Entscheidungsdatum: 14.06.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 108 401.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 14. Juni 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. von Hartz
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. Dezember 2016 aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
LEAK
ist am 15. September 2016 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register unter der Nummer 30 2016 108 401.4 angemeldet worden. Verfahrensgegenständlich sind nachfolgende Waren und Dienstleistungen:
"Klasse 9: Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild; Lautsprecher; Verstärker; Tuner; Rundfunkempfänger; Radiogeräte; Plattenspieler; CD-Abspielgeräte; CD-Aufzeichnungsgeräte; Schallplattenabspielgeräte; Kassettenabspielgeräte; Mikrofone; Kopfhörer; Digital-Analog-Umsetzer; Fernseher; Videorecorder; DVD-Abspielgeräte; DVD-Aufzeichnungsgeräte; Blu-ray-Abspielgeräte; Blu-ray-Aufzeichnungsgeräte; Kabel oder Stecker, Wandler, Teile und Verbinder für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten;
Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen betreffend Waren aus der Klasse 9, einschließlich Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild, Lautsprecher, Verstärker, Tuner, Rundfunkempfänger, Radiogeräte, Plattenspieler, CD-Abspielgeräte und CD-Aufzeichnungsgeräte, Schallplattenabspielgeräte, Kassettenabspielgeräte, Mikrofone, Kopfhörer, Digital-Analog-Umsetzer, Fernseher, Videorecorder, DVD-Abspielgeräte und DVD-Aufzeichnungsgeräte, Blu-ray-Abspielgeräte und Blu-ray-Aufzeichnungsgeräte, Kabel oder Stecker, Wandler, Teile und Verbinder für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten;
Klasse 37: Reparaturdienstleistungen; vorstehende Dienstleistungen betreffend Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild;
Klasse 41: Aus-, Fort- und Weiterbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten."
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei nicht unterscheidungskräftig. Das englische Substantiv „LEAK“ bedeute im Deutschen „Leck, Loch, undichte Stelle“ und werde im deutschsprachigen Raum als die Nicht-Veröffentlichung von Informationen verstanden. Der Begriff „LEAK“ werde aufgrund der gerade seit den Veröffentlichungen u. a. von Julian Assange und Edward Snowden hinlänglich bekannten WikiLeaks immer wieder in Medien thematisiert. Die angemeldete Marke sage daher lediglich aus, dass die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen dazu dienen/dazu bestimmt seien, vertrauliche Informationen, geheime Verträge oder Verhandlungspapiere sowie Vorabversionen von Filmen und Musikstücken zu veröffentlichen bzw. zugänglich zu machen. Die Dienstleistungen könnten mit ihren handels- und reparaturspezifischen Schwerpunkten mit diesen geheimen Informationen in engem Sachzusammenhang stehen. In Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 41 ergebe sich aufgrund der Nähe des Anmeldezeichens zu einem Werktitel oder einer Inhaltsangabe bei dem angesprochenen Verkehr allein die Vorstellung, dass sich deren Inhalt und Gegenstand mit dem Thema „LEAK“ befasse.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, die er nicht begründet hat.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 64 Abs. 6 S. 1, 66 MarkenG statthaft und zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der angemeldeten Wortmarke "LEAK" kein Eintragungshindernis entgegensteht. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Unrecht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610 Rn. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 808 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 - OUl; GRUR 2013, 731 Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229 Rn. 27 - BiolD; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rn. 10 -My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 7 -Starsat; GRUR 2012, 1044 Rn. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270 Rn. 8 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 - grill meister; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Mit den hier maßgeblichen Waren der Klasse 9 werden Fachverkehrskreise und Endverbraucher angesprochen, wobei es sich um Produkte handelt, die mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung erworben oder nachgefragt werden.
b) Das angemeldete Zeichen kommt aus dem Englischen. "Leak" bedeutet als Substantiv im Deutschen „Leck“ (vgl. PONS, Großwörterbuch Englisch, Stuttgart 2014, Stichwort: leak) und ist mit dem englischen Begriff „leakage“ sowie dem in die deutsche Sprache eingegangenen „Leckage“ sinnverwandt (vgl. DUDEN, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl., Stichwort: Leakage). Es bedeutet ferner „undicht sein, lecken, tropfen“ und als Verb „etwas verlieren, austreten lassen“. Im Zusammenhang mit vertraulichen Informationen wird ausgedrückt, „etwas durchsickern (zu) lassen“. Im letztgenannten Sinne gehört es u. a. zur englischen Umgangssprache („Ein Geheimnis verraten“, vgl. SLANG, Lexikon der englischen Umgangssprache, 1989, Stichwort: leak; Redling, Kleines USA-Lexikon, 2. Aufl., Stichwort: leak). "Leak" ist auch ein englischer Nachname.
