Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.11.2014


BPatG 20.11.2014 - 30 W (pat) 529/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Pillenwecker" - Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
20.11.2014
Aktenzeichen:
30 W (pat) 529/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 069 225.4

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 20. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Uhlmann

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2013 aufgehoben, soweit die Anmeldung für folgende Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

Klasse 38:

elektronische Anzeigenvermittlung; Bereitstellung des Zugangs zu gehosteten Betriebssystemen über das Internet und Organisationsnetze;

Klasse 42:

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Konzeption und Erstellung von Webseiten; Dienstleistungen eines Internet-Providers, nämlich Erstellung von Programmen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet; technische Beratung; Bereitstellung von technischen Informationen im Internet; Einstellen von Webseiten in das Internet für Dritte (Hosting);

Klasse 44:

Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen Pillenwecker ist am 23. Dezember 2011 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden für folgende Dienstleistungen:

2

Klasse 38:

3

Telekommunikation; Übermittlung von Nachrichten und Informationen; Erstellen, Sammeln, Liefern und Verteilen von Nachrichten; elektronische Anzeigenvermittlung; Bereitstellung des Zugangs zu gehosteten Betriebssystemen und Computeranwendungen über das Internet und Organisationsnetze; Übermittlung von Daten aller Art; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Vermittlung von Zugriffszeiten in Datenbanken; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Übermittlung von Daten aus einer Datenbank; mobile Telekommunikationsdienste; Portaldienstleistungen mittels Telekommunikation; Dienstleistungen in Bezug auf Internetportale; Übermittlung von E-Mails und Textnachrichten; Information und Beratung in Bezug auf Telekommunikationsdienstleistungen, auch über das Internet; elektronisches Versenden von Daten und Dokumenten über das Internet oder andere Datenbanken; Bereitstellung von Online-Kommunikationsdiensten; Beliefern und Übermitteln von Prüfdaten und Daten zu Produkten und/oder Dienstleistungen, einschließlich Nachrichten, Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern hierzu, auch in Form von Dateizentren, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens; Errichtung und Betrieb eines nationalen und/oder internationalen Computernetzwerks für das Gesundheitswesen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet zur Prävention im Bereich der Gesundheitspflege;

4

Klasse 42:

5

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Konzeption und Erstellung von Webseiten; Dienstleistungen eines Internet-Providers, nämlich Erstellung von Programmen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet; technische Beratung; Bereitstellung von technischen Informationen im Internet; Einrichten einer Datenbank; Entwicklung, Aktualisierung und Wartung von Datenbanken; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Organisationsberatung im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien sowie Planung und Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Nutzung digitaler Medien; Einstellen von Webseiten in das Internet für Dritte (Hosting);

6

Klasse 44:

7

Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; pharmazeutische und gesundheitliche Beratung in der Apotheke; Beratung in der Pharmazie; Ernährungsberatung; Informationen zur Unterstützung von Patienten im Rahmen ihrer Arzneimitteltherapie.

8

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung unter Übersendung von Nachweisen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet, weil sie in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen lediglich ein beschreibender Sachhinweis darauf sei, dass sie dazu gedacht seien, den Nutzer an die Einnahme einer bestimmten Medizin zu erinnern. In der heutigen Zeit könne das auch in Form einer SMS auf Handys erfolgen. Von Mitbewerbern werde das Markenwort bereits benutzt.

9

Die Anmelderin hat auf die Beanstandung mit näheren Ausführungen das angemeldete Zeichen für schutzfähig erachtet, weil es sich um eine kreative, nicht beschreibende Wortneuschöpfung handele. „Pille“ sei kein typischer Begriff, der im Zusammenhang mit Medikamenten verwendet werde. Außerdem gebe es keine orale Anwendungsform der Pille, sondern nur von Tabletten, Dragees und Kapseln. Auch sei es unüblich, den Begriff „Pille“ mit einem anderen Substantiv zu verbinden, es gebe im Duden nur „Pillendreher“ und „Pillenknick“. Insbesondere im Zusammenhang mit Dienstleistungen des Apothekers gebe es keine Verwendung des Begriffs „Pille“ als sprachübliche Verbindung. Der Sinngehalt des Zeichens sei vom Amt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt worden. „Erinnerung“ sei nicht „Wecker“. Zwar würden Wecker in Pillenform von verschiedenen Herstellern angeboten, dies stehe aber nicht im Zusammenhang mit den vorliegenden Dienstleistungen. Die pauschale Begründung des Amts reiche für die Begründung von Schutzhindernissen jedenfalls nicht aus. Ferner hat sie sich auf Voreintragungen von Marken mit den Elementen „Pillen-“ und „-wecker“ bezogen.

