Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2012


BPatG 28.06.2012 - 30 W (pat) 525/10

Markenbeschwerdeverfahren – "OGUCHI IMPLANT METHOD" – Anforderungen an das Dienstleistungsverzeichnis –


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 525/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 064 209.5

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

I. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. März 2010 aufgehoben.

II. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.  

1

Das Wortzeichen

2

OGUCHI IMPLANT METHOD

3

ist ursprünglich für folgende Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet worden:

4

„Klasse 44:

5

Medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen; Bereitstellung medizinischer Informationen; körperliche Untersuchungen; Zusammenstellen und Ausgeben von Medizin; Vermietung medizinischer Apparate, Instrumente, Maschinen und Geräte.“

6

Auf die Beanstandungsbescheide der Markenstelle vom 8. Januar 2010 und vom 11. Februar 2010 hat die Anmelderin das Dienstleistungsverzeichnis wie folgt neu gefasst:

7

„Klasse 38:

8

Bereitstellung medizinischer und zahnmedizinischer Informationen über lokale, regionale, nationale und internationale Computernetzwerke, insbesondere über das Internet;

9

Klasse 41:

10

Herausgabe von Zeitungen, Magazinen und Bücher(n) mit medizinischen und zahnmedizinischen Informationen; Abhaltung(en) von Seminaren über medizinische und zahnmedizinische Themen; Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen mit medizinischen und zahnmedizinischen Themen;

11

Klasse 44:

12

Medizinische und zahnmedizinische Dienstleistungen; Durchführung medizinischer Untersuchungen; Dienstleistungen eines Apothekers; Vermietung medizinischer Apparate, Instrumente, Maschinen und Geräte.“

13

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach nochmaliger Beanstandung mit Beschluss vom 17. März 2010 teilweise, nämlich hinsichtlich der Dienstleistungen „Bereitstellung medizinischer und zahnmedizinischer Informationen über lokale, regionale und internationale Computernetzwerke, insbesondere über das Internet“ zurückgewiesen. Die insoweit verwendeten Begriffe entsprächen nicht der „Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen, 9. Ausgabe“.

14

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle vom 17. März 2010 aufzuheben und die Rückerstattung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

16

Sie ist der Auffassung, die zurückgewiesenen Dienstleistungen seien klar, eindeutig und hinreichend bestimmt formuliert. Es sei nicht erforderlich, dass das Verzeichnis dem Wortlaut der „Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen“ entspreche.

II.

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Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Unrecht gemäß §§ 32 Abs. 3, 36 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 MarkenG zurückgewiesen.

18

1. Die Markenstelle weist eine Markenanmeldung ganz oder teilweise gemäß § 32 Abs. 3 i. V. m. § 36 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 MarkenG zurück, wenn sie die dort genannten Mängel aufweist und diese nicht innerhalb einer von ihr bestimmten Frist beseitigt werden. Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG muss die Anmeldung ein Verzeichnis der beanspruchten (Waren und) Dienstleistungen enthalten. Nach § 32 Abs. 3 MarkenG i. V. m. § 20 Abs. 1 MarkenV sind diese so zu bezeichnen, dass die Klassifizierung derselben in eine Klasse der Klasseneinteilung nach § 19 Abs. 1 MarkenV möglich ist. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, § 19 Abs. 1 und 2 MarkenV sollen hierbei die Bezeichnungen der Klasseneinteilung und die Begriffe der Anlagen 2 und 3 zur MarkenV verwendet werden, soweit dies möglich ist.

19

Die Anmeldung weist jedenfalls in ihrer präzisierten Form die hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 38 beanstandeten Mängel nicht auf. Die für die Klasse 38 vorgesehenen Dienstleistungen „Bereitstellung medizinischer und zahnmedizinischer Informationen über lokale, regionale, nationale und internationale Computernetzwerke, insbesondere über das Internet“ sind weder unzutreffend gruppiert noch unklar formuliert.