Soweit die Markenstelle der Auffassung ist, dass „LEAK“ im deutschsprachigen Raum die nicht autorisierte Veröffentlichung von Informationen bezeichnet, kann dem nicht beigetreten werden. Das Anmeldezeichen ist ausschließlich in seiner angemeldeten Gesamtheit Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren (BGH GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 - Buchstabe T mit Strich). Der Begriff "LEAK" wird in Alleinstellung in diesem Sinne - nach der Recherche des Senats - nicht verwandt. Dem angesprochen Verkehr sind zwar in diesem Zusammenhang Enthüllungsplattformen wie „Wikileaks; Offshore-Leak; ttip-leaks“ oder weitere Begriffspaare wie „liveleak; Leak Forum, MCleaks“ mehr oder weniger bekannt. Ein solches zusätzliches Bestimmungswort fehlt aber der um Schutz nachsuchenden Bezeichnung. In der angemeldeten Form ist „LEAK“ weder die Bezeichnung für ein Qualitätsmerkmal, ein Fachausdruck noch ein werblicher Hinweis.
aa) In den einschlägigen Nachschlagewerken zum "Hacken" wird das Anmeldezeichen nicht in Alleinstellung verwendet. Soweit das Anmeldezeichen überhaupt verwendet wird, geschieht dies nicht isoliert, sondern in Kombination mit einem weiteren Begriff wie: leakyapp (damit wird getestet, wie die gewählte Anwendung sich im Arbeitsspeicher verhält, vgl. ANONYMOUS, Hacker´s Guide, 2003, Stichwort: leakyapp) oder LEAKTEST (einem Tool, welches einen Leaktest durchführt und zeigen kann, dass trotz aktivierter Firewall durchaus Daten ins Internet geschleust werden können, ohne dass der Anwender das mitbekommt, vgl. Kraft, Anti Hackerz Book, 3. Aufl., S. 119).
bb) Bei dem angegriffenen Zeichen handelt es sich auch nicht um ein geläufiges und alltägliches Werbeschlagwort. Der Verkehr wird es nicht stets als solches – mithin als übliche Floskel - verstehen (BPatG, 26 W (pat) 522/14 - FAVORIT). In der Werbesprache wird der Begriff „leak“ in Alleinstellung nicht verwendet, wie eine Recherche des Senats in der Datenbank "slogans" (www.slogangs.de) ergab. Vielmehr sind diesem Wort Begriffe vorangestellt und/oder nachgestellt, wie z. B. "No leak is a good leak", "Designed to stop leaks", "No leak, no drip, no mess" oder "The one that doesn´t leak". Dieses Rechercheergebnis kann somit die Annahme einer allgemeinen Werbeaussage des Anmeldezeichens nicht begründen, da es nicht in Alleinstellung, sondern stets im Zusammenhang mit anderen Worten benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2016, 934 Rn. 24 - OUI).
cc) Mit den oben dargelegten Bedeutungen beschreibt das Anmeldezeichen keine Merkmale der angemeldeten Waren unmittelbar. Ferner besteht kein enger beschreibender Bezug, da die Waren und Dienstleistungen jedenfalls in keinem näheren Zusammenhang zu den vorstehenden Bedeutungen stehen.
(1) Die in der Klasse 9 beanspruchten Waren können lediglich im übertragenen Sinne eine „undichte“ Stelle aufweisen. Dies wäre dann der Fall, wenn sie so voreingestellt sind, dass sie unberechtigterweise Informationen für Dritte aufnehmen und bereitstellen, mithin als Mittel eingesetzt werden würden. Ein derartiger Bestimmungszweck fehlt den Waren der Klasse 9. Um zu diesem Begriffsverständnis zu gelangen, wären - nicht zulässige - analytische Schritte bei der Begriffsdeutung erforderlich.
(2) Obiges gilt erst recht für die in Klasse 35 beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen betreffend Waren der Klasse 9.
Die Dienstleistungen des Einzelhandels umfassen neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines Kaufvertrags anzuregen. Zu diesen Tätigkeiten gehören die Auswahl eines Sortiments an Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und die im Angebot liegenden verschiedenen Dienstleistungen, die Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit einem bestimmten Händler und nicht mit einem Wettbewerber abzuschließen (vgl. EuGH GRUR 2005, 764 Rn. 34 - Praktiker; BGH MarkenR 2016, 157 Rn. 22 - BioGourmet). Die Waren, die Gegenstand der Einzelhandelsdienstleistung sind, weisen - wie zuvor ausgeführt - bereits keinen im Vordergrund stehenden inhaltlichen oder sonstigen Sachbezug zu "Datenlecks" auf.
cc) Nichts anderes gilt im Verhältnis zu den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 37.
dd) Schließlich besteht auch in Bezug auf die in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen nicht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft. Soweit das Anmeldezeichen Titel einer Weiterbildungsmaßnahme wäre, wäre dieses mangels zusätzlichen Bestimmungswortes zu vage, als dass der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen im Sinne einer Themenangabe einer (unberechtigten) Veröffentlichung von Informationen verstehen würde. Der Begriff "LEAK" ist gerade keine hinreichend konkrete Themenangabe.
2. Aus vorstehenden Gründen scheidet auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus.
3. Im weiteren Verfahren wird die Markenstelle das Verzeichnis der Dienstleistungen weiter zu prüfen haben. Nicht ausreichend ist in Bezug auf die Einzel- und Großhandelsdienstleistungen, dass nur Klassenangaben gemacht werden (vgl. BPatG, 29 W (pat) 574/12 - Netto). Die Bezugnahme durch „einschließlich“ verhilft dem Verzeichnis nicht zur hinreichenden Klarheit.