesiumsalze, Calciumsalze, Natriumsalze für medizinische Zwecke; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, nämlich Diätsalz für medizinische Zwecke; Babykost; Desinfektionsmittel;

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Klasse 30: Brot; feine Backwaren, nämlich Salzgebäck; Salz, nämlich Konservierungssalz für Lebensmittel, Speisesalz, Diätsalz, Kräutersalz, Gewürzsalz; Gewürze;

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Klasse 44: Medizinische- und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere.

9

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid mit Beschluss vom 11. Mai 2010 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle und es sich um eine beschreibende Angabe handele. Im Beanstandungsbescheid ist unter anderem ausgeführt, das Wort Hurtig stelle einen lexikalisch nachweisbaren Begriff dar, der den angesprochenen Verkehrskreisen in der Bedeutung von "schnell, flink, rasch, zügig, eilig" bekannt sei und der im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen Sachhinweis in werbeüblicher, schlagwortartiger Form auf schnell wirkende, schnell anwendbare bzw. schnell erhältliche oder schnell handhabbare Produkte sowie auf in schneller, flinker oder zügiger Art erbrachte Dienstleistungen vermittle.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er meint insbesondere, eine beschreibende Angabe liege nicht vor und weist darauf hin, dass die Marke in der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung als Adjektiv bewertet werde, die Marke Hurtig aber mit einem Großbuchstaben beginne und damit ein Substantiv darstelle, das als Unternehmenskennzeichen erkennbar sei. Außerdem werde der Begriff "hurtig" im heutigen Sprachgebrauch kaum noch verwendet.

11

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke Hurtig ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

15

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkte und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff. - RdNr. 66, 67 - EUROHYPO; GRUR 2006, 229 - RdNr. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - RdNr. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 - RdNr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 - RdNr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 - RdNr. 9 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 - RdNr. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 23 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 - RdNr. 24 - Matratzen Concord/Hukla).

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Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (BGH WRP 2010, 1504, 1506 - RdNr. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 - RdNr. 20 - My World; GRUR 2009, 411 - RdNr. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 - RdNr. 19 - FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Zeichen Hurtig jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Das Wort "hurtig" bedeutet "schnell" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, S. 750; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 892). Nach den Regeln der deutschen Sprache ist es ein Eigenschaftswort (Adjektiv), eine Wortart, welche unter Anderem Wesen oder Beschaffenheit einer Sache oder eines Geschehens beschreibt (vgl. Duden, a. a. O., S. 111). Zwar weist der Anmelder zutreffend darauf hin, dass Adjektive nach den Regeln der Rechtschreibung kleingeschrieben werden (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 25. Aufl. 2009, S. 59); auch Adjektive wie "hurtig" werden indessen am Satzanfang mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung a. a. O., S. 56). Deshalb ist nicht erkennbar, dass durch die Schreibweise mit großem Anfangsbuchstaben das Wort Hurtig die Bedeutung "schnell" verliert.

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Im Sinn von "schnell" ist Hurtig für die maßgeblichen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen allgemeinen Verkehrskreise und die Fachverkehrskreise ohne weiteres Nachdenken verständlich. "Hurtig" ist ein Wort der deutschen Sprache, wie die Aufnahme im oben genannten Universalwörterbuch zeigt, und wird im Kreuzworträtsel Lexikon (Reader’s Digest, Band 1, S. 440) sowie im Scrabble-Wörterbuch (Duden, S. 404) geführt.

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Im Zusammenhang mit den Waren der Klassen 1, 3 und 5 ist Hurtig eine sachbezogene Information über deren Wirkungsweise. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 44, bei denen die schnelle Zurverfügungstellung ein wichtiger Aspekt ist. Ein enger beschreibender Bezug besteht bei den Waren der Klasse 30, bei denen der Verkehr mit dem angemeldeten Zeichen einen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu diesen Waren in dem Sinn herstellt, dass schlagwortartig auf schnelle Lieferung hingewiesen wird, die - neben einer Anpreisung allgemeiner Art - von großer Bedeutung ist.

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Hieraus folgt, dass die Bezeichnung Hurtig im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als werblich-beschreibender Sachhinweis verstanden wird, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis und die Marke daher ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen kann. Die angemeldete Bezeichnung ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch das Eintragungshindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt.