Entscheidungsdatum: 31.01.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 061 912
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 2011 insoweit aufgehoben, als darin der Widerspruch aus der Marke IR 222 060 im Hinblick auf folgende von der angegriffenen Marke 30 2008 061 912 erfassten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
„3: Ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;
44: Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“.
In dem genannten Umfang wird die Löschung der Marke 30 2008 061 912 wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 222 060 angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wort-/Bildmarke
ist am 6. April 2009 unter der Nummer 30 2008 061 912 für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5 und 44 in das Register eingetragen worden:
„3: Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel;
44: medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“.
Hiergegen ist Widerspruch erhoben aus der international unter der Nummer IR 222 060 registrierten Marke
MITOSYL
die für folgende Waren der Klasse 5 in Deutschland Schutz genießt:
“pharmaceutiques, vétérinaires, hygiéniques et diététiques, emplâtres, matériel pour pansement, désinfectants”.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 9. März 2011 ungeachtet teilweiser Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar stünden sich aufgrund der Kennzeichnungsschwäche des Begriffs „Konzept“ und des Herstellerhinweises „Dr. Stute“ klanglich nur „MITOZELL“ und „MITOSYL“ gegenüber. Wegen der auf Vorgänge in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen hinweisenden Bedeutung der übereinstimmenden Anfangssilben „MITO-“ werde sich der Verkehr aber vorrangig an den Endsilben „-ZELL“ und „-SYL“ orientieren. Diese unterschieden sich aufgrund des harten und klangstarken Konsonanten „Z“ in der angegriffenen Marke hinreichend, um eine klangliche Verwechslungsgefahr auszuschließen. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe schon aufgrund der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke und des Bestandteils „Konzept Dr. Stute“ nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Markenstelle habe die hochgradige klangliche Ähnlichkeit der Marken verkannt. Diese ergebe sich aus dem kennzeichnungsstarken Wortteil „MITO-“, der von nicht fachkundigen Kreisen als Phantasiebegriff wahrgenommen werde. Er trete deshalb nicht in den Hintergrund, sodass allein der Unterschied zwischen „-ZELL“ und „-SYL“ die klangliche Verwechslungsgefahr nicht ausschließen könne. Darüber hinaus sei auch eine hohe schriftbildliche Ähnlichkeit gegeben, zumal die jüngere Marke auf Rechnungen und Auflistungen in normaler Schrift und ohne Wiedergabe der Grafik erscheine. Deshalb stünden sich auch insoweit die Schriftzüge „MITOZELL“ und „MITOSYL“ gegenüber. Aufgrund der Ähnlichkeit und teilweisen Identität der Waren und Dienstleistungen sei Verwechslungsgefahr gegeben.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 2011 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2008 061 912 anzuordnen.
Der Markeninhaber hat schriftsätzlich beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
An der mündlichen Verhandlung hat er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg. Im tenorierten Umfang besteht für das angesprochene Publikum zwischen den Vergleichsmarken die Gefahr von Verwechslungen (§§ 107, 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098 Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Nr. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915 Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040 Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930 Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235 Nr. 15 - AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2012, 1040 Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930 Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64 Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103 Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).
Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken im tenorierten Umfang Verwechslungsgefahr zu besorgen.
Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, Hygienepräparate für medizinische Zwecke, Pflaster, Verbandmaterial, Desinfektionsmittel“ sind identisch mit den Widerspruchswaren „pharmaceutiques, vétérinaires, hygiéniques, emplâtres, matériel pour pansement, désinfectants”.
Engere Ähnlichkeit besteht zwischen „ätherischen Ölen“ und „pharmaceutiques“ (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl., S. 18 f.). Erstere werden häufig in pharmazeutischen Produkten zur äußeren Anwendung verwendet, z. B. in den Bereichen Erkältungsmittel, Mittel gegen Verspannungen und Zerrungen oder zur Entspannung von Muskeln. „Haarwässer“ liegen ebenfalls im engeren Ähnlichkeitsbereich von „pharmaceutiques“ (vgl. Richter/Stoppel, a. a. O., S. 125 f.), da sie auch Wirkstoffe gegen Erkrankungen der Kopfhaut und der Haare enthalten können. Entsprechendes gilt für die von der angegriffenen Marke des weiteren erfassten „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ und „Zahnputzmittel“ (vgl. BPatG GRUR 1997, 840, 842 - Lindora/Linola). „Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke“ und „Zahnfüllmittel“ sind ähnlich zu „désinfectants” (vgl. Richter/Stoppel, a. a. O., S. 1).