20

Die Klasse 38 betrifft „Telekommunikation“. Sie umfasst u. a. solche Dienstleistungen, welche Botschaften von einer Person an eine andere übermitteln und solche, die im Wesentlichen in der Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen bestehen. Hierunter fällt auch die „Vermietung von Zugriffszeit auf globale Computernetzwerke“ (Markenklassifikation, 9. Ausgabe, Teil I, S. 253 bzw. 10. Ausgabe, Teil I, S. 260) bzw. die von der Markenstelle im Bescheid vom 11. Februar 2010 vorgeschlagene Formulierung „Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet“. Die von der Anmelderin gewählte Formulierung unterscheidet sich von der von der Markenstelle vorgeschlagenen - soweit hier von Interesse - lediglich in dem Verzicht auf die Worte „des Zugriffs auf“. Die Markenstelle hat jedoch nicht aufgezeigt, inwiefern hierdurch eine Unklarheit entstehen soll. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Das Bereitstellen von Informationen (für Dritte) über Computernetzwerke ist inhaltlich nichts anderes als eben das Bereitstellen des Zugriffs Dritter auf Informationen über Computernetzwerke. Denn eine Information, auf die nicht zugegriffen werden kann, ist auch nicht bereitgestellt.

21

Es gibt auch keine Rechtsgrundlage für das Verlangen der Markenstelle, im Dienstleistungsverzeichnis nur Begriffe zu verwenden, die in der „Internationalen Klassifikation“ enthalten sind. Das ergibt sich insbesondere nicht aus § 20 Abs. 2 Satz 1 MarkenV. Diese Vorschrift spricht von „sollen“ mit der Einschränkung „soweit möglich“. Ein „Müssen“ ist hieraus nicht herzuleiten (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 32 Rn. 11 a. E.), zumal § 20 Abs. 2 Satz 2 MarkenV das „Sollen“ des Satzes 1 weiter relativiert. Es reicht deshalb aus, wenn die verwendeten Begriffe eine eindeutige Klassifizierung zulassen. Das ist der Fall.

22

Aus den vorstehenden Gründen liegt auch kein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 MarkenV vor.

23

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG angemessen. Anders als in § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG knüpft das Gesetz für die Gebührenrückzahlung in § 71 Abs. 3 MarkenG dem Wortlaut nach nicht an Billigkeitsgesichtspunkte an. Diese sind gleichwohl für die Entscheidung maßgeblich (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 71 Rn. 43). Allerdings besteht im Vergleich zur Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ein weiter gehender Spielraum, weil beim Erlass der Beschwerdegebühr, anders als bei einer vom Grundsatz abweichenden Kostenentscheidung, keiner der Beteiligten belastet wird (vgl. BPatG 33 W (pat) 9/09 - IGEL PLUS/PLUS). Eine Erstattung der Beschwerdegebühr kommt dennoch nur in Ausnahmefällen in Betracht, um dem grundsätzlichen Anliegen des Gesetzgebers gerecht zu werden, das gerichtliche Beschwerdeverfahren für den Regelfall gebührenpflichtig auszugestalten (BPatG a. a. O.; Ströbele/Hacker, a. a. O. Rn. 43; Ingerl/Rohnke, MarkenR, 3. Aufl., § 71 Rn. 35). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.

24

Die Anmelderin hatte ursprünglich die „Bereitstellung medizinischer Informationen“ beansprucht und auf die Beanstandung vom 8. Januar 2010 formuliert: „Bereitstellung medizinischer Informationen über lokale, regionale, nationale und internationale Computernetzwerke, insbesondere über das Internet, …“. Daraufhin hat die Markenstelle mit weiterem Bescheid vom 11. Februar 2010 vorgeschlagen bzw. - wie der weitere Verlauf des Verfahrens gezeigt hat - zwingend verlangt, in Klasse 38 zu formulieren „Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet“. Dieser Vorschlag bzw. dieses Verlangen war nicht nur - wie aufgezeigt - unbegründet (was für eine Gebührenrückzahlung grundsätzlich noch nicht ausreichend wäre), sondern auch unzulässig, weil er durch den Verzicht auf die Einschränkung „medizinische“ (Informationen) eine unzulässige Erweiterung enthielt.

25

Bei dieser Sachlage entspricht es nicht der Billigkeit, die Beschwerdegebühr einzubehalten.