10

Dieselbe Markenstelle hat die Anmeldung unter Übersendung weiterer Nachweise mit näheren Ausführungen durch Beschluss vom 28. Februar 2013 wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt: Die angemeldete Wortkombination bestehe aus der Verbindung der beiden Begriffe „Pille“ und „Wecker“. Unter „Pillen“ verstehe man Arzneimittel. Diese Bedeutung des Wortes sei breiten Verkehrskreisen geläufig. Es gebe ein sehr bekanntes Buch mit dem Titel „Bittere Pillen“, in welchem über 15.000 rezeptpflichtige und frei verkäufliche Medikamente, Naturheilmittel und Homöopathika bewertet seien. Weiterhin sei es üblich, dieses Wort in Kombination mit weiteren Begriffen zu verwenden, wie beispielsweise in Wörtern wie „pillenmüde“, „Pillenmüdigkeit“, „Pillenschachtel“, „Pillenpause“ und „Pillenwechsel“. Das Wort „Wecker“ bezeichne eine Uhr, die zu einer vorab eingestellten Zeit klingle. Der Begriff „Wecker“ werde in dieser ursprünglichen Bedeutung in der heutigen Zeit auch für Waren oder Dienstleistungen verwendet, die den IT-Bereich beträfen; so gebe es Geräte, die im Sinne eines Weckers den Nutzer an die Einnahme von Medikamenten erinnern, beispielsweise durch eine bestimmte Software. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Gesamtbegriff „Pillenwecker“ einen unmittelbar verständlichen, beschreibenden Hinweis auf die spezifische Ausrichtung der beanspruchten Dienstleistungen entnehmen. Die in der Klasse 38 aufgeführten Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation dienten dazu, Zugriff auf Betriebssysteme und Computeranwendungen bereitzustellen, damit der Verkehr die „Weckfunktion“ zur Einnahme von Pillen nutzen könne. Die Dienstleistungen der Klasse 44 könnten durch die beratende Funktion die Einnahme von Pillen unterstützen, während die in der Klasse 42 enthaltenen Dienstleistungen die dafür notwendige Software lieferten oder auch die Webseiten erstellten, die der Verkehr als Weckfunktion nutzen könne. Wie einer Internetrecherche zu entnehmen, werde das Zeichen „Pillenwecker“ bereits umfangreich von Mitbewerbern verwendet. Im Übrigen könnten weder ein fehlender lexikalischer Eintrag noch Voreintragungen die Schutzfähigkeit eines Zeichens begründen.

11

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht zu den Akten gelangt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

13

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, da insoweit Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht bestehen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet; die angemeldete Marke ist insoweit wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung in diesem Umfang zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

14

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Nr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Nr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Nr. 8 – Link economy).

15

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 134).

16

Hiervon ausgehend besitzen Marken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

17

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen Pillenwecker abgesehen von den im Tenor dieses Beschlusses genannten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

18

Der Markenbestandteil „Pillen-“ ist der Plural des Wortes „Pille“. „Pille“ ist der umgangssprachliche Begriff für Arzneimittel aus festen Stoffen in Darreichungsformen wie Kügelchen, Dragees, Tabletten oder Kapseln, (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., Band 7, S. 2929; Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., S. 714; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 2024).