Als ähnlich sind schließlich auch „medizinische Dienstleistungen“ und „Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen“ im Verhältnis zu „pharmaceutiques“ einzustufen. Eine nicht unerhebliche Zahl der Erbringer dieser Dienstleistungen stellt die dafür verwendeten Produkte selbst her. Dies gilt zwar weniger für Ärzte, die sich üblicherweise von Apotheken beliefern lassen, wohl aber für Heilpraktiker und Alternativmediziner sowie Vertreter der traditionellen chinesischen Medizin, die vielfach nur Rohstoffe oder Grundmaterialien beziehen und diese dann entsprechend der Diagnose dosieren, zusammenführen und zubereiten. Ebenso verhält es sich im Bereich der Gesundheits- und Schönheitspflege, insbesondere in der Kosmetik (vgl. auch Richter/Stoppel, a. a. O., S. 350, 356). Dasselbe gilt für „veterinärmedizinische Dienstleistungen“ und „Gesundheits- und Schönheitspflege für Tiere“. Im Bereich der Tiermedizin ist das Selbstzubereiten oft schon deshalb erforderlich, weil keine speziellen Medikamente im Handel erhältlich sind. Insoweit besteht ohne weiteres Ähnlichkeit dieser Dienstleistungen zu den Waren „produits vétérinaires“.
Lediglich in Bezug auf „Parfümeriewaren“ lässt sich keine relevante Ähnlichkeit zu den von der Widerspruchsmarke geschützten Waren feststellen, so dass die Beschwerde insoweit ohne Erfolg bleiben musste.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich, da jedenfalls der Schlusssilbe „-SYL“ - soweit ersichtlich - keinerlei beschreibender Sinngehalt zukommt.
Bei dieser Ausgangslage hält die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein.
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (z. B. BGH GRUR 2012, 64 Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Nr. 23 - MIXI). Das schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64 Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729 Nr. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055 Nr. 23 - airdsl).
Eine markenrechtlich erhebliche Zeichenähnlichkeit kann sowohl in klanglicher wie in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht vorliegen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042 Nr. 28 - THOMSON LIFE). Dabei begründet jedenfalls im Regelfall schon die Ähnlichkeit in einer Wahrnehmungsrichtung im Zusammenwirken mit den übrigen Faktoren eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2011, 826 Nr. 21 - Enzymax/Enzymix; GRUR 2011, 824 Nr. 26 - Kappa; GRUR 2010, 235 Nr. 18 - AIDA/AIDU; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rn. 224 m. w. N.).
Zwischen den beiden Marken besteht in klanglicher Hinsicht durchschnittliche Ähnlichkeit. Bei der sprachlichen Wiedergabe kommt das grafische Element der angegriffenen Marke nicht zur Geltung. Auch der grafisch abgesetzte Wortbestandteil „Konzept Dr. Stute“ tritt im Gesamteindruck zurück. Zwar ist der Eigenname „Dr. Stute“ für sich genommen für die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres kennzeichnungskräftig. In der Begriffskombination „Konzept Dr. Stute“ wird er jedoch vom Verkehr lediglich als Hinweis auf eine spezielle Behandlungsmethode und insoweit beschreibend verstanden (vgl. BGH GRUR 2003, 436, 439 - Feldenkrais). Die Markenstelle ist daher im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass sich im direkten Vergleich allein „MITOZELL“ und „MITOSYL“ gegenüberstehen.
Beide Markenwörter sind dreisilbig aufgebaut, wobei die am Wortanfang stehenden und insoweit vom Verkehr bevorzugt wahrgenommenen und in Erinnerung behaltenen Silben „MITO-“ identisch sind. Die Abweichungen in der dritten Silbe „-ZELL“ gegenüber „-SYL“ schaffen insoweit keinen ausreichenden Zeichenabstand, zumal „Z“ und „S“ klangverwandt sind und im Schlusslaut „L“ wiederum Übereinstimmung besteht.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil - wie die Markenstelle angenommen hat - der Verkehr die identischen Zeichenteile „MITO-“ als beschreibenden Hinweis auf Vorgänge in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen auffasse und seine Aufmerksamkeit daher auf die Schlusssilben richte. Zwar ist richtig, dass mit dem Zeichenteil „MITO-“ auf die Mitochondrien als Stoffwechselorte von Zellen oder auch auf die Mitose (Zellteilung) bzw. zytostatische Wirkstoffe wie Mitotan oder Mitoxantron hingewiesen werden kann (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 264. Aufl., S. 1343 f.). Die Markenstelle hat in diesem Zusammenhang jedoch nicht hinreichend beachtet, dass sich die Vergleichsmarken nach ihrem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis sowohl an den Fachverkehr als auch an das allgemeine Publikum richten. Unterscheidet sich das Verständnis der Marken in diesen Verkehrskreisen, so dass von einer gespaltenen Verkehrsauffassung auszugehen ist, so kann eine relevante Zeichenähnlichkeit schon dann zu bejahen sein, wenn lediglich ein Verkehrskreis die Zeichen als ähnlich wahrnimmt (vgl. BGH GRUR 2012, 64 Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass sich die aufgezeigten beschreibenden Anklänge zwar dem Fachverkehr, nicht aber dem allgemeinen Publikum erschließen. Für das allgemeine Publikum ist daher von zumindest durchschnittlicher klanglicher Zeichenähnlichkeit auszugehen.
In der Gesamtabwägung kann daher - abgesehen von den auch angegriffenen Parfümeriewaren - eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.
Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG. Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.