Entscheidungsdatum: 15.12.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 065 261.6
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markenanmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Februar 2011 aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
Pink Daisy
ist ursprünglich für
„pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Pflaster“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 5 - Erstprüfer - hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Das angemeldete Zeichen sei erkennbar aus den englischen Begriffen „Pink“ = „blassrosa“ und „Daisy“ = „Gänseblümchen“ zusammengesetzt und werde in Bezug auf die beanspruchten Waren als Hinweis auf Inhaltsstoffe dieser Waren - wie etwa Gänseblümchenextrakte - verstanden. Die medizinische Verwendung von Gänseblümchen als Heilpflanze, insbesondere bei Hauterkrankungen, Leberleiden oder als Rheumamittel, sei durch das angeführte Recherchematerial belegt; auch sei die Verwendung von Gänseblümchen als Tee bekannt. Sämtliche beanspruchten Waren könnten daher Gänseblümchenextrakt als möglichen pflanzlichen Inhalts- oder Wirkstoff enthalten. Das angemeldete Zeichen sei als sprachübliche Wortkombination für derartige Waren beschreibend und als Fachbegriff geeignet, der freizuhalten sei.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei für die beanspruchten Waren nicht beschreibend, da die Bezeichnung „Pink Daisy“ eine Wortneuschöpfung und weder in der englischen noch in der deutschen Sprache als zusammenhängender Begriff nachweisbar sei. Der englische Begriff „Daisy“ werde von deutschen Verbrauchern nicht als „Gänseblümchen“, sondern als weiblicher Vorname verstanden; es gebe keine rosa- oder pinkfarbenen Gänseblümchen, die als Heilpflanze verwendet würden.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin das Warenverzeichnis wie folgt beschränkt:
„Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Kontrazeptiva“.
Mit dieser Maßgabe beantragt die Anmelderin,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses auch in der Sache begründet. Für die nunmehr noch beanspruchten Waren fehlt der angemeldeten Marke weder die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch unterliegt sie insoweit einem Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus).
Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).
Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „Pink Daisy“ über die erforderliche Unterscheidungskraft. Zutreffend ist die Markenstelle allerdings davon ausgegangen, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse als Hinweis auf Gänseblümchenextrakt als Inhaltsstoff versteht, da die medizinische Verwendung von Gänseblümchen als Heilpflanze bekannt ist. Aufgrund dieses Bedeutungsgehalts fehlte es der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die ursprünglich angemeldeten Waren an der erforderlichen Unterscheidungskraft. Wie die Markenstelle weiter zutreffend festgestellt hat, ist der Anwendungsbereich der Heilpflanze Gänseblümchen auf die Behandlung von Hauterkrankungen, Leberleiden und die Verwendung als Rheumamittel oder Tee beschränkt. Nachdem die Anmelderin ihr Warenverzeichnis auf pharmazeutische Erzeugnisse in Form von Kontrazeptiva beschränkt hat, kann der angemeldeten Marke in Bezug auf diese Waren daher kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt mehr zugeordnet werden, so dass sich keine Eignung zur beschreibenden Verwendung als Sachangabe hinsichtlich der Eigenschaften dieser Waren ergibt.
Es kann daher nicht festgestellt werden, dass dem Zeichen die Eignung fehlt, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfasste Ware eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden; „Pink Daisy“ fehlt insoweit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf diese Ware auch kein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; denn es ist aus obengenannten Gründen nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.