19

Ein „Wecker“ ist eine Uhr, die zu einer vorher eingestellten Zeit klingelt, um jemanden zum Erwachen zu bringen (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O., S. 1978), um ihn z. B. aus dem Schlaf zu wecken oder ihn an einen bestimmten Termin zu erinnern. Zwar weist die Anmelderin zutreffend darauf hin, dass Uhren mit Wecker-Funktion nicht beansprucht werden. Neben der klassischen Ausführung als Uhr sind Wecker indessen seit geraumer Zeit auch in vielen Geräten vorhanden, die eine Uhr enthalten, beispielsweise in Computern, Tablet-Computern oder Smartphones. Dabei werden zahlreiche Funktionen, die elektronische Geräte bieten, mit den Begriffen des physischen Bereichs bezeichnet; so ist etwa der „Papierkorb“ ein Symbol (und eine Bezeichnung) auf der Benutzeroberfläche eines Betriebssystems, mit dessen Hilfe Dateien, Ordner und Anwendungsprogramme gelöscht werden können. Auch der Begriff „Wecker“ wird in der virtuellen Welt verwendet, wie die Produkte „Wecker-App“, „PC-Wecker“ oder auch „Online-Wecker“ zeigen, die mit der Wecker-Funktion aus dem Internet auf das Smartphone oder den PC als Anwendungsprogramm aus dem Internet heruntergeladen werden können.

20

Das begriffliche Verständnis der Gesamtmarke Pillenwecker im Sinn von „Wecker für Pillen“ bereitet dem angesprochenen Publikum somit keinerlei Schwierigkeiten. Die Markenbestandteile werden in Übereinstimmung mit ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Dieses Verständnis wird auch dadurch nahegelegt, dass, wie von der Markenstelle nachgewiesen, das Wort „Pillenwecker“ zur Erinnerung an die Einnahme von Medikamenten durch Alarmzeichen auch bereits beschreibend verwendet wird, sei es für Behältnisse mit Alarmfunktion oder auch im Zusammenhang mit Apps oder SMS-Diensten. In einem Produktangebot heißt es beispielsweise: „…Der Pillenwecker organisiert Ihren kompletten Zyklus und unterstützt Sie dabei, die Pille nie wieder zu vergessen…“ (Internetausdruck „bellcase“, übersandt mit dem Beanstandungsbescheid). Unter der Überschrift „Was ist der Pillenwecker?“ heißt es weiter: „Eine Webseite, die Dich täglich zu einer bestimmten Uhrzeit per SMS daran erinnert, die Pille zu nehmen!“ (Internetausdruck „der Pillenwecker“, übersandt mit dem Beanstandungsbescheid). Eine iPhone-App wird wie folgt beworben: „Mit der neuen, kostenlosen App „RememberMe-Pillenwecker“ hat das Vergessen der Pilleneinnahme ein Ende… Mit individueller Erinnerungsfunktion…hat „RememberMe“ alle wichtigen Funktionen in einer Applikation vereint…“ (Internetausdruck „Dermapharm“, übersandt mit dem Beanstandungsbescheid). Die Anmelderin beschreibt ihr Angebot unter der Überschrift „Pillenwecker konfigurieren“ wie folgt: „Den Medikationsplan haben Sie fertig? Dann ist der Pillenwecker schon automatisch fertig eingestellt. Ihr Handy wird nun zum Pillenwecker. Entscheiden Sie, ob Ihr Handy vibrieren, klingeln oder blinken soll, wenn es Sie an die Einnahme Ihrer Medikamente erinnert…“ (Internetausdruck „ordermed“, übersandt mit dem Beanstandungsbescheid).

21

Daraus folgt, dass die Bezeichnung Pillenwecker in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich aller nicht im Beschlusstenor genannten Dienstleistungen in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis bzw. als eine allgemeine Angabe mit engem beschreibendem Bezug dahin verstanden wird, dass Dienstleistungen angeboten werden, die nach Inhalt, Bestimmung und Zweck im Rahmen der Erinnerung an die (termingerechte) Einnahme von Medikamenten genutzt werden können; dies sind:

22

Klasse 38:

23

Telekommunikation; Übermittlung von Nachrichten und Informationen; Erstellen, Sammeln, Liefern und Verteilen von Nachrichten; Bereitstellung des Zugangs zu gehosteten Computeranwendungen über das Internet und Organisationsnetze; Übermittlung von Daten aller Art; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Vermittlung von Zugriffszeiten in Datenbanken; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Übermittlung von Daten aus einer Datenbank; mobile Telekommunikationsdienste; Portaldienstleistungen mittels Telekommunikation; Dienstleistungen in Bezug auf Internetportale; Übermittlung von E-Mails und Textnachrichten; Information und Beratung in Bezug auf Telekommunikationsdienstleistungen, auch über das Internet; elektronisches Versenden von Daten und Dokumenten über das Internet oder andere Datenbanken; Bereitstellung von Online-Kommunikationsdiensten; Beliefern und Übermitteln von Prüfdaten und Daten zu Produkten und/oder Dienstleistungen, einschließlich Nachrichten, Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern hierzu, auch in Form von Dateizentren, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens; Errichtung und Betrieb eines nationalen und/oder internationalen Computernetzwerks für das Gesundheitswesen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet zur Prävention im Bereich der Gesundheitspflege;

24

Klasse 42:

25

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Einrichten einer Datenbank; Entwicklung, Aktualisierung und Wartung von Datenbanken; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Organisationsberatung im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien sowie Planung und Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Nutzung digitaler Medien;

26

Klasse 44:

27

Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; pharmazeutische und gesundheitliche Beratung in der Apotheke; Beratung in der Pharmazie; Ernährungsberatung; Informationen zur Unterstützung von Patienten im Rahmen ihrer Arzneimitteltherapie.

28

Bei den genannten Dienstleistungen der Klassen 38 und 42 kommt die angemeldete Marke zur Beschreibung des möglichen gedanklichen Inhalts in Betracht (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 – REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2009, 778 – Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949, Nr. 16 ff. – My World; GRUR 2010, 1100, Nr. 14, 22 – TOOOR; BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär; GRUR 2010, 424 – amazing discoveries). Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei der zeitgerechten Medikation nicht nur der Patient beteiligt sein kann, sondern ebenso Ärzte, Apotheker oder auch Pflegepersonal in die Kommunikationsverfahren eingebunden sein können. Für die Umsetzung solcher Geschäftsmodelle, insbesondere beim Angebot von Anwendungsprogrammen (Apps) oder SMS-Diensten, bedarf es, wie den der Anmelderin übersandten Nachweisen zu entnehmen, einerseits der Entwicklung solcher Software wie andererseits auch der Bereitstellung von Online-Systemen für Vertrieb und Übermittlung, damit der Einsatz einer solchen Geschäftsanwendung stets zur Verfügung steht, und zwar in verschiedenen Formaten und für unterschiedliche Endgeräte. Dazu können die genannten Dienstleistungen eingesetzt werden. Die Dienstleistungen der Klasse 44 können nach ihrem Gegenstand auf einen solchen Pillenwecker bezogen sein. Zu berücksichtigen ist dabei, dass mit den hier maßgeblichen Dienstleistungen Fachverkehrskreise und allgemeine Verkehrskreise angesprochen werden, wobei es sich um Dienste handelt, die wegen des Bezugs zur Gesundheit mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung erworben oder nachgefragt werden.

29

Für das Verständnis im genannten Sinn bedarf es entgegen der Auffassung der Anmelderin auch keiner analysierenden, mehrere differenzierende Gedankenschritte erfordernden Betrachtungsweise noch eines vertieften Nachdenkens, um diesen rein sachlichen Bezug zwischen dem angemeldeten Zeichen und den versagten Dienstleistungen zu erkennen und zu erfassen. Vielmehr drängt sich ein Sachhinweis im Zusammenhang mit den genannten Dienstleistungen geradezu auf.

30

Auch aus einem fehlenden lexikalischen Nachweis kann entgegen der Auffassung der Anmelderin nichts für die Unterscheidungskraft des Zeichens hergeleitet werden (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 137 m. w. N.).

31

Ein Eingehen auf die von der Anmelderin genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277, Nr. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).

32

Die Marke Pillenwecker kann im Umfang der versagten Dienstleistungen damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Sie ist deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. In diesem Umfang ist die Beschwerde deshalb zurückzuweisen.

33

Die Frage, ob insoweit auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

34

3. Hinsichtlich der im Beschlusstenor genannten Dienstleistungen ist die Beschwerde indessen begründet. Für diese Dienstleistungen können ein sachlicher Bezug zur angemeldeten Marke und damit Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden. Die Bezeichnung Pillenwecker beschreibt keine Merkmale der insoweit genannten Dienstleistungen.

35

Die Beschwerde hat in diesem Umfang daher Erfolg. Insoweit ist der Beschluss der Markenstelle daher aufzuheben.